Wochenende für Wochenende entfaltet sich auf den Rängen rund um den Globus ein archaisches Schauspiel – Schlachtgesänge schallen durch das ovale Rund, Schmähungen werden dem Feind auf der Gegenseite um die Ohren geschmettert. Wird die Spitze der Fieberkurve erreicht, bleibt es nicht nur bei verbalen Nettigkeiten – Fäuste fliegen. Man verteidigt die Ehre seines Clubs, der Stadt, der Region – in anderen Teilen der Welt auch mit Waffengewalt bis zum Tod. »König Fußball« übt eine ungebrochene Faszination aus. Er vermag das Unklare, die Wirrungen der arbeitsteiligen, modernen Gesellschaften wegzuwischen – hier ist der Frontverlauf geklärt, hier herrscht Gewißheit, ist der Sinn wiederhergestellt.
So nimmt es zumindest der Fanatiker wahr, der »Fan« im eigentlichen Sinne. Derjenige, der mit den Spielern und mit seinem Verein zu einer emotionalen Einheit verschmilzt. Bei den radikalsten Anhängern unterliegt diese keiner zeitlichen Begrenzung auf das Wochenende, sondern besteht 24 Stunden jeden Tag die Woche. Diese Gemengelage sozialer Mechanismen übt schlußendlich die Anziehungskraft auf die breite Masse aus, die den Fußball zum Volkssport transformierte. Durch seine seit den 1980ern immer weiter gesteigerte Breitenwirkung spiegelt sich in den Stadien heute die deutsche Gesellschaft bzw. ihre regionalen Fragmente wider – allgemeine soziale Entwicklungen werden hier evident oder sogar schon sichtbar bevor sie sich in der gesamten Gesellschaft als dominante Entwicklungsrichtung herausschälen.
Eine dieser ablesbaren Tendenzen ist die vollständige Kommodifizierung aller Lebensbereiche, Fußball im 21. Jahrhundert ist zuallererst eines: ein globalisiertes Milliardengeschäft. Ein Produkt, das über die oben beschriebenen Emotionen und die Kollektivgenese – die Verbindung zwischen Zuschauern, Verein und Region – vermarktet wird. »Arbeiterverein«, »Traditionsverein« oder »Traditionsderby« sind Etikette, die dem Konsumenten ein besonders uriges quasi schon identitäres und damit wertvolles Produkt signalisieren sollen. Doch je höher die Spielklasse, desto weniger steckt in den unter diesen Begriffen gehandelten Vereinen noch die reale Substanz, die sie einst zu Trägern ihrer spezifischen Regionalkultur werden ließ.
Die Mannschaften sind in den oberen Ligen ein Sammelsurium an Söldnern, die aus allen Ecken der Welt rekrutiert bzw. zusammengekauft werden – nur in einzelnen Fällen schafft es noch ein Eigengewächs aus der vereinseigenen Jugendarbeit in die A‑Kader. Im Fußball konnte man schon lange bevor die deutsche Industrie unisono nach ausländischen »Fachkräften« rief, eine losgelöste »No border«-Mentalität registrieren, deren primärer Antriebsfaktor in der Kapitalmehrung und weniger in der Fortführung der Traditionslinien und damit der regionalen Verankerung des Vereinswesens liegt.
Die entsprechenden Indikatoren lassen sich empirisch ohne Weiteres feststellen: Neben der angesprochenen Multikulturalisierung der Kader stehen die Auslagerungen etlicher erster Mannschaften aus ihren Vereinen in Spielbetriebsgesellschaften (meist GmbH), die Schaffung von Kapitalgesellschaften (Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA), der Verkauf traditionsreicher Stadiennamen als Marketingträger an Firmen (Allianz Arena, Commerzbank-Arena etc.) und eine zunehmende Zahl seelenloser Kunstprodukte wie Red Bull »Rasenball« Leipzig oder die vom SAP-Gründer Dietmar Hopp forcierte TSG 1899 Hoffenheim (das »1899« wurde nachträglich in den Vereinsnamen integriert, um Tradition zu heucheln) exemplarisch für die absolute Ökonomisierung des Sports. Insbesondere die englische Premier League treibt diesbezüglich die wildesten Blüten, was beim Mutterland des Liberalismus kaum wundert.
