Am Samstag ging es in Halle heiß her: Die Identitäre Bewegung hatte zum Sommerfest und zur Demonstration geladen und bereits im Vorfeld hatte die Gegenseite unter dem Motto “Nice to beat you” angekündigt, an diesem Tag die Eskalation zu suchen.
Gleich vorab, weil die Kommentarspalte ohnehin vor Netzstrategen und eremitierten Möchtegern-Napoleons nur so wimmeln wird: Wir wußten, daß es schwierig und gefährlich werden würde, eine identitäre Demonstration in Halle durchzuführen. Wir wußten aber auch, daß wir uns nicht ewig darum würden drücken können. Und, Freunde, ich sage Euch: Es war groß, es war heiß, es war schön.
Wir hatten alles auf dem Zettel: Konzertierte Aktionen gegen das Haus im Vorfeld, eine mit Mutwillen zur Unfähigkeit bereite Versammlungsbehörde und das übliche “breite Bündnis” von militanten Alt-Maoisten, über hedonistische Antideutsche bis zur Boomer-Oma mit selbstgemaltem Pappschild – alles das hatten wir mit einkalkuliert und das meiste traf auf die eine oder andere Art und Weise ein.
Wir hatten auch gerechnet mit jener Handvoll abseitiger altrechter Gestalten, die – manchmal wohlwollend, nicht selten aber auch genau kalkulierend und entsprechend von staatlicher Seite protegiert – ihre eigenen Fetische und krankhaften Fixierungen in unsere Mitte zu tragen versuchen würden.
Sie merken schon: Die Demovorbereitung hieß für uns vor allem: Rechnen hier wie da, abwägen, abschätzen, aufdröseln, neu ins Verhältnis setzen und am Ende eine große Gleichung aufstellen. Ein Gleichung allerdings, die doch bei einer öffentlichen Veranstaltung stets bis zu einem gewissen Grad von einer großen Unbekannten getragen sein würde: Der Zusammensetzung der Teilnehmer und der Stimmung am Tag der Veranstaltung
Was wir nicht ahnen konnten, war, daß genau diese große Unbekannte es sein sollte, die uns an diesem Samstag wieder und wieder aufs neue überraschen würde und das durchweg positiv.
Auf den obligatorischen Abriß der Ereignisse für diejenigen, die über den Ablauf im Unklaren sind, verzichte ich an dieser Stelle. Nur soviel: trotz aktiver Behinderungen durch die Polizei gelang es uns schließlich am Nachmittag den Großteil unserer Veranstaltungsteilnehmer vor der AK16 zu versammeln. Allein das ist eigentlich schon ein kleines Wunder – hatte man von staatlicher Seite doch versucht, mit allen Tricks ein Durchkommen der mit dem Zug angereisten Demonstrationsteilnehmer zu verhindern.
Ohne ins Detail gehen zu wollen, wagen wir einen kleinen Blick in die versammlungsbehördliche Zauberkiste: Absichtlich falsche Ortsangaben an ortsunkundige Besucher, die nach dem Weg fragten, Platzverweise und “Stadtverbote” an Demonstranten, die darauf bestanden zum Veranstaltungsort durchgelassen zu werden, Nichteinhaltung sämtlicher Zusagen, die die Anreise zu unserem Haus betrafen (z.B. Ermöglichung der Anreise mit Straßenbahn, oder zu Fuß), usw. usf.
Wer nach langer Irrfahrt vom Hauptbahnhof (teilweise mit Umweg über den Leipziger Flughafen) doch bis in die Nähe des Hauses kam, den erwartete zumeist eines von zwei Schicksalen: Entweder er wurde durch ein antifaschistisches Spießrutenspalier geleitet und kam – um einige Spritzer unappetitlicher Flüssigkeiten, blaue Flecken, und Schürfwunden reicher – schließlich in unserer Mitte an, oder er wurde gar nicht erst durchgelassen und von den Beamten in die von Spähern und militanten Jagdgruppen durchvölkerten Querstraßen zurückgeschickt.
Wer sich am patriotischen Demonstrationsgeschehen der vergangenen Jahre beteiligt hat, der ist solcherlei ja irgendwo gewohnt und doch war es in diesem Fall aufs neue erschreckend, mit welcher Boshaftigkeit bereits die Anreise der Teilnehmer sabotiert werden sollte. Kein Grund zu verzagen, sicherlich – ist es doch gerade dieser Bereich, in dem der Staat die Grundrechte, die er sich selbst gesetzt hat, nicht mehr garantieren kann bzw. will, der für uns politische Aktivisten zum natürlichen Habitat geworden ist, weil unsere Aktionen auf seine Kenntlichmachung und Markierung ausgelegt sind.
