Der Verschärfung eine Gasse: Robert Hepp zum Achtzigsten

PDF der Druckfassung aus Sezession 83/April 2018

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

Nach­dem eine Auf­satz­fol­ge von Autoren mit lin­kem Selbst­ver­ständ­nis in der west­deut­schen Poli­tik- und Kul­tur­zeit­schrift Der Monat Anfang der 1960er die Fra­ge aus­ge­lo­tet hat­te, was zu jener Zeit eigent­lich inhalt­lich mit der Ver­or­tung »links« gemeint sei, eröff­ne­te im April­heft Nr. 163 Armin Moh­ler mit dem Essay »Kon­ser­va­tiv 1962« die anschlie­ßen­de publi­zis­ti­sche Debat­te zum The­ma »Was ist heu­te eigent­lich kon­ser­va­tiv?«. An Moh­lers Text schlos­sen sich in den Fol­ge­hef­ten Stel­lung­nah­men ver­schie­de­ner Ver­tre­ter eines sehr unter­schied­lich aus­ge­leg­ten Kon­ser­va­tis­mus aus Poli­tik, Medi­en und Publi­zis­tik an, von Diet­rich Schwarz­kopf (Deutsch­land­funk), Golo Mann und dem CDU-Bun­des­mi­nis­ter Hans-Joa­chim von Mer­katz über Cas­par von Schrenck-Not­zing, Klaus Harp­p­recht (ZDF- Ame­ri­ka­kor­re­spon­dent) und den CDU-Bun­des­tags­prä­si­den­ten Eugen Gers­ten­mai­er bis hin zum libe­ral-demo­kra­ti­schen Schwei­zer Natio­nal­rat Peter Dür­ren­matt und dem ehe­ma­li­gen inof­fi­zi­el­len Anfüh­rer des kon­ser­va­tiv- revo­lu­tio­nä­ren Tat-Krei­ses, Hans Zeh­rer. Die Mei­nun­gen gin­gen dabei weit aus­ein­an­der und reich­ten von einer Kri­tik an Moral­po­li­tik (Moh­ler) über die Beto­nung des Pri­mats der Frei­heit (Schwarz­kopf) bis hin zu einem geschicht­lich tra­dier­ten Ethos des Die­nens (Gers­ten­mai­er).

In Aus­ga­be 168 wur­den dann im Sep­tem­ber drei Leser­brie­fe zur Debat­te abge­druckt, dar­un­ter – mit Abstand der längs­te Text – ein regel­rech­ter eigen­stän­di­ger Mei­nungs­bei­trag, der nicht bei der begriff­li­chen Erör­te­rung mit­tun woll­te, son­dern sie mit Blick auf eine jun­ge, zwei­felnd-wider­stän­di­ge »neue Rech­te« der »skep­ti­schen Gene­ra­ti­on« rund­her­aus für abge­ho­ben und unsin­nig erklär­te: »Sehr geehr­te Redak­ti­on! Man kann nicht mit einem Wort her­um­hu­ren, ohne es zu schwä­chen. Je mehr man um den ›Kon­ser­va­tis­mus‹ her­um­dis­ku­tiert, um so mehr nimmt er ab.«

Wenig kom­pro­miß­be­rei­te Wor­te – und in der Tat zeich­ne­te den Ver­fas­ser, einen 24jährigen, kurz vor sei­nem Examen ste­hen­den Stu­den­ten der Uni­ver­si­tät Erlan­gen namens Robert Hepp, der »noch schär­fer for­mu­lier­te als Moh­ler« (Karl­heinz Weiß­mann), bereits damals ein Hang zur unbe­ding­ten Zuspit­zung bei bemer­kens­wer­ter Unbe­küm­mert­heit um die Befind­lich­kei­ten sei­ner Leser aus.

