Konstruktive Theorieschwäche

PDF der Druckfassung aus Sezession 82/Februar 2018

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Die welt­an­schau­lich imma­nen­te Theo­rie­schwä­che der Rech­ten ist eine Tat­sa­che. Man kann die Recht­fer­ti­gung die­ses Umstands auf die Fest­stel­lung beschrän­ken, daß sie nur vom Stand­punkt jener als »Schwä­che« beschrie­ben wird, die eine Schwä­che für Theo­rien haben. Muß man neben der Auf­ga­be, ein selb­stän­di­ges Leben zu füh­ren und Ver­ant­wor­tung für Beruf, Fami­lie, Nach­bar­schaft, Kir­chen­ge­mein­de,  Par­tei  und  Ver­ein zu tra­gen, die graue Dame Theo­rie pflegen?
Wer wirk­lich etwas auf­baut,  in Stand hält oder ver­bes­sert, wer vom Schick­sal (ein rech­ter Schlüs­sel- begriff!) an die Werk­bank sei­nes Lebens gestellt wird und die­ses Werk­stück tat­säch­lich in Angriff nimmt, ohne gleich  nach  Unge­rech­tig­kei­ten zu gra­ben, wird je län­ger, je mehr demü­tig unter der Last und der Dau­er des Anspruchs, wird dank­bar für die Erfah­rung, daß über­haupt etwas gelin­gen und ertrag­reich umge­setzt wer­den könne.

Vor allem aber wird er miß­trau­isch gegen­über jenen Theo­rien, die – in sich schlüs­sig gebaut – behaup­ten, es gäbe einen Weg her­aus aus der Con­di­tio huma­na, mit­hin eine Chan­ce, den Men­schen an sich zu erneu­ern oder von Grund auf ins Bes­se­re zu dre­hen, und weil es die­se Chan­ce gäbe, dür­fe man es ver­su­chen, und zwar mit aller Gewalt.

Das den Men­schen als Men­schen grund­sätz­lich Gege­be­ne darf aber eben­so­we­nig hin­ter- oder über­gan­gen wer­den wie das je Eige­ne, das dem Ein­zel­nen auf­ge­la­den wur­de. Es kann nur »geho­ben« wer­den, die­ses von der Backen­zan­ge der his­to­ri­schen und per­sön­li­chen Lage gepack­te Leben, und die­se Hebung, die­ses sich Her­aus­wüh­len auch aus schwie­ri­gen Bedin­gun­gen (oder das bereits Wei­ter­ma­chen­dür­fen auf geho­be­nem Niveau),  das Glück­ha­ben oder Zurück­ge­sto­ßen­wer­den – das ist das Leben   in sei­ner Viel­ge­stal­tig­keit. Man­ches dar­an ist nicht schön, nicht gerecht, nicht recht aus­zu­hal­ten – aber es ist, und die­ser simp­le Umstand ist die Grund­la­ge der Ach­tung der Rech­ten vor dem Leben und ihrer Tole­ranz  für man­nig­fa­che Lebens­voll­zü­ge, Unter­schie­de, Aus­for­mun­gen, Schrullen.

Denn wir kön­nen nicht hin­ter den Vor­hang schau­en, son­dern haben mit dem auf die Büh­ne gescho­be­nen Stoff unser Thea­trum auf­zu­füh­ren. Dies zu akzep­tie­ren ist alle­mal eine scho­nen­de­re und acht­sa­me­re Hal­tung als die Leug­nung der Bedingt­hei­ten und abschat­tier­ten Lebens­mög­lich­kei­ten oder der Ver­such ihrer gewalt­sa­men Anglei­chung: Bei­des näm­lich führt zu Expe­ri­men­ten am leben­den Objekt, mit grau­en­haf­ten Folgen.

