Er gehört wie Andrea Röpcke oder Stefanie Heide zu derjenigen Sorte Fotograf, die von jedem einzelnen Messestand- oder Veranstaltungsbesucher Porträtaufnahmen anfertigt, also nicht nur von denjenigen Vertretern unserer Projekte und Verlage, die man tatsächlich als Personen des öffentlichen Lebens bezeichnen kann und die deswegen zumindest ein Teilrecht am eigenen Bild an diese Öffentlichkeit abgegeben haben. Also: Kositza, Lehnert, Lichtmesz, ich, eventuell auch Sommerfeld und Kaiser, sicherlich nicht unsere Vertriebsleiterin, ganz sicher nicht studentische Hilfskräfte und Praktikanten, und schon gar nicht Besucher, die sich für unsere Bücher interessieren oder (auf der Messe und anderswo) unsere Veranstaltungen besuchen. Andreasch/Bezler stand gestern geschlagene sechs Stunden vor unserem Messestand.
Das ist der fundamentale Unterschied zwischen Fotojournalist und antifaschistischem Denunzianten: Auch ein Fotojournalist mag Zuschauer fotografieren, sogar einmal in einer Detailstudie porträtieren, wenn der Gesichtsausdruck besonders gebannt oder angewidert oder verstört wirkt – man kennt solche Bilder aus Dokumentationen von Politikerbesuchen oder Rockkonzerten, aus Fußballstadien oder eben auch Messehallen.
Kein Fotojournalist würde aber diese aus der Menge heraus Porträtierten namentlich kennzeichnen oder (wenn eine Zuordnung noch nicht möglich ist) zur Fahndung ausschreiben: Der war da, jener war schon wieder da, und wer kann von diesem und jenem den Namen ergänzen?
Genau das ist aber die Methode von Andreasch/Bezler und Konsorten. Nicht nur von mir und meinen Mitarbeitern tauchen nach jeder Veranstaltung dutzende Bilder auf Internetseiten auf, die noch nicht einmal klar den Antifa-Fotografen zugeordnet werden können. Auch die Porträts dutzender oder sogar hunderter Besucher werden auf Seiten ohne Impressum zur Schau gestellt, oft Monate nach Aufnahme und in durcheinandergemischten Zusammenhängen, damit die Herkunft des Bildes nicht mehr nachvollzogen und eventuell juristisch verfolgt werden kann. Manchmal wird sogar über den Namen des Besuchers spekuliert, werden Vergleichlinks angeboten, wird zur Ergänzung der Namensliste aufgerufen.
Fast immer fotografiert nicht nur einer, gestern war unter anderem noch “Jonas Fedders” da, und am Ende kann jeder Fotograf behaupten, daß das, was dann irgendwann im Netz auftaucht, nicht aus seiner Kamera stamme.
Diese Methoden haben einen einzigen Zweck: Interessenten an unserer Arbeit bis ins Lebensumfeld nachzusetzen, sie beim Arbeitgeber anzuschwärzen oder in ihrem privaten Bereich unter Druck zu setzen: Kontaktschuld, Interesseschuld, Lektüreschuld, mangelnde Hygiene nach rechts usf.
Bisher habe ich von seiten der Polizei stets die Antwort erhalten, daß die Aufnahme an sich noch nicht verwehrt werden dürfe, auch dann nicht, wenn es sich um Porträts einzelner Besucher handle. Erst die Veröffentlichung dieser Aufnahmen sei rechtswidrig. Daß dies stets geschehe, und zwar auf Seiten ohne Impressum, sei kein Grund, bereits gegen das Fotografieren an sich vorzugehen. (Wenn es hier juristisch andere Auffassungen geben sollte, wäre ich für einen Hinweis sehr dankbar.)
