Adorno, Fromm und die konformistische Rebellion

Suhrkamp hat einen Adorno-Vortrag neu aufgelegt, den Volker Weiß mißdeutet. Die konformistische Rebellion, der autoritäre Charakter – sie stehen links.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Sie ste­hen links, wenn­gleich der Auf­hän­ger für die­sen Bei­trag vom Gegen­teil aus­geht. Theo­dor W. Ador­no hielt 1967 einen Vor­trag über Aspek­te des neu­en Rechts­ra­di­ka­lis­mus vor links­so­zia­lis­ti­schen Stu­den­ten in Wien. Nun wur­de die Ton­auf­nah­me von einst ver­schrift­licht her­aus­ge­ge­ben und vom lin­ken Publi­zis­ten Vol­ker Weiß kom­men­tiert. Weiß ver­hebt sich aber – ein­mal mehr, denn schon beim »Isla­mo­fa­schis­mus« bla­mier­te er sich – an sei­nem Gegenstand.

Dabei hat Weiß, der aus dem Umfeld der als »anti­deutsch« gel­ten­den Jungle World kommt und über­dies für wei­te­re Peri­odi­ka der extre­men Lin­ken wie das Anti­fa­schis­ti­sche Info­blatt schreibt (aber wei­ter­hin vom Main­stream zum Exper­ten sti­li­siert wird), durch­aus Recht mit der Fest­stel­lung, daß Ador­nos Ana­ly­se »mehr als ein hal­bes Jahr­hun­dert spä­ter« frap­pie­ren­de »Gül­tig­keit« besitzt und daß sich die­se »pas­sa­gen­wei­se wie ein Kom­men­tar zu aktu­el­len Ent­wick­lun­gen liest«. Das mag so sein, nur ver­steht der ideo­lo­gisch fixier­te Weiß es falsch.

Es ist nicht, wie von Weiß pos­tu­liert, die der­zei­ti­ge Ent­wick­lung, wonach sich »eine äußers­te Rech­te erneut zur ein­fluss­rei­chen Kraft ent­wi­ckelt«, die Ador­nos Vor­trag lesens­wert macht, son­dern die ent­hal­te­ne zeit­lo­se Typen­skiz­ze, die schlech­ter­dings 2019 eine ande­re Kon­no­ta­ti­on auf­weist als eben 1967, ja die kon­kret mit anti­fa­schis­ti­schen Denk- und Hand­lungs­sys­te­men aufs engs­te ver­bun­den ist.

Als ers­tes von fünf Bei­spie­len für die­se The­se kann Ador­nos kur­zer Abschnitt über den »mani­pu­la­ti­ven Typ« gel­ten. Men­schen jenen Typs wären sol­che, »die gleich­zei­tig kalt, bezie­hungs­los, strikt tech­no­lo­gisch geson­nen, aber ja in gewis­sem Sin­ne eben doch irre sind«. Deren »merk­wür­di­ge Ein­heit von Wahn­sys­tem und tech­no­lo­gi­scher Per­fek­ti­on« scheint »in die­sen Bewe­gun­gen über­haupt wie­der eine ent­schei­den­de Rol­le zu spielen«.

Geht man 2019 auf die Suche nach Ver­tre­tern jenen mani­pu­la­ti­ven Typs, so lan­det man unwei­ger­lich bei anti­fa­schis­ti­schen Über­zeu­gungs­tä­tern, die – finan­zi­ell bes­tens aus­ge­stat­tet – nahe­zu per­fek­te Daten­ban­ken samt Foto­stre­cken ihrer hete­ro­gen zusam­men­ge­setz­ten poli­ti­schen Geg­ner ange­legt und sich damit der von Ador­no ange­führ­ten »Ein­heit von Wahn­sys­tem und tech­no­lo­gi­scher Per­fek­ti­on« zumin­dest genä­hert haben.

Der Wahn – das ist die Manie, Anders­den­ken­de in Daten­ban­ken zu erfas­sen und Steck­brie­fe poli­ti­scher Geg­ner zu erstel­len. Die tech­no­lo­gi­sche Per­fek­ti­on – das ist die Aus­nut­zung aller Mög­lich­kei­ten, in kür­zes­ter Zeit Infor­ma­tio­nen aus den Feind­be­ob­ach­tungs­kar­tei­en auf­be­rei­tet Anti­fa-Voll­stre­ckern oder kol­la­bo­ra­ti­ven Mas­sen­me­di­en zur Ver­fü­gung zu stellen.

Das zwei­te Bei­spiel für eine frucht­brin­gen­de Relek­tü­re des Ador­no-Tex­tes mit Augen­merk auf Anti­fa­schis­ten unse­rer Zeit ist, nach dem mani­pu­la­ti­ven Typ, »das Modell der auto­ri­täts­ge­bun­de­nen Per­sön­lich­keit«. Ador­no spricht hier von Pro­pa­gan­da, die weni­ger der Ver­brei­tung einer bestimm­ten Ideo­lo­gie, son­dern vor­wie­gend mas­sen­psy­cho­lo­gi­schen Zwe­cken dient.

Die­se Pro­pa­gan­da appel­liert an eben­je­ne auto­ri­täts­ge­bun­de­ne Per­sön­lich­keit und nutzt dafür, so Ador­no, »eine rela­tiv klei­ne Zahl immer wie­der­keh­ren­der stan­dar­di­sier­ter und voll­kom­men ver­ge­gen­ständ­lich­ter Tricks«, wel­che »ganz arm und dünn sind, die aber auf der ande­ren Sei­te gera­de durch ihre per­ma­nen­te Wie­der­ho­lung« wirk­sam sind. Es drängt sich bei die­ser Beschrei­bung gera­de­zu auf, den »Kampf gegen Rechts« der Gegen­wart als prak­ti­sche Umset­zung die­ser »Tricks« zu deuten.

Was sol­len die ewig glei­chen Bil­der von weiß­ge­schnür­ten Sprin­ger­stie­feln in der Tages­schau, das Phan­tas­ma all­ge­gen­wär­ti­ger »rech­ter Gewalt« durch gefak­te und visua­li­sier­te Sta­tis­ti­ken, das Hit­ler-arti­ge Dar­stel­len von nicht­lin­ken Poli­ti­kern (man den­ke an dahin­ge­hen­de Höcke-Bil­der) oder pri­mi­ti­ve, aber ein­gän­gi­ge Netz­werk­dar­stel­lun­gen klan­des­ti­ner rech­ter Struk­tu­ren (etwa Kubit­schek als Spin­ne im Netz, von der Pfei­le aus­ge­hen usf.) denn ande­res sein als Pro­pa­gan­da­tricks, die »ganz arm und dünn sind, die aber auf der ande­ren Sei­te gera­de durch ihre per­ma­nen­te Wie­der­ho­lung« Wirk­sam­keit bei den Emp­fän­gern die­ser stan­dar­di­sier­ten Mani­pu­la­ti­on bean­spru­chen können?

Ein drit­ter Aspekt, der cha­rak­te­ris­tisch für die zeit­ge­nös­si­sche anti­fa­schis­ti­sche Lin­ke ist, wird von Ador­no »For­ma­lis­mus juri­di­scher Art« genannt. Er ist schla­gend. Mein­te Ador­no noch alt­rech­te Argu­men­ta­ti­ons­wei­sen bei­spiels­wei­se in Rich­tung Münch­ner Abkom­men – es sei ja frei­wil­lig von den West­mäch­ten gezeich­net wor­den, sei also gel­ten­des Recht, das müs­se man wahr­ha­ben etc. –, ist dies heu­te frap­pie­rend aktu­ell. Man dür­fe doch alles sagen, höhnt es links der Mit­te, Mei­nungs­frei­heit sei gesetz­lich garan­tiert, nie­mand wer­de doch gehin­dert dar­an, AfD zu wäh­len oder sich als »rechts« zu betätigen.

Das Per­fi­de an die­sem bun­des­deutsch-anti­fa­schis­ti­schen For­ma­lis­mus juri­di­scher Art ist dabei, daß dies de jure so sein mag. Igno­riert wird durch die hypo­kri­ti­schen For­ma­lis­ten indes, daß ein recht­lich garan­tier­tes Abs­trak­tum noch nichts über die rea­le Wirk­sam­keit des­sel­bi­gen ver­rät. Natür­lich, und das zei­gen drei fol­gen­de aktu­el­le Bei­spie­le, kann sich ein Poli­zist frei äußern oder für die AfD kan­di­die­ren, nur muß er dann mit beruf­li­chen Repres­sio­nen rech­nen. Natür­lich kann ein geis­tes­wis­sen­schaft­li­cher For­scher vom neu­lin­ken Main­stream abwei­chen, nur wird er dann mit gesell­schaft­li­chen Äch­tun­gen und Aus­gren­zun­gen umge­hen ler­nen müs­sen. Natür­lich kön­nen Lebens­schüt­zer in Deutsch­land gegen den Abtrei­bungs­fa­na­tis­mus demons­trie­ren, nur wer­den sie dann von ton­an­ge­ben­den Medi­en dif­fa­miert und von Anti­fa­schis­ten atta­ckiert usw. usf.

Der vier­te Aspekt ist mit dem drit­ten ver­bun­den. Ador­no nennt ihn den »Kom­plex der puni­ti­ve­ness, den man viel­leicht am bes­ten mit Straf­freu­dig­keit, näm­lich den ande­ren gegen­über, über­set­zen könn­te«. Auch hier trifft man die zeit­ge­nös­si­sche Lin­ke, nicht ihr rech­tes Pen­dant. Denn die all­fäl­li­ge For­de­rung nach Ver­bo­ten (von Par­tei­en, Zei­tun­gen oder Musik­stü­cken), nach Repres­sa­li­en (gegen Anders­den­ken­de jeder Cou­leur) oder nach straf­recht­li­chen Ver­schär­fun­gen (Hate Speech etc.) kenn­zeich­net die zur Tota­li­tät nei­gen­den Anti­fa­schis­ten des Jah­res 2019.

Die osten­ta­tiv zur Schau gestell­te »Straf­freu­dig­keit« rich­tet sich also gegen all jene, die den (links)liberalen Kon­sens des Poli­ti­schen ver­las­sen, und die gefor­der­te Ein­schrän­kung von Grund­rech­ten für welt­an­schau­lich Abwei­chen­de ist nicht wei­ter eine womög­lich rand­stän­di­ge Mei­nung des äußerst lin­ken Luna­tic frin­ge, son­dern fin­det auch in »mode­ra­ten« Krei­sen lin­ker Pro­ve­ni­enz immer mehr Anhänger.

Der fünf­te Aspekt, wes­halb Ador­nos Vor­trag in der Tat Anspruch auf aktu­el­le Gül­tig­keit besitzt und zugleich gegen die anti­fa­schis­ti­sche Sphä­re unse­rer Tage gerich­tet wer­den muß, ist Ador­nos Ver­weis dar­auf, wonach Trä­ger des auto­ri­täts­ge­bun­de­nem Cha­rak­ters »nichts an sich her­an­kom­men las­sen«. Man muß hier auch an Ador­nos Weg­ge­fähr­ten Erich Fromm erin­nern. Denn daß der Anti­fa­schist von Heu­te kei­ne sub­stan­ti­el­len Gegen­ar­gu­men­te oder auch nur abwei­chen­de Mei­nun­gen erträgt, liegt vor allem dar­an, daß der »mani­pu­la­ti­ve Typ«, den Ador­no skiz­zier­te, »von sei­nen emo­tio­na­len Stre­bun­gen bestimmt« wird, wie Fromm in Die Furcht vor der Frei­heit akzen­tu­ier­te.

Wer ein­mal einen krei­schen­den Anti­fa­schis­ten erlebt hat, wer den auf­brau­sen­den Ges­tus einer hys­te­ri­schen Links­ra­di­ka­len live ver­nahm, wer die irri­tie­ren­den Vide­os (ein Bei­spiel hier) der links­ge­pol­ten Kli­ma­sze­ne ansieht, wird kei­nen Zwei­fel an der Emo­tio­na­li­sie­rung heu­ti­ger lin­ker Bestre­bun­gen mehr hegen: Sie stür­zen sich – in ihrem nach­träg­lich bis­wei­len ratio­na­li­sier­ten Wahn – glei­cher­ma­ßen auf patrio­ti­sche Demons­tran­ten, auf AfD-Funk­tio­nä­re auf dem Weg zum Par­tei­tag oder auf kon­ser­va­ti­ve Abtrei­bungs­geg­ner; sie ris­kie­ren (frei­lich fol­gen­lo­se) Straf­an­zei­gen und (frei­lich fol­gen­lo­se) Ver­haf­tun­gen, wäh­rend sie die­se Ablenk­zie­le tät­lich angreifen.