Es ist einem Rech­ten dabei herz­lich egal, ob die­ses Expe­ri­ment »zum Bes­ten« einer von der Geschich­te (Klas­se), der Natur (Ras­se) oder der Real­tran­szen­denz (Indi­vi­du­um) pri­vi­le­gier­ten Mas­se durch­ge­führt wird: Immer wird die Umset­zung ein Abmes­sen der Wirk­lich­keit an der Theo­rie sein, ein Abmes­sen des Leibs am Prokrustesbett.
Beim Blick auf die­ses Schrek­kens­ge­stell, an das der Kör­per ohne Gna­de stets anpaßt wird, indem man ihn auf das ihm unan­ge­mes­se­ne Maß streckt oder kürzt, sagt dann der Rech­te sei­nen bana­len Spruch auf, mit dem er die Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit sei­ner Wider­sa­cher zur Kennt­lich­keit ent­stel­len möch­te: Wenn die Wirk­lich­keit nicht zur Theo­rie paßt – um so schlim­mer für die Wirklichkeit.

Er hat recht, der Rech­te, mit die­sem sar­kas­ti­schen Spruch, aber nur dann, wenn er ihn als Aus­druck sei­nes Miß­trau­ens gegen Uto­pien ver­wen­det und nicht als Aus­re­de für sei­ne Denk- und Lese­faul­heit miß­braucht. Denn gemünzt auf Letz­te­res wiegt das Urteil schwer, das der Rene­gat Gün­ter Maschke im Gespräch über sei­ne neu­en rech­ten Gefähr­ten fäll­te: Die Rech­ten läsen nicht, und wenn sie läsen, dann nicht sys­te­ma­tisch und vor allem kei­ne Theorie.

Einer, der aus der Hin­wen­dung zum Kon­kre­ten sogar das Merk­mal einer rech­ten Ten­denz­wen­de destil­lier­te, war Armin Moh­ler, der den Ansatz ver­folg­te, die Welt ohne Zuhil­fe­nah­me einer (wie er sich ausdrückte)

»All-Gemein­heit« zu ver­ste­hen, dabei akzep­tie­rend, daß die Welt nur in Erklä­rungs­mo­del­len »auf­ge­he«, theo­re­tisch ver­ge­wal­tigt sozu­sa­gen, nie aber in der Wirk­lich­keit. Die Beur­tei­lung die­ser Hal­tung durch den ge- lern­ten Mar­xis­ten Maschke ist gerecht: Der  nomi­na­lis­ti­sche  fai­ble  für  das Beson­de­re sei zugleich Moh­lers Stär­ke und Schwä­che gewe­sen. In der Tat. Wer Moh­ler noch ken­nen­ler­nen durf­te, mag sei­nen Stil so cha­rak­te­ri­sie­ren: sich ver­zet­telnd Gran­dio­ses auf­spie­ßend. Maschke selbst nun ver­sucht bei­des zusam­men­zu­bin­den, in einer nicht zufäl­li­gen Rei­hen­fol­ge von Links nach Rechts wan­dernd, und er sagt über sich selbst: »Mich inter­es­siert die Situa­ti­on, die kon­kre­te Lage, der kon­flikt­i­ve Moment. Mei­net­we­gen: Poin­til­lis­mus. In der Male­rei ergab das immer­hin ein voll­stän­di­ges Bild.«

Es meh­ren sich in der jun­gen, man könn­te auch sagen »neu­es­ten« Rech­ten Stim­men, die den Poin­til­lis­mus Maschkes oder den Nomi­na­lis­mus Moh­lers für eine Form der Mut­lo­sig­keit hal­ten, für Scheu vor der Not­wen­dig­keit, die gro­ßen Fra­gen anzu­ge­hen – jüngst nament­lich den Kapi­ta­lis­mus, dem ein rech­ter Anti­ka­pi­ta­lis­mus ent­ge­gen­zu­stel­len sei, auf­ge­la­den mit bei den Lin­ken geka­per­ten Theo­rie­bau­stei­nen und Vor­den­kern samt deren Jar­gon. Da ist vom Neo­li­be­ra­lis­mus die Rede, vom Finanz­ka­pi­ta­lis­mus, von abso­lu­ter und rela­ti­ver Armut, von anti­kom­mu­nis­ti­scher Bour­geoi­se und den Pro­duk­ti­ons­mit­teln, die ihrer Ent­eig­nung und Ver­staat­li­chung harr­ten, damit die Aus­beu­tung derer, die nur ihre Arbeits­kraft und ‑zeit anzu­bie­ten hät­ten, been­det würde.

