Die Rechte ist böse!

von Heino Bosselmann -- Die "politische Mitte", also: die Regierenden und die sie unterstützenden Medien haben enorme Schwierigkeiten:

Schwie­rig­kei­ten vor allem mit der Exis­tenz soge­nann­ter intel­lek­tu­el­ler Rech­ter, die zum einen eine spür­ba­re Kon­kur­renz um die Deu­tungs­ho­heit dar­stel­len und zum ande­ren nach dem Selbst­ver­ständ­nis der selbst­er­klärt „Anstän­di­gen“ gar nicht exis­tie­ren dürf­ten, da doch jeder – zumal nach hohen Dosen poli­ti­scher Bil­dung und teu­rer Kam­pa­gnen – ein­se­hen müß­te, daß es rechts kei­ner­lei Alter­na­ti­ven zu for­dern und eben­so­we­nig zu den­ken oder zu erwar­ten gäbe.

Ganz abge­se­hen von der Fra­ge, inwie­fern die poli­ti­sche Rech­te das Böse ist oder will, wird sie von den Trä­gern des Ban­ners „Gegen Rechts!“ auf das mora­lisch oder gewis­ser­ma­ßen onto­lo­gisch Böse redu­ziert, gera­de dann, wenn es sich um intel­lek­tu­el­le Rech­te han­delt, denn alle ande­ren, etwa jun­ge Rech­te oder aus­neh­mend rechts­ra­di­ka­le Par­tei­en, wer­den eher als uner­zo­gen, unmün­dig oder erzie­hungs­re­sis­tent identifiziert.

Intel­lek­tu­el­le Rech­ten gel­ten aber, weil sie es ja gera­de kraft ihrer Bil­dung bes­ser wis­sen müß­ten, als nahe­zu patho­lo­gisch, als fremd­ar­tig, falsch ein­ge­stellt, als irre­g­lei­tet, also als prin­zi­pi­ell gestört. Denn sobald es um das Böse geht, gera­ten Deu­tungs­ver­su­che in Schwie­rig­kei­ten, die auf dem christ­li­chen oder auf­klä­re­ri­schen Erbe oder, bes­ser gesagt, auf des­sen illu­sio­nä­ren, also ver­kürz­ten Antei­len auf­bau­en wollen.

Imma­nu­el Kant – frei­lich ohne kon­kre­ten Bezug auf das damals poli­tisch noch irrele­van­te Lin­ke und Rech­te – ver­such­te das Böse als das radi­kal Ande­re zu denken:

Die­ses Böse ist radi­cal, weil es den Grund aller Maxi­men ver­dirbt; zugleich auch als natür­li­cher Hang durch mensch­li­che Kräf­te nicht zu ver­til­gen, weil die­ses nur durch gute Maxi­men gesche­hen könn­te, wel­ches, wenn der obers­te sub­jec­ti­ve Grund aller Maxi­men als ver­derbt vor­aus­ge­setzt wird, nicht statt fin­den kann; gleich­wohl aber muß er zu über­wie­gen mög­lich sein, weil er in dem Men­schen als frei han­deln­dem Wesen ange­trof­fen wird.

Die Anla­ge zum Guten sind nach Kant die eigent­li­chen des mensch­li­chen Wesens, der Hang zum Bösen jedoch erscheint „für die Mensch­heit zufäl­lig“, obwohl er auch zum Mensch­sein gehört. Inter­es­sant: Kant unter­schei­det im Men­schen eine „Anla­ge zur Tier­heit“, gewis­ser­ma­ßen „bio­lo­gisch“, von der ver­nünf­ti­gen Anla­ge „für sei­ne Persönlichkeit“.

Allein durch letz­te­re kann der Ein­zel­ne ein mora­lisch zurech­nungs­fä­hi­ges Wesen wer­den, mit­hin eine Per­son, die indi­vi­du­ell ver­ant­wort­lich zu han­deln ver­steht, inso­fern ihr die „Emp­fäng­lich­keit der Ach­tung für das mora­li­sche Gesetz, als einer für sich hin­rei­chen­den Trieb­fe­der der Will­kür“ in ähn­li­cher Wei­se eig­net, wie der gött­li­che Fun­ke den Men­schen, christ­lich gese­hen, zum Guten befähige.

