Nachdem eine Aufsatzfolge von Autoren mit linkem Selbstverständnis in der westdeutschen Politik- und Kulturzeitschrift Der Monat Anfang der 1960er die Frage ausgelotet hatte, was zu jener Zeit eigentlich inhaltlich mit der Verortung »links« gemeint sei, eröffnete im Aprilheft Nr. 163 Armin Mohler mit dem Essay »Konservativ 1962« die anschließende publizistische Debatte zum Thema »Was ist heute eigentlich konservativ?«. An Mohlers Text schlossen sich in den Folgeheften Stellungnahmen verschiedener Vertreter eines sehr unterschiedlich ausgelegten Konservatismus aus Politik, Medien und Publizistik an, von Dietrich Schwarzkopf (Deutschlandfunk), Golo Mann und dem CDU-Bundesminister Hans-Joachim von Merkatz über Caspar von Schrenck-Notzing, Klaus Harpprecht (ZDF- Amerikakorrespondent) und den CDU-Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier bis hin zum liberal-demokratischen Schweizer Nationalrat Peter Dürrenmatt und dem ehemaligen inoffiziellen Anführer des konservativ- revolutionären Tat-Kreises, Hans Zehrer. Die Meinungen gingen dabei weit auseinander und reichten von einer Kritik an Moralpolitik (Mohler) über die Betonung des Primats der Freiheit (Schwarzkopf) bis hin zu einem geschichtlich tradierten Ethos des Dienens (Gerstenmaier).
In Ausgabe 168 wurden dann im September drei Leserbriefe zur Debatte abgedruckt, darunter – mit Abstand der längste Text – ein regelrechter eigenständiger Meinungsbeitrag, der nicht bei der begrifflichen Erörterung mittun wollte, sondern sie mit Blick auf eine junge, zweifelnd-widerständige »neue Rechte« der »skeptischen Generation« rundheraus für abgehoben und unsinnig erklärte: »Sehr geehrte Redaktion! Man kann nicht mit einem Wort herumhuren, ohne es zu schwächen. Je mehr man um den ›Konservatismus‹ herumdiskutiert, um so mehr nimmt er ab.«
Wenig kompromißbereite Worte – und in der Tat zeichnete den Verfasser, einen 24jährigen, kurz vor seinem Examen stehenden Studenten der Universität Erlangen namens Robert Hepp, der »noch schärfer formulierte als Mohler« (Karlheinz Weißmann), bereits damals ein Hang zur unbedingten Zuspitzung bei bemerkenswerter Unbekümmertheit um die Befindlichkeiten seiner Leser aus.
Geboren am 19. Februar 1938 im oberschwäbischen Langenenslingen, war Hepps junges Leben zur Zeit dieses Abdrucks bereits mehr als bewegt gewesen. Am 21. Juli 1944 war sein Vater wegen Äußerungen zum Stauffenberg-Attentat in Gestapohaft gekommen. Nach dem Abitur im März 1957 hatte Hepp sich an der Universität Tübingen zum Geschichts- und Philosophiestudium eingeschrieben. Das Wintersemester 1958/59 verbrachte er an der Pariser Sorbonne und fand dort Zugang zum damals als Frankreichkorrespondent der deutschen ZEIT und der Schweizer Tat ortsansässigen Armin Mohler, dessen 1950 erschienene »Anregung der ›kreativen Phantasie‹ der Bundesrepublikaner« interessierte Mohler war es, der ihn im Rahmen langer Gespräche in seinem Häuschen in Bourg-la-Reine in »Kreis« und Werk des verfemten Carl Schmitt samt dessen realistischen Zugriffs auf die Lage sowie in »völkerpsychologische« Themen einführte. Diese Prägung sollte sich entscheidend auf den Lebensweg des jungen Robert Hepp auswirken: Nach eigenem sarkastischen Bekunden wäre er ansonsten »vermutlich Vikar in Savoyen geworden.«
Nach Semesterende wieder in die Bundesrepublik zurückgekehrt, machte Hepp gemeinsam mit seinem Bruder als Professorenschreck von sich reden. Sie gründeten 1959, inspiriert durch Mohlers Kontakte zur anarchischen französischen Künstlergruppe der Lettristen, die für westdeutsche Verhältnisse geradezu unverschämt aktionistische Studentengruppe »Katholische Front« (später: »Konservative Front«). Sit-ins und Go-ins: Die Heppsche »Front« machte vor, was viel später die APO nur noch übernehmen mußte – eine bis heute bittere und eifrig ausgeblendete Tatsache für sogenannte Experten, die der Rechten so gerne vorwerfen, offensive Aktionsformen lediglich vom antiautoritär-marxistischen 1968er-»Vorbild« abgeschaut zu haben.
