So trompete Donald Trump am 12. Oktober auf Twitter. Dieser “Deal” sieht vor, daß China den USA nun jährlich Agrarprodukte im Wert von bis zu 50 Milliarden Dollar abkaufen werde, insbesondere Sojabohnen und Schweinefleisch.
An letzterem herrscht aufgrund einer fatalen Schweinepest hoher Bedarf in China, was Trumps Anteil an diesem “Deal”-Erfolg etwas relativiert. Er nützt ihn freilich, um seine Kernwählerschaft erneut mit “ökonomischem Nationalismus” (Steve Bannon) und “Populismus” zu mobilisieren.
Der Spiegel schrieb:
Doch auch Trump ist nicht entgangen, dass sich die konjunkturellen Alarmzeichen mehren. Viele Unternehmen haben wegen des Handelskriegs Investitionen auf Eis gelegt, das verarbeitende Gewerbe steckt nach Meinung vieler Experten bereits in der Rezession. Und unter den Bauern im Mittleren Westen, die in diesen Tagen ihre Mähdrescher zur Ernte auf die Felder steuern, grassiert die Existenzangst. Ohne die Swingstates wie Ohio oder Wisconsin aber wird Trump die Wahl 2020 nicht gewinnen.
China ist in diesem “Handelskrieg” ein zäher und mächtiger Gegner, der das liberale System USA zunehmend schwach aussehen läßt. An China prallen alle globalistischen Versuche ab, die Welt durch freie Marktwirtschaft zu liberalisieren und demokratisieren.
Das zeigt sich nicht zuletzt daran, daß amerikanische Firmen immer wieder vor chinesischen Ansprüchen kuschen müssen. Weil Daryl Morey, der Manager der Basketballmannschaft “Houston Rockets”, via Twitter Sympathien für die Protestbewegung in Hong Kong ausdrückte, sagte China ein Event der National Basketball Association (NBA) in Shanghai ab.
Und nicht nur das. Der Spiegel berichtete:
China reagierte umgehend. Fans und Prominente empörten sich zuhauf, die meisten in den sozialen Medien. Chinesische Großsponsoren der Rockets sprangen ab. Fanprodukte verschwanden von chinesischen Websites, das Staatsfernsehen CCTV stoppte die Übertragung zweier NBA-Spiele, ein Charity-Event der NBA wurde gecancelt.
Das chinesische Staatsfernsehen (CCTV) begründete seinen Übertragungsboykott so:
Wir sind der Ansicht, daß Bemerkungen, die die nationale Souveränität und soziale Stabilität infrage stellen, nicht von der Redefreiheit gedeckt sind.
China ist der größte Auslandsmarkt der NBA, und es geht hier um Profite in Milliardenhöhe. Nochmal der Spiegel:
Drei von vier NBA-Spielern sind Schwarze, keine Liga ist so divers. Sie vermarktet sich entsprechend aufgeklärt – “woke”, wie das hier heißt. Jeder Sportler habe das “Recht”, sich politisch zu äußern, sagte NBA-Chef Adam Silver letztes Jahr. Die Fans erwarteten das: “Großunternehmen haben heutzutage keine Wahl mehr.”
Außer, es geht um China.
Der größte Auslandsmarkt der NBA, so stellt sich heraus, hat solche Macht über das US-Sportgeschäft, dass sich die Liga über Nacht in eine geopolitische Krise hinein gedribbelt hat. Bei der geht es plötzlich um viel mehr als die Freude am Basketball – sondern um die Wahl zwischen Meinungsfreiheit und Profit, Demokratie und Repression.
Chinesische Investoren haben sich außerdem bereits massiv in das US-Sportbusiness eingekauft:
Joe Tsai, der Mitbegründer des Onlineriesen Alibaba, kaufte im September die Brooklyn Nets und wurde damit zum ersten taiwanesisch-chinesischen Besitzer eines US-Basketballteams. Im gleichen Atemzug blätterte er fast eine Milliarde Dollar für die Heimarena der Nets hin, das Barclays Center.
Die Rockets, eines der beliebtesten NBA-Teams in China, haben beim chinesischen Mikrobloggingdienst Weibo mehr als doppelt so viele Follower wie bei Twitter. Ihre Popularität geht zurück auf den Basketballriesen Yao Ming aus Shanghai, der in Houston spielte und jetzt die Chinese Basketball Association (CBA) leitet. Ming hat Moreys Tweet ebenfalls kritisiert.
Die Reaktionen seitens der NBA waren knieweich. Morey entschuldigte sich ebenso wie der Starspieler und der milliardenschwere Besitzer der Houston Rockets; den tiefsten Kotau machte die NBA selbst: “Wir sind zutiefst enttäuscht von Moreys unangemessenen Kommentaren.”
Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Praxis, sich bei politisch unkorrekten Kommentaren zu “entschuldigen”, wenn sie sich als geschäftsschädigend erweisen. China braucht nur kurz zu brummen, und schon ist es vorbei mit der “Wokeness”. Es geht hier, große Überraschung, nicht ernsthaft um moralische oder weltanschauliche Prinzipien, sondern um flexible Anpassung an die Quellen des Profits.
Das nur mehr nominell kommunistische China hat den USA einiges voraus: Sein kapitalistisches System verbindet sich mit einem überaus starken Staat und einem nationalistisch-identitären Kollektivismus, was eine machtvolle und von außen kaum zu knackende Mischung ergibt.
Man kann dies auch gut an einem reichlich gehypten Dokumentarfilm studieren, dessen Vertrieb und Promotion ausgerechnet Barack und Michelle Obama übernommen haben, in ihrer hochdotierten Funktion als Produzenten und Programmgestalter für das Streaming-Unternehmen Netflix.
Man muß ihnen zugestehen, daß sie mit American Factory der seit den siebziger Jahren aktiven Feministin und Sozialistin Julia Reichert (geboren 1946) und ihres Co-Regisseurs Steven Bognar eine gute, ja exzellente Wahl getroffen haben. Auch und gerade als “Rechtspopulist” kann man viel aus diesem Film lernen (einsehbar auf Netflix auch in einer deutschen Fassung).
Reichert und Bognar dokumentieren den Versuch des chinesischen Autoglas-Konzerns Fuyao in Dayton, Ohio im Mittleren Westen der USA Fuß zu fassen. Dessen Chef, Cao Dewang, erscheint zu Beginn des Films als wahrer fernöstlicher Erlöser der Arbeiter der lokalen Autoindustrie, die nach Schließung der General-Motors-Fabrik in Moraine (Teil des Dayton-Metropolbereichs) im Jahre 2008 zu Tausenden ihren Job verloren hatten (Reichert hat darüber einen Kurzfilm gedreht).
Trump und sein damaliger Berater Steve Bannon hatten im Laufe des Wahlkampfs 2015/16 mit ihrem Programm des “ökonomischen Nationalismus” versucht, exakt diese Wählerschicht für sich zu gewinnen: Die Arbeiterklasse im “flyover country”, die zum Opfer von “Outsourcing” und Globalisierung geworden war, vergessen von der urbanen, kosmopolitischen Linken, die sich auf Minderheiten- und “Identitäts”-Politik spezialisiert hatte.
Trump versprach stattdessen “American jobs for American people”, und das machte einige Altlinke wie etwa den Filmemacher Michael Moore ziemlich nervös – denn letzterer wußte, daß Trump einen Nerv treffen würde, hatte er doch selbst mit Roger and Me einen Film über die Schließung mehrerer GM-Fabriken in seiner Heimatstadt Flint, Michigan gedreht, die in der Folge in Arbeitslosigkeit, Armut, Bankrott und Kriminalität versank.
Ohio ist (mittlerweile) ein “roter”, also republikanischer Staat und hat 2016 mit 51,69% für Donald Trump gestimmt – noch 2012 allerdings mit 50,67% der Stimmen für Barack Obama. In Montgomery County, dessen Hauptstadt Dayton ist, bekam Trump 2016 eine sehr knappe Mehrheit von 47,97% der Stimmen.
Es ist übrigens dasselbe Dayton, in dem Anfang August ein Massenmord stattfand, fast zeitgleich mit einer ähnlichen Tat in El Paso, Texas (der Täter von Dayton war offenbar ein Linker und Antifa-Anhänger; der Täter von El Paso wurde offenbar von der Angst vor “cultural and ethnic replacement brought on by an invasion” getrieben.)
Nun erscheint in American Factory (angesichts des Trump’schen “Wirtschaftskriegs” gegen China: ausgerechnet) ein chinesischer Unternehmer, um wieder Arbeitsplätze in Dayton zu schaffen und die Wirtschaft anzukurbeln. Das muß den amerikanischen Arbeitern erst einmal verkauft und schmackhaft gemacht werden. So spricht ein Anwerber zu Beginn des Films großspurig von einer “Verschmelzung” der „chinesischen und amerikanischen Kultur“ zu einer „wahrhaft globalen Organisation“.