Ist die­se „Emp­fäng­lich­keit der Ach­tung“ nun bei man­chen Men­schen zu schwach aus­ge­formt, so ist der indi­vi­du­el­le Hang zum Bösen, die „Ver­derbt­heit (cor­rup­tio) des mensch­li­chen Her­zens“, all­zu stark, wodurch die Anla­ge zur ver­nünf­ti­gen Mensch­heit, zur Auto­no­mie, kon­ter­ka­riert oder gar per­ver­tiert wird.

Statt vom mora­li­schen Gesetz wird das Han­deln durch indi­vi­du­el­le Nei­gung bestimmt, ver­stärkt durch die „Gebrech­lich­keit (fra­gi­li­tas) der mensch­li­chen Natur“ sowie „die Unlau­ter­keit des mensch­li­chen Her­zens“. Der Mensch ver­schließt sich dem Guten, das er an sich als ver­nünf­tig erken­nen müßte.

Wesent­lich mit Kant: Das Böse kann nicht als „Trieb­fe­der“ an sich selbst gel­ten, nein, es han­delt sich dabei um eine „Ver­kehrt­heit (per­ver­si­tas) des mensch­li­chen Her­zens“, die letzt­lich eben nicht oder nur eben­so schwie­rig zu erklä­ren ist wie das Böse über­haupt. Man den­ke an die uralte Tra­di­ti­on der Gno­sis oder an das Theo­di­zee-Pro­blem, mit dem die Theo­lo­gie durch­weg ringt.

Zurück in die Nie­de­run­gen der Poli­tik. Selbst wenn die Lin­ke ihre Schwie­rig­kei­ten mit Carl Schmitt hat: Die Rech­te ist ihr Feind, nur eben ein Feind, des­sen Exis­tenz sich von ihr kaum erklä­ren läßt. Sie kann ihn sich nur als einen per­fi­den Mani­pu­la­tor, als Ver­füh­rer und dem­ago­gi­schen Ein­flüs­te­rer, als popu­lis­ti­schen Ungeist den­ken, der das, was er ver­kün­det, in sich doch eigent­lich – wie­der: ver­nünf­ti­ger­wei­se – bes­ser weiß oder wenigs­tens bes­ser wis­sen müß­te. Und das ist dann frei­lich noch böser!

Inso­fern der Rech­te das, was er denkt und will, vorm Hin­ter­grund des kate­go­ri­schen Dik­tats der Auf­klä­rung gar nicht wol­len dürf­te, erscheint es um so schä­bi­ger, wenn er den­noch – also wider bes­se­ren Wis­sens, wie unter­stellt wird – mit sei­nen Inten­tio­nen zu wir­ken ver­sucht und nament­lich die Jugend ver­führt, indem er sie vom Ursprung des Guten fern­hält und für sei­ne Zwe­cke instrumentalisiert.

Es anders sehen zu kön­nen, wenn die Lin­ke oder die von ihr mitt­ler­wei­le kul­tu­rell bestimm­te Mit­te es über­haupt woll­te, bedeu­te zwei­er­lei: Zum einen wäre der Mut auf­zu­brin­gen, sich mit der geis­ti­gen Legi­ti­mi­tät von Welt­bil­dern zu beschäf­ti­gen, die die Auf­klä­rung in ihrem Grund­be­stand u. a. anthro­po­lo­gisch kri­ti­sie­ren; zum ande­ren ver­lang­te es den „Anstän­di­gen“ die Hal­tung ab, sich auf einen ech­ten Dis­kurs ein­zu­las­sen, den sie jedoch ver­mei­den wol­len, weil es ihnen wider­strebt, über­haupt die Ursa­chen und Moti­ve eines ande­ren Den­kens gel­ten zu las­sen, dem es sei­ner­seits eben nicht um Unheil geht, son­dern dar­um, den Men­schen davor zu schützen.