Der jüngere Hepp jedenfalls wurde aufgrund der provokanten »Front«-Aktionen unter anderem vom späteren Rektor der Universität Tübingen, Theodor Eschenburg, des Seminars verwiesen und wechselte Anfang der 1960er an die Universität Erlangen. Dort zog unter anderem der Politologe Waldemar Besson den Heppschen Hohn auf sich. Der Journalist und damalige Augenzeuge Günther Deschner erinnert sich an folgendes: »Die Hepps machten sich damals ein Vergnügen daraus, ihre wissenschaftliche und argumentative Überlegenheit […] exerziermäßig vorzuführen und den beiden typischen Repräsentanten der BRD-Politologie so lange und stets demonstrativ-peinlich den Teppich unter den Füßen wegzuziehen, bis sie von Besson in einer Art Notwehrakt aus dem Seminar geworfen wurden. Besson entblödete sich damals nicht, als letztes ›Argument‹ gegen die ›infernalischen Brüder‹ das Verdikt zu schleudern: ›Für Faschisten ist an dieser Universität kein Platz!‹«
Mit dieser Haltung hilfloser Ablehnung stand Besson jedoch allein, und Robert Hepp fand im Erlanger Ordinarius für Religions- und Geistesgeschichte Hans-Joachim Schoeps, einem nationalkonservativen »preußischen Juden« und ehemaligen Anhänger der Konservativen Revolution, einen wohlwollenden akademischen Lehrer, der seine an Carl Schmitts polemisch-analytischer Studie Politische Theologie orientierte Dissertation über den »Weltkrieg als Religionskrieg« vor dem Hintergrund der sogenannten »Ideen von 1914« und dem Kriegsende 1918 betreute (die, nebenbei bemerkt, denkwürdigerweise niemals offiziell publiziert wurde und auch archivalisch bis heute lediglich als Teilabdruck der beiden Kapitel des Hauptteils »mit Genehmigung der Fakultät« vorliegt). Die in den Anmerkungen zum Briefwechsel zwischen Carl Schmitt und Hans-Dietrich Sander – wie Hepp selbst ein von Schoeps promovierter »Haltungs- Schmittianer« (Dirk van Laak) – vom maßgeblichen Schmitt-Exegeten Günter Maschke kolportierte Anekdote, Hepp habe sich »schlagfertig und kaltschnäuzig« »im Rigorosum auf eine unangenehme Frage mit einem gerade erschienenen Buch herausgeredet, das er in diesem Moment erfand«, wird indes von Hepp selbst dementiert.
In die Anfangszeit seines Dissertationsvorhabens fiel auch der erwähnte Leserbrief zur Konservatismusdebatte im Monat. Ausgehend von Mohlers zuvor geäußertem Standpunkt, die Diskussion lasse sich »nicht sinnvoll führen, wenn die ›sogenannten ‚Konservativen‘‹ das eigentliche Ziel verfehlten: die Deutschen wieder in einen ›politisch aktionsfähigen Körper‹ zu überführen«, ging Hepp noch weiter und spitzte zugunsten seiner Altersgenossen, der »neuen Rechten«, die Generalkritik an der Gegenwartssituation des Konservatismus auf die rhetorische Frage zu: »Gibt es eigentlich noch eine breitspurigere und ausrangiertere Kategorie als dieses Wörtchen ›konservativ‹?«
Bereits seit Jahresbeginn 1966 hatte Robert Hepp an der Universität des Saarlandes die Geschäfte eines wissenschaftlichen Assistenten in der Soziologie geführt. Nach seiner Promotion folgte er dem konservativ-revolutionär beeinflußten, ebenfalls mit Armin Mohler befreundeten und seit Studententagen mit dem Werk Othmar Spanns vertrauten Kultursoziologen Mohammed Rassem von Saarbrücken an die Universität Salzburg und arbeitete von 1968 bis 1971 als dessen Assistent. Daß trotz dieses engen fachlichen Verhältnisses zweier streitbarer Bevölkerungswissenschaftler Hepp im Criticón-Nachruf auf Rassem mit keiner Silbe erwähnt wird, spricht Bände. Der ehemals rege und durch routiniert bissige Glossen wie »Wird die Junge Union rechtsradikal? Und wenn nein, warum nicht?« (Heft 18/1973) kontrovers hervortretende Autor war dieser Zeitschrift mittlerweile zu peinlich geworden, die damals bereits unter die verhängnisvolle Federführung des stolzen »lupenreinen Libertär-Konservativen« (Focus) Gunnar Sohn und seiner heute vor allem bei der Jungen Freiheit untergekommenen Gefolgschaft geraten war.