Es kam, soviel aus dem Näh­käst­chen, über die­se Fra­gen bereits zu hef­ti­gen inter­nen Debat­ten, zu Aus­ein­an­der­set­zun­gen dar­über, ob es der Kapi­ta­lis­mus an sich sei, gegen den man einen Ent­wurf zu stel­len habe, weil er als Denk- und Ver­hal­tens­mus­ter immer ent­ar­ten, frei­dre­hen und das Schlech­tes­te nach außen keh­ren müs­se. In die­sem Zusam­men­hang fie­len und fal­len Begrif­fe wie »Klas­sen­kom­pro­miß«, »Ordo­li­be­ra­lis­mus« und »Sozia­le Markt­wirt­schaft« – aus rech­ter Sicht Bei­spie­le für aus­ta­rie­ren­de, die Aus­wüch­se des »Frei­dre­hens« ein­he­gen­de kon­ser­va­ti­ve Kon­zep­te, die wie­der­um von der neu­es­ten Rech­ten als Sym­ptom­be­kämp­fun- gen und Bemän­te­lun­gen einer grund­le­gen­den Fehl­stel­lung abge­tan und belä­chelt werden.

Die­ses Belä­chelt­wer­den ist nun etwas, das die Rech­ten gera­de in Staats- und Wirt­schafts­fra­gen von Sei­ten einer ande­ren uto­pis­ti­schen und in ihre Theo­rie ver­narr­ten ideo­lo­gi­schen Grup­pe zur Genü­ge kennt: Die Liber­tä­ren, in Deutsch­land wohl rest­los ver­sam­melt um André Licht­schlags Maga­zin eigen­tüm­lich frei, reagie­ren wie von der Taran­tel gesto­chen, wo immer jemand sozia­le und ande­re Fra­gen vom Staat her denkt. Es gibt in Sachen Staat für ech­te Liber­tä­re kei­ne Kom­pro­mis­se: Sei­ne Abschaf­fung ist das End­ziel aller liber­tä­ren Anstren­gun­gen, und alles, was aus rech­ter Sicht an hegen­der, erzie­he­ri­scher, aus­rich­ten­der Kraft vom Staa­te her gedacht wird (und in der Wirk­lich­keit erprobt ist), kön­nen aus liber­tä­rer Sicht der anar­cho­ka­pi­ta­lis­ti­sche Markt und die Ver­trags­frei­heit und ‑fähig­keit des Ichs weit  effek­ti­ver und besser.

Daß die­ses Kon­zept aus guten Grün­den bis­her nur in ein paar Gated Com­mu­ni­ties unter sehr rei­chen oder sehr glei­chen Leu­ten funk­tio­nier­te, daß es am Reiß­brett, auf Bohr­in­sel­grö­ße oder im Nie­mands­land der US-ame­ri­ka­ni­schen Ort­lo­sig­keit als Gene­ra­tio­nen­pro­jekt durch­ge­hen mag, nie­mals aber in orga­nisch und dicht besie­del­ten Flä­chen­staa­ten – das inter­es­siert kei­nen eigen­tüm­lich frei­en Geist. Viel­leicht soll­te man ihm die­sel­be Fra­ge stel­len, die man den Nach­fol­gern Lenins, Luxem­burgs und Mar­xens die­ser Welt seit jeher stellt: Woher kommt eigent­lich immer wie­der der ein­di­men­sio­na­le Wunsch, ein Ende der Geschich­te her­zu­stel­len, obwohl uns eben­die­se Geschich­te lehrt, daß sie nur der tot­ge­schla­ge­ne Mensch nicht mehr fort­schrei­ben wird?

