Unsere Sackgasse liegt abgeschieden und abgeschirmt in einer Hallenecke, und von zehn Besuchern, die in diesen Blinddarm vorstoßen, drehen neun wieder um, sobald sie bemerken, daß es dort nicht weitergehen soll. Der eine, der bleibt, wollte hierher: zum Stand der Jungen Freiheit, zum Stand des Manuscriptum-Verlags, zu uns.
Warum ein hartes Wort, eine kompromißlose Ansage mir im Gegensatz zu dieser juristisch abgefangenen Unverschämtheit lieber wäre, wird klar, wenn ich die Aufstellung noch genauer beschreibe: Unsere Sackgasse ist die Verlängerung eines Ganges, dessen Verlauf etwa fünfzehn Meter vor unserem Stand nach rechts abbiegt, wie eine Hauptstraße, der folgend im Straßenverkehr niemand blinken würde. Geradeaus weiterzufahren, die die Sackgasse hinein, ist weder optisch noch im Strom naheliegend. Die Verkehrsführung ist eindeutig, sie wird durch einen rechts sich fortsetzenden roten Teppich signalisiert, während zu uns eine Schwelle, der Wechsel auf grauen Untergrund, überwunden werden muß.
Am Eingang der Sackgasse stehen immer mindestens vier, manchmal sechs Polizisten. Sie zu passieren, ist eine weitere Hürde, eine Ableitung unterhalb der Bewußtseinsschwelle. Wer dennoch ein paar Meter in den Gang hinein vorstößt, sieht links Beton, rechts die Rückwände der geschlossenen Antiquariatsstände, deren teures Angebot durch Besucherschleusen zusätzlich gesichert wird.
Ich war heute Morgen von neun bis halb zwölf am Stand und konnte einen einzigen Besucher begrüßen – einen 2015-Gefallenen, der mir solange sein Erweckungserlebnis aus dem Flüchtlingsherbst aufzwang, bis mich Kaiser mithilfe eines fingierten Anrufs wegrief und erlöste.
Es geht uns gut in unserer Gasse. Ich bin nicht ungern hier, denn ich erlebe Verfahrensweisen und Unverfrorenheiten, von denen ich einmal meinen Enkeln werde berichten können.
Wie war das, als wir 2017, völlig unterschätzt, mit Sieferles Finis Germania und dem genialen Mit Linken leben von Lichtmesz und Sommerfeld dieses selbstgefällige und postmodern-unernste “Mit Rechten reden” konterten? Die Herbstmesse 2017 gehörte uns, fraglos, denn nie zuvor oder danach beherrschte ein Verlag mit seinen zwölf Quadratmetern so ganz und gar die Berichterstattung über die größte Bücherschau der Welt. Wir waren umschwirrt wie eine neue, üppige Blüte, tranken am Klett-Cotta-Stand Bier und bewegten uns schwerelos durch die Gänge.
2018 dann, als die Sackgasse aufgestellt war: der Trick mit dem Loci-Verlag, diesem FAZ-Tölpel Justus Bender aufgebunden, diesen news- und zeilengeilen Schreiberlingen, die zu einem objektiven, einem darstellenden Bericht gar nicht mehr in der Lage sind, sondern alles, was sie zunächst doch nur wahrnehmen, nur beschreiben sollten, durch ihre verklebten, in Marschrichtung gebrachten Gehirne quetschen. Aber viel Post damals: Keiner, weder vom Spiegel, von der Welt, von der Zeit oder der NZZ wollte Bender dabei helfen, sich die Torte aus dem Gesicht zu kratzen.
Diese Jahr nun: Sackgasse. Das ist folgerichtig. Man kann nur einmal unterschätzt auftauchen, nur einmal ein Potemkinsches Dorf aufstellen – im Grunde das alte Gesetz der Provokation, des Coups, und insofern war die Messe nur solange unser Ort, als wir die Bedingungen diktierten und mit völlig unterlegenen Kräften wie mit dem Fallschirm abgeworfen an einen Knotenpunkt eroberten, den der Gegner nicht mehr rechtzeitig abschirmen konnte.
Verdichtungstage, symbolische Okkupation, Setzung, ein Aufleuchten – ich akzeptiere, daß diese Messe, diese Branche, dieses Verlagsgeschiebe, dieser Typ Buchhändler nicht in der Lage ist, uns zu gewähren, ausstellen, in die Auseinandersetzung geraten zu lassen wie jeden anderen.
Und ich lerne, daß weder der Messechef Boos noch sein Börsenvereinseichhörnchen Skipis in der Lage sind, harte, klare Worte zu sprechen und durchzusetzen: daß man Arschlöcher wie uns auf der Messe nicht akzeptiere und wir uns verpissen sollten. Stattdessen: schäbige, unwürdige Aufstellungen, mit einer juristischen Power im Rücken, gegen die ich sicher nicht antreten werde.
So etwas hat Tocqueville gemeint, wenn er davon sprach, daß die Methoden der Demokratie nicht so deutlich wie die anderer Herrschaftsformen seien, aber gerade dadurch viel schäbiger, schlüpfriger, irgendwie verrottet, kein Beil und keine Peitsche, sondern ein verstopftes Klo, eine Nacktschnecke.
Mein Gott, was uns an Erzählstoff vor die Füße gekippt wird!
Schopenhauer
Nur halb ironisch gemeint: Wie wärs mit einem Schilderdreher, um Aufmerksamkeit zu erzeugen?
Mit dem David hat man doch immer Sympathie. Also macht auf Euch aufmerksam