“Ich bin der Faschismus”, denn Mimikry ist feige und Feigheit ist nicht faschistisch. Ja, alles andere zu sagen wäre sogar ganz und gar unfaschistisch und mit Herbert Grönemeyer hat das ohnehin nichts zu tun. Herbert Grönmeyer ist kein Faschist (auch nicht heimlich, oder unbewußt), Herbert Grönemeyer ist einfach ein Boomer.
Das Video von seinem Auftritt in Wien, das derzeit durch das Netz geistert, hat deshalb auch nichts mit Sportpalästen oder Reichsparteitagen zu tun, wie es jene, die “bürgerlich” für eine erstrebenswerte Bezichtigung halten, derweil in den digitalen Orkus pusten.
Das fängt ja schon beim Publikum an, das verklärt an den Lippen seines Duz-Propheten hängt. Flippige Muttis und in die Jahre gekommene Versteher-Typen – mal im Ernst: Wer freiwillig zu einem Grönemeyer-Konzert geht, der diktiert schonmal niemandem etwas.
Der‑, oder vielmehr diejenige möchte doch wohl vor allem dem so richtig jung gebliebenen Mittsechziger in der Reihe weiter vorn einen zutraulich gemeinten Klaps auf den Po geben, wenn Herby vorne einfühlsam fragt “Wann ist ein Mann ein Mann?”; oder sie wünscht sich, mit der eigens mitgebrachten besten Freundin zu “Mensch ist Mensch” einfach mal so richtig abzuheulen, weil das wöchentliche ZDF-Melodram nicht mehr emotional kickt. Diktatoren und Tyrannen sucht man in diesem Publikum jedenfalls vergebens, Herren wird man dort ohnehin nicht finden.
Das alles ist, ebenso wie Grönemeyers Auslassungen, auch bis in die Poren angesättigt mit dem Empathie-Protestantismus einer ganzen Generation, die sich aus den mütterlichen “Zerbrechlichkeits-” und “Würde-Worten” ein Weltbild gebastelt haben, auf dessen bröckelnden Ruinen sie nicht müde wird, bis ins Delirium ihr kumbaya my Lord zu singen.
In diesem Stuhlkreis ist noch kein Platz für echte Gemeinheiten, keiner von diesen Menschen wir den ersten Schlag setzen, wenn es wieder mal handfest gegen die AfD geht. Gleichwohl möchte ich nicht ausschließen, daß der eine oder andere Mutmensch nochmal nachtreten würde, wenn ihn jene Tapferkeit erfaßt, die nur ein wehrloser Hinterkopf oder Rücken im Menschen hervorzurufen vermag.
Grönemeyer – offensichtlich körperlich nicht ganz gesund und von der politischen Gesamtsituation in Mitleidenschaft gezogen – ist dabei ein ganz guter Indikator dafür, was passiert, wenn man diese zerbrechlichen Geschöpfe unter Streß setzt: Sonst abgebrüht, richtig cool und vor allem super verständnisvoll, tritt auf einmal eine Fratze verzerrter Enthemmung und tyrannischer Lust an der rauschhaft empfundenen Selbstherrlichkeit in das grelle Scheinwerferlicht.
Trotzdem, oder gerade deswegen: Mit Hitler hat das wirklich nichts zu tun. Meinethalben vielleicht ein bißchen mit dem in die Jahre gekommenen Bilbo, der in Bruchtal noch einmal nach dem Ring der Macht greift, und dabei die düstersten Abgründe seines Wesens zur Kenntlichkeit entstellt.
Wobei Herbert Grönemeyer sicher kein betagter Opa ist, der einfach nur seine Abenteuergeschichten aufschreiben will. Am Ende bleibt er vor allem eine liberale Witzfigur, die selbst im Moment der Extase nicht aus den medial vorgeprägten Mustern des Schuldkultes auszubrechen vermag und wahrscheinlich nie gelernt hat, eine wirkliche Ansage zu machen, ohne in den zitternden Bariton des Slapstick-Diktatoren zu verfallen.
Armin Borussia
Herr Wessels im ,, Hass-Modus,, einfach köstlich wie immer. Danke dafür!