Netzfundstücke (26) – Vietnam, Töten, Attentat

Vietnam – ein Pflock im Herzen der USA

Zwi­schen dem 02. und 04. August 1964 ereig­ne­te sich der »Ton­kin-Zwi­schen­fall« im Golf von Ton­kin vor der Küs­te Nord­viet­nams, bei dem meh­re­re US-ame­ri­ka­ni­sche Kriegs­schif­fe von nord­viet­na­me­si­schen Boo­ten atta­ckiert wor­den sein soll­ten. Die US-Regie­rung unter Prä­si­dent Lyn­don B. John­son nutz­te die­sen Vor­fall – über den im Nach­hin­ein bekannt wur­de, daß er nie statt­ge­fun­de­nen hat­te – um mit allen mili­tä­ri­schen Mit­teln in den schwe­len­den Kon­flikt zwi­schen Nord- und Süd­viet­nam einzugreifen.

Das ost­asia­ti­sche Land an der Pazi­fik­küs­te war somit zum Schau­platz des längs­ten Krie­ges im 20. Jahr­hun­dert gewor­den. Ord­net man den fran­zö­si­schen Indo­chi­na­krieg, den US-ame­ri­ka­ni­schen Viet­nam­krieg und die zwi­schen bei­den mili­tä­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen lie­gen­de, vor sich hin­kö­cheln­de Tran­si­ti­ons­pha­se als einen ver­bin­den­den Rah­men ein, dau­er­te der Krieg rund 29 Jah­re an. Für die US-Ame­ri­ka­ner ver­kör­pert »Viet­nam« ein natio­na­les Trau­ma – nach dem qua­si geschei­ter­ten Krieg in Korea von 1950–1953 soll­te der Kon­flikt in Viet­nam end­gül­tig erheb­li­che Zwei­fel an der eige­nen Stär­ke her­vor­ru­fen, noch einen Krieg gewin­nen zu können. 

Fer­ner ließ er eine über den Kon­flikt inner­lich zer­ris­se­ne Gesell­schaft zurück, die sich ihrer Selbst­ge­wiß­heit beraubt sah. Nun hat ARTE für einen begrenz­ten Zeit­raum die monu­men­ta­le Doku­men­ta­ti­on – im eng­li­schen Ori­gi­nal sogar acht­zehn Stun­den lang, die deut­sche Ver­si­on ist lei­der um fast die Hälf­te gekürzt  – »The Viet­nam War« von Ken Burns und Lynn Novick in sei­ne Media­thek aufgenommen.

Bedau­er­li­cher­wei­se sind die ers­ten drei Tei­le nicht mehr ver­füg­bar, nichts­des­to­trotz lohnt auch ein Ein­stieg in der Mit­te. Bis zum 11.09. sind die letz­ten fünf Tei­le der Doku-Serie noch bei ARTE abruf­bar, also ranhalten!

Nach­trag: Mitt­ler­wei­le ist kei­ner der Tei­le mehr über ARTE ver­füg­bar, wes­we­gen nur noch ein Aus­schnitt von PBS als Video hier hin­ter­legt ist.

Für die Leser, die des Eng­li­schen mäch­tig sind, emp­fiehlt es sich am bes­ten gleich auf Suche im Netz zu gehen und nach einem UK-Import der DVD Aus­schau zu hal­ten. So kom­men Sie an die unge­kürz­ten acht­zehn Stun­den her­an und ent­ge­hen dem Zeitdruck.


Was Ihnen wie­der­um nicht zeit­lich zwi­schen den Fin­gern zer­rinnt, sind Buch­sta­ben auf Druck­pa­pier. Und zur anthro­pol­gi­schen Kon­stan­te »Krieg« gibt es eini­ges von Gehalt zu lesen: Zual­ler­erst wäre da Rolf Peter Sie­fer­les umfas­sen­des Spät­werk Krieg und Zivi­li­sa­ti­on zu nen­nen, das den Krieg als ein Phä­no­men kul­tu­rel­ler Evo­lu­ti­on iden­ti­fi­ziert und ihn in sei­nen Erschei­nungs­for­men von den tri­ba­lis­ti­schen Wur­zeln bis zu moder­nen Cyber­krie­gen akri­bisch seziert. Fer­ner lohnt sich im Kon­text »Krieg« immer die Lek­tü­re der Arbei­ten des israe­li­schen Mili­tär­his­to­ri­kers Mar­tin van Cre­veld – hier sei Kriegs-Kul­tur. War­um wir kämp­fen: Die tie­fen Wur­zeln bewaff­ne­ter Kon­flik­te emp­foh­len. Im Zusam­men­hang mit dem Viet­nam-Krieg sei außer­dem nach­drück­lich auf Carl Schmitts Theo­rie des Par­ti­sa­nen hin­ge­wie­sen – eine kon­zi­se Ana­ly­se zur Asym­me­trie moder­ner Krie­ge. Zu guter Letzt ein Wech­sel von der Drauf­sicht des Beob­ach­ters in die Innen­an­sicht; was es bedeu­tet, mit­ten im »Vater aller Din­ge« zu ste­cken, das schil­dert der fran­zö­si­sche Schrift­stel­ler und Kriegs­ve­te­ran des liba­ne­si­schen Bür­ger­kriegs Richard Mil­let ein­drucks­voll in sei­nem, bei Antai­os erschie­ne­nen, Erfah­rungs­be­richt Töten. Ein Bericht:

Was ich vor zehn Jah­ren noch für mich behal­ten hat­te, wer­de ich nun offen­le­gen, um zum Ende zu kom­men mit dem Krieg.


Ganz im Zei­chen des Buches stand auch wie­der die bekann­te Sen­de­rei­he auf You­Tube »Auf­ge­blät­tert. Zuge­schla­gen – Mit Rech­ten lesen« mit Ellen Kositza und Susan­ne Dagen – dies­mal zu Gast, der Lei­ter des Insti­tut für Staats­po­li­tik, Dr. Erik Leh­nert:

Von den bespro­che­nen Büchern – Welch schö­ne Tie­re wir sind (Kositza), Gegen­lausch­an­griff (Dagen) – ist ins­be­son­de­re das von Dr. Erik Leh­nert vor­ge­stell­te Stauf­fen­berg. Por­trait eines Atten­tä­ters hervorzuheben.
Qua Tho­mas Kar­laufs spe­zi­el­ler Her­an­ge­hens­wei­se der Ideen­welt­re­kon­struk­ti­on des Offi­ziers ragt es zwi­schen den Unmen­gen an Stauf­fen­berg-Bio­gra­phien posi­tiv her­aus und läßt den Atten­tä­ter in einem ande­ren Licht erschei­nen als in wel­chem ihn so man­cher ger­ne sehen möch­te – denn die Vor­stu­fe zur BRD ver­kör­per­te Stauf­fen­berg mit ziem­li­cher Sicher­heit nicht:

Wir beken­nen uns im Geist und in der Tat zu den gro­ßen Über­lie­fe­run­gen unse­res Vol­kes, die durch die Ver­schmel­zung hel­le­ni­scher und christ­li­cher Ursprün­ge in ger­ma­ni­schem Wesen das abend­län­di­sche Men­schen­tum schu­fen. Wir wol­len eine Neue Ord­nung, die alle Deut­schen zu Trä­gern des Staa­tes macht und ihnen Recht und Gerech­tig­keit ver­bürgt, ver­ach­ten aber die Gleich­heits­lü­ge und for­dern die Aner­ken­nung der natur­ge­ge­be­nen Rän­ge. Wir wol­len ein Volk, das in der Erde der Hei­mat ver­wur­zelt den natür­li­chen Mäch­ten nahebleibt, das im Wir­ken in den gege­be­nen Lebens­krei­sen sein Glück und sein Genü­ge fin­det und in frei­em Stol­ze die nie­de­ren Trie­be des Nei­des und der Miß­gunst überwindet.

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Kommentare (49)

Der_Juergen

7. September 2019 09:31

Ich wäre dankbar für die genaue Quelle zu dem hier angeführten Stauffenberg-Zitat, das es in sich hat.

qvc1753

7. September 2019 09:57

Personlich neige ich eher Keegan als van Creveld zu was die „Culture of War“ angeht. Hohe Zeit das sich wieder mit den Thema Krieg auseinander gesetzt wird.

Was nun das Buch Karlaufs angeht, so würde ich immer zwei Dinge im Bezug auf Stauffenberg auseinander halten wollen:
Die Person und ihre Biographie und Motivation und ihre Rezeption nach 1945.
Wenn heute Konservative sich auf Stauffenberg beziehen, so tun sie dieses in Hinblick auf die Ideen und Geisteswelt in der Stauffenberg verwurzelt war.
Die Bundesrepublik wiederum hat, nach langem Fremdeln, den Mann und die Tat in ihre Symbolik und Traditionspflege eingefügt. Mann und Tat sind damit in ein Narrativ eingefügt, das nur bedingt auf dem fusst was Stauffenberg glaubte und dachte.
Dies sagt m.E. etwas über den konservativen Widerstand 1944 aus und über die 1949 gegründete Republik.
An dieser Stelle einen Hebel an zu setzen um die Bundesrepublik und ihr Heldenbild zu treffen führt m.E. in die Irre.
Was Stauffenberg antrieb und aus welchen Quellen er seine Motivation schöpfte, das ist auch einem gut gebildeten Menschen fast nicht mehr vermittelbar. Wer kennt oder liest gar George? Ein vermutlich eher kleiner Zirkel.
Stauffenberg kann aber immerhin insoweit in das bundesdeutsche Narrativ eingefügt werden, als das er als Beispiel für einen Soldaten dient, der seinen Eid brach, weil seine Regierung Dinge tat, die Gehorsam nicht mehr rechtfertigten.
Dass vor diesem Hintergrund die Bundeswehr eine Parlamentsarmee wurde und die Innere Führung einführte, das ist nichts was Stauffenberg gefordert hätte, aber durchaus eine Konsequenz daraus.

Und die ewig junge Frage ab wann der Dienende beschliessen kann an seinen Diensteid nicht gebunden zu sein.
Das man einem Massenmörder und Verbrecher keinen Gehorsam schuldet, das zumindest sollte das Attentat geklärt haben.