Gebo­ren am 19. Febru­ar 1938 im ober­schwä­bi­schen Lan­ge­nenslin­gen, war Hepps jun­ges Leben zur Zeit die­ses Abdrucks bereits mehr als bewegt gewe­sen. Am 21. Juli 1944 war sein Vater wegen Äuße­run­gen zum Stauf­fen­berg-Atten­tat in Gesta­po­haft gekom­men. Nach dem Abitur im März 1957 hat­te Hepp sich an der Uni­ver­si­tät Tübin­gen zum Geschichts- und Phi­lo­so­phie­stu­di­um ein­ge­schrie­ben. Das Win­ter­se­mes­ter 1958/59 ver­brach­te er an der Pari­ser Sor­bon­ne und fand dort Zugang zum damals als Frank­reich­kor­re­spon­dent der deut­schen ZEIT und der Schwei­zer Tat orts­an­säs­si­gen Armin Moh­ler, des­sen 1950 erschie­ne­ne »Anre­gung der ›krea­ti­ven Phan­ta­sie‹ der Bun­des­re­pu­bli­ka­ner« inter­es­sier­te Moh­ler war es, der ihn im Rah­men lan­ger Gesprä­che in sei­nem Häus­chen in Bourg-la-Rei­ne in »Kreis« und Werk des ver­fem­ten Carl Schmitt samt des­sen rea­lis­ti­schen Zugriffs auf die Lage sowie in »völ­ker­psy­cho­lo­gi­sche« The­men ein­führ­te. Die­se Prä­gung soll­te sich ent­schei­dend auf den Lebens­weg des jun­gen Robert Hepp aus­wir­ken: Nach eige­nem sar­kas­ti­schen Bekun­den wäre er ansons­ten »ver­mut­lich Vikar in Savoy­en geworden.«

Nach Semes­ter­en­de wie­der in die Bun­des­re­pu­blik zurück­ge­kehrt, mach­te Hepp gemein­sam mit sei­nem Bru­der als Pro­fes­so­ren­schreck von sich reden. Sie grün­de­ten 1959, inspi­riert durch Moh­lers Kon­tak­te zur anar­chi­schen fran­zö­si­schen Künst­ler­grup­pe der Lett­ris­ten, die für west­deut­sche Ver­hält­nis­se gera­de­zu unver­schämt aktio­nis­ti­sche Stu­den­ten­grup­pe »Katho­li­sche Front« (spä­ter: »Kon­ser­va­ti­ve Front«). Sit-ins und Go-ins: Die Hepp­sche »Front« mach­te vor, was viel spä­ter die APO nur noch über­neh­men muß­te – eine bis heu­te bit­te­re und eif­rig aus­ge­blen­de­te Tat­sa­che für soge­nann­te Exper­ten, die der Rech­ten so ger­ne vor­wer­fen, offen­si­ve Akti­ons­for­men ledig­lich vom anti­au­to­ri­tär-mar­xis­ti­schen 1968er-»Vorbild« abge­schaut zu haben.

Der  jün­ge­re  Hepp  jeden­falls  wur­de  auf­grund  der  pro­vo­kan­ten »Front«-Aktionen unter ande­rem vom spä­te­ren Rek­tor der Uni­ver­si­tät Tübin­gen, Theo­dor Eschen­burg, des Semi­nars ver­wie­sen und wech­sel­te Anfang der 1960er an die Uni­ver­si­tät Erlan­gen. Dort zog unter ande­rem der Poli­to­lo­ge Wal­de­mar Bes­son den Hepp­schen Hohn auf sich. Der Jour­na­list und dama­li­ge Augen­zeu­ge Gün­ther Desch­ner erin­nert sich an fol­gen­des: »Die Hepps mach­ten sich damals ein Ver­gnü­gen dar­aus, ihre wis­sen­schaft­li­che und argu­men­ta­ti­ve Über­le­gen­heit […] exer­zier­mä­ßig vor­zu­füh­ren und den bei­den typi­schen Reprä­sen­tan­ten der BRD-Poli­to­lo­gie so lan­ge und stets demons­tra­tiv-pein­lich den Tep­pich unter den Füßen weg­zu­zie­hen, bis sie von Bes­son in einer Art Not­wehr­akt aus dem Semi­nar gewor­fen wur­den. Bes­son ent­blö­de­te sich damals nicht, als letz­tes ›Argu­ment‹ gegen die ›infer­na­li­schen Brü­der‹ das Ver­dikt zu schleu­dern: ›Für Faschis­ten ist an die­ser Uni­ver­si­tät kein Platz!‹«