Die vorläufige Globalisierungsspitze ist damit erreicht, daß der Wert einer ganzen Fußballiga sich nicht mehr nur daran mißt, wie hoch die Einschaltquoten im eigenen Land liegen, sondern wie gut sie international mit den anderen Ligen um Marktanteile konkurrieren kann. Real Madrids dominante Machtposition konstituiert sich zum Beispiel hauptsächlich aus ihrer global propagierten Legende der »Königlichen«, der sie in einer übermenschlichen Aura erstrahlen läßt (Zidane, Beckham, Figo, beide Ronaldos – Real lebt von den Namen, den teuren Transfers). Spitzenmannschaften veranstalten Ländertouren, die minutiös darauf kalkuliert sind, Wachstum in bestehenden Märkten zu generieren und neue Märkte für die eigene Marke zu erschließen.
In Anbetracht dieser gigantomanischen Größenordnungen und surrealen Höhenflüge wirken vergangene Heroengeschichten wie Erzählungen aus einer Parallelwelt. So etwa das »Wunder Waldhof«: 1983, vor fast 40 Jahren, stieg der Kurpfälzer Fußballverein SV Waldhof Mannheim 07 quasi mit seiner A‑Jugend in die 1. Bundesliga auf und begründete den regionalen Mythos der »Waldhof-Buwe«. Heute undenkbar, hatte es der Verein qua einer überzeugenden Jugendarbeit vollbracht, sich den Weg ins Oberhaus zu ebnen. Die Spieler entstammten alle der unmittelbaren Umgebung, sprachen die lokale Mundart – selbst die regionale Gastarbeiterstruktur schlug sich in Form der griechischen Tsionanis-Brüder nieder.
Neben den gleißenden Sphären der Champions League schrumpfen solche Erfolge auf den ersten Blick zu Randnotizen, jedoch verkörpern sie eine verortete Welt, in der Bodenhaftung und Stetigkeit noch nicht vom Löslichen, Fluktuierenden abgelöst wurden. Zwar blitzte die aufziehende, allumfassende Kommodifizierung bereits in den 1980ern an etlichen Stellen auf, die endgültige Durchdringung war dennoch erst per flächendeckender Live-Übertragungen im Bezahlfernsehen möglich, was die Öffnung sprudelnder Geldtöpfe bedeutete. Für den Reigen in seiner derzeitigen durchprofessionalisierten Ausgestaltung gießt das Kapital das Fundament und versucht dabei, um das Treiben einen linksliberalen und kosmopolitischen Rahmen zu ziehen, der dem eigenen Geschäftsmodell dienlich ist.
Die Intention dahinter: Möglichst »schöne«, glattgebügelte Bilder von befriedeten Spielen um das Weltenrund senden, bei denen sich die Zuschauer bzw. Konsumenten in universalistischer Glückseligkeit gleich welcher Vereinszugehörigkeit, welcher sexuellen Orientierung, welchen Geschlechts oder welcher Ethnie gegenseitig zuprosten. Mit den Kampagnen »Living Football« der FIFA, #EqualGame der UEFA und noch kleinteiliger dem »Kampf gegen Rechts« seitens des DFB (Derivate sind zum Beispiel der »DFB und Mercedes-Benz Integrationspreis« oder der »DFB-Botschafter für Vielfalt«) verfolgen die Protagonisten der Verbände im Einklang mit den Großsponsoren das Ziel, die Legitimation für den eigenen »progressiven Neoliberalismus« flächendeckend zu etablieren und ernstzunehmende oppositionelle Regungen im Keim zu ersticken und aus den Stadien zu verbannen.
Denn bisweilen gerät das universalistische Projekt mit den gemeinen Fußballanhängern auf Konfrontationskurs, da die dem Spiel immanente soziale Grunddynamik der gewünschten Außendarstellung fundamental zuwiderläuft. Während das aus seinen Grenzen enthobene Wirtschaftliche darum bemüht ist, die Bindungsstrukturen auf konsumfreundliche, eunuchisierte Pfade zu lenken, haben sich die den Fußball umgebenden gesellschaftlichen Geflechte ihre tribalistische Grundierung weitestgehend bewahrt. Aus diesem Grund bricht sich entgegen der egalitären Einebnungsversuche immer wieder das differenzierende Element Bahn und holt über Herabwürdigungen des Gegners bis zur Gewalteruption die anthropologische Realität zurück aufs Feld. Anders ausgedrückt: Der kapitalistische Unterbau steht im ständigen Antagonismus zum archaischen geradezu patriarchalen gesellschaftlichen Überbau, ohne dessen Kulturleistung er aber nicht auskommt, insofern als daß bestimmte Aspekte dieser Kultur essentieller Teil der Vermarktungsstrategie sind.