Die Art, wie sich die chinesische Fabriksleitung den Arbeitern und der Öffentlichkeit darstellt, wird allerdings bald zum Problem, und man merkt rasch, daß die Chinesen Mühe haben, nicht als eine Art von imperialistischer Macht zu erscheinen. Die Ausstattung repräsentativer Räume muß den amerikanischen Sensibilitäten angeglichen werden und jeder chinesisch-nationalstolze Eindruck vermieden werden (soll ein Bild der chinesischen Mauer aufgehängt werden oder nicht?), was zuweilen auf unfreiwillig komische Weise mißlingt. Bald stellt sich das Geschmäckle einer regelrechten fremden Machtübernahme ein, nicht zuletzt durch die Omnipräsenz unentzifferbarer chinesischer Schriftzeichen.
Daß die Flitterwochen bald vorbei sind – ein Arbeiter lädt den Konzernchef naiv zu einem “Barbecue” ein, andere versuchen sich nach Kräften mit den neuen asiatischen Kollegen zu verbrüdern -, liegt nicht nur an der Sprachbarriere, die sich, kaum überraschend, sehr bald als Quelle von erheblichen Irritationen und Mißverständnissen erweist. Die eingeflogenen Chefs und Kollegen aus dem fernen Osten haben teilweise drastisch andere Vorstellungen als die Amerikaner, was die Führung der Fabrik, die technischen Prozesse, Arbeitszeiten (Überstunden werden wie selbstverständlich vorausgesetzt), Löhne oder den Intensitätsgrad der Hingabe an die Firma angeht. Sie erscheinen den amerikanischen Arbeitern bald als inkompetente Besserwisser und Tyrannen.
Besonders das Ansinnen, eine Gewerkschaft zu gründen, läßt jeglichen Spaß bei den Arbeitgebern aufhören. Dies wird allerdings bald dringend nötig, da die Chinesen völlig mißachten, was die Amerikaner als fundamentale Arbeitsschutzrechte betrachten, etwa den Schutz vor physischer Gefährdung und Unfällen am Arbeitsplatz.
Schlagend ist der optisch-habituelle Kontrast zwischen den amerikanischen und chinesischen Arbeitern. Erstere sind eine stark gemischtrassige Gruppe, wobei die (weißen) Regisseure offenbar bewußt schwarze Gesichter und Protagonisten bevorzugt haben. Die Chinesen erscheinen dagegen wie aus einem einzigen Genpool-Guß, in eine einheitliche kulturelle Form gebracht, erfüllt mit einem starken National- und Herkunftsbewußtsein.
In einer Rede an die chinesischen Arbeiter in der amerikanischen Fabrik spricht Cao Dewang gezielt diese Sentiments an:
Wir sind alle Chinesen. Chinesische Mütter haben uns in die Welt gesetzt. Egal, wo Sie sterben oder vergraben werden, Sie werden immer Chinesen bleiben. Das Mutterland ist wie eine Mutter. Es ist ewig während. Heute kommen Chinesen nach Amerika, um hier zu arbeiten. Das Wichtigste ist nicht, wie viel Geld wir verdienen, sondern wie es die Ansichten der Amerikaner hinsichtlich Chinesen und China verändert. Jeder Chinese sollte Dinge für unser Volk und unser Land tun. Hierbei ist jeder einzelne von euch gefragt.
Über den amerikanischen Individualismus und die Tatsache, dass man in den USA das Staatsoberhaupt verspotten darf, können die Chinesen dagegen nur den Kopf schütteln. Hier verdient man komischerweise nur Geld, um ein einigermaßen gutes und freies Privatleben führen zu können, nicht, um etwas für “unser Volk und unser Land” zu tun. Es gelingt ihnen in der Folge kaum, zu den Amerikanern einen wirklichen Draht herzustellen, und entsprechende Motivationsansprachen werden regelmäßig mit skeptischen, angeödeten oder gereizten Mienen quittiert.
In einer der komischten Szenen des Films versucht ein chinesischer Manager die Leistung der amerikanischen Arbeiter anzukurbeln, indem er ihnen als Belohnung eine Reise nach Shanghai in Aussicht stellt:
Wir werden die zehn besten Mitarbeiter auswählen und nach China schicken. Hier ein paar Fotos. Das ist Shanghai. Shanghai ist die modernste Stadt von China. Sieht wie Manhattan aus, oder? Es ist auch wie Manhattan. Das ist das Hyatt-Hotel. Es gibt dort einen Infinity-Pool auf dem 55. Stock! Man schwimmt im Himmel! Jetzt kommen die guten Neuigkeiten. Einer von euch wird diese Stadt besuchen. Wir sind ein Fuyao, eine Familie.
Auch hier lassen uns Reichert und Bognar an den Mienen der Arbeiter ablesen, daß diese alles andere als überzeugt oder begeistert sind, sondern sich vielmehr schwer veräppelt fühlen. Das scheinbar so verlockende Angebot wird zu einer protzigen Demonstration chinesischer Macht und Überlegenheit, die den amerikanischen Arbeitern sauer aufstößt. Um die Peinlichkeit zu vollenden, beschließt der Redner seine Ansprache mit den Worten “Let’s make America great again!” (man darf annehmen, daß es unter den Gewerkschaftern nicht allzu viele Trump-Fans gibt).