Zurück zu gestern, zu Andreasch/Bezler: Wir ließen ihn mindestens eine Stunde lang gewähren. Dann fragte ich sowohl die Ordnungskräfte als auch einen der Polizisten, ob es nicht irgendeine Verhältnismäßigkeit gebe: Wie lange darf ein Foto- oder Antifajournalist uns und unseren Besuchern mit seiner Kamera auf die Pupille starren? Wann hat er seine Arbeit erledigt? Wann schreckt das, was er tut, Interessenten ab, wo beginnt die Unhöflichkeit auch uns, den Personen des öffentlichen Lebens, gegenüber?
Die Aussagen waren wie immer deeskalierend: den Typen machen lassen, das aushalten, nach Veröffentlichung Beschwerde einlegen und so weiter. jeder wußte: Wir würden ihn nur ärgern, aber nicht vertreiben.
Ich bin der Meinung, daß es nach anderthalb Stunden, nach vierhundert Aufnahmen der Zeitpunkt gekommen sein mag, wo es einem Denunzianten ausreichen sollte, wenn er nur noch Rücken, Hinterköpfe oder Hallendecken zu fotografieren bekäme. Und so habe ich mich dann auch verhalten: bin ihm vor der Linse herumgelaufen, habe andere gebeten, ihm vor der Linse herumzulaufen, habe ihm gesagt, er solle es nun einfach gut sein lassen, habe ihm, als er sich das zehnte Mal bei der Polizei ausweinte, vorgeschlagen, ein privates Fotoshooting hinter Halle 4 abzuhalten. Und ja: Ich habe zwei Schimpfwörter in den Gang gehustet.
Dieser Typ stand dann noch einmal zweieinhalb Stunden vor unserem Stand herum. Seine Gestimmtheit muß als “reichsunmittelbar” bezeichnet werden, als irgendwie beseelt von einem direkt und von weit oben für ihn (für ihn und wenige andere) formulierten Auftrag. Ich gestehe: Das hatte etwas!
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Derweil, dies als Spiegelung, wandelte Kositza durch die Gänge und geriet in eine Lesung Jutta Ditfurths. Sie fotografierte nicht, sie rief nichts dazwischen, sie blieb nur stehen, um kurz zuzuhören, denn es ging – wunder was! – um irgendeine Gefahr von rechts. Ditfurth nun unterbrach ihre Lesung und forderte “alle Faschisten” auf, den Stand zu verlassen. Zurecht fühlte sich niemand angesprochen.
Dann forderte Ditfurth namentlich “Ellen Kositza” auf, den Stand zu verlassen. Das fand keiner komisch oder unangemessen oder so. Ein ins Zittern geratener Mann schrie sogar (um der Sache weiteren Schwung zu geben), daß man Obacht geben solle: “Die Frau von Götz Kubitschek befindet sich am Stand.”
Sie blieb nicht mehr lange dort, und dieselben Leute, die im Internet nun davon schreiben, an unserem Messestand würden “Journalisten” an der Arbeit gehindert, halten die Vertreibung Kositzas vom Ditfurth-Stand für eine angemessene Reaktion der Zivilgesellschaft.
Solche Leute sind totalitarismusfähig. Es wird Orden geben.
Ratwolf
Staat, Kirche, Schulen, Universitäten, Gewerkschaften, Medien, Kunst und Buchmessen sind Links.
Nur die Wirtschaft, welche das alles (auch die Ditfurths) am laufen halten, sind nicht links.
Die Investoren/Manager/Angestellten/Arbeiter müssen das alles über sich ergehen lassen, wenn sie mit Tränen in den Augen die nächsten Nachrichten lesen oder sehen, in dem Mitgeteilt wird, was der hiesige politisch-mediale Komplex als nächstes für eine Untat vorhat.
Wann stehen die Kapitalisten auf und formen ein Kapitalistisches Manifest, nach dem der Arbeiter seine Familie ernähren darf und sich ein kleines Eigenheim ohne diese wahnsinnigen Kosten und Auflagen bauen kann?
Auf linke Buchmessen kann der Arbeiter bei BMW gut verzichten. Und der Kunde auch.