Mit die­ser Hal­tung hilf­lo­ser Ableh­nung stand Bes­son jedoch allein, und Robert Hepp fand im Erlan­ger Ordi­na­ri­us für Reli­gi­ons- und Geis­tes­ge­schich­te Hans-Joa­chim Schoeps, einem natio­nal­kon­ser­va­ti­ven »preu­ßi­schen Juden« und ehe­ma­li­gen Anhän­ger der Kon­ser­va­ti­ven Revo­lu­ti­on, einen wohl­wol­len­den aka­de­mi­schen Leh­rer, der sei­ne an Carl Schmitts pole­misch-ana­ly­ti­scher Stu­die Poli­ti­sche Theo­lo­gie ori­en­tier­te Dis­ser­ta­ti­on über den »Welt­krieg als Reli­gi­ons­krieg« vor dem Hin­ter­grund der soge­nann­ten »Ideen von 1914« und dem Kriegs­en­de 1918 betreu­te (die, neben­bei bemerkt, denk­wür­di­ger­wei­se nie­mals offi­zi­ell publi­ziert wur­de und auch archi­va­lisch bis heu­te ledig­lich als Teil­ab­druck der bei­den Kapi­tel des Haupt­teils »mit Geneh­mi­gung der Fakul­tät« vor­liegt). Die in den Anmer­kun­gen zum Brief­wech­sel zwi­schen Carl Schmitt und Hans-Diet­rich San­der – wie Hepp selbst ein von Schoeps pro­mo­vier­ter »Hal­tungs- Schmit­tia­ner« (Dirk van Laak) – vom maß­geb­li­chen Schmitt-Exege­ten Gün­ter Maschke kol­por­tier­te Anek­do­te, Hepp habe sich »schlag­fer­tig und kalt­schnäu­zig« »im Rigo­ro­sum auf eine unan­ge­neh­me Fra­ge mit einem gera­de erschie­ne­nen Buch her­aus­ge­re­det, das er in die­sem Moment erfand«, wird indes von Hepp selbst dementiert.

In die Anfangs­zeit sei­nes Dis­ser­ta­ti­ons­vor­ha­bens fiel auch der erwähn­te Leser­brief zur Kon­ser­va­tis­mus­de­bat­te im Monat. Aus­ge­hend von Moh­lers zuvor geäu­ßer­tem Stand­punkt, die Dis­kus­si­on las­se sich »nicht sinn­voll füh­ren, wenn die ›soge­nann­ten ‚Kon­ser­va­ti­ven‘‹ das eigent­li­che Ziel ver­fehl­ten: die Deut­schen wie­der in einen ›poli­tisch akti­ons­fä­hi­gen Kör­per‹ zu über­füh­ren«, ging Hepp noch wei­ter und spitz­te zuguns­ten sei­ner Alters­ge­nos­sen, der »neu­en Rech­ten«, die Gene­ral­kri­tik an der Gegen­warts­si­tua­ti­on des Kon­ser­va­tis­mus auf die rhe­to­ri­sche Fra­ge zu: »Gibt es eigent­lich noch eine breit­spu­ri­ge­re und aus­ran­gier­te­re Kate­go­rie als die­ses Wört­chen ›kon­ser­va­tiv‹?«