Erhebliche Befremdung zeigen die Amerikaner (diesmal ausschließlich Weiße, offenbar aus den oberen, leitenden Etagen) auch bei einem Besuch des Hauptsitzes der Firma in Fuqing. “Willkommen zu Hause” begrüßt sie der chinesische Kollege, der einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd trägt, wie alle seine Mitarbeiter, während die Amerikaner durch die Bank “individuell” und eher leger gekleidet sind, mit Holzfällerhemden, Sweatern oder bedruckten T‑Shirts.
Sie werden Zeugen, wie die Fuyao-Arbeiter in ihrem Heimatland durch militärischen Drill, gemeinsames Singen oder bunte Propagandashows zu einem knallharten, bienenfleißigen Kollektiv geschmiedet werden. “Seid vereint, wachsam, ernst und munter” steht auf großen Schildern, und im Text der von den Angestellten stehend gesungenen Firmenhymne finden sich Zeilen wie diese:
Der Transparenz zuliebe durchlebten wir harte Zeiten. Der Transparenz zuliebe kämpften wir. Fuyao repräsentiert eine transparente Welt. China ist im Frühling, Freude ist überall. Der Segen von Fuyao ist transparent.
Was die „Gewerkschaften“ angeht, so sind sie integrierter Teil eines einzigen staatskapitalistischen Komplexes, der nur mehr entfernt mit dem Kommunismus des Staatsgründers Mao Tse-Tung zu tun hat, obwohl dieser mitsamt seinen Nachfolgern natürlich weiterhin uneingeschränkte Verehrung genießt.
“Happy” sei er, sagt einer der amerikanischen Besucher am Ende einer großen Firmenparty zu einer hübschen Chinesin. “Ich bin sehr froh, Ihre Kultur zu erleben.” – “Vielen Dank.” – “Nein, ich danke Ihnen. Wir sind eins.” – “Ja, wir sind eins”, antwortet die Chinesin lächelnd. “Wir sind eins. Eine Sprache, ein Unternehmen.”
Das ist natürlich, nach allem, was man bisher in dem Film gesehen hat, eine Illusion, und noch dazu eine einseitige. Während die Amerikaner treuherzig glauben wollen, daß sie mit ihren ostasiatischen Mitarbeitern an einer geeinten Welt teilhaben und mitwirken, wird immer deutlicher, daß die Chinesen strikt im Sinne der Expansion ihrer nationalen Macht handeln.
Und es wird deutlich, was für eine ungeheure, produktive Wucht in der “kollektivistischen” Einigung der Chinesen liegt. Dies mag die Wurzel des Aufstiegs der nur mehr nominell kommunistischen Volksrepublik zur Weltmacht sein. Der chinesische “Kapitalist” oder “Globalist”, wie er in diesem Film auftritt, betrachtet sich selbst nicht als ein sich persönlich bereicherndes Individuum, sondern sieht seine Interessen in völligem Einklang mit dem Gedeihen und Wachsen von Volk, Staat und Nation.
Auch die Mitarbeiter und Angestellten, die sich der Firma mit Leib und Seele verschreiben, sehen in ihr nichts anderes als eine Manifestation ihres Landes, ihres Volkes, ihres Staates. Der individualistische Westler oder hier spezifisch: der Amerikaner wird für den chinesischen Unternehmer immer “der Andere” bleiben, den man hervorragend mit der Rhetorik der “Einen Welt” einbuttern kann, wenn man auf sein Territorium expandieren will.
Ich empfehle, diesen hervorragenden und vielschichtigen Film als “double feature” mit dem ebenfalls exzellenten, wenn auch sehr anders konzipierten Film “Empire of Dust” anzusehen, der einen guten Einblick in die chinesische Kolonisation Afrikas bietet.
Maiordomus
Was Trump in dieser Sache richtig beziehungsweise doch falsch macht, was in Sachen China die Priorität haben sollte, müsste zusätzlich noch erklärt werden. Oder interessiert dies Lichtmesz nicht? Wobei bei ihm möglicherweise fast so etwas wie eine indirekte Sympathie für China durchscheint. Aber das totalitäre chinesische System kann wohl nicht unser Vorbild sein. Überhaupt müsste die deutsche Rechte tiefer über das Totalitarismusproblem nachdenken, auch wenn man über die Verhältnisse an den Hochschulen nachdenken will, die so schlimm sind wie seit 1933 und 1968/70 nicht mehr, wobei in beiden Föllen von Totalitarismus die Rede sein konnte und musste.