Jonas Schick

7. September 2019 11:45

In Auszügen hier: https://sinn-und-form.de/index.php?titel_id=3420&tabelle=leseprobe

In Gänze hier: Eberhard Zeller, Geist der Freiheit. Der 20. Juli, H. Rhinn 1954

H. M. Richter

7. September 2019 12:29

O.g. Stauffenberg-Zitat sei an dieser Stelle noch ergänzt um die sich daran anschließenden Sätze:
"[... und in freiem Stolze die niederen Triebe des Neides und der Mißgunst überwindet] Wir wollen Führende, die aus allen Schichten des Volkes wachsen, verbunden mit den göttlichen Mächten, durch großen Sinn, Zucht und Opfer den anderen vorangehen. Wir verbinden uns zu einer untrennbaren Gemeinschaft, die durch Haltung und Tun der Neuen Ordnung dient und den künftigen Führern die Kämpfer bildet, derer sie bedürfen. Wir geloben untadelig zu leben, im Gehorsam zu dienen, unverbrüchlich zu schweigen, und füreinander einzustehen.“

heinrichbrueck

7. September 2019 13:25

@Der_Juergen
Der Eid:
„Wir glauben an die Zukunft der Deutschen. Wir wissen im Deutschen Kräfte, die ihn berufen, die Gemeinschaft der abendländischen Völker zu schönerem Leben zu führen. Wir bekennen uns im Geist und in der Tat zu den großen Überlieferungen unseres Volkes, das durch die Verschmelzung hellenischer und christlicher Ursprünge in germanischem Wesen das abendländische Menschentum schuf. Wir wollen eine Neue Ordnung, die alle Deutschen zu Trägern des Staates macht und ihnen Recht und Gerechtigkeit verbürgt, verachten aber die Gleichheitslüge und beugen uns vor den naturgegebenen Rängen. Wir wollen ein Volk, das in der Erde der Heimat verwurzelt den natürlichen Mächten nahe bleibt, das im Wirken in den gegebenen Lebenskreisen sein Glück und sein Genüge findet und in freiem Stolze die niederen Triebe des Neides und der Mißgunst überwindet. Wir wollen Führende, die aus allen Schichten des Volkes wachsen, verbunden mit den göttlichen Mächten, durch großen Sinn, Zucht und Opfer den anderen vorangehen. Wir verbinden uns zu einer untrennbaren Gemeinschaft, die durch Haltung und Tun der Neuen Ordnung dient und den künftigen Führern die Kämpfer bildet, derer sie bedürfen. Wir geloben untadelig zu leben, im Gehorsam zu dienen, unverbrüchlich zu schweigen, und füreinander einzustehen.“
https://jungefreiheit.de/wissen/geschichte/2007/wir-glauben-an-die-zukunft-der-deutschen/

Niekisch

7. September 2019 13:39

"Für die US-Amerikaner verkörpert »Vietnam« ein nationales Trauma"

Ja, das ist sicher so, aber sollten wir darauf so viel Energie verschwenden? Harren unserer Aufmerksamkeit nicht genug deutsche, unbewältigte Traumata?

Thomas Martini

7. September 2019 18:55

"Und die ewig junge Frage ab wann der Dienende beschliessen kann an seinen Diensteid nicht gebunden zu sein.
Das man einem Massenmörder und Verbrecher keinen Gehorsam schuldet, das zumindest sollte das Attentat geklärt haben." - qvc1753

Hallo qvc1753, Sie meinen sicher nur, daß man einem deutschen Massenmörder keinen Gehorsam schuldet, oder? Für jene Herrschaften, die den Bombenkrieg auf deutsche Zivilisten führten, gilt das doch nicht?

Präziser: Die alliierten Soldaten haben ihren Anführern Gehorsam geschuldet? Jene Piloten der Royal Air Force, die hunderte deutsche Städte dem Erdboden gleichmachten, die waren zurecht gehorsam? Die Piloten, welche die beiden Atombomen auf ein geschlagenes, zur Kapitulation bereites Land abgeworfen haben, die hatten keinen Grund, ihren Befehl zu hinterfragen, stimmt's?

So muß es wohl sein, denn Winston Churchill und Franklin D. Roosevelt waren natürlich keine Massenmörder, wie Hitler, das lehrt uns die Geschichte, sondern Friedensengel mit besten Absichten.

Gut aufgepasst qvc1752, Sie haben die richtigen Lehren aus unserer Geschichte gezogen! Sefton Delmer wäre stolz auf Sie.

Was mich angeht, da wären die Chefpropagandisten der Alliierten sicherlich maßlos enttäuscht. Erst kürzlich habe ich eine Ausgabe von "Der ekle Wurm
der deutschen Zwietracht - Politische Probleme rund um den 20. Juli 1944" von einem Autor namens Friedrich Lenz erworben.

Die Kernthese dieses Buches: Die Verschwörer des 20. Juli wollten Hitler schon vor dem Krieg absägen. Schon vor der Machtübernahme 1933, sei Hitler von Verrätern und Saboteuren umzingelt gewesen, der Autor arbeitet dabei drei Hauptgruppen heraus.

Wenn das allerdings so war, dann ist die These hinfällig, daß es den Verschwörern vom 20. Juli 1944 darum ging, weitere "sinnlose" Opfer zu vermeiden. Die Stauffenbergsche Heldengeschichte fällt damit wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Das Buch von Lenz, das es übrigens auch als PDF im Netz gibt, war ein starker Trost dafür, daß Louis-Ferdinand Cèlines "Rigodon" derzeit nirgendwo aufzutreiben ist.

Was die Welt heute braucht, sind Autoren, die aufzeigen, daß man den Krieg in Europa längst zivilisiert und eingehegt hatte, bevor England und die USA mit ihren Angriffs-, Interventions- und Systemwechselkriegen dazü übergegangen sind, die Grenze zum Völkermord immer wieder zu verwischen.

"Aber Herr Martini, wieso müssen Sie die Schuld den immer bei den "Anderen" suchen?" Das kommt davon, weil ich die Besatzerbrille ausgezogen habe!

Wenn "Vietnam" für die USA ein "nationales Trauma" verkörpert, was verkörpern die "USA" dann für Vietnam? Es ist so typisch, auch diesen Krieg immer nur aus der Sicht des Amerikaners aufzufassen. Reicht dem Deutschen nicht, die beiden Weltkriege wie ein Amerikaner zu verstehen. Nein, er muß auch all die anderen unzähligen US-Kriege, an denen sein eigenes Volk völlig schuldlos war, immer aus der Sicht der Amis begreifen.

So muß das, so rockt es:

"D-Day:
War's over, man. Wormer dropped the big one.

Bluto:
Over? Did you say "over"? Nothing is over until we decide it is! Was it over when the Germans bombed Pearl Harbor? Hell no!

Otter:
Germans?

Boon:
Forget it, he's rolling.

Bluto:
And it ain't over now. 'Cause when the goin' gets tough...

Bluto:
the tough get goin'! Who's with me? Let's go!"

https://www.quotes.net/movies/animal_house_421

Adler und Drache

7. September 2019 19:47

Ich kannte das Zitat bereits, kommt es nur mir sehr hochmütig vor? Das Volk hat seinen eigenen Willen, dem soll man ihm lassen.

RMH

7. September 2019 21:58

"Was die Welt heute braucht, sind Autoren, die aufzeigen, daß man den Krieg in Europa längst zivilisiert und eingehegt hatte, bevor England und die USA mit ihren Angriffs-, Interventions- und Systemwechselkriegen dazü übergegangen sind, die Grenze zum Völkermord immer wieder zu verwischen."

@Thomas M.
Einfach mal Heft 1 der Sezession lesen und merken, dass es diese Autoren und Beiträge schon längstens gibt … dann ggf. wieder melden. Der Rest Ihres Beitrages ist das, was Sie hier schon seit unzähligen Beiträgen immer wieder zum Besten geben. Da kaum neue Forenteilnehmer festzustellen sind, wie oft wollen Sie sich eigentlich noch wiederholen?

@Adler und Drache,
"Das Volk hat seinen eigenen Willen, dem soll man ihm lassen."

Sehe ich jetzt keinen echten Widerspruch zu diesem Satz:

"Wir wollen eine Neue Ordnung, die alle Deutschen zu Trägern des Staates macht und ihnen Recht und Gerechtigkeit verbürgt"

Vgl. dazu auch Art. 20 Abs. 2 u. 3 GG, womit diese Forderungen eigentlich umgesetzt wurden.

Wie man sieht, jeder kann sich "seinen Stauffenberg" bauen, wie er will. Kein Wunder, er hat das Ganze ja nicht überlebt und liegt jetzt in seiner ganzen Vielschichtigkeit seiner erhaltenen und überlieferten Äußerungen und Schriften vor (sowie dutzender, ggf. hunderter Interpretationen) und konnte bzw. kann nichts mehr dazu sagen, was er davon wie gewichten würde, wenn er nach dem Krieg ggf. hätte mitentscheiden können. Von daher sollte man vorsichtig sein, ihn irgendwie vereinnahmen zu wollen und das gilt meiner Meinung nach sowohl für das "offizielle," heutige Deutschland als auch für alle anderen (neue Rechte etc.).

@qvc1753
"Und die ewig junge Frage ab wann der Dienende beschliessen kann an seinen Diensteid nicht gebunden zu sein.
Das man einem Massenmörder und Verbrecher keinen Gehorsam schuldet, das zumindest sollte das Attentat geklärt haben."

Hängen wir es nicht gleich so hoch an Fragen des Eides an.

A.H. hätte sich auch an keinerlei Eide gehalten, wenn es aus seiner Sicht opportun gewesen wäre. Als ehem. Soldat ohne mit der Wimper zu zucken zu putschen, spricht für seinen eigenen Willen zur Macht. Als ehem. Putschist wird er sich der Gefahr eines Putsches immer bewusst gewesen sein - vieles deutet darauf hin, dass er insbesondere der Wehrmacht und dessen Offizierskorps genau auch aus diesem Grunde immer misstraut hat. Mit der Vereidigung auf sich als Person hat er offenbar gedacht, damit schlägt er diese alten konservativen Trottel mit ihren eigenen Waffen, nämlich ihrer "Ehre".

Wie auch immer, in der Frage eines Krieges ist die Moral und die Pflicht auch nicht primär einem "Führer" geschuldet, sondern dem Volk, welches in den Kriegszustand geraten ist (warum auch immer). Die Kriegsteilnehmer, mit denen ich in meinem Leben über den Krieg reden durfte (leider mittlerweile alle verstorben) haben sich eigentlich nie einem Hitler groß verpflichtet gefühlt (auch wenn sie alle das Thema Eid sicher nicht so "salopp" abbürsten würden, wie ich das jetzt hier einmal in aller Kürze mache), sie wussten, spätestens als es nach Polen nicht gleich vorbei war, dass hier eine Sache ins Rollen geraten war, bei der es um Deutschland, um ihre Familien etc. ging und bei der es dann nicht mehr nur ein Versailles 2 im Falle einer Niederlage geben wird sondern dass es sehr heftig für Deutschland, dem deutschen Volk und ihre Familien werden wird, egal wer es angefangen hat, und dem fühlten sie sich sich zuallererst verpflichtet. Hier sind die großen moralischen Fragen anzusetzen. Half es dem Land, dem Volk, einen Putsch zu wagen? Oder war es besser, unter einem "Verbrecher" und seiner Entourage auf die Chance auf einen Sieg oder zumindest auf (sehr unrealistisch) irgendetwas besseres, als die totale Niederlage, zu kämpfen?