Bereits seit Jah­res­be­ginn 1966 hat­te Robert Hepp an der Uni­ver­si­tät des Saar­lan­des die Geschäf­te eines wis­sen­schaft­li­chen Assis­ten­ten in der Sozio­lo­gie geführt. Nach sei­ner Pro­mo­ti­on folg­te er dem kon­ser­va­tiv-revo­lu­tio­när beein­fluß­ten, eben­falls mit Armin Moh­ler befreun­de­ten und seit Stu­den­ten­ta­gen mit dem Werk Oth­mar Spanns ver­trau­ten Kul­tur­so­zio­lo­gen Moham­med Ras­sem von Saar­brü­cken an die Uni­ver­si­tät Salz­burg und arbei­te­te von 1968 bis 1971 als des­sen Assis­tent. Daß trotz die­ses engen fach­li­chen Ver­hält­nis­ses zwei­er streit­ba­rer Bevöl­ke­rungs­wis­sen­schaft­ler Hepp im Cri­ticón-Nach­ruf auf Ras­sem mit kei­ner Sil­be erwähnt wird, spricht Bän­de. Der ehe­mals rege und durch rou­ti­niert bis­si­ge Glos­sen wie »Wird die Jun­ge Uni­on rechts­ra­di­kal? Und wenn nein, war­um nicht?« (Heft 18/1973) kon­tro­vers her­vor­tre­ten­de Autor war die­ser Zeit­schrift mitt­ler­wei­le zu pein­lich gewor­den, die damals bereits unter die ver­häng­nis­vol­le Feder­füh­rung des stol­zen »lupen­rei­nen Liber­tär-Kon­ser­va­ti­ven« (Focus) Gun­nar Sohn und sei­ner heu­te vor allem bei der Jun­gen Frei­heit unter­ge­kom­me­nen Gefolg­schaft gera­ten war.

Von Salz­burg kehr­te Hepp bis 1977 im Rah­men einer Assis­tenz­pro­fes­sur wie­der­um an die Uni­ver­si­tät des Saar­lan­des zurück. Sei­ne Selbstherr­lich­keit und Selbst­be­die­nung über­ti­tel­te Stu­die zur »Dia­lek­tik der Eman­zi­pa­ti­on«, in der er den »befrei­ten« Unter­schich­ten der moder­nen Wohl­stands­ge­sell­schaft auf hoch­i­ro­ni­sche Wei­se ihr Hin­ein­rut­schen in eine ledig­lich neue Moda­li­tät der Skla­ve­rei unter die Nase rieb, erschien 1971 in der renom­mier­ten Beck’schen schwar­zen Rei­he u.a. neben Ernst Forst­hoffs Der Staat der Indus­trie­ge­sell­schaft.

In jenen Jah­ren betrieb Hepp neben aka­de­mi­scher Poli­zei­so­zio­lo­gie in Vor­trags- und Zeit­schrif­ten­bei­trä­gen vor allem eine schar­fe Kri­tik des Sozi­al­staats, in dem er einen Ver­such der Par­tei­po­li­tik sah, die Gesell­schaft ruhig­zu­stel­len und einem mög­li­chen »Ernst­fall« aus­zu­wei­chen. Von 1977 bis 1994 lehr­te er Sozio­lo­gie mit den Arbeits­schwer­punk­ten Kul­tur­so­zio­lo­gie, Poli­ti­sche Sozio­lo­gie und His­to­ri­sche Demo­gra­phie in Osna­brück, lei­te­te zusätz­lich die dor­ti­ge For­schungs­stel­le für Phä­no­me­no­lo­gi­sche Sozio­lo­gie und Bevöl­ke­rungs­wis­sen­schaft und war anschlie­ßend bis zu sei­ner Eme­ri­tie­rung 2006 an der Hoch­schu­le Vech­ta tätig. Dane­ben publi­zier­te er fach­li­che Auf­sät­ze, in denen er unter ande­rem 1978 in der Zeit­schrift für Poli­tik unter Rück­griff auf Carl Schmitts »Logik des kon­kre­ten Begriffs« den fran­zö­si­schen Sozio­lo­gen Ray­mond Aron dafür angriff, daß der in sei­nem Clau­se­witz-Buch dem Preu­ßen die poli­ti­schen Zäh­ne zie­hen wol­le, was eine 25seitige Recht­fer­ti­gungs­schrift Arons nach sich zog.