Es man­gelt ihnen dabei indes­sen an der von Fromm so genann­ten »offen­si­ven Potenz«, wel­che »anzu­grei­fen ver­mag, auch ohne daß man sich zuvor einer ande­ren, stär­ke­ren Macht ver­si­chert hat«. Im vor­lie­gen­den Bei­spiel ist die stär­ke­re Macht ver­kör­pert durch die ver­schie­de­nen Leit­me­di­en und ton­an­ge­ben­de zivil­ge­sell­schaft­li­che Instan­zen, die medi­al und meta­po­li­tisch den anti­fa­schis­ti­schen Tätern die hyper­mo­ra­li­sche Gewiß­heit frei Haus lie­fern, im Kampf gegen Rechts wie­der ein­mal kor­rek­ter­wei­se das ulti­ma­tiv Böse bekämpft zu haben.

»Hat das Indi­vi­du­um erst ein­mal die Über­zeu­gung gewon­nen, daß es Men­schen gibt, die bestraft wer­den soll­ten«, leg­te Ador­no in sei­nen Stu­di­en zum auto­ri­tä­ren Cha­rak­ter (1950) dar,

hat es eine Bahn gefun­den, in die es sei­ne tiefs­ten aggres­si­ven Trie­be lei­ten und sich den­noch für durch­aus mora­lisch hal­ten kann. Spen­den äuße­re Auto­ri­tä­ten oder die Mas­se sol­cher Aggres­si­on dann Bei­fall, ver­mag sie gewalt­tä­ti­ge For­men anzu­neh­men und sich auch noch zu behaup­ten, wenn die kon­ven­tio­na­li­sier­ten Wer­te, in deren Namen sie unter­nom­men wur­de, längst aus dem Blick gera­ten sind.

Nichts ande­res mein­te Ador­no, als er 17 Jah­re nach die­ser Schlüs­sel­schrift in sei­nem nun neu auf­ge­leg­ten Vor­trag von einem »Kom­plex der puni­ti­ve­ness«, also viru­len­ter Straf­freu­dig­keit, sprach. Die­ser Kom­plex rich­tet sich 2019 ein­zig und allein gegen die oppo­si­tio­nel­le Kraft von rechts, wor­in sich – strö­mungs­über­grei­fend – libe­ra­le, links­li­be­ra­le, lin­ke und extrem lin­ke Gesin­nungs­grup­pen wie­der­fin­den kön­nen, und zwar in trau­ter Gemein­sam­keit, ja förm­lich in einer Wär­me spen­den­den Simu­la­ti­on des seit Chem­nitz 2018 kol­por­tier­ten »Wir sind mehr«.

»Wer sein Selbst auf­gibt und zu einem Auto­ma­ten wird«, so Fromm vor über 70 Jah­ren, »fühlt sich nicht mehr allein und braucht des­halb kei­ne Angst mehr zu haben«. Es kommt zu einem »zwang­haf­ten Kon­for­mis­mus«, »in des­sen Ver­lauf der iso­lier­te Ein­zel­mensch (…) sein Selbst ver­liert, obwohl er bewußt wei­ter­hin der Über­zeu­gung ist, er sei frei und nur sich selbst unterworfen«.

Die­ses fal­sche Bewußt­sein des zeit­ge­nös­si­schen Anti­fa­schis­mus repro­du­ziert sich ste­tig; man ist an und für sich nicht mehr frei und »unab­hän­gig« (eine der bevor­zug­ten Wort­hül­sen der post­mo­der­nen Lin­ken), son­dern man ersetzt »sei­ne Abhän­gig­keit bloß durch nega­ti­ve Über­tra­gung«. Beim kon­for­mis­ti­schen Rebel­len – unse­rem Anti­fa­schis­ten der Gegen­wart – aber »ist die nega­ti­ve Über­tra­gung der Abhän­gig­keit noch mit dem Drang ver­bun­den, pseu­do­re­vo­lu­tio­när gegen jene vor­zu­ge­hen, die in sei­nen Augen schwach sind«, so Ador­no 1950.

Die poli­ti­sche Rech­te in all ihren Schat­tie­run­gen und Strö­mun­gen ist trotz der für sie güns­ti­gen Zeit­la­ge auf­grund inne­rer Män­gel an Cha­rak­ter, Hal­tung und Ent­schlos­sen­heit noch schwach, zer­split­tert und uneins, und wo sie all dies fak­tisch nicht ist, erscheint sie jeden­falls so. Dies aber macht ihre hete­ro­gen zusam­men­ge­setz­ten lin­ken Wider­sa­cher – den mani­pu­la­ti­ven Typ, den auto­ri­tä­ren Cha­rak­ter, die Ver­tre­ter eines Kom­ple­xes der Straf­freu­dig­keit – nur noch aggressiver.

Damit müs­sen wir rech­nen, damit müs­sen wir uns beschäf­ti­gen. Es ist nicht ohne Iro­nie zu kon­sta­tie­ren, daß uns just bei die­sem Pro­zeß sowohl Ador­no als auch Fromm wei­ter­hel­fen wer­den. Daher war es eine sel­ten ver­dienst­vol­le Tat Weiß’, gemein­sam mit dem Suhr­kamp Ver­lag eine Edi­ti­on des zeit­lo­sen Ador­no-Vor­trags zu leis­ten. Allein, der kon­for­mis­ti­sche Rebell wird die Früch­te nicht ernten.



+ Den Vor­trag Ador­nos kann man hier bestellen. 

+ Den kapla­ken-Band Blick nach links, in dem Kai­ser aus­führ­lich auch auf Fromm, Ador­no, den auto­ri­tä­ren Cha­rak­ter im Kampf gegen Rechts und die kon­for­mis­ti­sche Rebel­li­on des zeit­ge­nös­si­schen Anti­fa­schis­mus ein­geht, kann man hier bestel­len

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (46)

Atz

9. Oktober 2019 13:32

Sehr richtige und genau treffende Analyse. Es ist immer bemerkenswert, wie sehr scharf denkende Zeitgenossen im eigenen Lager ihren Verstand ausschalten. Da müsste man ja auch wohl irre werden oder eben ein Querulant mit dem keiner will.

Adornos Vortrag ist sehr gut und sehr treffend. Das Gift der Frankfurter ist aber das Unbehagen, das selbst immer wieder ins Ressentiment zurück fällt. Verführerisch für kritische Denker. Oder ist das kritische Dispositif etwa jederzeit nur das Ressentiment?

Die Rechte ist Projektionsfläche. Schon mal keifende Wolfskinfrauenmeuten gegen finstere Rechtshools beobachtet? Da muss man einen anderen Namen spielen: George Orwell und sein Emmanuel Goldstein Hassritual. Im Zeitalter der SJW kann freilich jeder Opfer werden, der die Leidensfiktion einer vorbezeichneten Opfergruppe anzweifelt, diskutiert, oder als Whack-a-mole Spielzeug es verdient hat, das man an ihm und seiner beruflichen Position ein Exempel statuiert. Doch nicht die SJW sondern die feigen wohlmeinenden Kollaborateuere sind es, die sich unerwartet mit den Hassmobs solidarisieren und berufliche Konsequenzen fordern. Die Charaktermuster um im Hotel Moskau zu überleben, wenn die Schergen Stalins umgehen, und die Opfer zu rationalisieren.

Adorno selbst ist da ein Beispiel. Er war tief betroffen von einem politisch leeren Protesthappening halbnackter Studentinnen gegen ihn. Wenig später starb er. Auch jemand wie Habermas erkannte den autoritären Charakter von Studentenmobs und wiedersprach scharf. Gleichwohl richteten maoistische Studenten in Europa weit weniger Unheil an als im Reich der Mitte.

Caroline Sommerfeld

9. Oktober 2019 14:02

Ich habe profunde Zweifel an der Brauchbarkeit des Konzept "autoritärer Charakter" generell. Egal, ob mit dieser Suchschablone heute als eine Ironie der Geschichte diejenigen in den Blick geraten, die sich selber anmaßen, völlig frei von den Pathologien, die dieser Begriff meint, zu sein. Ist ein bissl so wie mit dem von Ihnen doch sehr zu recht so vehement abgelehnten "linken Faschismus": paßt wie Faust aufs Auge oder ein anderer Körperteil auf Eimer, rein als umgedrehte Schablone. Es bleibt aber dieselbe falsch maßnehmende Schablone.
Denn: "Autorität" ist bei Fromm und Adorno ein Umdeutungsbegriff. Perfekt analysierte das seinerzeit Horst Wetterling in "Ist Autorität unmenschlich?" (1972). Und was "Autorität" vor ihrer Re-education-Umdeutung war, hat noch früher und theologisch-existenzialistisch fundiert Friedrich Gogarten in "Wider die Ächtung der Autorität" (1930) knapp und sorgfältig herausgearbeitet.

Andreas Walter

9. Oktober 2019 15:36

Das ist alles Kommunismus. Am Anfang waren historisch betrachtet da sogar die Anarchisten noch mit dabei, und im zweiten Schritt wurden dann auch die Nationalisten aus der Bewegung gedrängt, bis nur noch die Internationalisten am Ende am Drücker waren. Trotzki und Co. haben Lenin in der Schweiz auch vor die Wahl gestellt, sich zu entscheiden. Mit Hitler und Stalin haben später die Nationalisten dann aber eine Wiedergeburt erfahren, in die Wege geleitet, waren im Grunde beide Nationalsozialisten.

Durch die Schnittmenge Patriotismus kommt es da lediglich derzeit zu einer Vermengung, wobei man letztendlich auch Christen oder Buddhisten als universalistisch sozial eingestellte Menschen bezeichnen kann, oder auch Humanisten.

Viele dieser Be-griff-lichkeit greifen darum heute nicht mehr, sind darum überholt. Sogar der Begriff autoritärer Charakter wird heute für zwei völlig gegensätzliche Typen von Menschen verwendet. Nämlich die, die autoritär sind und die, die Autorität suchen. Nach mittlerweile 150 Jahre Marxismus kann man aber selbst als Linker heute konservativ sein, also auch "retro". Oder was ist auch China heute anderes als der Nationalsozialismus in Friedenszeiten? Vieles konvergiert eben, hin zu einem, hin zu dem machbaren oder auch notwendigen Optimum.

https://youtu.be/xX0ozxrZlEQ

Die Skizzierung des "modernen" Antifaschismus durch Kaiser finde ich trotzdem gelungen. Fühle mich darum auch schon beinahe wie ein adliger Grossgrundbesitzer im Jahr 1932, obwohl ich tatsächlich ein Habenichts bin.

Immerhin aber schon mal das richtige Gefühl für mein kleines Königreich jedoch nicht von dieser Welt.

RMH

9. Oktober 2019 15:59

Warum wir heute einen Adorno und andere mit Gewinn lesen können (ich gehöre ja auch zu denen, die eine Lesen von bekannten Werken wie "Dialektik der Aufklärung" von rechts her befürworten bzw. die dies hier schon mehrfach entsprechend kundgetan haben) liegt insbesondere daran, dass sie (Adorno/ Horkheimer/ etc.) eben noch nicht der Grieß oder das Mehl sind, welches nach Ende des Durchlaufens der dekonstruktivistischen Mahlgänge unten heraus kommt, sondern eben noch lebendiger Teil des europäischen Vorkriegs-Intellektualismus sind und voll in abendländischer und humanistischer Tradition stehen, so wie eben der Rechtsintellektuelle auch.

Doch darf man dabei nie vergessen, dass auch sie Teil bzw. ein Mahlgang der dekonstruktivistischen Mühle sind. Jedoch ist es in der Auseinandersetzung mit den Linken richtig, deren vermeintlichen Hausheiligen sich ein Stück weit zu eigen machen bzw. deren Inhalte zu kennen. Das heutige Mehl, wird nämlich nichts mehr mit seinen Mahlsteinen zu tun haben wollen.

"Die Rechte ist Projektionsfläche. Schon mal keifende Wolfskinfrauenmeuten gegen finstere Rechtshools beobachtet? Da muss man einen anderen Namen spielen: George Orwell und sein Emmanuel Goldstein Hassritual."

@Atz,
wir erleben meiner Meinung nach just in dem Moment, wo Sie dies schrieben und ich meinen Beitrag schreibe, einen Live-Event, der den Goldstein-Zombie aus seinem Grab holt und durch unsere Straßen und Live-Stream-Medien ziehen lässt.

Natürlich kurz vor einer Wahl und nach einem bedauerlichen LKW-Unfall, versteht sich ....

Der Gehenkte

9. Oktober 2019 16:14

Ein vorbildlicher Text, dem es überzeugend gelingt, den Spieß umzudrehen und der zugleich mit großer Selbstverständlichkeit anmahnt, daß seriöses Denken sich nicht weltanschaulich orientieren kann, sondern die Seriosität, die Bedeutung und die Aktualität eines Denkens als einzige Kriterien akzeptiert. In einer idealen Welt müßte es nun einen offenen Disput zwischen diesen beiden Lesarten geben - hart am Text und sachlich.