Hierzu wurde auf diesen Seiten bereits mehrfach ausgiebig und kontrovers diskutiert, muss man daher nicht wiederholen. Mein Standpunkt war eher pro Stauffenberg, viele hier haben das anders gesehen, z.T. sogar komplett anders.

Zum Thema @Vietnam und Filme:
Nachdem jetzt (2019!) sogar Francis Ford Coppola seinen Film "Apocalypse Now" von der aus meiner Sicht "amtlichen Fassung" (Redux) doch noch einmal wieder zurück gekürzt hat ("Final Cut"), scheinen lange 18 Stunden Doku evtl. angebracht (werde die Zeit dafür aber nicht finden). Die Redux- Fassung kann ich jedem, der zuvor "Heart of Darkness" von J. Conrad gelesen hat, sehr empfehlen, da dieser Film eigentlich über das Thema Vietnam deutlich hinaus geht und mehr die Ideen des Buches, welches ja in Afrika spielt, verarbeitet und aufbereitet. Genau wie das Buch, greift diese Fassung das ewige Thema des weißen Mannes, seiner Welt, seiner Moral, die Kolonisation etc. auf - besser als die anderen Fassungen.

Der_Juergen

7. September 2019 22:26

@heinrich brück
@jonas schick

Vielen Dank für die Quelle.

Klaus P Kurz

8. September 2019 02:10

@ Thomas Martini:

Klasse Kommentar. Die Wahrheit auf den Punkt gebracht.

Andreas Walter

8. September 2019 04:45

@Thomas Martini

Das waren auch meine Gedanken zu diesem Satz. Eine vermeintliche Kollektivschuld wird aber trotzdem nur uns Deutschen aufgebürdet. Zumindest Freund und Feind sind dadurch heute aber sehr leicht zu unterscheiden. Diesen Vorteil haben die ungeheuerlichen Anschuldigungen. Ob dann jemand nur dumm, unwissend oder gemein ist lässt sich auch schnell feststellen.

Manchmal zeigt es sich halt erst nach 70 Jahren, wie Gottes Gerechtigkeit funktioniert, sich am Ende dann doch noch offenbart. Erinnert mich darum auch an die Geschichte der Offenbarung, an Armageddon.

Wobei es mir egal ist, wer und wann die letzte Schlacht gewinnt, denn ich werde so oder so immer am richtigen Ort sein. Im Himmel.

https://youtu.be/LDgs7ERjC7A

Walhalla muss aber auch sehr schön sein:

https://youtu.be/JZzxqRNCk7M

https://youtu.be/-tJZTVdfSvw

Laurenz

8. September 2019 05:29

@Niekisch ... worauf Herr Schick u.a. wohl hinaus will, ist der Zustand der USA, auf den man wohl einen Blick werfen kann, denn der ist für uns ja nicht unerheblich. Ich hätte mir natürlich persönlich gewünscht, daß, wenn man schon die Kriege in Indochina beleuchtet, mit der französischen Besetzung des Südens in den 1860er Jahren begonnen würde, welche dann im Norden Indochinas in den französisch-chinesischen Krieg der 1880er Jahre mündete, als Admiral Courbet den Sack quasi zumachte. Ein kurzer Abriß wäre nicht verkehrt gewesen, um uns die "westliche" Kriegs-Geschichte in Ost-Asien näher zu bringen. Schon damals, wie heute wieder, stand das sogenannte "Indochine" unter chinesischem Einfluß. Und auch heute haben wohl die Vietnamesen vor China mehr Angst als vor den USA, was bezeichnend ist. Denn wieso würden die Vietnamesen, als klare Sieger des "Vietnam-Krieges", us amerikanischen Militär-Stützpunkte auf ihrem Territorium zulassen (?).

Und unsere Traumata sind aktuell kein Thema, mit dem wir punkten könnten, denn ganz unbesehen dieser, vergeht doch kein Tag, ohne daß Deutschland, wesentlich imperialistischer als das II. Reich, den gesamten Planeten belehrt, wie die Zukunft aller, vollkommen alternativlos, zu gestalten ist.
Ich sehe mich gezwungen, werter Niekisch, es zu schreiben. Wieder richten Sie den Blick auf uns selbst in jammernder Selbst-Reflexion und sind nicht in der Lage, einer politischen Feindaufklärung, innen- oder außenpolitisch spielt keine Rolle, den Vorzug zu geben.
Sie tun so, als ob dieses imperialistische Gehabe unserer Berliner Polit-Statisten nicht in eine innere politische Debatte einzubringen wäre.

Ein kleines Beispiel: Wer "Regenwald" erhalten will, braucht ihn bloß zu kaufen und für seine Bewachung aufzukommen. Wo ist denn tatsächlich das westliche Bolsonaro-Problem zu verorten? Für die Tagesschau explizit im brasilianischen Regenwald, witzig oder?
Alleine in unserer käuflich erwerbbaren Grill-Kohle befinden sich mutmaßlich 1/3 tropische Hölzer.
Oder betrachten Sie die aktuelle Hongkong-Nummer, was sollte uns das sagen? Daß Gibraltar unbedingt britisch - und franz.-Guyana natürlich französisch bleiben sollte?

Gustav

8. September 2019 08:50

@ Adler und Drache

"....Das Volk hat seinen eigenen Willen...."

..... und gemeinsam fahren alle, mit aufrührerischem Geschrei, auf dem geräumigen Schiff ohne Kapitän die schmutzigen Stromschnellen des großen Flußes hinab, mit schrecklichem und jähzornigem Jauchzen wie eine meuternde Besatzung. Und sie wissen nicht, wohin sie fahren, noch woher sie kommen, noch wie das Schiff heißt, das sie trägt, noch welcher Wind sie voranstößt. Wenn sich von Zeit zu Zeit eine düstere, prophetische Stimme erhebt und ruft: "Wehe den Schiffern! Wehe dem Schiff", so hält das Schiff doch nicht an, noch hören die Schiffer zu; und die Wirbelstürme rasen heftiger und das Schiff beginnt, in den Spanten zu ächzen, und weiter gehen die unzüchtigen Tänze und die üppigen Gelage, die Salven irren Gelächters und das wahnsinnige Lärmen, bis, in einem feierlichsten Augenblick, dies alles plötzlich endet: die üppigen Gelage, die Salven irren Gelächters, das Ächzen des Schiffes und das Heulen der Wirbelstürme. Über all das breiten sich die Wasser, und die Stille ist über den Wassern, und Gottes Zorn ist über den stillen Wassern...... (Donoso Cortes)

Gustav Grambauer

8. September 2019 09:24

H. M. Richter

"O.g. Stauffenberg-Zitat sei an dieser Stelle noch ergänzt um die sich daran anschließenden Sätze: ..."

Diese Schwülstigkeit ist ja unerträglich. Pathos ist immer anrüchig und verdächtig. Bei dem Wort "unverbrüchlich" bestand bei Honecker immer die größte subjektiv für einen Moment empfundene Hoffnung auf das Reißen der Stimmbänder.

Was heißt überhaupt "Neue Ordnung", immerhin in der kurzen Gelöbnisformel gleich 3 x geankert?! 25 Jahre zuvor waren sie ob ihrer Dekadenz davongejagt worden, schon schwadronieren sie wieder von ihrer "Neuen Ordnung"?! Die Auseinandersetzung mit dem NATO-Vatikan-lancierten Prohhezeihungkomplex weit über Irlmaier hinaus gibt den tiefsten Einblick: Westmächte mit Katholen (--- damals ---) vereint ("Das Europa der Kathedralen") auf Feldzug gegen den slawischen Untermenschen 2.0, darum ging es beim 20. Juli, und dafür war Stauffenberg der Mann!

"Wer pathetisch auftritt, will betrügen."

Reine, wenn auch verklausulierte Raubkriegspropaganda, und, klar, wieder mal im Namen von "Gott".

- G. G.

Gustav Grambauer

8. September 2019 09:53

Nachtrag:

"Generell seien Katholiken gegen Hitler immuner gewesen, sagte Berthold von Stauffenberg. So sei die 'überhöhte religiöse Bedeutung', die der Fahneneid im Wilhelminismus bekommen habe, 'uns katholischen Süddeutschen fremd'. Der preußische Adel habe außerdem mit dem Ende der Monarchie 1918 das Problem gehabt, dass ihm 'der Kaiser als oberster Bischof fehlte'. Die Katholiken dagegen hätten weiter 'ihren Papst als ultramontane Konterinstanz' gehabt."

https://www.katholisch.de/artikel/22367-berthold-von-stauffenberg-mein-vater-war-ein-treuer-katholik

Aber warum hat dann Stauffenberg mit seinem hier in Rede stehender Fahneneid alle preußischen an "überhöhter religiöser Bedeutung" übertroffen?

Hier die Antwort: nachdem das germanische Programm massenpsychologisch abgenutzt und die Deutschen insgesamt kriegsmüde waren wollten diejenigen, die, wie ich als Kind in der Schule gelernt habe, Deutschland als Stoßkeil gegen (Sowjet-)Rußland aufmunitioniert haben, den Rußlandfeldzug ("den künftigen Führern die Kämpfer bildet, derer sie bedürfen") auf Basis des Programms "christliches Abendland" weiterführen, und deren Hauptresidenten / Hauptagenten waren die abgehalfterten deutschen Adelscliquen. So widerwärtig!

- G. G.

nom de guerre

8. September 2019 11:59

@ Thomas Martini (+ @ RMH)

Mag sein, dass Sie auch in diesem Kommentar nichts schreiben, was Sie nicht so oder ähnlich schon mal geschrieben haben. Das gilt aber nach meiner Beobachtung für alle hier im Kommentariat, die nicht erst seit gestern dabei sind, mich eingeschlossen. Hier werden trotz neuer Erkenntnisse, die es auch ab und zu gibt, im Grunde immer wieder die gleichen Probleme ausgewalzt und jeder schreibt zum x-ten Male das, was ohnehin schon alle als seinen Standpunkt kennen. Darin könnte m.E. ein Grund dafür liegen, dass viele Teilnehmer irgendwann verschwinden. Allerdings ändert das nichts daran, dass an Ihren Ausführungen durchaus etwas dran ist.

Céline, Rigodon finden Sie übrigens hier: https://www.booklooker.de/B%C3%BCcher/Angebote/infotext=celine+rigodon
Darf man fragen, warum das so lesenswert ist? Höre von dem Buch jetzt zum ersten Mal.

