Videoaufnahmen wurden offenbar nicht gemacht oder zumindest nicht veröffentlicht. Alles was sich im Netz findet, sind ein paar Fotos, ein Kommentar von Dieter Stein, ein Bericht von Fabian Schmidt-Ahmad.
Das ist bedauerlich, denn der Ertrag eines solchen Matches wäre nicht von geringem Interesse. Natürlich möchte man wissen, wer denn da “gewonnen” hat (mir wurde berichtet, Weißmann habe Augstein quasi in der Pfeife geraucht, freilich von parteiischer Seite), wie in der Debatte zwischen Slavoj Žižek und Jordan Peterson. Es kommt selten genug vor, daß Linke und Rechte öffentlich debattieren, und noch dazu auf Augenhöhe (wobei Augstein kaum dem Niveau von Weißmann entspricht).
Oder präziser: Es kommt selten genug vor, daß Linke (die zum Konsensklub gehören) mit Rechten (die am Katzentisch des Konsensklubs sitzen oder völlig ausgeschlossen sind) öffentlich debattieren. Und dies vor allem aus zwei Gründen: Erstens will man die aus dem Sandkasten verbannte “Rechte”, der häufig von links jedes Existenzrecht abgesprochen wird, nicht “legitimieren” (und wer es wagt, bekommt Feuer aus den eigenen Reihen), zweitens haben wohl etliche Papiertiger Angst, aufgefressen zu werden, wenn es hart auf hart kommt und harte Dollars gefordert sind.
Da wir uns die Debatte nicht ansehen können, müssen wir uns mit dem Ertrag der Meta-Ebene begnügen. Dieter Stein schrieb:
Es ist das Verdienst Augsteins, dieses Streitgespräch gegen erhebliche Kritik gesucht zu haben. Es ist müßig, zu urteilen, wer in diesem Gespräch wo inhaltlich punkten konnte. Gewonnen hat in erster Linie die demokratische Kultur.
Letztere scheint in der ins Neototalitäre kippenden Bundesrepublik des Jahres 2019 nur mehr ein frommes Lippenbekenntnis zu sein:
Obwohl jedes Kind in der Schule lernt, daß für unser Gemeinwesen die Meinungsfreiheit, der freie Austausch von Argumenten, der Streit über das Für und Wider konstitutiv sei, registrieren Schüler fast genauso schnell, daß dieser vermeintlich freie Diskurs von Tabus und Restriktionen verstellt ist, daß die Machtfrage entscheidend ist: Wer kommt auf das Podium? Wer darf sich öffentlich äußern? Wer gilt als „diskutabel“, wer verschwindet von der Bildfläche – steht außerhalb des Diskursraumes der Öffentlichkeit in Form von Fernsehen, Rundfunk und meinungsbildenden großen Zeitungen?
Insofern hat Augstein, der als “diskutabel” gilt, Weißmann, der als “indiskutabel” gilt, tatsächlich “legitimiert”, indem er sich der Debatte gestellt hat. Daß die Fließrichtung links-rechts ist, und nicht umgekehrt, zeigt klar die Machtverhältnisse.
Zwei Monate später erscheint ein Interview mit Augstein, in dem sich dieser für sein Reden mit Rechten mehr oder weniger rechtfertigt. Das “Framing” ist etwas anders als jenes Steins:
Wenn eine Partei bei den Wahlen 20 und mehr Prozent bekommt, hat die demokratische Gesellschaft gar keine andere Option als sich mit den Inhalten und Argumenten dieser Partei und ihrer Sympathisanten auseinanderzusetzen.
“Die demokratische Gesellschaft” ist hier der Sandkasten, in dem ein Linker wie Augstein wie selbstverständlich Platz hat und von dem ein Rechter wie Weißmann wie selbstverständlich ausgeschlossen ist. Die Gesamtlinke (bis hin zu Antifanten) gehört nach den Regeln des Establishments zum Spektrum der “Demokraten”, während die paar verbliebenen Zipfel der Gesamtrechten, die noch in dieses Spektrum hineinreichen, unter Beschuß stehen und eliminiert werden sollen.