In letz­te­rer Pha­se leg­te der stets zum Tabu­bruch nei­gen­de Sozio­lo­ge sei­nen Stu­den­ten auch geschichts­re­vi­sio­nis­ti­sche Tex­te vor; ein pri­va­ter Feld­ver­such, zu dem Hepp fest­hielt, daß die Reak­tio­nen denen pri­mi­ti­ver Völ­ker auf Ver­stö­ße gegen ihre reli­giö­sen Dog­men exakt ent­spro­chen hät­ten. Im Zusam­men­hang damit stand sein Bei­trag »Rich­tig­stel­lun­gen« zur media­len Ruf­mord­kam­pa­gne gegen Hell­mut Diwald (vgl. Sezes­si­on-Son­der­heft »Sie­fer­le lesen«) in der pos­tu­men Fest­schrift Hell­mut Diwald. Sein Ver­mächt­nis für Deutsch­land, sein Mut zur Geschich­te, der auf­grund einer in latei­ni­scher Spra­che (!) ver­faß­ten Fuß­no­te das Amts­ge­richt Tübin­gen zur Anord­nung der bun­des­wei­ten Beschlag­nah­mung des Buchs wegen Volks­ver­het­zung und Ver­nich­tung der Druck­plat­ten ani­mier­te – in Archi­ven ver­blie­be­ne Ein­zel­ex­em­pla­re des Buchs dür­fen bis heu­te nur mit Son­der­ge­neh­mi­gung und an spe­zi­el­len Arbeits­plät­zen ein­ge­se­hen wer- den, obwohl das ent­spre­chen­de Gerichts­ver­fah­ren ein­ge­stellt wur­de. Gegen mit die­sem Skan­dal ein­her­ge­hen­de Anwür­fe der Holo­caust­leug­nung durch den Stern setz­te Hepp sich vor Gericht erfolg­reich zur Wehr.

Zu der ihm eigen­tüm­li­chen pole­misch-iro­ni­schen Her­an­ge­hens­wei­se gehör­te auch das Stil­mit­tel des »Höl­len­te­le­fo­nats«, wobei sich Hepp gemäß dem in Schmitts Tage­bü­chern bereits im Dezem­ber 1915 als bemer­kens­wert fest­ge­hal­te­nen Mot­to »Ich bin ein Deut­scher und Gelehr­ter, und die beob­ach­ten auch in der Höl­le« (Chris­ti­an Diet­rich Grab­be) einen ver­stor­be­nen Vor­den­ker her­an­zog, um ihm die aus­zu­spre­chen­den Weis­hei­ten in den Mund zu legen. Die­ses Sze­na­rio nahm in der Jubi­lä­ums­aus­ga­be von Cri­ticón sei­nen Aus­gang, und noch 1995 soll­te Hepp zu Ehren Armin Moh­lers ein eben­sol­ches Zwie­ge­spräch mit sei­nem bereits 1970 ver­stor­be­nen Bru­der Mar­cel füh­ren, um das Ver­hält­nis bei­der zum Geehr­ten Revue pas­sie­ren zu lassen.

Noch wäh­rend der Kon­zep­ti­on sei­ner Höl­len­kon­tak­te hat­te der sei­ner­zei­ti­ge Osna­brü­cker Ordi­na­ri­us jedoch ein The­ma gefun­den, das einer weit­sich­ti­gen und schar­fen Behand­lung harr­te und ihn bis zum heu­ti­gen Tag zum Vor­den­ker und Ver­fas­ser eines neu­rech­ten Schlüs­sel­werks machen soll­te: die mori­bun­de deut­sche Eth­no­gra­phie. Vor­an­ge­gan­gen war bereits 1984 die zusam­men mit dem Human­ge­ne­ti­ker Hein­rich Scha­de und dem Mine­ra­lo­gen Hel­mut Schrö­cke ver­öf­fent­lich­te Bro­schü­re Deutschland ohne Deut­sche, in der Hepp in Anknüp­fung an sei­nen älte­ren iko­no­klas­ti­schen Essay »Die Neu­en Deut­schen. Zur Eutha­na­sie eines Vol­kes« unter der Über­schrift »Das deut­sche Volk in der Todes­spi­ra­le« dem erwart­ba­ren Bevöl­ke­rungs­rück­gang der auto­chtho­nen Deut­schen den ste­tig zuneh­men­den Aus­län­der­zu­zug gegen­über­ge­stellt hat­te. Dar­auf folg­ten zwei Jah­re spä­ter die Stu­die »Der Auf­stieg in die Deka­denz. Bevöl­ke­rungs­rück­gang als poli­ti­sches Pro­blem« im von Moh­ler her­aus­ge­ge­be­nen Vor­trags­sam­mel­band der Carl-Fried­rich-von-Sie­mens-Stif­tung Wirk­lich­keit als Tabu. Anmer­kun­gen zur Lage sowie im Fol­ge­jahr schließ­lich der exten­si­ve Arti­kel im zwei­ten Band – Natio­na­le Ver­ant­wor­tung und libe­ra­le Gesell­schaft – von Ber­nard Will­ms’ Hand­buch zur Deut­schen Nati­on, der bereits den Titel des end­gül­ti­gen Pau­ken­schlags vorwegnahm.