Dieses Abhängigkeitsverhältnis beruht jedoch auf Gegenseitigkeit, mit einer erheblichen Machtasymmetrie zugunsten des Unterbaus, der grundsätzlich die Zügel darüber in der Hand hält, ob das Spiel überhaupt stattfindet, aus dessen Existenz sich die Fankultur respektive der Überbau erst konstituiert. Diese zutiefst differente Interdependenz ist vergleichbar mit der Beziehung zwischen einem Drogendealer und Junkie, bei welcher der Dealer darauf achten muß, sein Produkt nicht so weit zu strecken bzw. zu entfremden, daß ihm seine Kundschaft abhanden kommt, ihm generell aber qua der Sucht seiner Konsumenten ein weites Handlungsspektrum offensteht. Diese Analogie im Kopf festhaltend wird offensichtlicher, warum die organisierte Fanszene meist über zahnlose Stimmungsboykotts nicht hinauskommt und in ihren auf die Beeinflussung der Verbandsebene und damit nachgeordnet auf die wirtschaftliche Ebene gezielten Aktionen vergleichsweise wirkungslos bleibt. In Italien hatte der völlige Boykott seitens der Ultra-Szenen ab 2007 schlußendlich zu ihrem zwischenzeitlichen Niedergang geführt, während in den Stadien der Serie‑A munter weitergespielt wurde.
Gleichwohl ist nun seit geraumer Zeit zu beobachten, daß speziell über einen zentralen Baustein der »modernen« deutschen Fanszenen – den Ultragruppierungen – in vielen Stadien die »konformistische Rebellion« Einzug gehalten hat. Antifaschistische Strukturen machen sich breit und propfen ihren Kurven die von der Kapitalseite aus betriebenen universalistischen Projekte auf – #SayNoToRacism und der »Kampf gegen Rechts« ist nicht mehr nur das Anliegen der Verbände und Sponsoren, das in den Fanszenen weitgehend ungehört verhallte, sondern hat seinen organisierten Multiplikator auf den Tribünen gefunden.
Venator
Die antifa hat eigentlich direkt seit Beginn, mit der Infiltration der Ultra Szene begonnen. Die meisten Hooligan Gruppen der 80ér Jahre waren latent "rechts" eingestellt, auch wenn das politisch nichts bedeutete. Doch Linke waren dort nicht willkommen. Linke denken aber strategisch und haben schon immer versucht, jede Jugend Subkultur für sich zu vereinnahmen. Der kümmerliche Rest der Skinhead-Szene ist, in Deutschland, ja inzwischen größtenteils politisch korrekt eingehegt.
Man muß Ihnen also lassen, daß sie dabei ziemlich erfolgreich waren. Die hysterische Politisierung, wie man sie heute schon bei Kindern findet, hat vor allem mit ihrem Engagement zu tun. Überall wird gegen "Nazis" gekämpft, obwohl es diese Szene, nach dem großflächigen Rückzug des VS infolge des NSU Fakes, kaum noch gibt. ( auch die M. Sellner genannte Gruppe c18 war ja nur ein Projekt vom MI5 aus den 90érn, daß wird bei ihrem deutschen Ableger auch nicht anders gewesen sein).
Die Ultras waren Ende der 90ér, das perfekte Einfalltor für die antifas, sich im gesellschaftspolitisch immer größer werdenden Fußball breit zu machen. Mit den finanziellen Möglichkeiten und der richtigen Unterstützung war das fast ein Selbstläufer. Meine Stadt ist ein Paradebeispiel dafür. Die Ultras sind lächerliche Hampelmänner, die einen auf wilden Stadtrebell machen, und gleichzeitig in großen Teilen deckungsgleich mit der örtlichen antifa sind. Sie müllen alles zu, sprayen jede Mauer voll und fühlen sich dabei total "widerständig". Die Wahrheit ist aber, der Verein und die Stadtverwaltung hält ihre schützende Hand über sie, weil es eben "ihre politisch korrekten Jungs" sind. Wie man sich bei so mächtiger Unterstützung im Hintergrund, dann immer noch als "nonkonformist" fühlen und inszenieren kann, ist wohl dem aktuellen Bildungsniveau geschuldet.