Wenn von »Wirtschaft« die Rede ist, geht es meist um die Global Player, insbesondere die Firmen, die mit ihren Produkten den Zeitgeist prägen: Apple, Google, Amazon. Oder es geht um Krypto-Währungen, mit denen man spekulieren, aber kein Brot kaufen kann. Beides steht sinnbildlich für einen Prozeß, der vor 250 Jahren mit der Industrialisierung begann und der vor 25 Jahren mit dem Internet einen neuen Höhepunkt erreicht hat: die Auflösung des Zusammenhangs von Arbeit und Handwerk.
Was den Menschen von Beginn an geprägt hatte, daß er mit seiner eigenen Hände Arbeit etwas produzierte, ist für die meisten Zeitgenossen eine Vorstellung, zu der ihnen kein konkretes Bild einfällt. Die Mehrheit der Menschen sitzt am Schreibtisch und schaut auf Bildschirme, unseren Bedarf an Lebensmitteln decken wir im Supermarkt und der Rest kommt aus dem Internet, Dinge, die am anderen Ende der Welt zusammengeschraubt wurden. Die maximale handwerkliche Herausforderung besteht im Aufbau von Ikea-Möbeln.
Die Welt des Handwerks, in der in früheren Zeiten jedes Brot, jede Wurst, jeder Stuhl, jedes Haus entstand, gibt es aber immer noch. Man muß nur etwas länger suchen. Auf diese Suche haben sich einige Enthusiasten im Oderbruch, im Osten Brandenburgs, gemacht. Sie haben mit den Handwerkern über deren Leben und Erfahrungen geredet.
Entstanden sind auf diese Weise 31 Protokolle, die einen Einblick in das jeweilige Handwerk und die persönliche Lebensgeschichte gewähren und unter dem schlichten Titel Handwerk (Oderaue: Aufland Verlag 2016, 15 Euro, über auflandverlag.de) erschienen sind. Illustriert ist das Buch mit einer Bildstrecke des selbst im Oderbruch lebenden Photographen Ingar Krauss, aus der wir einige Beispiele präsentieren.
Die Spannbreite der Handwerke reicht dabei vom täglichen Bedarf (Bäcker und Fleischer) über die Gewerke, die unseren Komfort aufrechterhalten (Installateure und KfZ-Mechaniker) bis hin zu den seltenen Berufen, die nur noch von Liebhabern in Anspruch genommen werden (Korbflechter und Hufschmiede). Dazwischen tummeln sich zahlreiche Handwerksmeister, die rund um den Hausbau tätig sind.
Wenn man die Gespräche aus dem Buch auf ein Fazit bringen will, so lautet es: Handwerk ist anstrengend und macht nicht reich, aber Unzufriedenheit, wie sie den Angestellten kennzeichnet, wird man dort nicht finden. Die Leute sind zufrieden, weil der Sinn ihres Tuns keinerlei Rechtfertigung bedarf.
Den Bildband Handwerk kann man hier bestellen.