Der_Juergen

8. September 2019 13:18

@Thomas Martini

Zustimmung zu Ihrem Kommentar.

@Gustav

Danke, dass Sie das wunderbare Zitat von Donoso wieder einmal gebracht haben. Sie geben mir übrigens in Bezug auf Ihre Weltanschauung Rätsel auf. Ich nahm lange an, Sie seien ein traditionalistischer Katholik, aber manche Ihrer Wortmeldungen sprechen dagegen. Vermutlich sind sie, um es mit Hutten zu sagen, "ein Mensch mit seinem Widerspruch".

heinrichbrueck

8. September 2019 14:38

@ Gustav Grambauer
„Neue Ordnung“ = ?
Ist ein leerer Magen hintergehbar?
Staaten, die sich Geld leihen müssen, werden von einer globalen Elite regiert. Diese braucht in allen Staaten Funktionäre, die als Geldeintreiber ihre Völker zur Kasse bitten. In welchem Sinne, ein Geldsystem der gegenwärtigen Ordnung vorausgesetzt, wird regiert?
Die Umvolkungsgeschichte der BRD ist eine Geschichte des Völkermords. 20 bis 40 Millionen, Tendenz steigend. Was wäre also eine „Neue Ordnung“?

zeitschnur

8. September 2019 15:46

@ Gustav Grambauer

Sie sprechen mir aus der Seele! Ihre vernünftige Stimme hier ist Balsam...
Dieser Schwulst des Zitats, dieses Zeug von den "natürlichen Rängen" und "den Führenden aus allen Schichten des Volkes" - wer bitte soll das sein? Und wer entscheidet darüber, was "natürlich" ist.
Und dann auch noch mit göttlichen Mächten im Huckepack - das kannte man doch irgendwo schon, der junge Herr mit Oberlippenbart hatte es doch auch immer mit der Vorsehung, die ihn gesandt habe...

Und dann die "Neue Ordnung" - mir stieß das wie Ihnen übelst auf. Wie oft eigentlich noch? Geht es eigentlich mal eine Nummer kleiner? Ich brauche weder den new world order, noch den novus ordo noch den novus ordo seclorum noch sonst ständig irgendwelche Gängelungen durch angeblich göttliche oder meinetwegen atheistische Ordnungen, die natürlich von selbsternannten "Führern" erzwungen werden sollen.
Ich habe die Nase davon aus der Kirche gestrichen voll. Die Obsession, Ordnungen zu schaffen, erzeugt überhaupt erst Unordnung.

Sie zitieren den Satz von Berthold von Stauffenberg, die Katholiken seien für den Hitlerismus weniger anfällig gewesen.- Das ist diese typische katholische Lebenslüge, die ich nur zu gut kenne. Hitler war Katholik wie wir Süddeutschen so oft! Und er bewunderte die Kirche und insbesondere die SJ. Zahlreiche katholische Exponenten haben den NS anfangs (Michael Schmaus, Ildefons Herwegen, Stichwort "Reichstheologie") oder sogar bis zum Schluss begrüßt (von Papen), eben weil er mit diesem Hierarchie- und Ordnungs- und Führungspathos daherkam. Hautpargument damals: der hierarchische Führerstaat ist innerlich verwandt mit dem hellenistischen kirchlichen Hierarchiemodell. Es geht dabei genuin um dieses Pathos der "heiligen" Ränge!) Der Hellenismus hat zusammen mit ein paar Spritzern Christus das "abendländische Menschentum geschaffen"....

Denn nicht zuletzt ist es genau diese Geistesverfassung, die auch das Vietnamdesaster mit verantwortet. Das besagte Menschentum, inzwischen verfremdet, aber immer noch gut erkennbar, hat hier seinen göttlichen Fußabdruck größer als den des Buddha hinterlassen, nicht zuletzt wieder in einer Seilschaft mit der Kirche, die hinter dem amerikanischen Marionetten-Ministerpräsidenten Ngo Dinh Diem stand, der auch "natürlichen Rang" innezuhaben glaubte samt seiner Geschwisterschar und das Land gewaltsam katholisieren wollte. Er warf erst mal den legitimen Kaiser Bao Dai aus dem Land (wer hate nun eigentlich den "natürlichen Rang"?!). Als das Volk nach einem durch Ngo zu verantwortenden Massaker an einer Buddhistenversammlung in Hue zu Buddhas Geburtstag aufbegehrte und sich ein paar buddhistische Mönche aus Protest öffentlich selbst verbrannt hatten, ließen die Amerikaner den Herrn Ngo fallen und ermorden, und dann ging es erst richtig los...

So furchtbar es klingt, aber auf einen Stauffenberg bzw dessen Pathos konnte Deutschland verzichten. Das war im Grunde alles nicht im Horizont der Erfordernisse.

Thomas Martini

8. September 2019 15:50

@nom de guerre

Zunächst einmal vielen Dank für Ihren Hinweis.

„Mag sein, dass Sie auch in diesem Kommentar nichts schreiben, was Sie nicht so oder ähnlich schon mal geschrieben haben.“

Entschuldigung, aber die Kernthese aus dem Buch von Friedrich Lenz habe ich zuvor bei Sezession noch nie so oder so ähnlich mitgeteilt. Wie auch? Das waren für mich selbst noch einmal ganz neue Einsichten. Vieles von dem was Lenz in seinem Buch nachweist, wusste ich noch gar nicht. Lenz gibt den Verrätern und Saboteuren im Dritten Reich übrigens eine Mitschuld am Kriegsausbruch.

Der Mann war ein Rechter, und einer der ersten Autoren, dem sie in der OMF-BRD (Carlo Schmid) die Grundrechte entziehen wollten. 1952. Alleine diese Information ist, wenn man willig ist, dazu geeignet, die althergebrachten Ansichten über die BRD, Demokratie und die "befreienden" Besatzungsmächte zu hinterfragen.

Was Céline angeht, da habe ich die „Trilogie Allemande“, wie man in Frankreich sagt, nun bald komplett. Warum die so lesenwert ist? Weil es dazu weder im Deutschen noch im Englischen einen Vergleich gibt. Das sind einzigartige, unvergleichliche Bücher, die den Niedergang des Dritten Reiches aus der Sicht eines Schriftstellers zeigen, der von sich selbst sagte, „... der bescheidene Erfolg meines Lebens besteht darin, daß ich immerhin das Kunststück fertiggebracht habe, unter allen, der Rechten, der Linken, dem Zentrum, den Sakristeien, Logen, Zellen, Leichenhaufen, dem Grafen von Paris, Joséphine, meiner Tante Odile, Krukrubezeff, dem Pfarrer Groschengrab, für einen Augenblick Einigkeit darüber herzustellen, daß ich das größte lebende Dreckschwein bin!" (Céline, „Norden“, S. 296)

Und das, wie Dr. Destouches in dem Zusammenhang vorausgehend feststellt, wo sich die Menschen doch sonst so gut wie nie über etwas einig sind.

RMH

8. September 2019 16:01

"Hier werden trotz neuer Erkenntnisse, die es auch ab und zu gibt, im Grunde immer wieder die gleichen Probleme ausgewalzt und jeder schreibt zum x-ten Male das, was ohnehin schon alle als seinen Standpunkt kennen. Darin könnte m.E. ein Grund dafür liegen, dass viele Teilnehmer irgendwann verschwinden."

@nom de guerre,
dem möchte ich zustimmen. In der letzten Zeit kam immerhin @"zeitschnur" dazu und hat hier Beiträge verfasst, die sehr lesenswert waren und stellenweise einen eigenen "Spin" hatten. Und auch bei den "Repetitoren" findet sich ab und an mal was Neues oder Lesenswertes - Gebetsmühlen braucht man aber, zumindest mir geht es so, keine.

@Der_Juergen,

"Sie geben mir übrigens in Bezug auf Ihre Weltanschauung Rätsel auf."

Tja, nicht jeden kann man eben aufgrund seiner hier zum Besten gegeben Beiträge in Schubladen packen … ;)

und genau dazu möchte ich - unter Außerachtlassung jeglicher Bescheidenheit und in einem Anflug von Maßlosigkeit - jeden hier aufrufen: Bitte überrascht uns, die Leser, die Debattenteilnehmer (und damit natürlich auch mich)!

PS:
Und damit versuche ich jetzt selber auch von den Beiträgen her hier in diesem Forum deutlich kürzer zu treten, da auch ich schon seit längerem merke, dass ich mich wiederhole.

Lotta Vorbeck

8. September 2019 17:01

@Laurenz - 8. September 2019 - 05:29 AM

"... Und auch heute haben wohl die Vietnamesen vor China mehr Angst als vor den USA, was bezeichnend ist. Denn wieso würden die Vietnamesen, als klare Sieger des "Vietnam-Krieges", us amerikanischen Militär-Stützpunkte auf ihrem Territorium zulassen (?)."

*************************************

... vielleicht weil die Russen ihren seinerzeit einzigen außerhalb Russlands befindlichen Flotten-/Luftwaffenstützpunkt - unter'm Vorgänger von W.W.Putin ruiniert - 2002 aufgaben.

I.) Botschafter: Vietnam nicht gegen Russlands Rückkehr auf Marinebasis Cam Ranh

Vietnam ist nicht gegen eine Rückkehr Russlands auf den Militärstützpunkt in Cam Ranh, doch diese Zusammenarbeit darf sich nicht gegen Drittländer richten, wie der vietnamesische Botschafter in der Russischen Föderation, Nguyen Than Son, in einem Interview mit der Agentur RIA Novosti in Moskau erklärte.
„Vietnams Politik besteht darin, keinen Militärbündnissen beizutreten oder sich nicht mit einem Staat gegen einen anderen zu verbünden. In diesem Kontext ist die Nutzung der Häfen von Cam Ranh für die multilaterale internationale Zusammenarbeit zwecks Gewährleistung der Seetransport-Dienstleistungen, der Schiffsreparatur und der Entwicklung der Militärtechnik zur Gewährleistung des Friedens und der Stabilität in der Region eine passende Richtung“, sagte der Diplomat auf die Frage, ob es Perspektiven für eine Rückkehr der russischen Marine auf den Stützpunkt Cam Ranh gebe. ...

[SPUTNIK - veröffentlicht am 17.05.2016 (aktualisiert 17:45 17.05.2016)]

Weiterlesen: https://de.sputniknews.com/politik/20160517309918778-vietnam-russlands-rueckkehr-marinebasis/

II.) Russland denkt über Stützpunkte in Kuba und Vietnam nach

Das russische Verteidigungsministerium denkt laut über die Stationierung von Militär in Kuba und Vietnam nach. Erst kürzlich erinnerte Putin vor der Duma an die Erfüllung einer „historischen“ Mission.