Um 15 Uhr, als die Demonstration starten sollte, war das Haus eingeschlossen. Hier zeigte sich der große Vor- und Nachteil unserer Lage im Herzen des linksgeprägten Universitätsviertels: Schon unsere schiere Anwesenheit, allein die Tatsache, daß Rechte in diesem Biotop überhaupt leben können und wirken dürfen, war für die Gegenseite so unerträglich, daß sie den halben Tag wie ein wütender Ameisenhaufen auf unser Haus eindringen mußte.
Um das Haus herum hatte man die üblichen “Spontankundgebungen” genehmigt und so die fünf möglichen Zugänge nach und nach abgeriegelt. Die nachfolgenden Verhandlungen mit der Versammlungsbehörde, die ihren Endpunkt in der Untersagung des Demonstrationszuges fanden, sind keiner Rede wert. Sie bestanden aus dem üblichen Wechselspiel von Zeitverzögerung – denn die Einsatzleitung befand sich zu keinem Zeitpunkt vor Ort – und revidierten Zusagen.
Am Ende des zähen Hin und Hers lag alles offen zutage, was es zu wissen gilt. In anwaltlichem Beisein bestritt die Versammlungsbehörde, daß ein polizeilicher Notstand vorliege, gleichzeitig bestand man jedoch darauf, die Sicherheit unserer Teilnehmer aufgrund der Bedrohung durch linke Gewalttäter und deren Unterstützer nicht gewährleisten zu können. Zitat (sinngemäß): “Wir sind schon froh, daß sie überhaupt alle heil hier angekommen sind.”
Im Raum stehen für uns eigentlich nur drei Schlußfolgerungen:
1. Die zuständige Versammlungsbehörde war nicht in der Lage eine realistische Gefahreneinschätzung im Vorfeld zu machen, hatte die Situation daher gnadenlos unterschätzt und mußte vor der linksextremen Gewalt kapitulieren.
2. Es gab eine politisch motivierte Entscheidung der Einsatzleitung, die dazu führte, weniger, womöglich zu wenig Kräfte anzufordern und damit nicht nur uns um unsere Demonstration zu bringen, sondern auch die Gesundheit der eingesetzten Beamten zu gefährden.
3. Es war genug Polizei vor Ort, unsere Demonstration wäre möglich gewesen, aber es gab “von Oben” eine Anweisung uns unter keinen Umständen laufen zu lassen.
Gegen Abend servierte man uns nochmal einen kleinen Absurditäts-Absacker, indem man mitteilte, daß die Gefahreneinschätzung sich nicht wesentlich geändert, man aber einen Großteil der Polizeikräfte bereits auf den Heimweg geschickt habe und deshalb ein Demonstrationszug weiterhin nicht möglich sei. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich keine dreißig Gegendemonstranten mehr am Haus, der Großteil war bereits gegen 18 Uhr abgezogen. Ich verliere keine weiteren Worte über diese Clownereien, unser Anwalt ist bereits mandatiert.
Apropos Gefahreneinschätzung: Wie sah denn die Lage nun überhaupt aus?
Bereits im Vorfeld zur Demonstration hatten nachts in Rostock und in Leipzig Autos von Aktivisten gebrannt. Am Tag der Demo folgte in Halle ein weiterer PKW mit dem Berliner Aktivisten angereist waren. Ebenfalls am Samstag tagsüber wurden drei Privatwohnungen mit Buttersäure attackiert (diesmal hat’s mich auch erwischt) am Abend wurde außerdem ein Verbindungshaus mit der ätzenden, stinkenden Flüssigkeit angegriffen.
Hinzu kamen Angriffe auf Polizisten – unter anderem berichtete uns ein polizeilicher Ansprechpartner, daß zwischenzeitlich verletzte Polizeibeamte nicht behandelt werden konnten, weil Linke den Rettungswagen blockiert hatten; im selben Atemzug wurde uns von strategisch angelegten Steindepots im Umfeld des Hauses berichtet, die als Munition für Angriffe auf unsere Demonstranten dienen sollten.
Dazu gesellten sich die üblichen Übergriffe rund um die An- und Abreise unserer Versammlungsteilnehmer, wobei die Betroffenen eine schon an Pazifismus grenzende Disziplin an den Tag legten; und ein Brandsatz, den man aus einer der genehmigten “Spontankundgebungen” unter die Gäste unseres Sommerfestes warf.