Kurz: Liber­tä­re Häme bis zur Unter­stel­lung ern­tet, wer den Wett­be­werb aus Berei­chen fern­hal­ten will, in denen er nichts ver­lo­ren hat, und anti­ka­pi­ta­lis­ti­sche Häme ern­tet, wer am Leis­tungs­prin­zip und an der Unge­rech­tig­keit der Güter­ver­tei­lung als einem die Lebens­kräf­te erst in Schwung brin­gen­den Antriebs­ge­fäl­le fest­hält. Häme von bei­den Sei­ten – »der Rech­te in der Rich­te: ein Außen­sei­ter.« (Botho Strauß)

Es gab ein­mal einen rech­ten Ent­wurf, der an einen der uto­pis­ti­schen post­his­to­ri­schen Ent­wü­fe erin­nert, wenn man ihn durch die theo­re­ti­sche Bril­le stu­diert. Aber ist Ernst Jün­gers Der Arbei­ter. Herr­schaft  und Gestalt wirk­lich eine Theo­rie? Man hat die­ses Werk nicht ohne Grund als Theo­rie-Poe­sie bezeich­net, eine im bes­ten Sin­ne ambi­va­len­te Wort-Neu­schöp­fung und des­halb in sich bereits wie­der eben­so rechts wie »Kon­ser­va­ti­ve Revo­lu­ti­on« oder »orga­ni­sche Kon­struk­ti­on«. Denn rech­tes Spre­chen und Nach­den­ken ist stets ambi­va­lent und folgt sprach­lich jener Unschär­fe-Rela­ti­on, die lehrt, daß man immer nur ent­we­der den Moment fixie­ren oder den Schwung der Bewe­gung nach­zeich­nen kann, und daß bei­de Aspek­te für sich genom­men nie die gan­ze Gestalt umreißen.

Umriß, Gestalt, mehr ein Erah­nen, als ein erschöp­fen­des Beschrei­ben, Beschrif­ten, Fixie­ren – »Das Genaue ist das Fal­sche. Es läßt den Hof, den Nim­bus nicht zu. Unse­re Lebens­sphä­re ist das Vage, das Unge­fäh­re«, schreibt Botho Strauß. Eure Sphä­re ist das Gerau­ne, sagen die Geg­ner, oder: Eure Sphä­re ist in der Tat die Poe­sie, und als sol­che der Schwä­che­an­fall vor der kon­se­quen­ten Begriffs­ar­beit und ihren poli­ti­schen Ablei­tun­gen. Man könn­te nun ein­mal die von Jün­ger umris­se­nen Stu­fen zu jener »Arbeits- und Staats­de­mo­kra­tie« beschrei­ben, auf die hin­ar­bei­tend der neue Typ,  den er vor­stellt, alle Kräf­te und Mit­tel mobil zu machen hät­te.  Es ist da von »voll­ende­ter Plan­land­schaft« und »Arbeits­plä­nen« die Rede, von den bereits erwähn­ten »Orga­ni­schen Kon­struk­tio­nen«, in wel­chen »der Mensch in hoher Ein­heit mit sei­nen Mit­teln erscheint« und »die Span­nung zwi­schen Natur und Zivi­li­sa­ti­on, zwi­schen orga­ni­scher und mecha­ni­scher Welt« auf­ge­löst sei.

Auch inwie­fern das, was Jün­ger beschreibt, in Gän­ze oder zum Teil ein­ge­tre­ten ist, mag ein­mal ver­han­delt wer­den. Für dies­mal aber ist nur die Hal­tung des Ein­zel­nen zum Anspruch der Arbeit als einem Teil sei­ner Per­sön­lich­keit von Bedeu­tung, und dies wird deut­lich an den Ant­wor­ten auf die Fra­ge nach dem Begriff der »Aus­beu­tung«. Näh­käst­chen: Neu­lich erst, im Rah­men der Win­ter­aka­de­mie des Insti­tuts für Staats­po­li­tik, ging es im Ver­lauf eines inten­si­ven Gesprächs um die Zie­le, die ein zeit­ge­mä­ßer rech­ter Anti­ka­pi­ta­lis­mus in Deutsch­land sich set­zen könne.