Russland erwägt Medienberichten zufolge die Reaktivierung von Militärstützpunkten in Kuba und Vietnam. Das meldeten am Freitag russische Nachrichtenagenturen unter Berufung auf den stellvertretenden Verteidigungsminister Nikolai Pankow. ...

[DIE WELT - veröffentlicht am 07.10.2016 | Lesedauer: 2 Minuten]

Weiterlersen: https://www.welt.de/politik/ausland/article158613679/Russland-denkt-ueber-Stuetzpunkte-in-Kuba-und-Vietnam-nach.html

Nath

8. September 2019 17:46

@ Zeitschnur
"Die Obsession, Ordnungen zu schaffen, erzeugt überhaupt erst Unordnung."
Dem ist beizupflichten. Vielleicht ist es die Kölner Seele in mir ("livve un livve losse"), die mich dem allzu entschiedenen Ordnungsstreben des preußisch dominierten Deutschtums nach 1871 distanziert gegenüberstehen lässt. (George war übrigens ebenso wie Nietzsche ein kompromissloser Gegner der Hohenzollern.
Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn Stauffenberg die folgenden Zeilen seines Meisters als Mahnung verstanden hätte, vor allem die dritte Zeile:

"Dir kam ein neu und schön gesicht.
Doch zeit ward alt, heut lebt kein mann,
Ob er je kommt, das weisst du nicht,
Der dies gesicht noch sehen kann."

In einem anderen Gedicht spricht George vom "Urlaub", welchen er den Mitgliedern seines Kreises gewähre (oder verordne). Trotzdem kann man es Stauffenberg nicht verargen, dass er seine "weltanschauliche Orientierung" weitherhin von jenem geistigen Bund her bezog, dem er einst angehörte. Vielleicht erinnerte er sich auch der Bemerkung des alten George, "..und ihr müsst das alles ausbaden...", glaubte jedoch, man müsse versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Es sollte nicht sein.
(Mein eigenes Verhältnis zum Bingener Dichter-Seher ist übrigens ein äußerst ambivalentes. Um es in indischen Begriffen zu sagen, die mantrische Kraft und Eindringtiefe seines Wortes verteidige ich gegen alle vermeintlichen Entmystifizierer, aber die i d e o lo g i s c h e Richtung, die spätestens seit dem "Neuen Reich" eingeschlagen wurde, erscheint mir heute fragwürdiger denn je, obwohl sich gerade hier die größten Kostbarkeiten seines gesamten Werkes finden. Gilt vielleicht auch: "Groß dichten heißt groß irren."?)

nom de guerre

8. September 2019 18:05

@ Thomas Martini

Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort, kommt beides auf meine Leseliste. In Bezug auf Ihren vorherigen Kommentar meinte ich, um das noch kurz klarzustellen, nicht den konkreten Inhalt, sondern die Richtung, die bei Ihnen, genau wie bei den meisten anderen, auch bei mir, eben doch recht vorhersehbar ist. Diese Beobachtung stellt keine inhaltliche Wertung dar und ich möchte damit auch niemanden auffordern, sich zurückzuziehen - zumal mir das gar nicht zustünde.

Was das Hinterfragen letztlich des bundesrepublikanischen Narrativs angeht, stimme ich Ihnen zu (auch die autobiographischen Informationen, die @ Niekisch hier des Öfteren einstreut, machen zumindest mich nachdenklich), aber rennen Sie damit in diesem Forum nicht weitgehend offene Türen ein?

Laurenz

8. September 2019 18:14

@alle Staufenberg-Debattanten .... die Buchvorstellung im Video ist doch geglückt, solange man sich einzig auf die Person dieses adlig preußischen Offiziers bezieht.

Was hier in der Debatte behandelt wird, wie auch die Diskussion um den gesamten deutschen Widerstand, von Frau Kositza mit dem Adenauer-Zitat klar herausgestellt, handelt es ich hier meist doch nur um politisch irrelevante deutsche Befindlichkeiten und die Erschaffung neuer Lebensmodelle nach dem 2. Weltkrieg.

Wozu die Stauffenberg-Debatte, wie alle "anti-faschistische" (Begrifflichkeit nach Herrn Kaiser) Literatur generell dient, ist, von der entscheidenden alliierten Politik abzulenken. Das Stauffenberg'sche Attentats-Opfer Herr Hitler hatte es doch klar formuliert. Er hielt Stauffenberg für einen Idioten, was er ja, in der Tat, auch war. Der gewaltsame Tod Herrn Hitlers war zu keiner Zeit des 12jährigen III. Reichs für die Alliierten von Belang (, emotional vielleicht für die Sowjets). Als der gewaltsame Tod Herrn Hitlers dann auch tatsächlich eintrat, auch nicht.

Ich möchte das bitte nicht falsch verstanden wissen, und keine neue der unzähligen Kriegsschuld-Debatten anleiern. Aber die bis heute andauernde politische Beschäftigung mit dem III. Reich oder dem italienischen Faschismus, was fälschlicherweise mit sogenannten neo-faschistischen Systemen, wie den Franquisten oder süd-amerikanischen Diktaturen oder heute der Ukraine in einen Topf geworfen wurde, bleibt angesichts globaler, geo-strategischer Politik der letzten 120 Jahre, ein einziges propagandistisches Ablenkungsmanöver, ein Blendwerk. Insofern lag der arme Herr Gauland mit Seinem Vogeschiß-Zitat gar nicht mal so falsch. Er traute Sich bloß nicht, die deutsche Geschichte zu verlassen und den globalen Bezug herzustellen, ein kluger Mann. Die Geschichte des apolitischen Militärs Stauffenberg zeigt nur auf, daß sich die Deutschen bis heute einfach zu wichtig nehmen. Etwas mehr Unauffälligkeit wäre aus historischer Überlegung überlebensnotwendig.

Maiordomus

8. September 2019 18:21

Wie hier über die Sprache von Guttenberg "argumentiert" wird, zeigt nur, dass man sich nicht geistesgeschichtlich in die historische Dimension eines Stefan George, aber auch in das Gedankengut der Widerstandsmänner vom Kreisauer Kreis, Reinhold Schneider, Werner Bergengruen, Albrecht Goes oder zum Beispiel auch nur Ernst Jünger hineindenken kann; klar ist das einstige Pathos von "Der Mensch vor dem Gericht der Geschichte" nicht die heutige Sprache. Reinhold Schneider und Ernst Jünger lehnten das Attentat nicht aus Feigheit, sondern aus Überzeugung ab, aber nicht auf dem schäbigen Niveau, wie es hier durchkommt. Selber befasste ich mich im Sommer 1964, beim zwanzigjährigen Gedenktag, angesichts des von meinem älteren Weggefährten verfassten Buches von Otto Kopp, "Widerstand und Erneuerung" (Seewald Verlag) erstmals mit Stauffenberg und Goerdeler, nichts vom Stauffenberg-Zitat war mir in den letzten 55 Jahren neu; kenne auch alle Jahrgänge der "Weissen Blätter" von Guttenberg bis 1944, wo unter anderen auch Ida Friederike Görres publizierte. Vor diesen Kalibern, zu denen letzlich auch der von Kubitschek stets hochgeschätzte Jochen Klepper gehörte, vgl. dessen unglaubliches 800-Seiten-Tagebuch "Unter dem Schatten deiner Flügel", erweist sich die hier geführte "Debatte* zum Teil eher "unter dem Hund". Ich verstehe immer besser Gaulands bei Feind und Freund umstrittene Warnungen vor Wochenfrist im Sinne des Appells an das "Bürgerliche", obwohl Stauffenberg und noch in weit ausgeprägterem Ausmass Ernst Jünger (oder gar der wahre Niekisch) als rechte "Anarchen" keineswegs "bürgerlich" dachten. Auch die besten Leute von Sezession, etwa Raskonikov, kommen mir erfrischen unbürgerlich vor. "Bürgerlich" genügt in der Tat nicht, weil es potentiell feige sein kann im Sinn von bourgeois, im Gegensatz indes zum Citoyen, zu dem nicht wenige Repräsentanten der deutschen Rechten wohl noch erzogen werden müssen. Bosselmann scheint mir indes den Anforderungen durchaus noch zu genügen. Zu den Citoyens in der AfD zähle ich noch Marc de Jong, der sich u.a. als Kenner von Leopold Ziegler, als Nachfolger von George Goethe-Preisträger und ausgezeichneter Denker im Geiste der Konservativen Revolution. Hoffe mit de Jong noch diesen Herbst ins Gespräch zu kommen. Hingegen scheinen mir die Bloggerdebatten hier oben in letzter Zeit verlorene Liebesmüh.

Das hier zum Teil geschmähte Zitat von Stauffenberg, das man aufgrund jahrelanger Studien zu dessen Hintergründen einschätzen zu lernen hätte, habe ich heute privat mehrfach verschickt mit dem Hinweis, dass dieser Mann unbeschadet seines Heldenstatus meilenweit rechts von der AfD und auch von vielen Sezessionisten positioniert war. Seit dem Erscheinen der neuesten Stauffenberg-Biographie, die mir aber trotz diverser Schwächen in der Recherche lesenswert erscheint, distanziert sich der spiessbürgerlich-konservative Mainstream dem Anschein nach zunehmend von Stauffenberg. Umso besser! Abgesehen vom Einspruch, den ich hier anbringe, erachte ich es kaum mehr länger als sinnvoll, meine Zeit in ohnehin nur lästige akademische Korreferate zu investieren, weil, wie oben mehrfach angedeutet, sich allzu viele hier durchaus auf dem Niveau der Unbelehrbarkeit und bloss ideologischer Wiederholungen bewegen. Eher setze ich Hoffnungen in eine Versammlung der Sezession-Abonnenten in der Schweiz, welche mit einem oder zwei Referenten im November stattfinden wird. Den dortigen Wahlen vom 20. Oktober schaue ich eher pessimistisch entgegen. Der Wahlkampf der SVP, zum Beispiel vom Kanton Zürich, vgl. youtube, kommt einschliesslich der mediokren Reimereien von Oskar Freysinger mehr als nur spiessig einher. Der von Maden angefressene Apfel charaktersisiert nicht nur das gegnerische Lager.

Patrick Zuefle

8. September 2019 18:22

@Thomas Martini
Winston Churchill war nur die Hand und das Sprachrohr des Englischen, die Kraft schöpft dieses Englische aus dem Wirtschaftlichen.

Sicherlich kam es genau da zum ersten Weltkrieg als die Deutschen Wirtschaftszahlen die Englischen anfingen zu überholen. Doch das war nicht die eigentliche Angst, die Englische und ihnen anhängende Amerikanische Führungskreise hatte vor Deutschland.