Franz Bettinger

9. Oktober 2019 17:27

Seit dem Herbst 2015 erleben wir das Abgleiten in den offenen Totalitarismus. Das System kann nicht mehr zurück; es ist im Netz seiner Lügen gefangen; es hat keine Argumente mehr, mit denen es sich in einer sachlichen Debatte behaupten könnte und muss deshalb immer wieder die Faschismus-Keule schwingen. Sie ist erbärmlich abgenutzt. Aber ein großer Teil der Bevölkerung fällt weiter auf den Unsinn herein. Ein Staat Orwell’scher Machart, der seine Bürger wegen ihrer Meinungsäußerungen rufmordet, beruflich fertig macht und sogar weg sperrt, hat das Recht verwirkt, sich Demokratie zu nennen. Hat das nicht Götz Kubitschek einmal so oder so ähnlich gesagt?

Laurenz

9. Oktober 2019 20:02

Wer ist schon Adorno? Frankfurter Schule ist krank, Frankfurter Schule macht krank, die Kunst der Frankfurter Schule krankt an sich selbst durch Verkopfung von Köpfen in denen nichts ist.
Silone und Orwell haben Adorno schon immer widerlegt und genau beschrieben, wer die heutigen totalitären Faschisten sind, die Linke.
Wir, die Rechte, kämpfen im Grunde doch im Grunde nur um das freiheitliche Recht auf Selbstbestimmung.

Laurenz

9. Oktober 2019 20:04

@Andreas Walter ... Stalin und Hitler benutzten Nationalismus nur propagandistisch. Sie waren beide in keiner Weise überzeugt davon.

Ratwolf

9. Oktober 2019 20:51

Faschismus und Antifaschismus sind zwei Seiten einer Medaille. Es ist der gleich Stoff. Nur unterschiedlich bedruckt auf beiden Seiten.

Von mir aus können sich Antifaschisten und Faschisten gegenseitig die Schädel einschlagen.

Das blöde ist nur: Die Antifaschisten würden auch mich als Faschisten bezeichnen, wenn sie gerade nichts anderes haben, auf was sie einschlagen könnten.

Der aktuelle Antifaschismus (seit den 68ern) richtet sich nicht gegen den Neo-Nationalsozialismus oder ähnliches.

Der aktuelle Antifaschismus richtet sich gegen jeden, der nicht so links denkt, wie sie selber. Er versucht seine Ziele mit jeden Mittel (aus massiver Gewalt) durchzusetzen und ist damit eindeutig Verfassungsfeindlich.

Da die Antifaschisten aber auf die Neue Rechte und die AfD gewaltsam losgehen, sind sie nützliche Idioten für die Merkel-CDU und die anderen Alt-Parteien, welche um ihre Stimmen und Sitze in den Parlamenten bangen.

Man könnte auch sagen, dass man es geschafft hat, die Antifaschisten durch geschickte Medienarbeit für die eigenen Zwecke einzuspannen.

Imagine

9. Oktober 2019 21:07

Den Vortrag von Adorno über „Aspekte des neuen Rechtsradikalismus“ habe ich nicht gelesen, aber sehr viel von Adorno und Fromm. Inhaltlich – so mein Eindruck – findet sich im Vortrag nichts Neues.

Ein Amazon-Rezensent schreibt:
„…wird hier als Vorabdruck der Mitschnitt eines sich lediglich auf Notizen stützenden Vortrags vorgelegt, den Adorno zum Rechtsradikalismus der späten 60er Jahre in der BRD vor dem Verband Sozialistischer Studenten Österreichs gehalten hat. Das war im April 1967. Auf reichlich vierzig Seiten macht Adorno interessante Anmerkungen und Ergänzungen … Der auf Antisemitismus, Rassismus und Rechtsradikalismus spezialisierte Publizist Volker Weiß verfasst ein Nachwort dazu, das fast so umfangreich ist wie die Rede Adornos.“

Von Adorno ist dieser Text nie autorisiert worden, und es ist auch nicht die Originalrede.

Adorno wird heute kaum noch gelesen. Seine Texte - so meine Erfahrung - können heute nicht mehr richtig verstanden werden.
Zum einen liegt dies an einem Reframing, das von interessierter Seite betrieben wird und in Widerspruch zu dem steht, was Adorno als Soziologe wirklich vertreten wird. Dieses Reframing wird von rechter wie auch von linker Seite betrieben. Man nehme als Beispiel die völlig blödsinnige Rede vom „Kulturmarxismus“, der angeblich von der „Frankfurter Schule“ betrieben worden sein soll.

Zum anderen sind die heutigen Studierenden - bis auf ganz wenige Ausnahmen – nicht mehr in der Lage, soziologisch anspruchsvolle Texte wie jene von Adorno zu verstehen. Das ist nicht nur meine Erfahrung.

Im wissenschaftsfernen Alltagsbewusstsein ist die Meinung vorherrschend, dass die psychologische Beschaffenheit der Individuen entscheidend ist für Entwicklung der Gesellschaft. So die Meinung, dass die Faschisten den Faschismus gemacht haben.

Im Gegensatz dazu vertritt die Soziologie marxistischer Provenienz die Erkenntnis, dass die Individuen sich an den Gesellschaftsprozess in Form einer „Selbstsozialisation“ – so auch Luhmann – anpassen.

Fromm spricht in diesem Zusammenhang vom „Sozialcharakter“, der aus der Anpassung an den jeweiligen Zustand des Gesellschaftsprozesses resultiert anpasst und sich im Kapitalismus nach dessen jeweiligen Stadium verändert.

Dieser Prozess erfolgt weitgehend unbewusst und keineswegs im Sinne einer rationalen Anpassung.

Die strukturellen Gemeinsamkeiten zwischen der typologischen Darstellung bei Adorno und den heutigen Linken, die Benedikt Kaiser aufzeigt, ist keineswegs überraschend. Denn der „Sozialcharakter“ erfasst im Wesentlichen die psychostrukturelle Dimension, also die Art und Weise der Erfahrungsverarbeitung, nicht jedoch die Ideologie, die sich die Individuen aus ihren jeweiligen Alltagserfahrungen konstruieren.

Wobei die psychologische Typisierung von Adorno aus dem Jahr 1967 nicht die psychostrukturellen Veränderungen seit dem Epochenumbruch erfasst, der um das Jahr 1970 erfolgte. Erich Fromm (*1900 - †1980), der 11 Jahre länger als Adorno lebte, und insbesondere Christopher Lash (*1932 - †1994) sind diesbezüglich aktueller. So hat Fromm den psychosenahen Zustand der Normalos klar erkannt. Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=sVd4dKH3vng

Deshalb finden sich gleiche oder ähnliche Psychostrukturen links wie rechts. Beide Milieus projizieren alles Böse in das andere „Lager“, sie hassen sich gegenseitig, sie möchten die anderen vernichten und halten sich selbst für die Guten. Vermutlich wird sich diese Konstellation noch steigern und womöglich sehr blutig werden, wie dies Eric Hobsbawm prognostizierte (https://www.stern.de/wirtschaft/news/eric-hobsbawm--es-wird-blut-fliessen--viel-blut--3811538.html).

Es ist der kapitalistische Gesellschaftsprozess, der zum Faschismus führt. Die Akteure führen weitgehend unbewusst die Systemlogik aus. In der Krise werden terroristischen Mitteln das herrschende System und die Eigentumsordnung aufrechterhalten. Die Ideologie kann variieren, sich national oder sozialistisch oder ökologisch verkleiden bzw. eine Mischung davon sein. Der Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus wird rechts wie links „geleugnet“. Erinnert sei an Horkheimers Diktum: „Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“

Adornos soziologisches Verständnis findet sich in einem seiner wichtigsten Texte mit Titel „Zum Verhältnis von Soziologie und Psychologie“ (1955).

Maiordomus

9. Oktober 2019 22:09

@Sommerfeld. Zum von den 68ern diskreditierten Begriff der Autorität. Friedrich Engels, die handfestere Persönlichkeit im kommunistischen Duo, schrieb, allerdings gegen die Anarchisten, 1873 noch einen anregenden Aufsatz "Über die Autorität", nachlesbar S. 308 - 311 in der Marx-Engels-Gesamtausgabe der DDR, Bd. 18, 1962. Zumal in der Wirtschaft trat Engels für "eine gebieterische Autorität" im Sinne eines "Kapitäns" ein, was er aber nicht mit einem kapitalistischen Patron verwechselt haben wollte. Aber selbst und erst recht im Sozialismus war gemäss Engels Autorität ein unabdingbarer menschlicher und sozialer Wert, was meines Erachtens die Chinesen aufgrund ihrer konfuzianischen Tradition mühelos als Lesart "ihres" Kommunismus übernehmen konnten.

Nemesis

9. Oktober 2019 22:22

@Benedikt Kaiser
„...durchaus Recht mit der Feststellung, daß Adornos Analyse »mehr als ein halbes Jahrhundert später« frappierende »Gültigkeit« besitzt und daß sich diese »passagenweise wie ein Kommentar zu aktuellen Entwicklungen liest...Es ist nicht, wie von Weiß postuliert, die derzeitige Entwicklung, wonach sich »eine äußerste Rechte erneut zur einflussreichen Kraft entwickelt«, die Adornos Vortrag lesenswert macht, sondern die enthaltene zeitlose Typenskizze, die schlechterdings 2019 eine andere Konnotation aufweist als eben 1967, ja die konkret mit antifaschistischen Denk- und Handlungssystemen aufs engste verbunden ist.

Es gibt offensichtlich Menschen, die nur in der Lage sind, das KONKRET Gesagte zu verstehen. Oder sie wollen es aus ganz bestimmten Gründen nur. Sie können - oder wollen - nicht begreifen, daß oftmals die zugrundeliegenden MUSTER bzw. PRINZIPIEN die eigentlichen Quintessenzen sind.

Und es sind ja nicht nur die von Herrn Kaiser in Adornos Vortrag herausgestellten Typen, es geht ja noch weiter.

Adorno sagt u.a. in dem Vortrag (zwar bezogen auf die NS Bewegung bzw. Rechtsextreme):

Antizipation des Schreckens und das Gefühl zur sozialen Katastrophe:

"...Man könnte reden von einer Verzerrung der marxschen Zusammenbruchstheorie... Auf der einen Seite wird nach der rationalen Dimension hin gefragt: Wie soll das weitergehen, wenn es etwa einmal eine große Krise gibt und für diesen Fall empfehlen sich diese Bewegungen. Aber sie haben auf der anderen Seite etwas gemeinsam mit jener Art von manipulierter Astrologie von heute, die ich für einen sozialpsychologisch außerordentlich wichtiges und charakteristisches Symptom halte, daß sie nämlich in gewisser Weise die Katastrophe wollen, daß sie von Weltuntergangsphantasien sich nähren,...Das an den unbewußten Wunsch nach Unheil, nach Katastrophe in diesen Bewegungen apelliert wird..."

Es sind die Muster.

„Es ist nicht ohne Ironie zu konstatieren, daß uns just bei diesem Prozeß sowohl Adorno als auch Fromm weiterhelfen werden.“

Vielleicht ist es gar nicht ironisch?
Vielleicht war es einfach so, daß sie – bedingt durch die zeitliche Nähe des Zurückliegenden – gar nicht in der Lage waren zu erkennen, daß sie möglicherweise sehr viel tiefer liegende und allgemeingültigere Muster erkannt hatten?

Ebenfalls zeitlos, was Hanna Ahrendt sagt:
https://www.youtube.com/watch?v=ykVcQ-3MNbQ&list=PL594619E2A942A5FA&index=13

Ich würde gerne wissen, was Hannah Ahrendt über unsere heutige Zeit zu sagen hätte.

Thomas Martini

10. Oktober 2019 00:42

>>Es ist der kapitalistische Gesellschaftsprozess, der zum Faschismus führt.<<

Sowas schreibt sich leicht. Und vielleicht haben Sie Recht, vielleicht war es der kapitalistische Gesellschaftsprozess, der in Italien einst zum Faschismus führte. Dann allerdings, haben die Kapitalisten der westlichen Welt, gemeinsam mit den Kommunisten paktiert, und den Faschismus ausgerottet. Das gleiche hat man mit dem Ableger, dem NS getan.

Wäre der Faschismus wirklich mit dem Kapitalismus kompatibel gewesen, hätte es überhaupt keinen Grund gegeben, weiter auf Demokratie im Westen und Kommunismus im Osten zu bestehen. Dann würde man sich schließlich ins eigene Fleisch schneiden.

Wer heutzutage irgendwo in der Welt den Faschismus am Werke wähnt, der leidet, das muß man so deutlich ausschreiben, an üblen Wahnvorstellungen und jagt einer Fata Morgana hinterher.

Andreas Walter

10. Oktober 2019 05:12

An der Geschichte in Halle ist womöglich etwas oberfaul. Vorsicht daher mit irgendwelchen Spekulationen. Es gibt Fotos angeblich von dem jungen Mann in Armeeuniform der VSA, sein Nachname soll Balliet sein, und wie ein Deutscher sieht er auf Portraits nicht aus.