Die rote Linie wird überschritten, sobald man sich den Themen Einwanderung und/oder Islam kritisch nähert, und dann gerät man rasch in Verdacht, ob man noch dazugehört, oder nicht schon ein Fall fürs Paria-Lager der “Rechtspopulisten” ist – so Thilo Sarrazin (SPD), Sahra Wagenknecht (Die Linke) oder Franziska Becker (die altgediente Hauscartoonistin der EMMA).
Die “Rechten” und “Reaktionäre” ist man inzwischen zu studieren gezwungen, sie bleiben aber “die Anderen” außerhalb des “demokratischen” Clubs, eben jenen, in dem Dieter Stein auch gerne aufgenommen werden möchte.
“Demokratisch” ist hier wie so oft eine Chiffre für das Kartell der Legitimen und Legitimierten, Etablierten und Herrschenden. Und wenn man genauer hinsieht: Nichts weiter als das. Sie sagen: “Wir, und nur wir sind die Demokraten. Wer uns opponiert, ist Antidemokrat, Demokratiefeind, Verfassungsfeind.”
“Demokratie” ist im heutigen Gebrauch ein fast völlig sinnentleerter Begriff, der von einer historisch bedingten Mystik oder Aura lebt. Häufig wird er einfach synonym für einen vagen universalistischen Humanitarismus benutzt, der mit einer “Herrschaft des Volkes” oder mit “Volkssouveränität” nicht mehr das Geringste zu tun hat, ja mittlerweile als Waffe gegen diese Konzepte wie auch den klassischen Volksbegriff selbst benutzt wird.
Der diskursive Vorsprung Augsteins zeigt sich allein daran, daß er und nicht Weißmann hier gebeten wird, über das Gespräch und den Gesprächspartner zu reflektieren. Die Perspektive ist klar: Wir schauen auf euch. Aber Augstein ist auch auf einer grundsätzlicheren metapolitischen Ebene im Vorteil:
Was ist der rechte Rand? Reaktionäre Konservative wie Weißmann teilen eine grundsätzliche Überzeugung der Aufklärung nicht: dass alle Menschen frei und gleich geboren sind und gleiche Rechte haben. Diese Haltung ist ihrem Wesen nach extrem, sie lässt sich nicht in die politische Mitte überführen, man kann nur das politische System nach rechts führen. Ich glaube, das ist das Ziel der AfD.
Dem kann man antworten: Die politische Mitte, das politische System hat sich längst weit nach links verschoben. Der von Augstein zitierte Grundsatz (den die meisten Konservativen nicht ablehnen würden) wurde universalistisch-egalitaristisch radikalisiert, was unter anderem zu utopischen Blüten wie dieser hier führt, ohne daß Phantasien dieser Art als “extrem” gewertet würden.
Wie sehr sich ein radikalisierter Egalitarismus als Staatsräson durchgesetzt hat, kann man ermessen, wenn man liest, welche Begründungen der (nun politisch zuverlässig bemannte) Verfassungsschutz liefert, warum die Identitäre Bewegung als “rechtsextrem” einzustufen sei. Sie sind im Stil der linksextremen Amadeu-Stifung formuliert, und enthalten die üblichen, zum Teil krassen Verdrehungen und Verleumdungen. Besonders grotesk ist, daß das öffentliche Zeigen des Slogans “Grundgesetz statt Scharia” als “verfassungsfeindlich” gewertet wird.
Welche ideologischen Prämisse liegen der Behauptung zugrunde, die Asyl- und Einwanderungskritik der IB ziele darauf ab, „Menschen mit außereuropäischer Herkunft von demokratischer Teilhabe auszuschließen und sie in einer ihre Menschenwürde verletzenden Weise zu diskriminieren“?
Hier werden nicht nur Menschenrechte und Bürgerrechte miteinander verwechselt, sondern auch noch insinuiert, es wäre eine die “Menschenwürde verletzende Diskriminierung”, einem Menschen etwa einen deutschen Pass zu verwehren oder das Aufenthaltsrecht zu entziehen.