Es war dieses Sommerfest, auf dessen Erfolg von Anfang an unser ganzer Organisationsaufwand gerichtet gewesen war und das sich als unser größtes As im Ärmel herausstellte: Während um unser Haus herum bereits nach zwei Stunden die ersten Demonstranten wieder abzogen, nachdem sie mit ihren Leidensgenossen ohne Schirm, Schatten oder Getränke in der prallen Sonne hatten stehen müssen, war unser Vorposten für die angekündigte Belagerung bestens ausgerüstet.
Das Getränkelager war voll, der Grill lief genau so auf Hochtouren, wie der Holzofen. Jede neue Hiobsbotschaft prallte an der ausgelassenen und zufriedenen Stimmung ab, der die kühle Apfelschorle in der einen und der dampfende Flammkuchen in der anderen Hand sicherlich nicht abträglich waren.
Der große Frust blieb aus, umso mehr, als gegen Abend nach stundenlanger Odyssee die Aktivisten der IB Bayern eintrafen und von ihrer abenteuerlichen Reise durch unsere Saalestadt berichteten. Ausgerüstet mit einem Hochtransparent, auf dem die treffenden Worte “Patrioten weichen nicht zurück” zu lesen waren, hatten sie ihre durch die Polizei erzwungene Wanderschaft kurzfristig in einen spontanen Demonstrationszug verwandelt und somit das linke Dogma, daß keine identitäre Demonstration durch Halle laufen werde, zumindest pro forma und als Ehrenrettung widerlegt.
Mit ihrer Ankunft braute sich über unserem Haus ein prächtiges Unwetter zusammen und während die Schwalben immer tiefer flogen und die Luft noch einmal dicker wurde, hing eine Spannung im Raum, die nochmal ein Ereignis anzukündigen schien. Die Polizei erhoffte von unseren Aktivisten offenbar eine Eskalation, hinter den Absperrgittern zogen die Beamten Sturmhauben und Helme auf.
Was dann geschah, damit hatte wohl keiner der Anwesenden gerechnet, wir Organisatoren am allerwenigsten. Mit einem strömenden Platzregen und grollendem Donner zog das Sommergewitter direkt über unser Haus hinweg, innerhalb kürzester Zeit flossen Bäche von Regenwasser über die Straße, es wurde rasch dunkel und in den anwachsenden Pfützen spiegelte sich das grelle Gleißen der Blitze.
Und das Sommerfest vor unserem Haus? Das fing spontan an zu tanzen! Ich selbst konnte meinen Augen kaum trauen, als ich aus dem Fenster blickte und unten einen fröhlichen Reigen durch den Dauerregen hüpfen sah. Es dauerte nicht lang und immer mehr Aktivisten und Unterstützer gesellten sich in die Runde und fanden sich schließlich grinsend im Angesicht des letzten Restes der Gegendemonstranten wieder, denen sie bis zum Versammlungsende um 22 Uhr (und auch darüber hinaus) herzhaft entgegenlachten, ohne sich über Gebühr aus der Ruhe bringen zu lassen.
Diese Ruhe und (Aus-)Gelassenheit kam aus einer Erkenntnis, die sich auch in den Reden auf unserer Kundgebung immer wieder niedergeschlagen hat: Was der Gegner für einen Kessel im gesellschaftlichen Vakuum hielt, den er in unsicherer Unentschiedenheit wahlweise als größte Bedrohung für den Landesfrieden vernichten, oder als belächelnswerte Minderheit isolieren wollte, sah von oben betrachtet anders aus: Wir lagen als Avantgarde direkt vor ihren Toren – das Antlitz nach vorne gewandt, den Gegner im Rücken wissend. Wie anders auch sollte es möglich sein, einen Vorposten im Herzen jener zu halten, für die unser schieres Dasein schon eine Unerträglichkeit darstellt?
Wer ist nun, mag sich manch’ ein Leser fragen, der Sonntagsheld dieses denkwürdigen Tages? Ist es Martin Sellner, der nach stundenlangen Umwegen eine ergreifende Rede in unserer Mitte hielt? Ist es das hallesche Urgestein Sven Ebert, das uns einen mit 3000€ dotierten Bürgerrechtspreis überreichte? Sind es die wackeren Bayern, die der Versammlungsbehörde und den Linken trotzten, oder sind es doch jene Verschwörer von vor 75 Jahren, deren Schwur wir dieser Tage in der Stille oft wiederholen, wenn es in der Frühe wieder einmal unverhofft an der Tür klingelt?