Laurenz

10. Oktober 2019 05:40

@Imagine .... mit Verlaub, die ganzen ehemaligen Bonner und Berliner Holzköpfe, wie Goldkettchen-Gerd (nach Volker Pispers), sind vor ein paar Jahren in Rente und waren allesamt Adorno-Schüler in Ihrer "radikalen" Zeit. Wenn die das alle verstanden haben, kann ein heutiges Verständnis kein Problem sein.
Sie überbewerten kolossal. Sie fangen hier an, wie die Abrahamiten, "die Schrift" zu interpretieren. Ersparen Sie uns das doch bitte.

Überlassen Sie doch den belanglosen Inhalt von Adornos Werk gelangweilten Philosophen und beschränken wir Politik-Interessierte uns auf die Wirkung, denn diese ist es, wie immer, die zählt.

Ist es bei Adorno nicht wie bei so vielen Linken? Marxistisch reden und kapitalistisch leben?
Wer braucht das?

In Adornos Kunst sind die größten Verbrecher Schönberg und Webern. Deren Werke sind Verbrechen wider die Menschlichkeit und werden dazu benutzt, Schüler zu foltern, obwohl deren orchestraler Baustellen-Lärm tatsächlich kein Schwein interessiert.
Haken Sie einfach diesen Müll ab, Imagine.

Maiordomus

10. Oktober 2019 07:36

@Ratwolf. Was Sie über den "Antifaschismus" der Linken schreiben, nämlich dass jeder, der eine entschieden andere Meinung vertritt als sie, ein "Faschist" sei, ist nichts Neues. Ich wurde an Studentenversammlungen 1968/71, wo ich Auffassungen vertrat nahe des damaligen bürgerlichen "Studentenrings" (Anti-68er-Opposition in Zürich), dem damals der heutige Spitzen-Sinologe Harro von Senger und sogar Christoph Blocher angehörten oder nahe standen, schon fast routinemässig als "Faschist" beschimpft. Auch wurden damals einige meiner bestgeschätzten Professoren ausgebuht, so der Anglist Leisi, der eher linksliberale Rektor Max Wehrli (fürwahr ein Real-"Antifaschist") von den Linken öffentlich als "Schwein" bezeichnet.

Meine damaligen antilinken Auffassungen waren aber im Prinzip nicht radikaler als meine heutigen, mein Verhältnis zum Beispiel zur deutschen Rechten bestand ähnlich wie heute aus Nähe und Abstand. Nähe zum Beispiel zur Linie Kaltenbrunner, Abstand zu Mohler, den ich trotz seiner Herkunft und unbeschadet seiner Verdienste um die Forschung betr. Konservative Revolution als im Prinzip "unschweizerischen" Rechten einschätzte. Mir selber schadete es aber sehr, dass ich mich mal in einer Debatte als "rechts von Hitler" einstufte, obwohl das für meine engeren rechtskonservativen Gesinnungsfreunde völlig klar war und bleibt. Aus meiner Sicht war zum Beispiel die Gleichschaltung der Länder und selbstverständlich auch die Entmündigung des Bürgers, zumal mit nationalistischer oder völkischer Begründung, von der Politstruktur her klar linksradikal, was ich damals auch aus der Geschichte der französischen Revolution zu beweisen versuchte. Wer sich allerdings, freilich völlig missverständlich, "rechts von Hitler" bezeichnete, musste sich zu meiner Zeit nicht wundern, wenn er bei der berüchtigten Schweizer Fichenaffäre, die vor rund 30 Jahren aufgeflogen ist, bei den "Rechtsextremisten" registriert worden war.

In diesem Sinn würde ich zum Beispiel der AfD nicht empfehlen, im Nationalsozialismus als eine von ihnen (hoffentlich) überwundene linke Verirrung anzuprangern, weil sie dann erst recht als "Faschisten" und "Rechtsextremisten" denunziert würden. Unbeschadet von diesen meinen Ausführungen nannte sich 1969 Erik von Kuehnelt-Leddihn aus Lans/Tirol, den ich damals zu Referaten einlud und der sogar eine Karikatur von mir zeichnete als rechten "Trotzki", selber einen "rechtsradikalen Liberalen", der als katholischer Althabsburger auch vor Kritik an der Demokratie nicht zurückschreckte. Obwohl zum Beispiel die Grundlagenarbeit von "Sezession" im Sinne des Verständnisses von 1848 durchaus als "radikal" zu bezeichnen wäre, nämlich an die Wurzeln des politischen Denkens appellierend, würde ich von der Selbstbezeichnung "rechtsradikal" abraten, weil dies nur Beobachtung durch den Verfassungsschutz und letztlich ein Verbot generieren könnte. Diese Beobachtung findet indes ohnehin und mutmasslich schon längst statt. Es soll keiner hier im Kommentariat glauben, er sei von denjenigen, die wirklich wissen wollen, wie er zum Klarnamen heisst, nicht schon längst identifiziert worden. Oder andernfalls, wenn es wirklich drauf ankäme, wird man ihn noch identifizieren können. Nicht ausgeschlossen scheint mir das Risiko, dass Antifas oder andere, welche zum Beispiel der FPÖ im jeweils entscheidenden Moment Schaden zugefügt haben, eines Tages die Klarnamen der hier aktiven Blogger veröffentlichen. Man sollte insofern nie etwas schreiben, zu dem man nicht auch mit Klarnamen stehen könnte. Es stimmt aber, wie das Beispiel Wawerka (und noch andere) nachweisbar zeigte, dass trotz dieses Befundes der Klarname für viele hier nicht ratsam wäre.

Gustav

10. Oktober 2019 10:25

@ Imagine
"Man nehme als Beispiel die völlig blödsinnige Rede vom „Kulturmarxismus“, der angeblich von der „Frankfurter Schule“ betrieben worden sein soll."

In einem seiner brillantesten Essays „Political Correctness – die Rache des Marxismus“ ,das unbedingt in Gänze gelesen werden sollte, geht Fjordman darauf ein, warum politische Korrektheit wirklich eine Form des Marxismus ist, die er, um sie vom „harten“ ökonomischen Kommunismus der Sowjetunion abzugrenzen, als „weichen“ Kommunismus oder auch Kulturmarxismus bezeichnet.

Er eröffnet das Essay mit einem Zitat von Theodore Dalrymple, das ich für augenöffnend halte und daher hier in voller Länge einstelle:

„Political Correctness ist kommunistische Propaganda im Kleinen. Während meiner Studien kommunistischer Gesellschaften bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass es nicht der Zweck kommunistischer Propaganda war, zu überzeugen oder zu überreden oder gar zu informieren, sondern zu demütigen; und deshalb war sie umso besser, je weiter sie von der Realität entfernt war. Wenn Menschen gezwungen sind, zu schweigen, wenn ihnen die offensichtlichsten Lügen erzählt werden, oder – schlimmer noch – wenn sie gezwungen sind, diese Lügen auch noch selber zu wiederholen, dann verlieren sie ein für alle Mal ihren Sinn für Redlichkeit. Sich mit offensichtlichen Lügen einverstanden zu zeigen, bedeutet, dass man mit der Schlechtigkeit kooperiert und auf ein gewisse Art auch selber schlecht wird. Die Kraft, sich irgendetwas zu widersetzen, bröckelt dadurch oder wird sogar ganz zerstört. Eine Gesellschaft von kastrierten Lügnern ist leicht zu kontrollieren. Ich denke, wenn man die Political Correctness untersucht, wird man feststellen, dass sie den gleichen Effekt hat, und das ist auch beabsichtigt“

Fjordman zitiert im weiteren Verlauf William Lind und verweist dabei auf dessen Essay „The history of political correctness“, das mittlerweile auch in deutscher Übersetzung vorliegt.

Die Bemühungen, den Marxismus vom Ökonomischen ins Kulturelle zu übertragen, begann nicht erst mit den Studentenunruhen in den 60ern. Sie gehen mindestens bis in die 20er Jahre und auf die Schriften des italienischen Kommunisten Antonio Gramsci zurück. 1923 gründete eine Gruppe von Marxisten in Deutschland eine Institution, die sich mit dieser Übertragung befassen sollte, das Institut für Sozialforschung (später besser bekannt unter dem Namen ‘Frankfurter Schule’). Einer der Gründer, Georg Lukács, erklärte Sinn und Zweck des Instituts damit, dass es die Antwort auf die Frage sei: “Wer rettet uns vor der westlichen Zivilisation.” Lind denkt, dass es große Parallelen zwischen klassischem und Kulturmarxismus gibt: “Beide sind totalitäre Ideologien. Die totalitäre Natur der Political Correctness kann man an Universitäten beobachten, wo ‘PC’ das Kollegium übernommen hat: Freie Rede, Pressefreiheit und sogar freies Denken wurden eliminiert. (…) Heute, wo der ökonomische Marxismus tot ist, hat der Kulturmarxismus sich seine Schuhe angezogen. Das Medium hat sich verändert, aber die Botschaften sind dieselben geblieben: Eine Gesellschaft des radikalen Egalitarismus, der mittels der Staatsmacht durchgesetzt wird.

Der_Juergen

10. Oktober 2019 10:26

Guter Artikel, Herr Kaiser! Ich unterschreibe alles ausser Ihrer meiner Meinung nach zu positiven Einschätzung Adornos. An diesem respektiere ich allerdings, dass er sich zu einer offenen und fairen Debatte mit Arnold Gehlen bereit erklärte, die dann auch stattfand.

@Caroline Sommerfeld.
Sie schreiben: "Ich habe profunde Zweifel an der Brauchbarkeit des Konzept "autoritärer Charakter" generell. Egal, ob mit dieser Suchschablone heute als eine Ironie der Geschichte diejenigen in den Blick geraten, die sich selber anmaßen, völlig frei von den Pathologien, die dieser Begriff meint, zu sein."

So ist es. Man kann hinzufügen, dass die Leute von der Frankfurter Schule, die ja fast alle Juden waren (zu den Ausnahmen gehört Habermas), mit dem Geschwätz von der "autoritären Persönlichkeit" ein klassisches Eigentor schiessen. Laut dem 1950 von Adorno gemeinsam mit Frenkel-Brunswik, Levinson und Sanford herausgegebenen pseudowissenschaftlichen Machwerk "The Authoritarian Personality" gelten als Merkmale des "Faschismus" u.a.:

- Konventionelles Denken;
- Unterwerfung unter eine Autorität;
- Aggression gegen Andersdenkende;
- Aberglaube.

Dieser Definition nach waren die Juden klassische Vertreter autoritärer und somit zum Faschismus neigender Persönlichkeiten:

- Sie hielten unbeirrt an ihrer alten Tradition fest - eine Vorbedingung dafür, dass sie nicht in ihrer Umwelt aufgingen und somit verschwanden;
- Sie akzeptierten die Autorität der Rabbiner bedingungslos;
- Sie jagten Abweichler aus den eigenen Reihen erbarmungslos (siehe Spinoza);
- Sie waren extrem abergläubisch (man lese Joshua Trachtenbergs "Jewish Magics and Superstition".

@Franz Bettinger

Das von Ihnen angeführte Zitat stammt (grösstenteils) von mir und nicht von Götz Kubitschek. Es erschien wohl in einem beifälligen Kommentar von mir zu einem Kubitschek-Artikel.

zeitschnur

10. Oktober 2019 10:32

@ Benedikt Kaiser, @ Caroline Sommerfeld

Der "autoritäre Charakter" der in der Beschreibung Adornos über den neuen Rechtsradikalismus vom Autor als solcher anerkannt und iS des Spießumdrehens zurückgespielt wird, ist mE kein "autoritärer", sondern ein "gewalttätiger Charakter".
Wie ich in meinem Blogartikel "Auctoritas und Potestas" analysiert habe https://zeitschnur.blogspot.com/2019/08/auctoritasund-potestas-zur-frage-des.html, ist "Autorität" natürlich, aber eben unabhängig von jeglicher "potestas", ja: sie muss davon unabhängig sein. Wer Macht oder irgendeine definierte, von außen stützende Gewalt benötigt, kann keine echte Autorität haben.
Ich leite dies ab aus dem Auftreten Jesu, der "Vollmacht" (also das, was ich "auctoritas" nenne) innehatte, eine mit seiner Person total verschmolzene Energie und Wirksamkeit, die nur durch physische Vernichtung widerlegt werden zu können meinte, was aber nicht gelang: bis heute zehren wir von ihr.
Das bedeutet: zugesprochene, definierte, wie immer extrinsische Macht ist unmenschlich. Autorität als intrinsische Wirkkraft verstanden ist niemals gewalttätig und muss Herrschaft ablehnen, weil jeder nur entfernte Herrschaftsimpetus sie sofort aufheben würde. Potestas etwa richtet ihre Schüler ab, auctoritas lässt ihre Schüler wachsen und fordert ihre Potenziale zu eigener auctoritas (die auch verbunden ist mit der "Kreativität) heraus.