Englisch Führungskreise fürchteten sich nicht in erster Linie vor der deutschen Geschicklichkeit Motoren zu bauen, und sie zu verkaufen, als viel mehr von dem deutschen Potenzial der Dominanz des Wirtschaftlichen ein ebenso starkes Geistesleben gegenüber zu stellen. Den englischen Handelsvölker kann so schnell keiner Stirne bieten. Natürlich gehört zum Handelsschiff das Kanonendeck. Dazu gehören auch gekreuzte Finger hinter dem Rücken beim Abkommen schliessen mit zum Kerngeschäft. Das ist definitiv keine deutsche Stärke.

Deutschland aber hätte der alleinigen Machtstellung der Wirtschaft im Zusammenklang von Wirtschaft, Recht und Geistesleben, sehr viel entgegen zu setzen gehabt. Das war die eigentliche Angst und der eigentliche Motor, zwei Weltkriege geschickt so zu steuern, dass darob schlussendlich nicht die Deutsche Wirtschaft darnieder lag, sondern das Deutsche Geistesleben. Deutschland wird nicht mit wirtschaftlichen Schulden geknechtet, sondern mit moralischen.

Nur so konnte erreicht werden, dass bis heute das Rechts und Bildungswesen hauptsächlich von Wirtschaftlichen Interesse gesteuert und dominiert wird. Nur so konnte erreicht werden, das Schiller bis heute nur gelesen wird in Nostalgie, und Freiheit im Denken dieser Welt nach wie vor ein Fremdwort blieb.

Und genau das wäre die Aufgabe gewesen der deutschen Völker zwischen die Kollektivistischen Staatsexperimente des Osten und der Seepiratenschaft des Westen der Freiheit im Geistesleben die Gasse zu schlagen.

Was bis jetzt nicht war, kann immer noch wahr werden. Darum bin ich wie eine Biene vom Nektar, vom Namen der Identitäre Bewegung unweigerlich angezogen, auch wenn ich vielleicht mehr von linker Seite zugeflogen kam. Unsere deutsche Identität findet man nun mal in Schiller, Steiner, Fichte und seines Gleichen. Da macht es wirklich Mut, hat es in der neuen Rechten Szene viele die Philosophie nicht nur studiert haben, sondern diese auch zu ihrer Herzensangelegenheit machen. Genau das ist es, was Winston Churchill definitiv mit allen Mitteln verhindern wollte.

RMH

8. September 2019 19:16

"Der Mann war ein Rechter, und einer der ersten Autoren, dem sie in der OMF-BRD (Carlo Schmid) die Grundrechte entziehen wollten. 1952. Alleine diese Information ist, wenn man willig ist, dazu geeignet, die althergebrachten Ansichten über die BRD, Demokratie und die "befreienden" Besatzungsmächte zu hinterfragen. "

Sorry, wenn ich jetzt doch wieder etwas schreibe und hier den Beckmesser gebe …

"Die Grundrechte" können nicht komplett entzogen werden. Wenn, dann handelt es sich um ein Verfahren nach Art. 18 GG und bei dem werden dann nur und ausschließlich die in Art. 18 GG genannten Grundrechte eingeschränkt und darüber und vor allem auch über den Umfang der Verwirkung entscheidet dann alleine das BVerfG und nicht die Regierung etc. Bei dem genannten Autor wurde ein solcher Antrag beim BVerfG in der Tat auf Anregung des Bundesausschusses für Verfassungsschutz (1955?) diskutiert, aber es wurde seitens der Regierung nie ein Antrag beim BVerfG gestellt (es gab nur 4 Verfahren nach Art. 18 GG - alle ohne Erfolg und der genannte Autor war nie Betroffener eines solchen Verfahrens. Man kann diesbezüglich also auch einmal ruhig die Kirche im Dorf lassen).

http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0/k/k1955k/kap1_2/kap2_26/para3_14.html

Ganz im Gegensatz zu seinem Parteigenossen von der (durch das BVerfG neben der KPD bislang einzig verbotenen Partei) SRP, dem im Bereich des 20. Juli 1944 bedeutsamen Herrn Remer (über ihn hatten wir hier in diesem Forum auch schon kontrovers diskutiert). Da wurden dann schon einmal seitens der damaligen Bundesregierung härtere Bandagen angelegt und sogar ein entsprechender Antrag beim BVerfG gestellt, aber das BVerfG war damals noch so unabhängig, dass es den Antrag zurückgewiesen hat.

Interessant an den ganzen Vorgängen ist aber, dass es rund um den 20 Juli von Anfang an starke und hart geführte Auseinandersetzungen um die Deutungshoheit darüber gab und bis heute gibt. Die Linien, wer hier wie vorgeht und auch, was man sich davon erhofft, sind für jeden, der sich ein bisschen darüber informiert, klar erkennbar. Leider ist es auch hier kein echter Historikerstreit auf Basis geschichtlichen Fakten sondern eine im Kern politische Auseinandersetzung, bei der die "Wahrheit" sicher - wie es bei politischen Auseinandersetzungen ja leider zumeist den Anschein hat - nicht gut wegkommt bzw. große Gefahr läuft, unter die Räder zu kommen.

Das gerade Altnazis und Hitleristen (so darf man wohl viele bzw. die meisten der SRP-Parteigänger durchaus bezeichnen) ausgerechnet hier zur Wahrheitsfindung in besonderem Maße beitragen wollten, muss mindestens genau so kritisch betrachtet werden bzw. eine gesunde Skepsis auf den Plan rufen, wie bei den Kräften, die Stauffenberg zu einer Art Hausheiligen der Bundesrepublik machen wollen.

Das hier im Forum die Reichsbürger-Floskel von der OMF-BRD seitens der "Freischalter" durchgeht, bürgt für die Liberalität dieser Seiten. Ich denke aber, dass es unseriös ist, gerade einen der Väter des GG (Carlo Schmid, SPD) für einen Satz, den er vor Inkraftreten des GG in einer Rede untergebracht hat, zum Kornzeugen zu machen, dass nun das später in Kraft getretene GG und die Bundesrepublik eine "Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft" seien (OMF). Hierfür sollte man sich dann schon andere Damen und Herren suchen, als ausgerechnet Carlo Schmid.

Der_Juergen

8. September 2019 22:03

@Maiordomus

Weitgehende Zustimmung zu Ihren Darlegungen, auch in
Bezug auf Stauffenberg ; ich lehne das Attentat aus verschiedenen Gründen ab (vor allem weil es dem Feind nicht nur um die Zerschlagung des NS-Systems, sondern um die Zerstörung Deutschlands als solches ging), würde Stauffenberg jedoch nie als vulgären Verräter verunglimpfen.

Zu Recht weisen Sie auf die trostlose intellektuelle Lage in der Schweiz hin, wo die SVP, die einzige Partei, die man noch zu wählen erwägen kann, manchmal auf fast ebenso niedrigem Niveau für ihre Anliegen wirbt wie das von den Grünen bis zur FDP reichende antinationale Kartell. Oskar Freysinger gehört zu den am wenigsten Schlechten, aber das ist ein Kompliment, auf das die meisten von uns wohl gerne verzichten würden...

Maiordomus

8. September 2019 22:24

PS. Zur Korrektur des Schnellschreibers mit Sehschwierigkeiten: Marc Jongen, nicht Marc de Jong, ein in der Tat zu differenziertem Denken disponierter Intellektueller und weit überdurchschnittlich, metapolitisch orientierter AfD-Abgeordneter. Und auch "Raskolnikov" (nach Dostojewskij gewähltes Pseudonym) kommt mir erfrischend unbürgerlich vor. Die Warnung von Gauland vor Wochenfrist scheint mir nichtsdestoweniger ernst zu nehmen; das bürgerliche Niveau ist, siehe Ernst Jünger, etwas, das zunächst einmal erreicht und erst dann überstiegen werden sollte. "Bürgerlich" ist in diesem Sinn alles andere als ein Schimpfwort, vgl. Rousseaus Selbstcharakteristik in allen seinen revolutionären, keineswegs linken Abhandlungen im Selbstverständnis eines "Citoyen de Genève".

Franz Bettinger

8. September 2019 22:39

@RMH: Ich finde @Martinis satirische Kommentare fast immer köstlich und zielführend, auch wenn sie oft dieselbe Kerbe vertiefen. Warum auch nicht?! Wenn einige hier wiederholt und unwidersprochen die bekannt billigen p.c. Phrasen von den einzigartigen deutschen Massenmördern und Verbrechern dreschen, bin ich froh, dass da einer wie Martini konsequent vergleicht, richtigstellt und zurückbeißt, und das auch noch witzig. Andere Foristen sehen das offenbar genauso.

Laurenz

8. September 2019 23:49

@Lotta Vorbeck ... ändert aber nichts an meiner Aussage.

t.gygax

9. September 2019 07:45

zu @maiordomus
" mediokre Reimereien eines Oskar Freysinger"
Sehr geehrter , in der freien Schweiz lebender Maiordomus,
sind Sie da nicht ein bißchen zu hart in Ihrer Beurteilung der Chansons von Freysinger?
"Die Erde verbrennt/ es verglimmt uns die Zeit
doch die Asche macht uns nicht gescheit/
stes fangen wir Feuer /und hängen am Scheit/
als wär´ s ein Funken Ewigkeit"

aus: Feuerschein
Um es mit Kris Kristofferson zu sagen: "well, that´ s poetry"
Ich singe dieses Lied seit 6 Jahren regelmäßig jungen Studenten zwischen 19 und 29 Jahren vor, die sind sehr angesprochen von dem Text, er regt zum Nachdenken an, und mehr kann man von Texten nicht erwarten.
Und " Der alte Mann an der Suone" ist eine liebenswerte Novelle, durchaus vergleichbar mit Jean Gionos " Der Mann, der Bäume pflanzte".
Sie sind sehr absolut mit Ihrem Urteil....und ich bedauere, dass sezession sich seit Jahren konstant einem Porträt dieses für den Politiksumpf doch sehr ungewöhnlichen Wallisers verweigert- dieTexte liegen bei EK und GK schon lange vor.....nun denn.

Thomas Martini

9. September 2019 08:10

@RMH, danke für die Ergänzung, bzw. dem Widerspruch zu Friedrich Lenz.

Aber jetzt mal etwas zu den "Bürgerlichen" , wo dieses Wort wegen der AfD in letzter Zeit wieder so häufig in aller Munde ist.

Es gilt ja Neues einzubringen, und ich denke der folgende Gedankengang ist so frisch und unverbraucht wie der Federweißer, den man sich nun bald bei den Winzern in unserer Region besorgen kann.

