Beherrscht die Rechte ihre Sprache, wird sie allein aus diesem Vermögen Erfolg haben und politisch eine Verantwortung gewinnen, die sie dann hoffentlich zu tragen weiß.
Die angeblich „Anständigen“, die vermeintlich „#Unteilbaren“, die selbsterklärte Mitte also ist in ihrer Verlautbarungsrhetorik über öffentliche Medien zwar durchweg gegenwärtig, weil von Staats wegen getragen und alimentiert, allerdings im Substantiellen ihrer Sendung politisch erschöpft. Die Semantik ihrer Leitbegriffe stimmt nicht mehr oder erweist sich als leer.
Das große Denotat, die Gesellschaft, hat sich entscheidend gewandelt; eine griffige Rede darüber ist mit einst klaren, mittlerweile aber verbrauchten Begriffen nicht mehr möglich. Es muß eine Anpassung erfolgen. Adäquaten Text vermag vorzugsweise die Rechte zu formulieren, weil allein schon ihre Perspektive systemtheoretisch komfortabel ist, muß sie doch, lautstark von den „Anständigen“ ausgeschlossen, von außen auf das System blicken.
Was inside-the-box durchverordnet schlüssig erscheint, offenbart outside-the-box deutlich die internen Lebenslügen. Umgekehrt besteht das Dilemma der Linken darin, daß sie sich im System wiederfindet, inside the box, obwohl sie vor Jahren nicht dazugehören wollte oder konnte. Die Teilnahme an der Volksfront gegen rechts ist für ihr Selbstverständnis zwar unabdingbar, verschliß aber linke Leitbegriffe oder wertete sie um. Dies geschieht durchaus schleichend und dabei halb- oder unbewußt.
Zeichen – außer apriorische, also etwa mathematische – sind im Gespräch immer unklar; und nach Wittgenstein besteht Philosophie u. a. darin, das Denken aus der Verhexung zu befreien, in die es die Sprache immer wieder führt. Diesem Anspruch sollten man ebenso politisch folgen. Eine Klärung des politischen Denkens und Sprechens ist derzeit nun mal viel eher von rechts möglich als von links, schon gar nicht aber aus der auf sich selbst fixierten Mitte und ihrem blinden Fleck heraus. Ideal wäre freilich der Diskurs. Obwohl die Linksmitte beständig Habermas aufruft, fehlt ihr der Mumm, diesen Diskurs mit der Rechten zu führen. Was bleibt? Geschrei, bestenfalls polemisches Bekenntnis.
Die Exekutive und ihre Anhängerschaft formulieren zwar zunehmend Losungen und Spots und versuchen sich solcherart an Spracherfrischung, ebenso wie dieses „bunte“ Bündnis gern ausnehmend jung und lebensprall erotisch erscheinen möchte. Man suggeriert sich dort Selbstvertrauen, wo es zu schwinden beginnt: „Wir sind mehr!“ Dieses Pfeifen im Walde wird verstärkt durch Events, etwa kraft der mittlerweile staatstragenden Punk-Combo „Feine Sahne Fischfilet“ oder dem dauerpräsenten Herbert Grönemeyer, der – Warum eigentlich? – als ein Muster an „Courage“ gilt.
Die eigentliche Mehrheit, meist ja stets schweigend, wird, gerade im Osten, skeptischer, wenn sie erlebt, daß hinter dieser vorgeblichen Spontanität quasistaatliche Orga-Teams stehen, was solchen Inszenierungen eine Anmutung von Pfingstfestivals der FDJ gibt: Der Eintritt ist zwar frei, dafür aber ist mit gleichgeschalteter Auffassung zu bezahlen.
Man geriert sich als „unteilbar“, „bunt“, „weltoffen“; man will „Integration“ und unbedingt die Debatte, allerdings nur mit Gleichgesinnten. Eine solche Polit-Choreographie trägt nicht mehr weit, ihr fehlt das Echte, das Entzündliche, die Leidenschaft und die Anziehungskraft, die das Ideelle stets braucht, um zu inspirieren. Letztlich fehlt ihr sogar Witz. Gerade wenn der konstruiert erscheint und zum Calauer wird, bekommen selbst die Bekenner mit, daß es so lustig gerade nicht ist. Man denke an all die bemühten Wortspiele um die Farbe braun oder an ausgelatschte Storch-Heinar-Pointen.