Wir bewegen uns also, egal ob es um Rechts oder Links geht, in einem Feld fehlender Autorität, vollkommen hohler Begriffe und Figuren, die mithilfe erkämpfter, gestohlener oder zugeschriebener Macht Gewalt über andere ausüben, die man abrichtet, um sie schwach und hohl zu halten. Der Faschismus als Bündelung aller elitären Kräfte zur Machtausübung über eine geschwächte, hohl gehaltene Bevölkerung, ist dabei eine Bankrotterklärung hinsichtlich innerer Autorität. Faschismus ist weder links noch rechts, sondern eben diese Bündelung von potestas, der jedes Versatzstück gerade recht kommt, um alles, was auctoritas hat, zu demütigen und letztendlich entweder durch manipulierte Selbstaufgabe oder - wenn Menschen sich nicht manipulieren lassen - Vernichtung zu eliminieren.
Dass dies nicht gelingt, zeigt die Geschichte, aber dass das Ansinnen nicht totzukriegen ist und immer perfektere Methoden entwickelt, ebenfalls.

Imagine

10. Oktober 2019 10:35

Adorno war nie anti-autoritär, ganz im Gegenteil. An seine Studenten stellte er höchste Ansprüche hinsichtlich der wissenschaftlichen Theorie und Methodik. Keineswegs war er „Marxist“ im Sinne des DDR-Marxismus. Er erwartete eine intensive Beschäftigung mit allen relevanten soziologischen Theorien, z.B. mit der strukturfunktionalen Theorie von Talcott Parsons. Ein Freund von mir ist bei Adorno durchs Vordiplom gefallen.

Einen gewissen Einblick gibt die Diskussion zwischen Adorno und Gehlen.
https://www.youtube.com/watch?v=pmL2eztve2Y

Das sollte sich jeder ansehen, der mit „DER Natur DES Menschen“ argumentiert.

Auch war die 68-er-Bewegung in ihrer Gesamtheit keineswegs „anti-autoritär“.

Die Bezeichnung „anti-autoritäre Erziehung“ ist völlig irreführend und wird meist im liberalistischen Sinne als permissive Erziehung missverstanden.

Adorno unterscheidet zwischen Amts- und Sachautorität. Sachautorität ist unverzichtbar, um als mündiger und kritischer Bürger mitreden und mitgestalten zu können.

Erziehung ohne Autorität geht gar nicht. Das wäre Nicht-Erziehung, also das, was heute weitgehend normal geworden ist, nämlich eine Erziehungsverwahrlosung, in der das Kind dem Sozialisationsprozess ausgeliefert ist.

So ist das Konzept der „anti-autoritäre Erziehung“ von A. S. Neill eine Erziehung zur Autorität durch Autoritäten und das „anti-autoritär“ nur in dem Sinne, dass der autoritätshörige Mensch, der ja jeder Mensch im kindlichen Stadium zwangsläufig ist, zu einem freien, aufgeklärten und selbstbestimmten Menschen erzogen werden soll.

Dies ist das Gegenteil, was der Kapitalismus aus den „Nutzmenschen“ macht, nämlich außengeleitete und fremdbestimmte Arbeits- und Konsumidioten.

Monika

10. Oktober 2019 11:09

Es ist durchaus interessant, den Spieß umzudrehen und der Linken genau das vorzuwerfen, was diese der Rechten vorwirft. Allein, was ist damit gewonnen ?
Entlastet das die Rechte? Und wovon überhaupt?
1. Mir ist nicht bekannt, wie sich insbesondere Adorno ( gest. 69) zum real-existierenden Sozialismus stellte. Die Vertreter des westlichen Marxismus ( Frankfurter Schule) waren meines Wissens auf diesem Auge blind. Auch von der rechten Seite kam damals keine Kritik am Sowjetkommunismus. Die erste Kritik von linker Seite am linken Totalitarismus kam um die 1976 in Frankreich von André Glucksmann nach dessen Lektüre von Solchenizyns GULAG . In den MEISTERDENKERN kritisiert er Fichte, Hegel, Marx als „Begründer“ totalitären Denkens und daraus folgend totalitäre Staaten.Diese Kritik wurde auch von der damaligen Nouvelle Droite in Frankreich nicht zur Kenntnis genommen.
Das heißt, eine Totalismuskritik gab es im „kapitalistischen“ Westen weder von rechts noch von links. Warum sollte man sich mit Kritik an Autoritäten befassen?
Linke Faschismuskritik als Kritik an Autorität läuft immer ins Leere.
Der einzige deutsche Dissident (entsprechend den osteuropäischen wie Solchenizyn, Havel, Milosz u.a.) , der diesen Namen verdient, ist m. E. Ulrich Schacht. Dieser sagte: „Ich mag keinen Faschismus, also auch keinen Antifaschismus“.
2.Nur ein das rechts-links Schema überwindendes Denken kann dieses Dilemma überwinden.
Etwa im Sinne Havels: das posttotalitäre System ist auf dem Boden der historischen Begegnung der Diktatur mit der Konsumgesellschaft gewachsen. Oder : Kapitalismus und Kommunismus funktionieren gut zusammen ( siehe China) .
3. Es geht weniger um eine Rechte Metapolitik als um eine fundamentale Kritik an Politik überhaupt oder um das Unpolitische und Unverfügbare im Menschen.
4. Damit komme ich zu Erich Fromm. Er fällt etwas aus den Denkern der Frankfurter Schule heraus. Seine Bücher „Authentisch leben“ oder „Haben oder Sein“ verstehe ich weniger politisch denn existentiell. Der autoritäre Charakter entspricht hier dem Charakter des Habens.
Vorbei wir bei der FREIHEIT wären, oder der Angst vor der Freiheit. Welche Freiheit ist gemeint ?
Fromm versteht diese Freiheit „im Sinne von Ungebundenheit und Befreitsein von der Sucht, an Dingen und am eigenen Ich festzuhalten“, was „Voraussetzung für Liebe und produktives Sein ist.“ Hier rekurriert Fromm auf Meister Eckhart! Er schreibt: „Ich bin keinem Autor begegnet, dessen Gedanken über die Natur der Habenorientierung bei Eckhart meinem eigenen Denken so nahe gekommen wie die von Dietmar Mieth. Er spricht von der Besitzstruktur des Menschen...im gleichen Sinn, in dem ich von der „Existenzweise des Habens“ spreche. Auch bezieht er sich auf den Marxschen Begriff der „Expropriation“, wenn er vom Durchbruch der inneren Besitzstruktur spricht, und fügt hinzu, dass sie die radikalste Form der Expropriation ist“. ( Haben oder Sein)
So schließt sich ein Kreis.
Dietmar Mieth ist katholischer Professor für Ethik und ausgewiesener Eckhart Forscher. Ich habe bei ihm in Tübingen studiert. Erich Fromms „Haben oder Sein“ war damals schon aktuell und wird es heute auf andere Weise wieder.
Von welcher Freiheit reden wir also ?

Imagine

10. Oktober 2019 11:27

Die These, dass „Kapitalismus zum Faschismus“ führt, kann man empirisch durch die Geschichte belegen.

Wichtig ist eine Unterscheidung zwischen Faschismus und Nationalsozialismus. Benedikt Kaiser nimmt sie im verlinkten Text „Bedrohung ‚Islamofaschismus‘?“ vor.

Denn Kapitalismus führt keineswegs systemlogisch zum Nationalsozialismus, der im Wesentlichen ein deutsches Phänomen war und durch Rassismus („arische Rasse als Herrenmenschen“) gezeichnet war.

Faschistische Entwicklungen gab es im Europa der 30-er Jahre überall.

Um diese Zusammenhänge verstehen zu können, sollte man Otto Rühle und Alfred Sohn-Rethel gelesen haben.

Der Faschismus ist eine Reaktion auf die gesellschaftliche Krise, auf Chaos und moralischen Verfall, wobei es sich um Folgen der kapitalistisch-liberalistischen Ökonomie – der „Anarchie des Marktes“ (Marx) - handelt.

Prognostiziert wurde die Entwicklung bereits durch F. Engels in der Formulierung „Sozialismus oder Barbarei“. So war in der Arbeiterbewegung der Glaube stark verbreitet, dass die kapitalistische Krise zum Sozialismus führe. Deshalb tarnte sich der Hitlerismus als „nationalsozialistische deutsche Arbeiterbewegung“ (s. NSDAP) und die Massen sind auf diese Täuschung hineingefallen, sie glaubten an das Ziel „nationaler Sozialismus“. Tatsächlich ging es um den Erhalt des alten Herrschaftssystems und der alten Eigentumsordnung. Deshalb wurde Hitler an die Macht gebracht. Und Hitler und seinen Kumpanen ging es darum, selbst nach ganz oben zu kommen.

Soziologisch nüchtern betrachte, ist der Faschismus ein Lösungsmodell. Es handelt sich dabei um eine zwangsläufige, notwendige und diktatorische gesellschaftliche und ökonomische Neuorganisation vermittels des Staatsapparats, um das Funktionieren des in Krise und Chaos geratenen gesellschaftlichen Systems aufrechtzuerhalten. Und jetzt passiert dies in pseudo-linker und pseudo-ökologischer Verpackung.

Der_Juergen

10. Oktober 2019 11:34

@Monika

Sie irren sich mit Ihrer Aussage, die Nouvelle Droite habe Glucksmann, Levy und Konsorten nicht zur Kenntnis genommen. Alain de Benoist hat im Gegenteil vernichtende Kritik an den aufgeplusterten Schwätzern geübt, die sich hochtrabend als "Nouveaux Philosophes" feiern liessen. Bezeichnenderweise waren diese mehrheitlich selbst Linksradikale gewesen (Glucksmann auf jeden Fall, Levy wohl nicht, aber die meisten anderen Vertreter dieser "Denk"-Schule) und mauserten sich später zu fanatischen Neocons.

Dasselbe traf auch auf die Vor-"Denker" der amerikanischen Neocons zu, die ebenfalls mehrheitlich Maoisten oder Trotzkisten gewesen waren und ihre Politik der Völkervernichtung später statt unter kommunistischem unter ultrakapitalistischem Banner betrieben. Ein Paradebeispiel dieser Spezies war Norman Podhoretz.

Benedikt Kaiser

10. Oktober 2019 12:31

@Der_Juergen:
Monika irrt sich nicht nur darin. Auch ihre Unkenntnis dessen, wie sich das Verhältnis zwischen westlichen Marxisten der Frankfurter Schule und den Vertretern des real existierenden Sozialismus gestaltete, könnte man – neben weiteren Dingen – hier anführen. Für einen prononciert "neostalinistischen" Denker der Ulbricht-DDR wie Peter Hacks war die Clique um Marcuse und Adorno gar ein subalternes CIA-Geschöpf. Banal gesagt: Das Verhältnis zwischen SED-freundlichen und SED-feindlichen Linken spaltete natürlich die westdeutsche Linke der Adorno-Zeit, wobei die Ostberlin-loyale DKP samt Marburger Schule in einem dezidierten Gegensatz zu den Frankfurtern um Adorno stand. Man könnte als dritte größere Fraktion noch maoistische Strömungen anführen, die beide vorgenannten Gruppen als revisionistisch verwarfen und sowohl die praktizierten DDR/SU-Modelle als auch die »bürgerlichen« und amerikanisierten Linksintellektuellen der Frankfurter Schule befehdeten ...

@Imagine: Ich schätze Ihre Kommentare im Regelfall, ohne ihnen durch die Bank beizupflichten. Aber Ihr Faschismusbegriff scheint mir nach wie vor nicht haltbar zu sein. Die Essenz des Faschismus (natürlich nicht des Hitler-NS), von Sternhell bspw. vergegenständlicht, ist eine Synthese eines nichtmarxistischen, reformistischen Sozialismus mit einem revolutionären Nationalismus bei akuter Krisenlage unter Beteiligung enttäuschter Linker und desillusionierter Rechter. Wie kommen Sie, angesichts dieser zugrunde gelegten Definition, die ich auch in dem von Ihnen – erfreulicherweise: affirmativ – zitierten Essay zum »Islamofaschismus« verwende, dann zu dem Verdikt, wir erlebten die Renaissance des Faschismus in linker, ökologischer Verpackung? Die Kernzutat des Faschismus, o. g. Synthese, fehlt hier fundamental, und daher bewerte ich, mit Verlaub und bei allem nötigen Respekt, Ihr permanente Fixierung auf »den Faschismus« in neuem Gewand als ideologisch bedingte Marotte.

Hartwig aus LG8

10. Oktober 2019 12:58

@ Imagine

Faschismus ist meist eine Re-Aktion; eine gewaltsam durchgesetzte und mit diktatorischen Mitteln verteidigte Ordnung, die auf eine nicht länger beherrschbare Unordnung folgt.
Ursache sind nicht die Verwerfungen auf Grund der "Anarchie des Marktes", sondern es sind die marxistisch induzierten Attacken auf die Vorherrschaft bürgerlicher und kleinbürgerlicher Lebensweise.