Wer sind denn die Bürgerlichen? Ist das nicht das Konglomerat der Altparteien? CDU, SPD, FDP, mit Abstrichen die Grünen, das sind doch die Bürgerlichen.

Die Bürgerlichen sitzen an allen maßgeblichen maßgeblichen Schalthebeln unserer Nation. Auf den Ämtern und Behörden, in den Schulen und Universitäten, im Gesundheitswesen, unter den Ärzten, den Wissenschaftlern, in den Gewerkschaften, überall sind die Bürgerlichen am Drücker.

Jetzt der ketzerische Gedanke: Ist es etwa nicht so, daß die Bürgerlichen für den heutigen Zustand unserer Nation verantwortlich sind?

Gustav

9. September 2019 08:51

@ Der_Juergen

"Vermutlich sind sie, um es mit Hutten zu sagen, "ein Mensch mit seinem Widerspruch".

Es gibt leider keine widerspruchsfreie Religion oder Ideologie. Deshalb besteht mein unvollkommenes Weltbild aus Versatzstücken der unterschiedlichsten Richtungen. Ich bin, mit jetzt schon über 60 Lebensjahren, immer noch in der "Ausbildung", da mein "Erwachen" erst vor einem Jahrzehnt begann.

Ein aufmerksamer Mensch wie Sie bemerkt das natürlich.

RMH

9. September 2019 09:40

@Franz Bettinger,
ja, das scheint wohl eine der Funktionen derartiger Debattenräume zu sein, dass man mal keinen Widerspruch einfängt, sich gegenseitig die Bäuche pinselt und merkt, man ist nicht komplett alleine mit seinen Ansichten. In der Not frisst der Teufel eben Fliegen - gleichzeitig auch menschlich, allzumenschlich.

@Maiordomus,
danke für Ihren Beitrag - bei Ihnen bekommt man immerhin immer gute Anregungen für das Eigenstudium.

Maiordomus

9. September 2019 11:18

@Noth. Kompliment für Ihren kostbaren differenzierten und differenzierenden Beitrag zu Stefan George und dessen geistige Auswirkungen. Ein Beispiel, dass es auf dieser Kolonne immer wieder mal Fundstücke gibt, die ein Nachschlagen lohnend machen. Mit Ihnen würde ich über diesen Dichter, von dem eine Verwandte vor 100 Jahren in Schaffhausen mit einem dortigen deutschen Chef-Ingenieur der Georg Fischer-AG verheiratet war, ebenso so gern ins Gespräch kommen wie mit Marc Jongen hoffentlich schon bald über Leopold Ziegler. Es geht hier durchaus um Grundlagen der Metapolitik, nicht zu verwechseln mit den nicht minder notwendigen, aber stets in kurzfristigen Parolen plakatierenden Wahlkampf-Aktivitäten. "Wir sind mehr" wird wohl kaum je in Erfüllung gehen, wobei sich jedoch auch die Grünen in dieser Sache täuschen dürften. "1 Prozent" ist nun aber ganz klar mehr als nichts! Stefan George hat diese Quote in seiner Leserschaft wohl nie erreicht, es war nicht mal sein Ziel.

Valjean72

9. September 2019 13:55

Zitat von Thomas Martini:

"Wenn "Vietnam" für die USA ein "nationales Trauma" verkörpert, was verkörpern die "USA" dann für Vietnam? Es ist so typisch, auch diesen Krieg immer nur aus der Sicht des Amerikaners aufzufassen. Reicht dem Deutschen nicht, die beiden Weltkriege wie ein Amerikaner zu verstehen. Nein, er muß auch all die anderen unzähligen US-Kriege, an denen sein eigenes Volk völlig schuldlos war, immer aus der Sicht der Amis begreifen."

---

Ich bin froh hier im Kommentarbereich der Sezession solche Stimmen vernehmen zu können, welche dem verbreiteten – und dessen Trägern schon längst in Mark und Bein übergegangenen und gar nicht mehr als solchem wahrgenommenen - Vasallentum den Spiegel vorhält.

P.S.: Hagen Grell hat unlängst Gerhard Wisnewski zur neuen Ausgabe der Expresszeitung („100 Jahre Krieg gegen Deutschland“) interviewt.
https://www.youtube.com/watch?v=B9Rjn0VBm60

Laurenz

9. September 2019 19:34

Ich formuliere es mal anders ..... die Stauffenberg-Debatte ist eine Schein-Debatte, und verbleibt theatralisch abseits jeglicher Politik und historischer Relevanz.

Niedersachse

9. September 2019 21:09

@nom de guerre

"Darin könnte m.E. ein Grund dafür liegen, dass viele Teilnehmer irgendwann verschwinden. "

Viele werden auch passiv mitlesen, ohne sich in einem Kommentar zu verewigen. Ich kommentiere auch nur relativ selten, zu selten eigentlich. Allzuoft ist das, was man schreiben will, schon dutzendfach von anderen Foristen in trefflicher Weise beschrieben wurden.

Der_Juergen

10. September 2019 08:21

@Gustav

Was Sie über sich schreiben, trifft auch auf mich zu. Ich betrachte mich als Katholiken (primär aus kulturellen und nur sekundär aus religiösen Gründen), glaube jedoch an die Reinkarnation, was mit Katholizismus natürlich unvereinbar ist. Wenn mich ein anderer Katholik darauf aufmerksam macht, sage ich stets: Gott hat mir meinen Verstand gegeben, und ich mache davon Gebrauch. Von der Lehre, wonach ein ephemeres Erdenleben über das ewige Wohl und Wehe eines Menschen entscheidet, wird sich auch der Katholizismus lösen müssen.

Andererseits gilt meine Sympathie innerhalb der katholischen Kirche natürlich den Traditionalisten wie z. B. Bischof Williamson, obgleich diese den Höllenglauben nach wie vor nachdrücklich postulieren - im Gegensatz zu den Modernisten, die ich ansonsten heftig ablehne. Ein Widerspruch mehr, aber ich kann nichts daran ändern.

Maiordomus

10. September 2019 13:04

@t. gygax. Ich möchte Ihnen gegenüber zugunsten des Kritisierten betonen, dass meines Erachtens die besten 6 Gedichte von Oskar Freysinger durchaus das Niveau des eindrücklichsten politischen Lyrikers der Schweiz zur Zeit des Kulturkampfes, Ulrich Dürrenmatt (Grossvater von Grossschriftsteller Friedrich D.), erreichen dürften. Es stimmt aber leider, dass er sich mal mit einem Gedicht zum Geschlechtsorgan einer jüdischen Bundesrätin vor Jahren leider bleibend blamiert hat. Und auch die auf youtube abhörbare Startveranstaltung der SVP Zürich vom 23. August 2019, die er moderierte, zeigte nun mal einen schäbig dahinreimenden Freysinger auf gerade noch Gymnasiastenniveau und eine noch schwächere SVP, die es sich nicht mal leisten konnte, die Kamera über den nicht zufällig wohl erbärmlichen Publikumszuspruch schweifen zu lassen. Die noch besten Beiträge aus diesem Lager kommen von Teleblocher, wiewohl man auch dort die dann und wann präsentierten Juwelen aus der Geschwätzwüste heraussondern muss. Immerhin ein Politiker, der es zur historischen Figur gebracht hat, einschliesslich seiner schäbigen Abwahl vor nunmehr schon 12 Jahren, die einem Politiker galt, der in der Tat einen in der Schweiz verbotenen Unterschied ausgemacht hat. Blocher bleibt ein Bürgerlicher mit Rückgrat, auch von der Erfahrung und Staatsklugheit immer noch eine ganz andere Liga als sein Generationsgenosse Gauland und in seiner besonnenen Art auch nicht durch Herrn Köppel zu ersetzen, den leider in Berns Bundesparlament kaum jemand ernst nimmt, was Blocher immerhin nicht passiert ist.

PS. Von Freysinger empfehle ich den erstaunlich gelungenen Roman "Bergfried", die Geschichte eines Walliser Dorforiginals, wird aber gerade wegen seines politischen Engagements in der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen. Freysinger müsste sorgfältiger mit dem bei ihm durchaus vorhandenen genialischen Kern umgehen. Als schreibenden Kollegen und nonkonformistischen Denker wusste ich ihn immer zu schätzen. Geschichtskenntnisse sind aber leider bei der SVP Schweiz mit Ausnahme des hervorragenden Militärhistorikers Jürg-Stüssi-Lauterburg oft Glückssache, womit sie sich in guter Gesellschaft mit dem Mainstream befinden.

Maiordomus

10. September 2019 17:14

@derjürgen. Den Höllenglauben teilte auf dem ihm eigenen Niveau nicht nur Meister Eckhart, sondern von den aufgeklärten Deutschen mit glaubwürdigstem Nachdruck Arthur Schopenhauer, wenn auch klar anders als eingeschüchterte Frömmler aller Konfessionen. Es war für ihn sogar der anthropologisch evidenteste Teil der sog. christlichen Offenbarung, freilich nicht im Sinne eines vulgären Straf- und Rachegedankens. Betreffend die Condition humaine gehört die Hölle für den anthropologischen Pessimisten, zu denen u.a. Gerd-Klaus Kaltenbrunner selig zählte, zu den am meisten realistischen Perspektiven. Zu den Theoretikern einer freilich radikal säkularisierten Hölle gehörte auch Jean-Paul Sartre. "L'enfer - d'est les autres."

Und der ausdrucksstärkste und am wenigsten langweilige erste Teil der epochalsten Dichtung des Mittelalters, die von Salvador Dali illustrierte "Göttliche Komödie" von Dante, gilt selbstverständlich der Hölle. Wer den Menschen kennt, das ungeheure Leiden, die Gemeinheiten, die Lebenslügen, dem fällt es gewiss leichter, an die Hölle zu "glauben" als an den Himmel. Auch bei Goethes Faust ist Mephisto als Repräsentant der Hölle nicht ganz zufällig die vielleicht am besten getroffene Figur. Oder gibt es eine Silbe, bei der er nicht recht hätte? Noch interessant fand ich das für Kenntnis der Höllentheorie unentbehrliche Standardwerk des katholischen Theologen Bautz, genannt "Hällen-Bautz", mit dem Titel "Die Hölle". Ich garantiere Ihnen diesbezüglich auf jeder Seite einen höheren Unterhaltungs- und Informationswert als bei allen Äusserungen von Bischöfin Kässmann und anderen Gutmenschlichkeits-Theologen, was zwar in diesen unseren Kreisen gewiss nicht viel beweist. Nach Hans Urs von Balthasar, dem nebst Hans Küng angesehensten katholischen Theologen der Schweiz der letzten 100 Jahre, "gibt" es zwar die Hölle, sie soll aber "leer" sein. Wenn das kein Sophist ist! Interessanterweise aber hat sich der tiefsinnigste christliche Denker Deutschlands überhaupt, Meister Eckhart, an Auslotungstiefe vielleicht sogar Buddha überlegen, freiwillig für die Hölle gemeldet, falls dies Gottes Wille sei und sich ausser ihm dort sonst niemand aufhalten wolle. Ich würde ihm, bei der Chance eines Gesprächsaustauschs, an jenem "Ort" gerne Gesellschaft leisten, oder wie es Kierkegaard ergänzend ausdrückte, ich zitiere ihn nur sinngemäss: Wenn kein Bedürfnis mehr besteht nach Erlösung, dann kann Gott fürwahr seinen Himmel behalten!