Was indessen Übertreibungen, Überhöhungen und Schärfungen betrifft, so kennen wir derlei Sprachsignale aus dem Alltag. Immer, wenn erzählt wird, etwas wäre „wahnsinnig spannend“, „hochinteressant“ und durchweg „großartig“ gewesen, wissen wir, daß durch diese Hyperbeln öde Langeweile grell überfärbt werden soll.
In den Neunzigern und Nullerjahren war es eher der Euphemismus, der zum staatsprachlichen Stilmittel avancierte, jetzt regiert der Suggestivbegriff. Man prüfe daher, was genau gemeint sein soll mit „Deutschland bliebt bunt!“, mit „Willkommenskultur“, mit „Zusammenstehen“, „Toleranz“ und „Divergenz“, mit „Teilhabe“ und „Gerechtigkeit“.
Was genau ist der schwere Kern dieser Worte? Gibt es überhaupt noch einen? Was intendiert ihr propagandistischer Dauergebrauch? Fungieren sie schon als eine Art Gebet, als eine Fürbitte, als der Wunsch, es sei bitte alles so, weil es gerade eben nicht so ist, wie man es sich erhofft? Worauf hofft man denn genau?
Hinsichtlich der performativen Sprachakte ist es weniger die Frage, ob manipuliert wird, denn das geschieht unweigerlich und immer; es geht primär nicht mal um „Framing“, sondern lediglich darum, ob dieser Begriffe im Sinne des Wittgensteinschen Sprachspiels taugen: „Die Bedeutung des Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“
Im Beispiel: Wem gegenüber soll denn „Toleranz“ geübt werden? Bezeichnenderweise gerade nicht, wo es der Toleranz bedürfte, nämlich im fairen Disput auf Augenhöhe, ausgehend von der Akzeptanz des Gegners, dem man sich auf dem Podium argumentierend und diskutierend stellt, denn dem „Rechten“ soll doch gerade kein Podium geboten werden.
Der „Rechte“ gehört ausgeladen, verunglimpft, niedergebrüllt. Weil es ihn, den Rechten, vernünftigerweise ja dank politischer Bildung gar nicht mehr geben dürfte, personifiziert er das Böse, Abnorme, Kranke. Und man verhält sich, als wäre er infektiös. Befürchtet man eine zu schwache Immunabwehr?
Bleibt also die Toleranz gegenüber der eigenen Klientel, wo es allerdings keiner Toleranz bedürfte, da man doch prinzipiell übereinstimmt. Gut, als logisch aufzurufen wäre noch, daß die Rechte ihrerseits eben tolerant gegenüber der Linken sein sollte wie gegenüber all jenen, die nicht rechts sind. Das aber, heißt es wiederum ohne Diskussion, ist die Rechte ja nicht. Sie selbst sollte es üben, weil das Größe hat.
Klärung der Semantik ist also entscheidend, damit verstanden und gesprochen werden kann. Wollte man das zwischen den Lagern im Gespräch über „Bildung“ versuchen, so ist insbesondere auf diesem Feld nicht klar, wovon die Rede sein soll, da das, was das System meint, mit dem Bildungsbegriff der auf Rückbesinnung orientierten Konservativen kaum etwas gemein hat.
Eher wäre vorm Diskurs zu klären, was die jeweilige Seite mit der Bedeutung ihrer Zeichen überhaupt meint. Dies, sei unterstellt, weiß die Mitte und weiß die Linke kaum mehr. Sie benutzt Begriffe nur noch als reine Zeichen. Sie müßte Begriffe auf andere zurückführen, bis klar wird, daß die kaum mehr irgendwo gründen, also weder verstanden noch gebraucht werden können.
Übrig blieben dann in der Regel entweder Wortlosigkeit oder eben Losungen.
igore
Guter Text!
„Wem gegenüber soll denn Toleranz geübt werden?“ Ich denke hier ist vor allem das multikulturelle Experiment im Allgemeinen und der Islam im Besonderen gemeint.