Ein gebuertiger Hesse

10. Oktober 2019 13:37

@ Hartwig
"Faschismus ist meist eine Re-Aktion; eine gewaltsam durchgesetzte und mit diktatorischen Mitteln verteidigte Ordnung, die auf eine nicht länger beherrschbare Unordnung folgt."
Manchmal liest man auf SiN wasserklare Sätze für das innere Geschichtsbuch (das, das man immer bei sich hat). Hier haben wir so einen.

quarz

10. Oktober 2019 13:37

@Sommerfeld

"Ich habe profunde Zweifel an der Brauchbarkeit des Konzept "autoritärer Charakter" generell."

Es hat in der modernen Persönlichkeitspsychologie ohnehin längst ausgedient.

Laurenz

10. Oktober 2019 13:38

@Imagine ... wir wissen, Adorno distanzierte sich von gewaltbereiten Alt68er-Schwadronen, die sich nach Ohnesorgs Tod, radikalisierten.
Das ist in ungefähr so, als wolle Sich Jesus, gemäß den Kibbuz-Freaks, wie @zeitschnur, von den Weltkirchen distanzieren.
Adorno trägt die geistige Verantwortung für die Alt68er, die sich nur durch faschistische Machtergreifung auszeichnen, und nicht durch intellektuelle Brillanz. Das ist seine Wirkung bis heute. Adorno ist für die geisteskranke totalitäre Berliner Ex-Republik verantwortlich, also faseln Sie nicht.

RMH

10. Oktober 2019 13:54

@Hartwig aus LG8,

nun ja, man darf dabei aber nicht vergessen, dass der Faschismus durchaus auch eine klar markthegende Eigenschaft hatte bzw. der Faschismus gerade nicht einem zügellosen Manchesterkapitalismus diente, eben auch um revolutionäre Ursachen damit gleichfalls einzufangen - es war ein gesamtgesellschaftliches Konzept, welches viele und vor allem @Imagine, irgendwie bis heute offensichtlich nicht begriffen haben und nicht nur eine punktuelle Antwort auf ein spezifisches Problem. Und da der Faschismus im Gegensatz zum Kommunismus marxistischer Prägung nicht per se atheistisch ist, konnte er sehr gut auch die Kirchen als Verbündete gewinnen, die ebenfalls kein Interesse am "gottlosen" Kommunismus hatten aber auch kein Interesse an einem totalen Kapitalismus.

Im Grunde genommen unternimmt die sog. "soziale Marktwirtschaft", die ja eines der Heiligtümer unseres Staates ist, den gleichen einhegenden Versuch, wie der Faschismus. Insofern kann man genauso die These aufstellen, dass Kapitalismus zur sozialen Marktwirtschaft führt.

@Bendikt Kaiser,
danke für die einbremsenden , klaren Worte an @Imagine

Monika

10. Oktober 2019 14:29

@ Juergen
Mit zur Kenntnis genommen meine ich explizit nicht die Kritik der Neuen Rechten an den „Schwätzern der Nouveaux Philosophes“, ( warum Schwätzer?), sondern die Kenntnisnahme der totalitären Realität im real-existierenden Sozialismus, auf den diese „Schwätzer“ hinwiesen. Hat die Neue Rechte dieses totalitäre System kritisiert ? Nein ! Warum nicht? Weil sie die Instrumente, die eine Kritik an diesem System zulassen, nicht im Repertoire führt. Konkret: die Nouvelle Droite ( vor allem Benoist) „glaubt“ nicht an einen reduzierbaren und einzigartigen Persönlichkeitskern ( der im streng wissenschaftlichen Sinn auch nicht beweisbar ist) . Aber ohne den Glauben an diesen ist die Idee der persönlichen Würde und die Idee der Menschenrechte nicht zu verteidigen. Wenn ich aber mit „objektiven“ Begriffen sozialer Beziehungen ( Klasse, Rasse, Ethnie) völlig definierbar bin, warum sollte ich für irgendetwas verantwortlich sein ? Worauf basiert dann das Ethos ?
Leszek Kolakowski schreibt dazu: „ Unsere Unfähigkeit, den besonderen, ontologischen Status der Persönlichkeit zu bejahen, hat einen unheilvolleren Aspekt. Sie raubt uns jeden theoretischen Schutz vor totalitären Doktrinen, Ideologien und Institutionen.“
( Das Menschenbild zumindest der nichtchristlichen Rechten enthält diesen theoretischen Schutz nicht ).
Deshalb ist die heidnische Rechte auch nicht in der Lage, den Totalitarismus des real- existierenden Sozialismus theoretisch wahrzunehmen. Auch in der sozialistischen Ethik ( siehe entsprechendes DDR Lehrbuch des ML) taucht ein ontologischer Status der Persönlichkeit nicht auf, der Mensch ist ein Produkt der Verhältnisse) .
Diesen theoretischen Schutz eines Persönlichkeitskerns gibt es allerdings in den Schriften der westlichen Marxisten, vor allem bei Erich Fromm. In „Authentisch leben“ schreibt er: „Wenn es kein allen Menschen gemeinsames Wesen gäbe, könnte es auch keine Einheit der Menschen, keine für alle Menschen gültige Werte und Normen geben, ja , es gäbe keine Wissenschaft der Psychologie oder Anthropologie, die den Menschen zum Erkenntnisobjekt hat.“
Zumindest Erich Fromm ist einer christlichen Position näher als viele Rechte.

Imagine

10. Oktober 2019 15:51

@ Benedikt Kaiser
„Die Essenz des Faschismus (natürlich nicht des Hitler-NS), von Sternhell bspw. vergegenständlicht, ist eine Synthese eines nichtmarxistischen, reformistischen Sozialismus mit einem revolutionären Nationalismus bei akuter Krisenlage unter Beteiligung enttäuschter Linker und desillusionierter Rechter. Wie kommen Sie, angesichts dieser zugrunde gelegten Definition, die ich auch in dem von Ihnen – erfreulicherweise: affirmativ – zitierten Essay zum »Islamofaschismus« verwende, dann zu dem Verdikt, wir erlebten die Renaissance des Faschismus in linker, ökologischer Verpackung?“

Diese Faschismusdefinition ist rein deskriptiv und erfasst lediglich vergangene historische Erscheinungsformen in einem nationalstaatlichen Rahmen.

Da war die Faschismusdiskussion bereits in den 70-er Jahren wesentlich weiter.

Man denke dabei an die Forschungen von Reinhard Opitz. (Vgl. dazu Richard Albrecht https://www.grin.com/document/108957, https://www.untergrund-blättle.ch/politik/theorie/reinhard_opitz_these_der_bewusstseinsfalsifikation_5507.html), an die politökonomische Analyse von Alfred Sohn-Rethel („Ökonomie und Klassenstruktur des deutschen Faschismus.“ 1973), an die Weltanalysen von Otto Rühle (gewürdigt in: Mike Schmeitzner (Hrsg., 2007): Totalitarismuskritik von links, S. 205-228), an das Buch von Reinhard Lettau (1971): „Täglicher Faschismus: Amerikanische Evidenz aus 6 Monaten“ etc.

Faschismus (nur) als ein nationales Phänomen zu begreifen, entspricht nicht dem Stand der historischen Entwicklung. Heute gibt es keine autarken „Volkswirtschaften“ mehr, der ökonomische Prozess verläuft transnational und global. Deutschland – wie insgesamt auch die EU - ist nur ein Teilbereich des US-NATO-Imperiums und ökonomisch Teil einer globalen Megamaschine und besitzt daher nur begrenzte politische (nationalstaatliche) Souveränität.

Folglich gleichen sich innerhalb dieses Imperiums die politischen und kulturellen Strukturen an. So ist der Neoliberalismus eine durchgängige ökonomische, politische und kulturelle Struktur. Der weltbekannte Soziologe Richard Sennett sprach diesbezüglich bereits vor anderthalb Jahrzehnten von einem „sanften Faschismus“. Die kapitalistischen Gesellschaften befinden sich in einem Prozess der „Orwellisierung“.

Solange die „Bewusstseinsfalsikation“ (Reinhard Opitz) noch funktioniert und die Individuen als willige Rädchen in der Megamaschine störungsfrei funktionieren, gibt es aus der Perspektive des Systemerhalts keinen Grund, zu einem „harten Faschismus“ mit offener Repression, physischer Gewalt, Folter und Mord überzugehen.

Im Augenblick bettelt ein Teil der Bürger mit falsifiziertem Bewusstsein darum, mehr Steuern zu bezahlen und auf Konsum zu verzichten.

Bei den Gelbwesten in Frankreich ist dies anders, die sind zu einem Störfaktor geworden und bekommen offene Repression zu spüren.

Der_Juergen

10. Oktober 2019 16:12

@Monika

Ihre Frage, weshalb ich mich über die "Nouveaux Philosophes" so abschätzig äussere, verdient eine Antwort.

Die einzigen ernsthaften Gegenmodelle zum Kapitalismus waren im 20. Jahrhundert der Kommunismus und der Faschismus/Nationalsozialismus (mit der rumänischen Eisernen Garde als Zwischenstufe zwischen diesen beiden nicht unerheblich verschiedenen Varianten des Modells). Dass diese beiden Gegenprojekte zum Kapitalismus schwere Verbrechen begangen haben (der Kommunismus weit mehr als alle Formen des Faschismus zusammen), steht ausser Frage, aber beide haben auch sehr grosse Leistungen vollbracht (wenn man von der irrsinnigen kambodschanischen Variante des Kommunismus absieht).

Für Glucksmann, Levy und Konsorten darf es keine Alternative zum Kapitalismus geben, weil eine solche zwangsläufig entweder nach "Auschwitz" oder in den Gulag führt. Mit ihrem larmoyanten Geschreibsel (besonders unerträglich ist B.H. Levys "Le testament de Dieu") erklären die "Nouveaux Philosophes" den Kapitalismus faktisch für alternativlos. Dass sie sich später fast alle zu Neocons gemausert haben, rundet das Bild ab.

Der eine oder andere mag sich fragen, warum ein so gestandener Rechter wie ich so viel Positives über den (Sowjet)Kommunismus zu sagen hat. Antwort: Ich habe 15 Jahre in Russland gelebt und dort gelernt, auch die andere Seite der Medaille zu betrachten. Dies gilt nicht zuletzt für den deutsch-sowjetischen Krieg, der sicherlich die grösste Katastrophe des 20. Jahrhunderts war. Dass ein erheblicher Teil der älteren Generation Russlands bis heute starke Nostalgie nach dem Sowjetsystem empfindet, wäre unerklärlich, wenn dieses nichts als Verbrechen und Irrtümer begangen hätte.

Niekisch

10. Oktober 2019 16:24

"Er erwartete eine intensive Beschäftigung mit allen relevanten soziologischen Theorien, z.B. mit der strukturfunktionalen Theorie von Talcott Parsons."

@ Imagine 10.10. 10:35: Vielleicht deshalb, weil er mit dem Kreis um Margaret Mead, Erik H. Erikson, Talcott Parsons zu tun hatte, die an den sog. Macy-Konferenzen 19427/43 teilnahmen, um den "autoritären deutschen Charakter" zu analysieren und nach dem Sieg der Alliierten zu eliminieren?

Laurenz

11. Oktober 2019 05:37

@Monika @ Juergen ..... die heidnische Rechte in Europa ist doch viel zu klein. Diejenigen, die sich in die Welt der MRPGs und MA-Märkte flüchten, sind apolitisch, sonst würden sie keine geistige Flucht begehen. Sie haben Recht, im Heidentum gibt es keinen bigotten Humanismus und geistesverwirrte Überheblichkeit des Menschen an sich. Aber bedenken Sie, Ihr bizarrer Pseudo-Humanismus existiert weder in Afrika, noch in Asien. Und beide, der europäische Heide, wie auch der asiatische -, überlegen sich sehr genau, ob sie ihre Seele mit einem Verbrechen belasten. Überdenken Sie Ihr Urteil, denn wie viele buddhistische oder shintoistische Missionare klingelten schon an Ihrer Haustüre und wollten Sie tatsächlich (propagandistisch) von einem "besseren" Leben überzeugen?
Bei der ganzen Debatte @Imagine & Debattierende wird vergessen, daß es 1. keine anerkannten faschistischen oder nationalsozialistischen wissenschaftlichen Vertreter gibt, 2. wird in der gesamten Faschismus-Debatte, auch von Adorno, der menschliche Aspekt in der geo-strategischen Situation Deutschlands übersehen oder vielmehr ignoriert.
Denn, wenn hier schon der "Kapitalismus" debattiert wird, wäre doch etwas mehr Exaktheit wünschenswert, zB in der Frage, seit wann und wo denn genau der Kapitalismus existiert?

