Es gibt auch eine verbreitete Neigung, Faulheit und Konservatismus zu verwechseln, oder fehlende Anstrengungsbereitschaft weltanschaulich aufzuhübschen.
Was heißt das? Jede Annahme, daß es einen bestimmten anthropologischen Typus des Konservativen gibt, entweder (als Ausnahme) unter Jung-Verspießerten oder (als Regel) unter gereiften Persönlichkeiten, geht an der Sache vorbei. Auch der oft zitierte Satz „Wer mit zwanzig kein Sozialist ist, hat kein Herz, wer es mit dreißig noch ist, hat keinen Verstand“, führt in die Irre. Es ist zwar richtig, daß das Ruhebedürfnis mit dem Alter zunimmt, auch der Realitätssinn, aber Garantien gibt es dafür nicht. Die Achtundsechziger sind heute zwar betagt, aber nicht weise, und Konservatismus ist selbstverständlich etwas anderes als Routine oder der Verfall von Lebenskraft. Insofern es dem Konservativen darum geht, etwas Lebendiges – seine Kultur, seine Nation, seine Religion, seine Familie – zu erhalten, kann er sich das Nachlassen nicht erlauben.