Geboren 1957 in Istanbul als mittlere Tochter einer aus Ostanatolien stammenden tscherkessischen Familie, bei der die Mutter noch für den Preis von zwei Ochsen an die Familie des Vaters verkauft worden war, gelangte Kelek 1966 nach Deutschland, wo es zu einem Zerwürfnis mit dem sich zunehmend autoritärer verhaltenden Vater kam, in dessen Folge dieser die Familie verließ und nach Anatolien zurückging. Erst die Abwesenheit des Vaters ermöglichte Kelek ab ihrem siebzehnten Lebensjahr eine mehr oder weniger „normaldeutsche“ Sozialisation. Sie machte eine Ausbildung zur technischen Zeichnerin und holte auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nach. Ihre politischen Sporen verdiente sie sich in der Gewerkschaftsbewegung, als Jugendvertreterin der IG Metall. Den dort begeistert aufgenommenen Marxismus-Leninismus-Schulungen ließ sie ein Studium der Volkswirtschaft und Soziologie folgen, im Zuge dessen sie Teilhaberin am weitverzweigten akademischen Netzwerk der von „Alt-Stalinisten“ (Kelek) durchsetzten westdeutschen Migrationsforschung wurde. Brav gehorchte sie den ideologischen Regeln dieses Betriebes und beteuerte 2002 in ihrer Dissertation über „Islam im Alltag“, daß der Islam sich an die Moderne angepaßt habe, unter anderem weil eine „Subjektivierung“ der Tradition bei türkischen Jugendlichen zu verzeichnen sei. Den Bruch mit einer Karriere nach üblichem migrationspolitischem Muster vollzog Kelek nach eigenen Angaben erst aufgrund des Falles Fereshta Ludin, dem „Kopftuchstreit“: „Seitdem war mir klar, daß der Islam als politisches Instrument auch in Deutschland mißbraucht wird und daß mit Beschwichtigung nichts mehr zu erreichen ist.“
Dieser Bruch wurde auch auf der ideologischen Ebene vollzogen. Kelek verknüpfte ihren liberalen Individualismus mit altemanzipatorischem Gedankengut, um diese Koalition gegen den Marxismus-Leninismus der Linken, der die Ungleichheit der Geschlechter lediglich als „Nebenwiderspruch“ betrachtet, ins Feld führen zu können. Durch diese ideologische Konstellation erklärt sich auch die merkwürdige Arbeitsteilung zwischen den bürgerlichen Blättern FAZ und Welt und der Emma, deren „Aufruf der 12“ gegen einen neuen islamistischen Totalitarismus auch Persönlichkeiten wie Hans-Peter Raddatz und Helmut Markwort unterzeichneten.
Dem vorangegangen war der publizistische „Weckruf“ von sechzig „Migrationsforschern“ in der Zeit, der sich gegen Keleks autobiographisch gefärbte „Enthüllungen“ über Mißstände in den Gesellschafts- und Familienstrukturen türkischer Migranten (Die fremde Braut. Ein Bericht aus dem Inneren des türkischen Lebens in Deutschland, Köln: Kiepenheuer und Witsch 2005, geb., 269 S., 18.90 €; Die verlorenen Söhne. Plädoyer für die Befreiung des türkischmuslimischen Mannes, Köln: Kiepenheuer und Witsch 2006, geb., 208 S., 18.90 €) sowie ihre daraus abgeleiteten gesellschaftspolitischen Forderungen (verstärkter Integrationsdruck, Einbürgerungstests, Säkularisierungsdruck auf den Islam, Lockerung der türkischen Familienclanstrukturen) richtete. Aus rechter Sicht sind die ersteren als weitgehend bekannt und die letzteren als weitgehend illusorisch zu beurteilen. Wirklich spannend erscheint dagegen die detaillierte und ungewohnt kritische Durchleuchtung des gesamten migrationspolitischen Komplexes der Bundesrepublik im Zuge der nach diesem Weckruf eingeleiteten Gegenkampagne. Kelek durfte ihre teilweise scharf vorgetragene Kritik in zahlreichen Interviews, auch und gerade in den linken Stammblättern der Migrationslobby (Frankfurter Rundschau, taz) verbreiten und wurde dabei in den bürgerlichen Blättern von Mariam Lau, Thea Dorn (beide Welt) und Regina Mönch (FAZ) sekundiert.
Die Demontage der Gegenpartei gestaltete sich aufgrund dieser günstigen Vorraussetzungen stellenweise wirklich verheerend. Es geriet nicht nur die einschlägige akademische Migrationsforschung als Ganzes in den kritischen Blick der Öffentlichkeit, Necla Kelek und ihre feuilletonistischen Mitstreiterinnen scheuten auch nicht davor zurück, einzelne Forscher direkt ad hominem anzugreifen.