In Anschlag gebracht wur­den For­men »aus­beu­ten­der« Arbeits­ver­hält­nis­se, und auf die Ein­las­sung, daß von »Aus­beu­tung« kei­ne Rede sein kön­ne, wenn der Lohn selbst für Luxus­gü­ter hin­rei­che, folg­te eine prä­zi­sie­ren­de Defi­ni­ti­on: Aus­beu­tung sei dann eine, wenn von dem Mehr­wert, den der Ange­stell­te erwirt­schaf­te, ein erkleck­li­cher Anteil an jene Inves­to­ren gehe, die über Erb­schaft oder auf ande­rem Wege die Pro­duk­ti­ons­mit­tel des Betriebs in die Hand bekom­men hät­ten und dar­aus einen Anspruch auf eine Ren­di­te ohne Arbeits­ge­gen­leis­tung ablei­te­ten. Kurz­um: Der Werk­tä­ti­ge finan­zie­re im Grun­de nicht nur den um ein Zig­fa­ches bes­ser bezahl­ten Kon­zern­ma­na­ger, son­dern dar­über hin­aus jene, die nicht ein­mal mehr etwas manag­ten, son­dern nur noch »ihr Kapi­tal für sich wirt­schaf­ten ließen«.

Das mag nun nicht beson­ders gerecht sein, aber »Gerech­tig­keit« ist – mit dem Ton des Jün­ger­schen Arbei­ters unter­legt – kein Kri­te­ri­um. Denn weder der Mana­ger, noch der raf­fen­de Ren­di­te­pri­va­tier kön­nen Grö­ßen von Bedeu­tung sein für den­je­ni­gen, der in der »Arbeit« einen respek­ta­blen Teil sei­ner Welt­for­mungs­fä­hig­keit erkennt. »Du sollst der Ren­di­te kei­ne Macht ein­räu­men über dei­ne Gedan­ken«, möch­te man – Hans Cas­torp im Zau­ber­berg abwan­delnd – aus­ru­fen, oder auch: »der Frei­zeit« oder »dem Anspruch auf eine 35-Stunden-Woche«.

Denn alles Resen­ti­ment führt nicht dazu, die berühm­te Ent­frem­dung des Arbei­ters von sei­nem Werk­stück aus­zu­he­beln. Es ver­stärkt sie viel­mehr, denn die Arbeit kommt dadurch gera­de­zu domi­nant als etwas Auf­ge­zwäng­tes und Be- drän­gen­des zur Gel­tung, das immer stär­ker ein­ge­kürzt, zurück­ge­drückt und aus dem Leben ver­bannt wer­den sollte.

Mag sein, dies ist der Ver­blen­dungs­zu­sam­men­hang des Selb­stän­di­gen: Aber wer möch­te schon tau­schen mit Leu­ten, die mit vier­zig bereits das Leben von Rent­nern füh­ren und unter der Son­ne Tene­rif­fas oder ande­rer span­nungs­lo­ser Orte die Geräu­sche der Selbst­kom­pos­tie­rung wahr­zu­neh­men begin­nen. Wie anders ein Tag, der eine Auf­ga­be stellt und bereits aus die­sem Grund vom Leben kei­ne wei­te­re Recht­fer­ti­gung verlangt.

Arbei­ten, etwas in Ord­nung brin­gen, eine Sache gründ­lich erle­di­gen, so  gut wie mög­lich, wis­send, daß dar­in immer etwas von dem zurück­bleibt, was man hin­ein­ge­legt hat, und das alles als »Aus­ge­beu­te­ter« oder als »Selbst­aus­beu­ter«, der Begriff dafür hemmt die Arbeits­lust nicht – kon­struk­ti­ve Theo­rie­schwä­che möch­te man sagen.

Gün­ther Anders hat sie in ein Bild gefaßt: »Kei­nem pflü­gen­den Bau­ern ist es jemals ein­ge­fal­len, daß er durch das Pflü­gen Zeit ver­lie­re, weil er etwas Mono­to­nes tut, etwas,  was er schon ges­tern eben­so getan hat und mor­gen eben­so tun wird; oder gar des­halb, weil er, wenn er Fei­er­abend macht, kei­nen neu­en Gedan­ken oder Erleb­nis­er­trag heim­bringt; oder schließ­lich gar des­halb, weil er sich in den Stun­den sei­ner Arbeit über­haupt nicht selbst­ver­wirk­licht hat. Da lachen die Hüh­ner. Nichts der­glei­chen alte­riert ihn. Und mit Recht nicht.« Dem­ge­gen­über die Opfer­mie­nen, in die sich das Aus­beu­tungs­nar­ra­tiv als Grund­aus­druck des Lebens ein­ge­gra­ben hat!