Laurenz

11. Oktober 2019 05:43

@RMH .... falsch. Der Faschismus und der Nationalsozialismus haben die Kirchen gekauft. Daran haben auch alle Nachfolger, auch die Deutsche Republik nichts geändert. Man benutzt sogar dieselben Instrumente der Nationalsozialisten um weiterhin den korrupten Status der Kirchen aufrecht zu erhalten.

Monika

11. Oktober 2019 09:00

@ Juergen
Danke für die Antwort
Ich denke nicht in schwarz weiß Kategorien- entweder Kapitalismus oder Kommunismus. Aber zwischen real-existierenden Systemen kann jeder entscheiden, wo es ihm besser gefällt. Ich weiß nicht, in welcher Zeit und in welcher beruflichen Position sie in Russland gelebt haben.
Ich bin jedenfalls froh, dass ich nicht in der DDR leben musste. Dort wäre mein Leben völlig anders verlaufen.
Die Mehrheit der Deutschen in der DDR tendierte eher zum westlichen System.
Wenn MP Schwesig sagt, dass die „DDR kein Unrechtsstaat war“, gibt es berechtigte Kritik an dieser Aussage. Zumindest von den Menschen, die in diesem Staat angeeckt sind und aus politischen Gründen in Haft waren.
Eine Tante von mir sagte , im Nationalsozialismus sei auch nicht alles schlecht gewesen, man hätte im Dunklen auf der Straße spazieren können, es wäre nichts passiert.
Wenn es egal wäre, wo man lebt, bräuchte man auch die Theoriediskussion nicht zu führen, oder ?
Die mit praktischer Erfahrung auf ihre Realitätsdichte geprüft werden kann.

zeitschnur

11. Oktober 2019 10:52

Ich bin einigermaßen überrascht, in welch antiquierten Kategorien diese Debatte verläuft. Allerdings weist @ Monika, auch wenn ich ihren Schwenk zur "Habenstruktur" und Meister Eckhard nicht verstehe in dem Zusammenhang, mE eben doch ganz zu recht auf etwas hin, vor dem sich Teile der Rechten, dann auch flugs um eine passende, defizitäre und realitätsferne Faschismusdefinition bemüht, drücken: die Rechte brachte keine Totalitarismuskritik hervor, und das ist schwerwiegend und entlarvend. Im Prinzip neigt sie entweder selbst einer totalitären Struktur zu, oder sie wird konsequent, wie einst Ricarda Huch, offen für den Anarchismus bzw eine libertäre, frei-wachsende, aber nicht rechtsfreie Ordnung. Welchen Sinn soll es ergeben, jetzt über die Haarspaltereien innerhalb der Linken vor 50-60 Jahren zu dozieren? Haben uns Professoren wie Anthony Sutton nicht längst nachgewiesen, dass die zersplitterte Linke an ihrer eigenen Verblendung litt, die gesamte linke Bewegung allerdings von denselben Geldgebern und Think Tank-Vordenkern am Leben gehalten und gefüttert wurde wie auch der NS und der historische Faschismus, all diese Bewegungen also in ein großes Experiment (divide et impera mit langfristiger Zukunftsorneitierung) gehören und zu ein und dem selben Ziel führen werden? Mit verengten oder von der eigentlichen Tendenz ablenkenden, übrigens auch typisch deutsch-siegerbesetzten Faschismusdefinitionen verpassen wir die Abzweigung zu dem Verständnis, das für heute relevant ist. Es genügt, in dem Fall kurz den Wikiartikel anzusehen, der nicht verhehlt, von wem faschistische Symbolik bis heute genutzt und natürlich auch gemeint wird - die symbolverliebte elitäre Community meint sie nämlich IMMER ernst: https://de.wikipedia.org/wiki/Fascis
Das Schlüsselsymbol der Fasces ist auch genau das, was "Faschismus" bedeutet. Der Faschismus kann dabei - je nach Zeitgeist - alle Versatzstücke gebrauchen, die der Bevölkerung suggerieren, man täte etwas für sie. Das kann ein wie immer definierter "Nation"-Begriff sein, muss aber nicht. Es kann auch ein Multikultibegriff sein. Faschismus ist inhaltlich bzw ideologisch schillernd, und genau das macht ihn so gefährlich wie überlebensfähig.
Viel gravierender als der Nationbegriff war in den historischen faschistischen Staaten, die man den "Achsenmächten" zuordnete, die Kirche bzw die Konfession als Identifikationsgestalt und treibende Schattenmacht für das Ganze. Wie David Kertzer gezeigt hat, war es maßgeblich Pius XI., der den Faschismus bzw persönlich den ehemaligen Sozialisten Mussolini in Italien forciert und nach oben gebracht hat und systematisch alle anderen katholischen Bewegungen unterdrückt, ausgebremst oder sogar verboten hat. Die Quellenlage Kertzers ist so überwältigend, dass seine Analyse im großen Zug nicht ernsthaft bezweifelt werden kann. Aber sie ist schmerzhaft. Viele wollen es nicht wahrhaben ... Ohne diese Entwicklung wäre auch der NS in D. nicht zum Ziel gekommen. Wenn @ Laurenz also schreibt, der Faschismus/NS habe die Kirche gekauft, dann verkennt er, wer hier wen hervorgebracht hat. Die Wirren um das deutsche "Zentrum", den Prälaten Kaas und die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz, die der aus Rom befohlen bekam, diese Direktive allerdings hinter dem Rücken der Partei, und das Konkordat, sind ein Bubenstück ... der Kirche gewesen. Man kann Kaas' Rede im Reichstag hier nachlesen: https://www.zum.de/psm/ns/kaas_ns_macht.php
Interessant hierbei, dass Kaas damit argumentiert, man müsse in der Not Gräben überwinden und zur "Rettung der Nation" zusammenstehen.
Man muss sich heute sein Teil dazu denken, zumal Pacelli seit Jahren in Deutschland war, und schon mancher gefragt hat, in welcher genauen Mission eigentlich. Seine Rolle konnte bis heute nicht wirklich geklärt werden. Nach der Installation des Kriminellen Ante Pavelic durch den NS und das faschistische Italien im neuen kroatischen Ustashastaat mit vatikanischer Billigung und häufigen Empfängen ustashistischer Abordnungen bei Pius XII. wurden nicht etwa nationalistische Zerwürfnisse aktiviert, sondern der konfessionelle Konflikt: die Hundertausenden von Serben wurden nicht grausam massakriert, weil sie Serben waren, sondern weil sie immer noch orthodox blieben. Seite an Seite mit den Kroaten kämpften übrigens wundersamerweise die bosnischen Muslime. Auch das sollte einen stutzen lassen. Die Ustashisten waren fanatische Katholiken. Aber auch über dieses Thema gibt es auf Deutsch kaum Aufklärung. Stattdessen produzieren Historiker aus mS versnobte "Faschismustheorien".
Es muss hier verstanden werden, dass es dem Liktorenbündel ziemlich egal ist, mit welchem Köder er das dumme Volksvieh füttert - relevant ist, dass seine Fasces fest verschnürt sind. Dieses Konzept strebt derzeit auf einen globalen Faschismus zu, und wir wären mE gut beraten, dies zu erkennen und uns nicht auf irgendwelche Nebenkriegsschauplätze führen zu lassen. In diesem kommenden Weltstaat agieren dann genau diejenigen, verdeckt oder offen, die seit Jahrhunderten eine weltstaatliche Struktur aufgebaut haben.

Der_Juergen

11. Oktober 2019 20:03

@Zeitschnur

Sie argumentieren vielschichtig und kenntnisreich. Bei allem Respekt habe ich an Ihrem Beitrag von 10.52 das eine oder andere zu kritisieren. Dass der Begriff "Faschismus" für mich keine negative Konnotation hat, ist meine persönliche Sache und für keinen Mitforisten verbindlich, aber Formulierungen wie die vom globalen Weltstaat, der einen faschistischen Charakter tragen werde, helfen uns keinen Schritt weiter.

Wie etliche andere Kommentatoren begehen Sie den Fehler, "Faschismus" als Synonym für "Diktatur" zu verwenden. Da jede Spielart des historischen Faschismus ausgeprägt nationalistisch war und ein Weltstaat als Apotheose des Internationalismus per definitionem nicht nationalistisch sein kann, müsste die Abwegigkeit dieser Gleichsetzung eigentlich jedem klar sein.

In anderen Punkten haben Sie recht, beispielsweise mit ihrem strengen Urteil über Ante Pavelic, der eine sehr negative historische Rolle gespielt hat - ebenso wie Bandera in der Ukraine. Beide Männer verkörperten anfangs einen gerechtfertigten nationalen Widerstand gegen fremde Unterdrückung, wurden später aber selbst zu Symbolen blutigen Terrors gegen Unschuldige - Pavelic gegen Serben, Bandera gegen Polen und Russen (er selbst hockte damals in Sachsenhausen, aber seine Anhänger leisteten ganze Arbeit in seinem Sinne).

Laurenz

12. Oktober 2019 07:53

@zeitschnur ... ich habe grundsätzlich nichts gegen Ihre Vatikanischen Betrachtungen. Allerdings bin ich immer noch der Überzeugung, daß Innen-Politik grundsätzlich auf staatlicher Gewalt und internationale Politik auf der militärischen Optionen basiert, ganz egal, was irgendjemand schreibt oder zum Besten gibt. Daß vordergründig die katholische Kirchen vielen Nationalsozialisten eine Flucht ermöglichte, mag am Erhalt des katholischen Status durch die Nationalsozialisten gelegen haben. In einer Basis-demokratischen Republik wäre die strikte Trennung von Kirche und Staat längst vollzogen worden. Es ist bezeichnend, daß die Bonner - und Berliner Republik die nationalsozialistischen Instrumentarien beibehalten hat und den Artikel 20 (2) GG uminterpretiert. Es ist die allerletzte bittere Neige eines einstigen Anstands, den das Spieglein noch verkörpert, wenn seine Umfrage-Butze Civey bezüglich Kirchen und Demokratie mit Bürgerbeteiligung die Umfrage-Werte veröffentlicht. Das passiert wohl nur deswegen, weil die Umfrage-Abteilung eine elementare Einnahme-Quelle darstellt.

zeitschnur

12. Oktober 2019 13:09

@ Laurenz

"Allerdings bin ich immer noch der Überzeugung, daß Innen-Politik grundsätzlich auf staatlicher Gewalt und internationale Politik auf der militärischen Optionen basiert, ganz egal, was irgendjemand schreibt oder zum Besten gibt."
_____
Ist das nicht eine etwas sehr naive Sicht der Dinge?!
Innenpolitik basiert sowieso nicht zwingend auf staatlicher Gewalt, weil sie auch in in kleinen Gemeinschaften existiert, die keinerlei staatliche Gewalt kennen.
Aber das nur am Rande.
Haben Sie wirklich noch nie gehört, dass die manipulative Einflussnahme auf die staatliche Gewalt durch Finanzoligarchen, Bankeliten, Geheimdienste, Geheimgesellschaften (Logen), religiöse Institutionen oder auch Guerillagruppen, oft durch eine Verflechtung solcher Gruppen, enorm ist?
Noch nie gehört, welche Verflechtungen zwischen Vatikan, Jesuitenorden und Ministern bestanden und bestehen? Zum Beispiel? Haben Sie nie gehört, dass zB die Jesuiten massiv Einfluss nahmen auf die Innenpolitik, zB hinsichtlich der Hugenotten in Frankreich? Dass auf Könige, die zu freundlich waren, Mordanschläge verübt wurden, in deren Umfeld notorisch Jesuiten auftauchten, die nach dem Muster "Ich schick einen fanatischen, halbdepperten jungen Mann als Mörder vor", der vorher systematisch mindcontrolled wurde (kennen wir das Muster nicht?), stets so taten, als seien sie unschuldig, waren aber immer in nächster Nähe, wurden auch sehr oft verurteilt und nicht selten nach Gerichtsurteil hingerichtet ... Heute hat man das sorgfältig unter den Teppich gekehrt, ist aber in der gesamten wissenschaftlichen Literatur noch bis zum Ende des 19. Jh sehr genau ausgesprochen wurden, sehr oft von besorgten Katholiken, die ihre Kirche eigentlich lieben. Dass der Beichtvater Ludwigs XIV. solange Druck auf ihn ausübte, bis er das Edikt von Nantes wieder aufhob und anschließend in ganz Frankreich eine neue böse Hugenottenverfolgung losging? Das alles wissen Sie nicht (nur als Beispiele)?
Und was ist mit den Intrigen der Mätressen, die als bloße Betthaserln mitmischten in die erhabene "staatliche Gewalt"? Zum Beispiel beim Wiener Kongress und nicht nur da?
Oder nehmen Sie doch nur den Jesuitenprovinzial Augustin Rösch: enger Freund von Hans Globke, der im NS die Nürnberger Rassegesetze entwarf, gleich 1946 wurde Rösch bayerischer Caritaschef und Sonderkontaktmann zu Reinhard Gehlen ins katholische Establishment. Kannte der den Gehlen vorher, als er Geheimdienstchef fremde Heere Ost war, noch nicht? Und im Kreisauer Kreis mischte er auch ganz groß mit, ließ sich anschließend als "Widerstandskämpfer" feiern - als bloßer frommer Ordensmann? - übrigens war er mit fast 100% Wahrscheinlichkeit auch britischer Geheimdienstler, also Doppelagent. Welch ein Chamäleon und Januskopf! Während Globke Kanzleramtminister später unter Adenauer war, war Rösch auf ihn angesetzt (alte Freundschaft eben und sehr geistlich) und bestimmte nach Zeugenaussagen dessen innenpolitisches Handeln. Wusste Adenauer das? Und wer blieb Röschs oberster Chef nach Gott, wenn Gott überhaupt? Natürlich der General in Rom ... Kein Jesuit läuft seinem General ungestraft aus dem Ruder. Wissen Sie das alles nicht? Und warum gibt es den Orden überhaupt? Er hat nur ein einziges Vereinsziel: erst die Rekatholisierung Europas (eingeschlossen v.a. auch der Kampf gegen die Orthodoxie), dann die der ganzen Welt. Und das ist politisch gemeint, nicht unbedingt religiös! jede der Religionen wird dann eine Unterabteilung der Kirche. man kennt das doch schon lange. "Akkomodation" nannte der Orden das. Lesen Sie nach, Informieren Sie sich!
Wollen wir weiter träumen und glauben, die Welt sei wie ein politischer Baukasten geordnet, in dem nicht sein kann, was nicht sein darf?
Und das waren nur Beispiele.
Man sehe auch mal nach unter "Pulverfassverschwörung", sehe, wie der Papst seinerzeit die englischen Katholiken aufhetzte, gegen Elisabeth I aufzubegehren (was nicht gelang, aber hätte gelingen können), sehe, wer in den Lincoln-Mord auch nach offizieller Geschichtsschreibung involviert war.
Und wenn die Geistlichkeit auch noch mit Geldmacht ausgestattet ist, wird es ganz heftig. ich sage nur: Knights of Malta.
Dass wir uns vielleicht wünschen, gewisse international aufgestellte Kreise hätten nicht so viel Hinterzimmermacht (nein: sie sagen nicht in Pressekonferenzen, was sie vorhaben und tun!), verstehe ich sofort, aber es hilft alles nichts: die Welt ist nun mal so wie sie ist und nicht so, wie unsere Theorien über sie es ihr gerne vorgeben würden.