Yasemin Karakasoglu zum Beispiel, Mitinitiatorin des „Weckrufs“, in dem Kelek auch die unwissenschaftliche Verallgemeinerung von Einzelfällen vorgeworfen worden war, hatte in ihrer Dissertation die Ergebnisse von Interviews mit nur fünfzehn muslimischen Pädagogikstudentinnen ihres eigenen Instituts ausgewertet. Auf dieser Grundlage kam sie zum „wissenschaftlichen“ Ergebnis, daß das Kopftuch ein Zeichen des neuen Selbstbewußtseins moderner Musliminnen sei, ein Ergebnis, das sie zur Gutachterin vor dem Verfassungsgericht im „Kopftuchstreit“ qualifizierte, wo sie maßgeblich zur windelweichen Entscheidung des Gerichts beitrug. Karakasoglu, die in Bremen den ersten Lehrstuhl für „Interkulturelle Bildung“ innehat und im Vorstand der Muslimischen Akademie in Berlin sitzt, stellt einen wichtigen Baustein im jüngst in von Alice Schwarzer in der FAZ porträtierten Netzwerks der „Freunde und Freundinnen der bärtigen Brüder“ (Schwarzer) dar.
Ein weiterer Baustein ist Keleks Doktormutter Ursula Neumann, Leiterin des Instituts für Interkulturelle Pädagogik in Hamburg, Freundin der Grünen Christa Sager und Marie-Luise Beck und Mitunterzeichnerin des Aufrufs gegen Kelek, ihre eigene Promovendin. Als Ausländerbeauftrage unter dem rot-grünen Hamburger Senat von 1999–2002 plädierte sie für den Dialog mit dem Bündnis Islamischer Gemeinden (BIG), einer Untergruppe der islamistischen Milli Görüs. Im Zuge der Kampagne gegen Kelek wurde auch ihr zweifelhaftes wissenschaftliches Gebaren in mehreren Fällen ans Licht der Medienöffentlichkeit gezerrt.
Schließlich ging es auch um den Doyen der Migrationsforschung, den Ethnologen Werner Schiffauer, der den Berliner Innensenator in Sachen Islam berät. Schiffauer hat die „Meistererzählung“ der deutschen Migrationsforschung entworfen, eine melancholische, von Adorno inspirierte Geschichte über den Verlust der Identität des Migranten in der Moderne, die Schiffauer anhand der Lebenswege von acht anatolischen Bauern aufrollte (Die Migranten aus Subay. Türken in Deutschland: eine Ethnographie, Stuttgart: Klett-Cotta 1991). Der Mann war zu klug, um selbst seine Unterschrift unter den offenen Brief in der Zeit zu setzen, allerdings wurde er unweigerlich in die Debatte hineingezogen, weil Kelek immer wieder ostentativ seine Kernthese in Frage stellte, daß der Anpassungsprozeß von Migranten aus vormodernen Kontexten an die moderne Kultur in den Aufnahmeländern geradezu automatisch verlaufen werde und man eher Anstrengungen zum Schutz der gefährdeten Ausgangsidentität dieser Menschen unternehmen solle als solche zur forcierten Integration.
Nun schallt es all diesen „Wissenschaftlern“ aus dem Mund von Necla Kelek entgegen: „Sie haben das Leid anderer zugelassen!“, „Sie haben Angst um ihre Forschungsmittel“, „Es sind gerade diese Migrationsforscher, die seit 30 Jahren für das Scheitern der Integrationspolitik verantwortlich sind“ und „Ich kann diese Menschen, die in ihren Institutionen die Mittel haben, nur auffordern, sich endlich die Realität anzusehen und die Zahlen zu liefern.“ Im konservativen Lager sollte man mit einer gewissen Genugtuung registrieren, wie eine neuemanzipatorische Weiberbande den akademischen Migrationslobbyismus mit all den längst überfälligen publizistischen Attacken überzieht, zu denen man selbst aufgrund notorischer Zugangsschwierigkeiten zu den etablierten Medien bisher nicht in der Lage gewesen ist. Das couragierte Engagement der Kelek gegen eine mächtige, der individuellen Freiheit feindlich gegenüberstehende gesellschaftliche Strömung ist bewundernswert. Kelek reiht sich damit ein in eine Riege von fremdstämmigen Prominenten (Ayaan Hirsi Ali, Cerap Cileli, Seyran Ates, Bassam Tibi, Ibn Warraq, Salman Rushdie), welche geneigt sind, die Liberalität des Westens ernster zu nehmen, als dieser selbst es vermag. Es darf allerdings bezweifelt werden, daß einem in vieler Hinsicht dekadenten, durch exzessiven Selbsthaß geschwächten westlichen Staat wie Deutschland aus dieser Richtung wirklich noch einmal ein rettendes Korsett gegen den endgültigen Zerfall eingezogen werden kann. Wenn das geschehen soll, dann müssen wir schon selbst Hand anlegen.