Die VS-Begründung ist so formuliert, als ob der Multikulturalismus schon nicht mehr zur Debatte stünde. Wer ihn ablehnt, begibt sich gemäß der herrschenden Ideologie bereits ins “rechtsextreme” Terrain und verläßt den Boden des Grundgesetzes. Ein Twitter-User schrieb treffend:
Das ist der Fall und letztendlich von links auch nur der logische Endpunkt der linken Auslegung von Egalitarismus und Universalismus. Es wird ja schon seit Jahren von links gesagt, dass dieser Prozess einfach hinzunehmen sei, weil eine Umkehrung GG-widrig. Wenn gemäß der gegenwärtigen Deutung Multikulturalismus ein demokratisch-pluralistischer Verfassungswert an und für sich ist, dann ist der Konservatismus verfassungswidrig geworden.
Auch in Deutschland hat sich eine ideologische Auffassung durchgesetzt, die Steve Sailer in Bezug auf die USA als ungeschriebenen, aber stillschweigend vorausgesetzten “nullten Zusatzartikel” (“Zeroth Amendment”) des Grundrechtkatalogs (“Bill of Rights”) bezeichnete:
Wie wir alle wissen, lautet der nullte Zusatzartikel des Grundrechtekatalogs, wie er in die Freiheitsstatue eingemeißelt wurde, daß Amerikaner kein Recht auf Grenzen haben, weil damit gegen das Bürgerrecht von Ausländern, einwandern zu dürfen, diskriminiert würde. Der nullte Zusatzartikel geht übrigens dem ersten (der “Redefreiheit” gewährleistet – ML) voraus, was bedeutet, daß man auch kein Recht hat, dagegen zu protestieren.
Laut Vera Lengsfeld (ich konnte die Originalquelle nicht finden), stuft der Haldenwang-VS selbst diese Aussage des AfD-Politikers Jörg Urban als “verfassungsfeindlich” ein:
Deutschland hat im Laufe seiner Geschichte viele Einwanderer aus benachbarten Kulturkreisen aufgenommen und integriert. Aber alles hat seine Grenzen.
Dem könnte man in der Tat etliche, sehr ähnliche Aussagen von etablierten Politikern wie Helmut Schmidt und Willy Brandt, Gauck oder Genscher entgegenstellen.
Angesichts dieser Zuspitzungen sollte es niemanden überraschen, wenn der Appetit der Linken mit der Stigmatisierung der IB nicht gestillt ist, wie Georg Restle hier unmißverständlich klarmacht. Die Gesamtrechte soll Stück für Stück gefressen werden, bis hin zur “Werte-Union”. Dort betteln noch ein paar, daß sie zuletzt an die Reihe kommen mögen.
Um nun zu Augstein zurückzukehren, so zeigt er eine überraschend ehrbare und intellektuell saubere Haltung, wenn er sagt:
Ich will mit Rechten reden, aber ihnen nicht auf den Leim gehen. Natürlich muss man damit rechnen, instrumentalisiert zu werden. Das ist auch in Ordnung. Man sollte nicht naiv sein, aber selber auch nicht heucheln: Niemand geht tatsächlich ergebnisoffen in ein solches Gespräch, niemand ist in einer solchen Gesprächsumgebung bereit, den eigenen Standpunkt zu hinterfragen. Es geht darum, die eigenen Argumente und die des Gegenübers zu prüfen. Das ist schon viel.
Ist es, erst recht angesichts der immer absurder werdenden Inszenierungen von “Meinungsfreiheit” und Pluralismus, die wohl auch ein Grund sind, warum Hans-Georg Maaßen unlängst die NZZ als “Westfernsehen” bezeichnet hat (ich tat dies lange, bevor es cool war.)
quarz
"Die VS-Begründung ist so formuliert, als ob der Multikulturalismus schon nicht mehr zur Debatte stünde."