Meine zwei Helden, aber das ist eine ganz persönliche Auswahl, sind andere: Da ist zum einen die Taxifahrerin, die zwanzig Minuten auf unseren Anwalt warten mußte, weil die Polizei ihn absichtlich in die falsche Richtung geschickt hatte und die, als sie hörte, daß er uns Rechtsbeistand geleistet hatte auf eine Bezahlung verzichtete und ihn kostenlos zu seinem Hotel und anschließend wieder zurück zum Haus fuhr.
Zum anderen ist da der junge Polizist, der sich an einen Aktivisten wandte und ihm sagte, daß er damals Beamter geworden sei, um die Meinungsfreiheit zu schützen und für ihn nicht mehr verständlich sei, weshalb man uns – obwohl die Sicherheitslage es hergebe – nicht demonstrieren lasse. Er reihte sich damit ein in jene Handvoll Polizisten, die am Samstag die Anweisungen ihrer Vorgesetzten teils offen ignorierten und immer wieder einzelne Teilnehmer zu unserer Veranstaltung einließen, obwohl vorher von höherer Stelle gewissermaßen eine Zugangssperre ausgesprochen worden war.
Die Versammlungsleitung hatte diese Vorgabe, wie überhaupt jeden einzelnen ihrer Rechtsbrüche mit der Verhältnismäßigkeit begründet. Jener Verhältnismäßigkeit, die es nicht erlaubte, unangemeldete Versammlungen aus denen heraus Brandsätze und Steine flogen, aus denen heraus Polizisten und Demonstranten attackiert wurden, ein paar Meter beiseite zu schieben, um einer angemeldeten und gegen alle Unverschämtheiten unbedingt friedlichen Demonstration den ihr zustehenden Weg freizuräumen.
Verhältnismäßigkeit also ist das Wort der Stunde. In welchem Verhältnis stehen die linksextremen Angreifer zum “breiten Bündnis” des Bürgermeisters, das er aus Furcht vor “Straßenschlachten” auf den Marktplatz verlegte – freilich, ohne sich von den Gewalttätern an seiner Seite zu distanzieren? In welchem Verhältnis stehen sie zum Bündnis “Halle gegen Rechts”, das nach wie vor aus Landesmitteln finanziert wird und den erwähnten Brandsatz mit den Worten “Bei jedem Derby wäre das keine Nachricht” bagatellisierte? In welchem Verhältnis steht die Freiheit und Unversehrtheit jener, die uns angreifen zu der unseren? Und: In welchem Verhältnis stand jener Polizist am Samstag noch zu seinen Vorgesetzten?
Fest steht: Jene, die am Samstag unserem Aufruf auf die Straße gefolgt sind, stehen in einem Verhältnis zu uns und wir zu ihnen, das nicht zu lösen ist. Es ist ein Verhältnis der Hoffnung, der Zuversicht und des Vertrauens, das uns daran bindet, allen Niedrigkeiten und Gemeinheiten zum Trotz, Tage wie diesen 20. Juli durchzustehen und zu beweisen, daß wir uns nicht nur auf den Gipfellinien zu halten vermögen, sondern, daß wir auch noch in der scharfen Höhenluft in der Lage sind zu tanzen und den schwarzen Wolken am Horizont mit einem Lachen ins Gesicht zu sehen.
H. M. Richter
Im so wunderbaren Verhalten der Taxifahrerin aus Halle scheint Tieferes auf.
Als im Jahre 1989 Leipziger Bürgerrechtler ins Gefängnis geworfen worden waren, wurden als Zeichen der Solidarität und Verbundenheit Blumen an ein vergittertes Seitenfenster der Nikolaikirche gesteckt. Bald schon reichte dort der Platz nicht mehr aus, und so lagen zahlreiche Blumensträuße zunächst auf dem angrenzenden Bürgersteig und schließlich auf einem Teil des Nikolaikirchhofes, - also auf der Straße. Um dieses widerständige Zeichen so schnell wie möglich verschwinden zu lassen, wurde die Stadtreinigung gerufen. Ein Kehrfahrzeug rückte an. Doch der Fahrer hatte - wie die Taxifahrerin vorgestern in Halle - einen eigenen Kopf: Wieder und wieder fuhr das Kehrfahrzeug über den Nikolaikirchhof, doch um die Blumensträuße wurde stets ein Bogen gefahren ...