Zuletzt etwas aus einer Mail, denn der Dia­log über die­se The­men spinnt sich in der Leser­schaft fort:

Unab­hän­gig von mei­ner oben nur ganz kurz ange­deu­te­ten Wirt­schafts­ge­sin­nung bin ich auf dem poli­ti­schen Fel­de  der  Mei­nung,  daß die Rech­te nur wei­ter kommt, und damit mei­ne ich nicht in der Theo­rie­ar­beit, wenn sie sich brei­te­re Schich­ten erschließt, wenn sie sich auf der Wirt­schafs­sei­te ver­meint­lich lin­ker Posi­tio­nen annimmt. wenn zumin­dest in Mit­tel­deutsch­land bis auf die puber­tä­ren Anti­fan­ten und Alt­kom­mu­nis­ten fast die gesam­te Wäh­ler­schaft der Lin­ken ein­ge­sam­melt wird.

Pro­ble­ma­tisch an Wohl­fahrt,  Gewerk­schaft  und  »Umver­tei­lung« sind doch letzt­lich nur das Aus­maß und die Leu­te an den Schalt­stel­len und (jetzt kommt der gro­ße Unter­schied zur Lin­ken) der Kreis  der Bezugs­be­rech­tig­ten, also die Defi­ni­ti­on der Soli­dar­ge­mein­schaft. Wenn die­se aus der Geschich­te und der Natur erwächst, ist sie doch unstrit­tig eine wun­der­ba­re Sache. Pro­ble­ma­tisch wird es doch nur, wenn eine sol­che künst­lich geschaf­fen wer­den soll.

Per­sön­lich emp­fin­de ich das Kor­po­ra­tis­ti­sche, das Genos­sen­schaft­li­che auch als die mir gemä­ße, die deut­sche Aus­prä­gung des Wirt­schaf­tens. Wir dür­fen nicht ver­ges­sen, was der angel­säch­si­sche Ansatz immer zer­schla­gen woll­te und was von unse­rer Sei­te aus ver­mut­lich noch immer die ein­zig real exis­tie­ren­de Alter­na­ti­ve zum alles­ver­schlin­gen­den Jetzt ist.

Zu guter Letzt möch­te ich noch anmer­ken, daß die Fixie­rung auf die Wirt­schaft viel­leicht die Ursa­che allen Übels über­haupt ist. Die Wirt­schaft soll die­nen. Sie ist kein Selbst­zweck. Sie ist für mich kein deut­sches »Din­ge um ihrer selbst wil­len tun«.

Dem ist nicht viel hin­zu­zu­fü­gen, allen­falls etwas von dem, was einer in  der bereits erwähn­ten Aka­de­mie-Run­de zum The­ma noch bei­trug. Es schlägt in die­sel­be Ker­be: Man sol­le den Feh­ler nicht wie­der­ho­len, der die Lin­ke schon am Leben vor­bei­theo­re­ti­sie­ren ließ: Zwi­schen Aus­beu­te­rei und Klas­sen­kampf, Lohn und Ren­di­te, Groß­ent­wurf und Läh­mung lie­ge  ein wei­tes Feld, ein Brach­feld (Kul­tur, Geist, Lek­tü­re, Erzie­hung, Fami­lie, Freund­schaft), das zu bestel­len kei­nem genom­men sei, zumal nicht in einer mate­ri­ell so über­flie­ßen­den Epo­che wie der unse­ren. Aber es bewahr­hei­te sich wohl, was wie­der­um Gün­ther Anders ein­mal äußer­te: »Über­fluß ist die Mut­ter der Phantasielosigkeit«.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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