Mehr als der Beobachtungsstatus selbst hat dessen Begründung auch meine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Ich weiß nicht, ob allen aufgefallen ist, dass keiner minderen Instanz als der Wahrheit selbst jetzt von staatlicher Seite offiziell der Krieg erklärt wurde. Nicht hinterrücks und mit vernebelnder Trickserei, sondern frontal und unverhohlen. Offenbar glaubt man, dass man die Leute jetzt so weit hat, dass sie sich nur noch blind an der amtlichen Stigmatisierung orientieren und darauf verzichten, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen und Behauptungen mit der Realität zu vergleichen.
Konkret meine ich damit jetzt gar nicht den Umstand, dass in Bezug auf angebliche Positionen der IB faustdicke Lügen aufgetischt wurden wie z.B. die, die IB erkläre es zur Unmöglichkeit, dass ein Angehöriger einer fremden Kultur zu einem vollwertigen Partizipanten der hiesigen demokratischen Gesellschaft werden kann. Nein, ich meine den Umgang mit dem Gedanken, dass die eigene Kultur durch Überfremdung Schaden nehmen kann. Ich habe in diesem Medium ja selbst schon darauf hingewiesen, dass schädigende Wirkungen einer ethnischen Fraktionalisierung wissenschaftlich massiv belegt sind. Forscher von Weltruf haben das in aller Welt wieder und wieder nachgewiesen. Ihre Resultate lassen sich in den führenden wissenschaftlichen Publikationsmedien nachlesen (worüber zu berichten in den deutschen „Qualitäts“medien freilich peinlichst vermieden wird). Dieser Befund wird nun aber bei der Begründung der „Beobachtung“ zur verfassungswidrigen „Ansicht“ erklärt. Eine empirische Frage wird einer rechtlichen Norm unterworfen. Und diese Unterwerfung wird so geregelt, dass die wissenschaftlich erwiesene Wahrheit als verfassungswidrig eingestuft wird. Nach meiner Kenntnis ist Vergleichbares außerhalb von totalitären Systemen noch niemals geschehen.
Wir sind damit an einem Punkt angekommen, an dem ich mir ohne fiktionalen Beigeschmack vorstellen kann, dass mit derselben Dreistigkeit, mit der jetzt wissenschaftliche Erkenntnisse zu verfassungsfeindlichen Ideologemen umgelogen werden, noch in erlebbarer Frist der Widerstand gegen die Einführung von Scharia-Normen oder ähnlichen gesellschaftlichen Regeln nach dem Geschmack der neuerdings hier Lebenden für verfassungswidrig erklärt wird.
Wie geschmeidig sich die Auslegung des Grundgesetzes in kürzester Zeit an die Wünsche der Herrschenden anpassen lässt, zeigt die Art, wie eine fundamentale Leitbestimmung innerhalb von zwei, drei Jahren in ihr Gegenteil verkehrt wurde. Eben noch wiesen uns prominente Verfassungsrechtler wie z.B. Dietrich Murswiek darauf hin, dass es mit dem Prinzip der Volkssouveränität nicht vereinbar sei, den ethnischen Charakter des Souveräns zu verändern. Und kaum ist ein fügsamer Günstling der Machthaber an der Spitze des Verfassungsschutzes installiert, lässt man uns wissen, dass das Eintreten für den Erhalt des ethnischen Charakters des Demos verfassungsfeindlich sei. Die willkürlich Schaltenden und Waltenden scheren sich offenbar keinen Deut mehr um die Wahrheit oder auch nur um innere Konsistenz und Kohärenz ihrer Position. Die Verfassung ist Wachs in den Händen der Herrschenden. Sie wird nach Bedarf stets so ausgelegt, dass sie die Interessen der Machthaber zu bestätigen und die Ambitionen der Kritiker als schurkisch zu erweisen scheint. Und der eine oder andere linientreue Experte, der sein Placet gibt, findet sich immer.
Wenn ein Regime aufhört, seinen Kampf gegen die Wahrheit zu verschleiern, dann hat die Entwicklung eine qualitativ neue Stufe erreicht. Die Dinge spitzen sich zu.