Die 21

PDF der Druckfassung aus Sezession 83/ April 2018

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Was man kaum für mög­lich hielt – jeden Tag läßt es sich beob­ach­ten: Die Sche­re öff­net sich immer wei­ter zwi­schen denen, die das nor­ma­le Leben ken­nen und leben, und sol­chen, die unbe­irrt als schreck­li­che Kin­der der Neu­zeit ihre ver­rück­te Agen­da durch­zie­hen. Wir erle­ben die Auf­sprei­zung  der  »Gesell­schaft«  (hier  ist  die­ses Unwort aus­nahms­wei­se ein­mal am Platz) auf einen Abstand außer­halb der Ruf­wei­te. Die längst gestör­te Ver­stän­di­gung ist abge­bro­chen, und es faseln die »Spre­cher« der ande­ren, der noch regie­ren­den Sei­te irgend etwas zusam­men, um dem eige­nen Trei­ben noch einen Hauch von Sat­tel­fes­tig­keit, eine Ahnung von begriff­li­cher Faß­bar­keit zu verleihen.

In Kan­del ste­hen 5000 Teil­neh­mer des Mar­sches für die Sicher­heit unse­rer  Frau­en,  Schwes­tern,  Töch­ter gegen ein »brei­tes Bünd­nis«, das nur noch einen Bruch­teil der empör­ten Mas­se auf­zu­bie­ten in der Lage ist.  Regie­rungs­ver­tre­ter  und  selbst­er­nann­te Schma­rot­zer der »Zivil­ge­sell­schaft« begrei­fen eines nicht mehr: daß immer mehr Deut­sche ihr Dorf, ihren Stadt­teil, ihr Leben, ihre home­zo­ne an den Fuß des Vesuvs ver­setzt wäh­nen, nicht wis­send, wann das »Ver­häng­nis« glut­heiß wie Vul­kan­asche auf uns her­ab­reg­nen wird. Tag für Tag ins Geschirr sich stem­men für einen von Par­tei­ap­pa­ra­ten erbeu­te­ten Staat, der uns das ein­zi­ge nicht mehr gewährt, wofür wir ihm ger­ne gehorch­ten: Sicherheit?

Und nun wei­te­re vier Jah­re unter einem Regie­rungs­bünd­nis aus Nie­der­la­ge und Unter­gang aus­har­ren, vier Jah­re, in denen das gro­ße Expe­ri­ment unter Ein­be­rech­nung von Schä­den, Zer­stö­run­gen, Ver­wer­fun­gen und Leid wei­ter­ge­führt wird – unter dem Zuge­ständ­nis selbst sei­ner Betrei­ber, daß ganz und gar nicht gewiß sei, ob am Ende ein fei­nes Werk­stück oder ein Kampf in Rui­nen dabei herauskommt?

Selbst sol­che, die qua Amtes an Rui­nen und Abbrü­chen kei­ner­lei Inter­es­se haben kön­nen, betei­li­gen sich an der Zer­stö­rung der Sub­stanz. Es hält bei­spiels­wei­se der Köl­ner Kar­di­nal Woel­ki die Hand über sei­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­di­rek­tor, der in einem Anfall von pom­pa­dour­schem Humor den Tsche­chen die Sach­sen im Tausch gegen deren Atom­müll anbot. Man möch­te bei­de Her­ren ihrem eige­nen Expe­ri­ment zum Opfer fal­len sehen, möch­te ihrer Heim­su­chung bei­woh­nen (oder wenigs­tens der Sze­ne, in der sie aus einem der gro­ßen deut- schen Bau­ten geprü­gelt wer­den: aus dem Köl­ner Dom die Trep­pen hin­un­ter bis auf die berüch­tig­te Platte).

»Hilf Herr, wir ver­der­ben – da ist nie­mand, der uns schützt und dem wir trau­en kön­nen, außer Dir allein«, heißt es abseits sol­cher (mei­ner) Haß­bil­der in einem »Gebet um Erret­tung des deut­schen  Vol­kes«,  das  von  einer  Mönchs­ge­mein­schaft  gespro­chen  wird.  (Von die­sen  Män­nern  wäre  viel  zu  erzäh­len, ich bin ger­ne bereit dazu.) Es sind sol­che Orte, an denen der Schirm  über  der  abend­län­di­schen Chris­ten­heit auf­ge­spannt bleibt und ein Erbe ver­tei­digt wird, das unver­han­del­bar ist.

Auch   ein   Buch,   ein   stif­ten­des Buch, kann ein sol­cher Ort sein. Dem  Schrift­stel­ler  Mar­tin  Mose­bach ist mit sei­ner Arbeit über die an der  liby­ischen  Küs­te  ent­haup­te­ten kop­ti­schen Chris­ten eine sol­che Stif­tung gelun­gen: Die 21 heißt sein Werk (jüngst erschie­nen bei Rowohlt, Ham­burg), es ist eine Demü­ti­gung für den Wes­ten im all­ge­mei­nen und für unse­ren Wider­stand im beson­de­ren. Denn man kann es als eine ein­zi­ge, gro­ße Fra­ge lesen: Wäh­rend es für die 21 kop­ti­schen Män­ner (ein­fa­che  Leu­te,  unin­tel­lek­tu­ell  tief­gläu­big)  kei­ne Fra­ge war, daß es nun für den Glau­ben und in der Nach­fol­ge Chris­ti das Mar­ty­ri­um zu durch­lei­den gel­te, hät­te wohl kaum ein Deut­scher die (eher  gerin­ge)  Chan­ce  aus­ge­schla­gen,  durch Kon­ver­si­on  zum  Islam  (also:  Glau­bens­ver­rat) das eige­ne Leben (das irdi­sche Leben) zu ver­län­gern (und das ewi­ge damit wohl zu verspielen).

Bevor  sich  jemand  (ich  ein­ge­schlos­sen) glau­ben­s­eif­rig  in  die  Brust  wirft:  Lip­pen­be­kennt­nis­se sind wohl­feil, gewo­gen wird in Lagen  wie  sol­chen  am  liby­schen  Strand.  Aber den­noch: Auf wel­chen uner­schüt­ter­ba­ren Säu­len ruht denn unser Eige­nes, Eigent­li­ches? Auf dem säku­la­ren Staat? Auf dem Mythos unse­res Weges durch die Geschich­te? Auf dem, was wir »dar­aus« gelernt haben? Wie auch immer: Die­se Säu­le (ein ver­ti­ka­les Gebil­de!) wäre das, was wir ver­tei­di­gen müß­ten, gin­ge es uns tat­säch­lich um die »Erret­tung des deut­schen Vol­kes«. Und zuvor müß­ten wir sie wie­der auf­rich­ten, die­se Vertikale.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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