Von Salzburg kehrte Hepp bis 1977 im Rahmen einer Assistenzprofessur wiederum an die Universität des Saarlandes zurück. Seine Selbstherrlichkeit und Selbstbedienung übertitelte Studie zur »Dialektik der Emanzipation«, in der er den »befreiten« Unterschichten der modernen Wohlstandsgesellschaft auf hochironische Weise ihr Hineinrutschen in eine lediglich neue Modalität der Sklaverei unter die Nase rieb, erschien 1971 in der renommierten Beck’schen schwarzen Reihe u.a. neben Ernst Forsthoffs Der Staat der Industriegesellschaft.
In jenen Jahren betrieb Hepp neben akademischer Polizeisoziologie in Vortrags- und Zeitschriftenbeiträgen vor allem eine scharfe Kritik des Sozialstaats, in dem er einen Versuch der Parteipolitik sah, die Gesellschaft ruhigzustellen und einem möglichen »Ernstfall« auszuweichen. Von 1977 bis 1994 lehrte er Soziologie mit den Arbeitsschwerpunkten Kultursoziologie, Politische Soziologie und Historische Demographie in Osnabrück, leitete zusätzlich die dortige Forschungsstelle für Phänomenologische Soziologie und Bevölkerungswissenschaft und war anschließend bis zu seiner Emeritierung 2006 an der Hochschule Vechta tätig. Daneben publizierte er fachliche Aufsätze, in denen er unter anderem 1978 in der Zeitschrift für Politik unter Rückgriff auf Carl Schmitts »Logik des konkreten Begriffs« den französischen Soziologen Raymond Aron dafür angriff, daß der in seinem Clausewitz-Buch dem Preußen die politischen Zähne ziehen wolle, was eine 25seitige Rechtfertigungsschrift Arons nach sich zog.
In letzterer Phase legte der stets zum Tabubruch neigende Soziologe seinen Studenten auch geschichtsrevisionistische Texte vor; ein privater Feldversuch, zu dem Hepp festhielt, daß die Reaktionen denen primitiver Völker auf Verstöße gegen ihre religiösen Dogmen exakt entsprochen hätten. Im Zusammenhang damit stand sein Beitrag »Richtigstellungen« zur medialen Rufmordkampagne gegen Hellmut Diwald (vgl. Sezession-Sonderheft »Sieferle lesen«) in der postumen Festschrift Hellmut Diwald. Sein Vermächtnis für Deutschland, sein Mut zur Geschichte, der aufgrund einer in lateinischer Sprache (!) verfaßten Fußnote das Amtsgericht Tübingen zur Anordnung der bundesweiten Beschlagnahmung des Buchs wegen Volksverhetzung und Vernichtung der Druckplatten animierte – in Archiven verbliebene Einzelexemplare des Buchs dürfen bis heute nur mit Sondergenehmigung und an speziellen Arbeitsplätzen eingesehen wer- den, obwohl das entsprechende Gerichtsverfahren eingestellt wurde. Gegen mit diesem Skandal einhergehende Anwürfe der Holocaustleugnung durch den Stern setzte Hepp sich vor Gericht erfolgreich zur Wehr.
Zu der ihm eigentümlichen polemisch-ironischen Herangehensweise gehörte auch das Stilmittel des »Höllentelefonats«, wobei sich Hepp gemäß dem in Schmitts Tagebüchern bereits im Dezember 1915 als bemerkenswert festgehaltenen Motto »Ich bin ein Deutscher und Gelehrter, und die beobachten auch in der Hölle« (Christian Dietrich Grabbe) einen verstorbenen Vordenker heranzog, um ihm die auszusprechenden Weisheiten in den Mund zu legen. Dieses Szenario nahm in der Jubiläumsausgabe von Criticón seinen Ausgang, und noch 1995 sollte Hepp zu Ehren Armin Mohlers ein ebensolches Zwiegespräch mit seinem bereits 1970 verstorbenen Bruder Marcel führen, um das Verhältnis beider zum Geehrten Revue passieren zu lassen.