Dies ist wohlverstanden nicht mein letztes Wort zu diesem Thema, aber doch eine Überlegung, ohne die ich mir eine religiöse Existenz nicht vorstellen kann. Mechthild von Magdeburg, die deutsche Entsprechung von Dante, scheint ähnlich empfunden zu haben.

Maiordomus

11. September 2019 07:40

PS. Der Satz von Sartre lautet natürlich: "L'enfer, c'est les autres." Dies spürt man zum Beispiel dann, wenn man unter dem Beifall der Masse von Haussuchungsbefehlen heimgesucht wird. Noch stark der letzte Satz von Albert Camus Roman "Der Fremde". Als letzte Phantasie äussert der Ausgestossene: "Am Tage meiner Hinrichtung viele Zuschauer, die mich mit Schreien des Hasses empfangen." Es war keine Kleinigkeit für Meister Eckhart, als Ausdruck von "Gelassenheit", sich sogar auch mit einem Platz in der Hölle zufrieden zu geben. Auf die Hölle und den Teufel kann im theistischen System, dies deutete sogar der Aufklärer Kant in seinen Postulaten zur Ethik noch an, schon rein aus Gründen der praktischen Vernunft nicht ganz verzichtet werden. Ferner Augstein der Ältere, klüger als der Jüngere, der in Tat und Wahrheit ein Sohn des mittelmässigen Schriftstellers Martin Walser ist, hat sich noch intellektuell bedenkenswert zu diesem Thema geäussert in seinem Buch über Jesus Christus, für den die Hölle seinerseits eine Realität war.

Maiordomus

11. September 2019 07:54

@PS für Jonas Schick. Wenn hier unter anderem über die Hölle diskutiert wird, hat dies einen enormen Zusammenhang mit Vietnam: Schauen Sie sich nur mal den stärksten aller diesbezüglichen Filme an, "Full metal Jacket" von Stanley Kubrick, wohl schon "The killing fields". Der Hinweis auf die Hölle ist also mehr als eine blosse Abschweifung. Mit @derjürgen stimme ich bei noch vorhandenen Meinungsverschiedenheiten insofern überein, als das sog. Allgemeinwissen über das Konzentrationslager A. im Detail zweifelsohne oft ungenau ist. Am sichersten scheint mir (befasste mich vor allem mit Pater Maximilian Kolbe, ferner mit den Quellen zum Lager-Bordell), dass eine Schnittmenge zur Hölle zu bestehen scheint. Winston Churchill verwendete den Begriff "Hölle" nicht für die bekannten Lager, sondern er drückte es so aus: "Für die osteuropäischen Völker war ein Schicksal bereitet, das mittelalterliche Theologen die Hölle genannt haben." Er meinte damit ausdrücklich auch noch die Zeit nach dem 2. Weltkrieg.

zeitschnur

11. September 2019 08:59

@ Maiordomus

alias "ludimagister"... Ihren gleich einmal abwertenden Satz an die Stauffenberg-Zitatkritiker (denn "Guttenberg" meint bei Ihnen doch "Stauffenberg" (?):

"Wie hier über die Sprache von Guttenberg "argumentiert" wird, zeigt nur, dass man sich nicht geistesgeschichtlich in die historische Dimension eines Stefan George, aber auch in das Gedankengut der Widerstandsmänner vom Kreisauer Kreis, Reinhold Schneider, Werner Bergengruen, Albrecht Goes oder zum Beispiel auch nur Ernst Jünger hineindenken kann..."

Interessant, wie Sie diese verschiedenen Geister in einen Topf schmeißen und umrühren und zu Mitgliedern eines hermetischen Mysterienvereins machen, in dessen Geheimnisse nur die eingeweiht sein können, die dem Guttenberg-Stauffenberg füßeküssend zustimmen...
Stefan George und Reinhold Schneider - was haben die miteinander so ganz genau zu tun? Schneider und Klepper: ja. George aber - das ist, wie manches an Jünger, einfach nur extrem manieriert, wobei George den Vogel abschießt.

Verehrtester magisterludi, ich kann mich in vieles hineindenken, allerdings ohne es gutzuheißen. Ich plädiere, wenn es möglich ist, für innere Distanz zu den Dingen, sagen wir für "Abständigkeit".
Um mich heute zu finden, nützt es mir wenig, mich mit einer mysteriösen Geistestruppe aus der Vergangenheit zu identifizieren, die damals gescheitert ist mit ihrer Hermetik.
Sie können natürlich sagen: Die Zeit war noch nicht reif für sie, immerhin war ja George in der Pose des Dichterpropheten aufgetreten.

Mein Einwand gegen den Schwulst (den aber weder Schneider noch Jünger noch Bergengruen, zu dem wiederum Elisabeth Langgässer passen würde, produzierten - das war schon George alleine samt seinen Followern) benannte die Tragik dieser Männer (in gewissem Sinn produzierte unter den Frauen auch Ina Seidel solchen Schwulst auf weiblich - der Gerechtigkeit halber sei's gesagt, um von Agnes Miegel nicht zu reden, die man heute gar nicht mehr lesen kann ohne sich zu winden...), okay: also mein Einwand gegen den Schwulst benannte die Tragik dieser Männer, die sich letztendlich in eine egomanische Welt versponnen hatten. Sie wurden den Erfordernissen ihrer gegenwart damit nicht gerecht. Und darum wird Stauffenberg ganz zu recht in dieser ganzen Tragik nicht nur von mir kritisch gesehen.

Manche großen Geister werden zu unrecht vergessen oder bewusst unterdrückt oder nie verstanden.
Es gibt aber auch ein folgerichtiges Verschwinden im Schlund der vergangenen Tage.
Es ist nicht zuletzt eine enttäuschende Arroganz, die den Attentäter dazu antrieb, sich im Besitz einer besonderen Sendung zu wähnen. Man kann das Attentat auch dechiffrieren als die Tat eines Mannes, der sich für einen Führenden hielt, der nicht zum Zuge kommen durfte und nun seine Führung in einer Art Selbstmordattentat ausdrückte. ich sehe hier eine Verwandtschaft zu letzteren bei Mitgliedern einer Religion, die in ihren fanatischen Mitgliedern eine ähnliche Arroganz erzeugt.

Ich schrieb dazu oben, dass es mir bewusst st, dass das furchtbar klingt. Normalerweise würde ich mich dazu gar nicht äußern, aber es ist gruselig, wenn manche heutige sich an dieser geistesgeschichtlichen Dimension orientieren wollen, weil ihnen für die Erfordernisse des Heute einfach nichts Gescheites einfällt, und anschließend in diesem damals schon unerträglichen und fruchtlosen Pathos den laden erst recht noch in den Abgrund navigieren.

Maiordomus

11. September 2019 10:19

@Schick. Zurück zu Stauffenberg. Das Buch von Karlauf, der sich zuvor schon über George in Buchform geäussert hat, scheint mir, obwohl es für den Kenner fast nichts Neues bringt, besser als es die Verrisse in der Jungen Freiheit durchscheinen lassen. Klar ging es Stauffenberg, Goerdeler u. Co nicht bloss um Symbolpolitik. Sie hatten andere Sorgen als die moralische Gutmenschenmedaille mit Ehrenmeldung für die Merkel-Ära anzustreben. Nicht mal den sog. "Holocaust" abzubrechen stand direkt im Programm, sondern primär politisch wollte man für ein neues Deutschland einstehen. Im Ernst glaubten die Verschwörer, sie würden von den Kriegsgegnern, in der Militärsprache "Feind" genannt, weniger abgelehnt als das Hitlersystem. Der berühmte Schwur zum 20. Juli, den man in extenso im Archiv der Jungen Freiheit per Mausklick nachschlagen kann, dürfte sicher nicht wörtlich ins Programm der AfD übernommen werden, weil die Partei sonst mutmasslich verboten würde. Es ist aber für denjenigen, der Sinn für die Rationalität selbst auch reaktionärer Konzepte hat, immer noch ein politisches Programm, das über alles gesehen vermutlich noch mehr Freiheitsspielraum offen lässt als zum Beispiel fanatische Ausprägungen heutiger Gender-Ideologie oder des Klima-Glaubens, welch letzterer die Errungenschaften der Hexenprozesse bezüglich der menschlichen strafrechtlichen Verantwortung für Wetter und Klima weiterkultiviert. Im Ernst bleibe ich der Meinung, dass die politischen Programme vieler Stauffenberg-Verschwörer nach Kriegsende mit Sicherheit nicht praktikabel gewesen wären. Es bleibt aber zu bedenken, dass es im Umkreis von Goerdeler auch Zentristen, Sozialdemokraten und Rechtsliberale gab. Der Verrat einer Frau, welche um der Belohnung willen Goerdeler angezeigt hat, als sie ihn erkannt hatte, wäre filmreif, wobei ich nicht genau weiss, ob dies nicht vielleicht sogar schon mal auf der Leinwand dargestellt wurde. Ist jemand darüber im Bilde?

Laurenz

11. September 2019 11:53

@Maiordomus .... natürlich bleibt Ihre kleine höllische Denkwelt christlich im Sinne der kirchlichen Doktrin. Sie wissen doch selbst bestens, daß die Hölle eine missionarische Transformation unserer guten Frau Holle (Hel) darstellt, um den zu Missionierenden Angst zu machen. Unsere vorchristlichen Ahnen kannten entweder einen Heidenspaß oder eine Heidenangst, ganz abseits eines fehl-interpretierten Mephisto, der Ihre kleine Denkwelt generell in Frage stellte. Mephisto wurde exakt wegen Ihnen und Ihresgleichen geschaffen. Nur Menschen, die eine Hölle denken, bereiten, gemäß Ihren beiden Ost-Asien-Kriegsfilmen, anderen dieselbige schon im diesseits, und kommen am Ende auch dahin. Ihr Beitrag erinnert mich an die Abneigung Herrn Kubitscheks gegen Stephen King's Werke. Herrn Kubitscheks Empfindung, die ich ohne Schwierigkeiten teile, beschreibt ebenso ein ähnlich geisteskrankes Höllenszenario.

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