Hepps 1988 erschie­ne­ne Brand­re­de gegen den sich abzeich­nen­den demo- wie eth­no­gra­phi­schen Nie­der­gang, gegen die sich alle heu­ti­gen iden­ti­tä­ren The­sen hand­zahm aus­neh­men, trug den maxi­mal pro­vo­zie­ren­den Titel Die End­lö­sung der Deut­schen Fra­ge und ließ alle Alarm­glo­cken des kon­di­tio­nier­ten bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Bewäl­ti­gungs­bür­gers schril­len; ent­spre­chend soll­ten die Reak­tio­nen bis hin zum Vor­wurf eines »völ­ki­schen Natio­na­lis­mus« (Peter Glotz) aus­fal­len. Des­sen­un­ge­ach­tet kommt Hepp das Ver­dienst zu, als ers­ter deut­scher Sozi­al­wis­sen­schaft­ler die ste­tig abneh­men­den Bevöl­ke­rungs­zah­len »mit erbar­mungs­lo­ser Schär­fe« (Moh­ler) zum zen­tra­len The­ma sei­ner Ver­öf­fent­li­chun­gen gemacht zu haben. Sei­ne Vor­schlä­ge zur Gestal­tung einer z.B. durch Pri­vi­le­gi­en für kin­der­rei­che inlän­di­sche Fami­li­en ent­ge­gen­steu­ern­den »poli­ti­schen Demo­gra­phie« soll­ten jedoch unge­hört ver­hal­len. Heu­te wer­den sie in Euro­pa und selbst in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten wie­der auf­ge­bracht, um der »Fami­li­en­un­lust« jun­ger wei­ßer Paa­re entgegenzuwirken.

In einem letz­ten Ver­such, unmit­tel­bar poli­ti­schen Ein­fluß zu neh­men, gehör­te er zusam­men mit dem His­to­ri­ker Hell­mut Diwald, dem Poli­to­lo­gen Hans-Joa­chim Arndt und dem Phi­lo­so­phen Ber­nard Will­ms als »vier­blätt­ri­ges Klee­blatt« der aka­de­mi­schen natio­na­len Renais­sance der 1980er, die bedau­er­li­cher­wei­se kei­ne eige­ne Schu­le zu begrün­den ver­moch­te, zum von Moh­ler ein­be­ru­fe­nen »Deutsch­land­rat«, der den frü­hen Repu­bli­ka­nern geis­ti­ges Rüst­zeug ver­schaf­fen sollte.

Seit Beginn der 1990er Jah­re hat sich Robert Hepp aus den akti­ven poli­ti­schen Debat­ten zurück­ge­zo­gen; sein letz­ter öffent­li­cher Auf­tritt als Refe­rent war der Fest­vor­trag auf dem ers­ten Staats­po­li­ti­schen Kon­greß 2010 anläß­lich des zehn­jäh­ri­gen Bestehens des Insti­tuts für Staats­po­li­tik. Am 19. Febru­ar hat die­ser streit­ba­re Grand­sei­gneur der deut­schen Nach­kriegs­rech­ten sein 80. Lebens­jahr voll­endet. Es lohnt sich mehr denn je, Hepps teils ent­le­ge­ne Wer­ke zur Hand zu neh­men – sie haben nichts von ihrer Aktua­li­tät ein­ge­büßt, und der wache Geist und die Angriffs­lust ihres Ver­fas­sers wei­sen noch heu­te einen Weg fern­ab aller Kuschel­kur­se und der ver­brei­te­ten »kompakte[n] Feig­heit des Den­kens« (so Hepp selbst).

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

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