Noch während der Konzeption seiner Höllenkontakte hatte der seinerzeitige Osnabrücker Ordinarius jedoch ein Thema gefunden, das einer weitsichtigen und scharfen Behandlung harrte und ihn bis zum heutigen Tag zum Vordenker und Verfasser eines neurechten Schlüsselwerks machen sollte: die moribunde deutsche Ethnographie. Vorangegangen war bereits 1984 die zusammen mit dem Humangenetiker Heinrich Schade und dem Mineralogen Helmut Schröcke veröffentlichte Broschüre Deutschland ohne Deutsche, in der Hepp in Anknüpfung an seinen älteren ikonoklastischen Essay »Die Neuen Deutschen. Zur Euthanasie eines Volkes« unter der Überschrift »Das deutsche Volk in der Todesspirale« dem erwartbaren Bevölkerungsrückgang der autochthonen Deutschen den stetig zunehmenden Ausländerzuzug gegenübergestellt hatte. Darauf folgten zwei Jahre später die Studie »Der Aufstieg in die Dekadenz. Bevölkerungsrückgang als politisches Problem« im von Mohler herausgegebenen Vortragssammelband der Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung Wirklichkeit als Tabu. Anmerkungen zur Lage sowie im Folgejahr schließlich der extensive Artikel im zweiten Band – Nationale Verantwortung und liberale Gesellschaft – von Bernard Willms’ Handbuch zur Deutschen Nation, der bereits den Titel des endgültigen Paukenschlags vorwegnahm.
Hepps 1988 erschienene Brandrede gegen den sich abzeichnenden demo- wie ethnographischen Niedergang, gegen die sich alle heutigen identitären Thesen handzahm ausnehmen, trug den maximal provozierenden Titel Die Endlösung der Deutschen Frage und ließ alle Alarmglocken des konditionierten bundesrepublikanischen Bewältigungsbürgers schrillen; entsprechend sollten die Reaktionen bis hin zum Vorwurf eines »völkischen Nationalismus« (Peter Glotz) ausfallen. Dessenungeachtet kommt Hepp das Verdienst zu, als erster deutscher Sozialwissenschaftler die stetig abnehmenden Bevölkerungszahlen »mit erbarmungsloser Schärfe« (Mohler) zum zentralen Thema seiner Veröffentlichungen gemacht zu haben. Seine Vorschläge zur Gestaltung einer z.B. durch Privilegien für kinderreiche inländische Familien entgegensteuernden »politischen Demographie« sollten jedoch ungehört verhallen. Heute werden sie in Europa und selbst in den Vereinigten Staaten wieder aufgebracht, um der »Familienunlust« junger weißer Paare entgegenzuwirken.
In einem letzten Versuch, unmittelbar politischen Einfluß zu nehmen, gehörte er zusammen mit dem Historiker Hellmut Diwald, dem Politologen Hans-Joachim Arndt und dem Philosophen Bernard Willms als »vierblättriges Kleeblatt« der akademischen nationalen Renaissance der 1980er, die bedauerlicherweise keine eigene Schule zu begründen vermochte, zum von Mohler einberufenen »Deutschlandrat«, der den frühen Republikanern geistiges Rüstzeug verschaffen sollte.
Seit Beginn der 1990er Jahre hat sich Robert Hepp aus den aktiven politischen Debatten zurückgezogen; sein letzter öffentlicher Auftritt als Referent war der Festvortrag auf dem ersten Staatspolitischen Kongreß 2010 anläßlich des zehnjährigen Bestehens des Instituts für Staatspolitik. Am 19. Februar hat dieser streitbare Grandseigneur der deutschen Nachkriegsrechten sein 80. Lebensjahr vollendet. Es lohnt sich mehr denn je, Hepps teils entlegene Werke zur Hand zu nehmen – sie haben nichts von ihrer Aktualität eingebüßt, und der wache Geist und die Angriffslust ihres Verfassers weisen noch heute einen Weg fernab aller Kuschelkurse und der verbreiteten »kompakte[n] Feigheit des Denkens« (so Hepp selbst).