Laurenz

12. Oktober 2019 18:14

@zeitschnur .... vieles in Ihrem Beitrag, nicht alles, stimmt, spielt aber in seiner Wirkung nur sehr bedingt eine Rolle. Denn all dieses ist ohne militärische Option nicht möglich. Unsere aktuellen Terms of Trade basieren auf 11 einsatzfähigen US-Flugzeugträgern. Aufgrund dieser Tatsache wird die Deutsche Bank zu Milliarden-Strafen verurteilt und, !, zahlt.

Es ist nichts gegen klandestine Nachrichten zu sagen, wenn sie plausibel sind. Die Plausibilitäts-Prüfung muß eben vorgenommen werden. Ich hatte schon desöfteren gepostet, daß die Briten, im wesentlichen die Royal Navy, in 300 Jahren Geschichte für 22 Holodomors mit um die 80 Mio. Hunger-Opfern verantwortlich ist. Hier werden klare Kriegsziele, also nach Clausewitz, politische Absichten deutlich.
Deswegen liebe ich Seekriegs-Geschichte. Auf dem Wasser werden bis heute die Güter dieser Welt transportiert. Und dort gibt es nichts zu "deuteln", nichts zu interpretieren. Ich zeige Ihnen, zeitschnur, um Abstand von uns selbst zu gewinnen, einen gescheiterten historischen Versuch eines üblichen Britischen Holodomors. In dem Beispiel handelt es sich um die erste Seeschlacht nach der französischen Revolution. Weil fast das gesamte franz. (adlige) Offizierskorps zur See entweder geflüchtet oder zu Tode gekommen war, mußten Handelsschiffer usw. das Kommando übernehmen. Konter-Admiral Villaret-Joyeuse war vor dem Krieg nur Korvetten-Kapitän gewesen. Ohne die Notwendigkeit, den Getreide-Geleitzug (sogenannte Geleitzugs-Schlacht), wären die Frogs nie aus dem Hafen (meist Brest) gekommen. Die Frogs schlugen sich relativ gut gegen die Briten, verloren aber 7 ziemlich teure Linienschiffe. Immerhin konnte das strategische Ziel, den Weizen aus den USA nach Frankreich zu bringen, erreicht werden. Wenn Sie das lesen - und in seiner geo-strategischen Bedeutung verstehen und erfassen wollen, werden Sie feststellen, daß alle Verschwörung in den Hintergrund tritt, mal abgesehen davon, daß die Briten diese Schlacht bis heute als "glorious" bezeichnen. https://en.wikipedia.org/wiki/Glorious_First_of_June

Hier ging es zu Sache, alles andere, Ihre Welt, zeitschnur, ist naiv.

Franz Bettinger

12. Oktober 2019 22:39

@zeitschnur schreibt und trifft ins Schwarze (verfranzelt):
"Welchen Sinn hat es, heute noch über die Haarspaltereien der Linken vor 50 Jahren zu debattieren?! Haben Anthony Sutton und andere nicht längst nachgewiesen, dass die gesamte linke Bewegung von denselben Geldgebern und Think Tanks gefüttert wurde (und wird) wie auch der NS und der Faschismus, und dass all die rechten und linken Bewegungen zu einem großen Experiment (ordo ab chao / divide et impera) gehören und zu dem gleichen Ziel führen sollen?!“ - Das ist richtig erkannt. Von Rechts nach Links soll gekämpft werden, auf immer und ewig, und Schwarz gegen Weiß, und Frauen gegen Männer, nur nie von Unten nach Oben (wie es nötig wäre). Die Hinterfrauen und -männer der Clique wollen im Dunkeln bleiben. Deep State liebt das Chaos und hasst die Querfront.

Cugel

13. Oktober 2019 15:01

@quarz, @sommerfeld
Die Frankfurter Purzelbaumschläger projizierten ihre eigenen, vom Abfall vom Glauben verursachten psychischen Probleme auf ihre (noch) nicht gleichermaßen entwurzelten Mitmenschen.
Das Gewand des Menschenfreundes stand ihnen dabei schlecht.
Unter ihnen ist Fromm dafür vielleicht das beste Beispiel.

Imagine

14. Oktober 2019 13:44

In der massenmedialen Darstellung sowie vom Großteil der Bevölkerung wird „rechts" mit „faschistisch" gleichgesetzt.

Auf einen pro-rechten Demonstranten kommen in der Regel zehn „anti-faschistische“ Gegen-Demonstranten.

Ist die Gleichsetzung von „rechts“ mit pro-faschistisch falsch? Oder stellen die Rechten tatsächlich eine faschistische Gefahr dar?

Benedikt Kaiser kritisiert, dass der „linke“ Faschismusbegriff das soziale Phänomen Faschismus nicht adäquat erfasse. Tatsächlich wird im linksliberalen Milieu generell fast jede Einschränkung der individuellen Freiheitsrechte durch staatliche Repression als „faschistisch“ bezeichnet.

Richtig daran ist, dass jeder Faschismus eine Diktatur darstellt, wobei noch formal eine Demokratie existieren kann und Wahlen abgehalten werden. So wie dies in Deutschland nach 1933 der Fall war.

Aber der Umkehrschluss – der häufig vorgenommen wird – ist falsch. Denn nicht jede Diktatur ist ein Faschismus. In China herrscht zwar eine Diktatur, aber es handelt sich nicht um ein faschistisches Regime. Warum nicht?

Weil zum Wesensmerkmal des Faschismus der Zivilisationsbruch und die zivilisatorische Regression gehören. Ein erreichtes zivilisatorisches Stadium mit funktionierender Demokratie sowie Rechts- und Sozialstaat und damit verbundenen Möglichkeiten der demokratischen Mitgestaltung sowie der Existenz von individuellen Freiheitsrechten und sozialen Schutzrechten erleidet eine Rückfall in quasi mittelalterliche, sozialdarwinistische. anti-liberale und anti-aufklärerische gesellschaftliche Verhältnisse.

De zivilisatorische Bruch kann sich schleichendend vollziehen, wobei die freiheitlich-demokratische Verfassung mit „Salamitaktik“ Schritt für Schritt ausgehöhlt und abgebaut wird. Dies erleben wir in der BRD seit 50 Jahren, beginnend mit den Notstandsgesetzen. Oder der Systemwechsel kann sich in kurzer Zeit vollziehen, so wie die Machtübergabe an Hitler im Jahre 1933.

Der Faschismus kann von der Mehrheit der Bevölkerung begeistert getragen werden, so wie im Nazi-Deutschland oder heute in der Türkei. Oder eine brutalen Diktatur gegen Mehrheit der Bevölkerung sein, so wie in Chile bei der Pinochet-Diktatur.

Was wollen die Rechten?

Das stellt die Frage nach der gesellschaftlichen Ordnung, welche das politisches Ziel der Rechten ist und die – nach der Machtergreifung - umgesetzt werden soll.

Diese Zielsetzung wird in der Diskussion weitgehend ausgeblendet.

So schreibt @zeitschnur am 11. Oktober 2019 10:52:
„Ich bin einigermaßen überrascht, in welch antiquierten Kategorien diese Debatte verläuft. Allerdings weist @ Monika […], mE eben doch ganz zu recht auf etwas hin, vor dem sich Teile der Rechten, dann auch flugs um eine passende, defizitäre und realitätsferne Faschismusdefinition bemüht, drücken: die Rechte brachte keine Totalitarismuskritik hervor, und das ist schwerwiegend und entlarvend. Im Prinzip neigt sie entweder selbst einer totalitären Struktur zu, oder sie wird konsequent, wie einst Ricarda Huch, offen für den Anarchismus bzw eine libertäre, frei-wachsende, aber nicht rechtsfreie Ordnung.“

Zutreffend weist Frau Zeitschnur, dass sich im rechten Spektrum sich zwei Zielsetzungen bezüglich einer neuen gesellschaftlichen Ordnung finden, nämlich eine antiliberale und autoritäre Ordnung vom faschistischen Typ sowie eine libertäre Ordnung, die in praxi eine Steigerungsform des Neoliberalismus („Anarchokapitalismus“) ist.

Beides sind anti-bürgerliche und anti-liberale Ordnungen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind. Beim faschistischen Typ ist dies evident, beim libertären Typ ist es die logische Konsequenz. Die Hayek-Anhänger sind Feinde des Sozialstaats, sie wollen den Staat weiter deregulieren. Ziel ist es, der arbeitenden Bevölkerung die sozialen Schutzrechte und den Immigranten den rechtsstaatlichen Schutz zu nehmen.

Das hat zur logischen Konsequenz einen „Failed State“ wie z.B. in Mexiko oder Brasilien. Die Schwachen sind schutzlos den Starken ausgesetzt. Es herrschen dann Oligarchen in der Art von Warlords.

Beide Zielsetzungen, die im rechten Spektrum verbreitet sind, sind Varianten des Sozialdarwinismus, und zwar eine faschistische und eine libertäre.

Beide Zielsetzungen stellen einen Zivilisationsbruch dar, weil beide gegen die freiheitlich-demokratischen Grundordnung - insbesondere gegen die individuellen Freiheitsrechte - gerichtet sind und totalitäre Konzepte darstellen.

Es ist logisch, dass zwischen linksliberalen Konzepten der Mehrheit und jenen einer kleinen rechten Minderheit eine politisch-kulturelle Inkompatibilität besteht. Deshalb wird der „Kampf gegen Rechts“ von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung getragen. Aus deren Sicht ist eine Verteidigung gegen eine rechte Machtübernahme im Sinne des Erhalts der Restbestände der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Folglich liegt ein konservatives Motiv zugrunde. Die Rechten werden als Angreifer und Bedrohung gesehen.

In den Köpfen der Rechten stellt sich dies anders dar.

Cugel

14. Oktober 2019 22:33

Der Kommunist trällert die Lobeshymne der FDGO.
Wat et nich allet jibbet...

Laurenz

15. Oktober 2019 04:29

@Imagine .... der Unterschied der heutigen linken Einheitsfront zum Stalinismus basiert darauf, daß es heute nur noch Rechtsabweichler gibt. Bei Stalin gab es auch noch Linksabweichler.
Was China angeht, so ist es nicht faschistisch, sondern nationalsozialistisch geworden, mit asiatischem Flair.
Und so ganz genau weiß man nicht, was einem lieber ist, die chinesische Gestapo oder die us amerikanische Home-Security. God shave the Queen.