Zu Besuch in der Krabbelgruppe
Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einem zum Sonntag ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Das kann sein – alles Erlebnisse der vergangenen Woche – der Schaffner in der Regionalbahn, der im Vorbeigehen ein Gespräch mithört und sich als Unterstützer offenbart, ein rechtes Graffiti an einer Leipziger Häuserecke, das einem plötzlich ins Auge springt, oder aber ein harmloser Scherz, der seine Wirkung erst durch die hysterische Reaktion der, nun, Bescherzten so richtig entfalten kann.
Was sagt es über einen Menschen aus, wenn er die Polizei ruft, weil jemand neben ihm etwas gesagt hat, was ihm nicht paßt? Zum besseren Verständnis: Wir reden keinesfalls von strafbaren Äußerungen, Beleidigungen oder irgendeiner ungehobelten Klotzerei; es geht um dieses Video und der inkriminierte Satz lautet: “Und blau wählen für Deutschland und Sachsen”.
Diese Obszönitäten stammen aus dem Mund von Klemens Kilic, dem AfD-nahen Betreiber eines YouTube-Kanals, und er äußerte sie in einem von ihm aufgenommenen Video neben der Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock, nachdem diese sich für die Wahl der Grünen ausgesprochen hatte. Eine kurze Sequenz, kein Skandal, ein flüchtiges Grinsen für denjenigen, der den Video-Schnipsel im Netz sieht, keine weiteren Folgen – so hätte die Geschichte gehen können. Vielleicht wäre der guten Annalena sogar die Schande der breiten Öffentlichkeit erspart worden und das Filmchen wäre in irgendeiner patriotischen Echokammer verschwunden.
Allerdings: Die Grünen, das ist irgendwo auch der Wunsch einer verlorenen Vor-Wende-Generation, die davon träumt, daß jene Infantilisierung des Zwischenmenschlichen, die von den Kommunen der 68er ihren Ausgang genommen hatte und von den Vertriebsstrategen der Werbeindustrie dankbar übernommen wurde, endlich in einer Art und Weise zum politischen Grundvokabular wird, wie es die ausgeschossenen Begriffshülsen von Toleranz, Vielfalt und Menschlichkeit längst geworden sind. Und weil die Grünen große Kinder sind, die im Zweifelsfall immer einen Vertrauenslehrer brauchen, auf den sie sich verlassen können, hätte es für Annalena Baerbock so harmlos ablaufen können, wie ich das oben geschildert habe, ist es aber nicht.
Der kindliche Reflex, das „Papa, der Klemens hat sich über mich lustig gemacht“, war in diesem Fall der Anruf bei der Polizei – ein unterbewußt einstudierter Panikknopf, der gerade vom linken und grünen Klientel, immer häufiger dann gedrückt wird, wenn zwar keine Bedrohungslage, wohl aber eine emotionale Belastungslage vorliegt, um welche sich die Beamten gefälligst auch zu kümmern haben.
Infolgedessen schaffte es das Video ins Netz, wohl auch, weil die Beamten vor Ort wenig zu beanstanden und dafür um so mehr zu lachen hatten und wurde innerhalb kurzer Zeit von mehr als 200.000 Menschen gesehen.
Mit Abstand betrachtet ist das natürlich trotz alledem eine Nichtigkeit, gar nicht der Rede wert und morgen schon wieder vergessen. Aber hey, wir alle, die wir den Einsatz für unser Volk zu unserer Lebensachse gemacht haben, brauchen die kurzen Verschnaufpausen verwunderten Lachens und kurzer Erinnerungen daran, daß sich tatsächlich etwas verändert durch unsere Taten.
Daran, daß es wirklich Menschen gibt, die ihre Hoffnungen in uns setzen und, daß ein kleiner Scherz reichen kann um Hundertausende zu erreichen, wenn man nur zur richtigen Zeit der richtigen Baerbock einen Bären aufbindet. Man vergißt das schnell im Alltagstrott, man beachtet es auch nicht beim nüchternen Blick aufs Ganze, weil diese plötzlichen Überraschungen eben nicht berechenbar sind, sondern uns unangekündigt widerfahren.
Annalena Baerbock jedenfalls scheint das Trauma dieser Begegnung in der sie schwer „getäuscht“ wurde, zum Glück bereits verwunden zu haben. Am Samstag sah man sie, gemeinsam mit linksextremen Antifa-Gruppen auf der „Unteilbar-Demo“ in Dresden zu der die Elbstadt, je nach Quellenlage, zwischen 10.000 und 35.000 Gäste aus aller Welt – nur eben nicht aus Dresden – empfangen durfte.
Passend eingefangen wird die Stimmung auf diesem Bild:
Die junggebliebene Annalena feiert auf den Schultern von Daddy Hofreiter, umringt wird sie vom üblichen grünen Gesichtsfasching. Mit großer Pose schwingt sie eine Europafahne, ihre Mitstreiter halten Plakate mit der Aufschrift „Herz auf. Angst raus.“ in die Höhe; ein Vorschlag, den sich ihre Parteivorsitzende das nächste Mal vielleicht auch zu Herzen nehmen sollte, wenn wieder ein Scherzbold mit einer Kamera vor ihr steht. An dieser Stelle nun kommen wir wieder zurück zu den oben erwähnten kleinen Dingen und dem Lächeln, das sie uns ins Gesicht zaubern: Liebe Leser, schauen Sie sich doch mal die Laternenpfähle im Hintergrund an und freuen Sie sich auf kommenden Sonntag.
Laurenz
Herr Wessels, sehr herzhaft geschrieben. Es gab/gibt eben einiges zum lächeln und lachen, für mich jedenfalls.
Die Baerbock-Demokratie-Bekundung ploppte ziemlich schnell auf dem Mobil-Telefon auf. "Annalena made my day", wie der Kuhhirte in der Lichtspielhaus-Werbung sagen würde.
Die grüne Sehnsucht nach der eigenen Geschichte ist doch fast schon Märchen. Sind die Grünen nicht von den eigenen Tomaten auf dem Balkon, einem selbst gewählten Selbstversorger-Dasein und dem Stricken der eigenen Kleidung im Bundestag weiter entfernt, als die Rechte? Als ich zum vergleichenden Beitrag Ihres Kollegen, Herrn Bosselmann, zum flicken der Gedächtnislücken im II. Reich stöberte, hatten wir da bereits all die Nackten, frei Liebenden, Steiner-Verfolger, Linken, Runen-Tänzer, Welt-Bürger etc. die Zahl an Minderheiten, Sekten, ist fast unerschöpflich, dagegen erscheint mir die heutige kulturelle Szenerie eher als wenig kreativ. Wenn sich einem die 2. Reichsgeschichte offenbart, verlieren sich selbst die Alt68er in einer historischen Belanglosigkeit, ein Mythos ohne Boden.