Die Nacht­sei­te des Mensch­li­chen, das Unge­heu­re an ihm, die Abgrün­de und Gefah­ren, die in sei­nem Wesen selbst lie­gen, sind der auf­ge­klär­ten Lin­ken wenigs­tens indi­vi­du­ell nicht fremd, aber sie wol­len dies alles gar nicht sehen, weil es nicht in ihr Welt­bild paßt – selbst und gera­de dann nicht, wenn sie das Kains­mal an sich selbst entdecken.

Dort, wo die Lin­ke das Böse wahr­nimmt, sind ihre Reak­ti­ons­mus­ter sim­pel. Ihr bleibt nur die auf­klä­re­ri­sche For­de­rung nach Erzie­hung. Also hebt sie didak­tisch den Zei­ge­fin­ger und ruft: Seht her! Das darf nie wie­der gesche­hen! – Daher bedarf sie immer neu­er Gedenk­stät­ten, län­ge­rer Men­schen­ket­ten und all der Akte von Kerzenhalterei.

Es wird ja sogar so sein, daß wir dem Bösen immer päd­ago­gisch begeg­nen müs­sen, aber um wirk­lich etwas zu bewir­ken, bedürf­te es der Uner­schro­cken­heit genau­er Ana­ly­se des Mensch­li­chen in sei­nem gesam­ten Spek­trum. Indem sie den Men­schen als grund­sätz­lich gut oder nur gut anzu­se­hen bereit ist, ver­säumt es nament­lich die Lin­ke, ihm Gren­zen zu set­zen und läßt ihn fol­ge­rich­tig entgrenzen.

Nament­lich wenn von moder­nem Libe­ra­lis­mus die Rede ist, rufen Autoren gern die „jun­gen urba­nen Schich­ten“ auf, die als Vor­bild für eine Art neu­en Men­schen die­nen: flot­te Any­whe­res, die sich, gebil­det und gut aus­ge­bil­det, als Leis­tungs­trä­ger ver­ste­hen, sich also ihren Hedo­nis­mus ver­dient haben, den sie glück­li­cher­wei­se im Bio- und fai­ren Han­del aus­le­ben, schö­ne und gesun­de Leu­te, die auf eine gefüh­li­ge Art und Wei­se „irgend­wie links“, vor allem aber selbst­ver­ständ­lichst „gegen rechts“ und ethisch wie poli­tisch sehr kor­rekt sind.

Sie wer­den als Gegen­bild zum „Ewig­gest­ri­gen“, zum rech­ten Natio­na­lis­ten und Qua­si­fa­schis­ten auf­ge­ru­fen und gel­ten als der poli­te­vo­lu­tio­när end­lich voll­zo­ge­ne Schritt zum welt­of­fe­nen, tole­ran­ten, durch­weg sich huma­ni­tär ver­ste­hen­den Demo­kra­ten und Euro­pä­er der bun­ten und hip­pen Ber­li­ner Repu­blik, die ins­ge­samt end­lich ihre Leh­ren aus der Ver­gan­gen­heit zog. Die­ser Mensch ohne Abgrün­de wird offen­bar als mus­ter­gül­tig emp­fun­den und stellt das Gegen­bild zum Reak­tio­när dar, der den Men­schen immer noch mit­ten im gro­ßen Dra­ma begreift und mit hob­be­sia­ni­scher Furcht warnt und mahnt.

Es ist bedenk­lich, daß die „Mit­te der Gesell­schaft“ von einem lin­ken Men­schen­bild bestimmt wird, auf des­sen Kon­to nun mal gewal­ti­ge Ver­bre­chen gehen. Der gebil­de­te Teil der Lin­ken weiß das. Er erklärt es selbst mit einer Kan­ti­schen For­mel, mei­nend, der Wil­le immer­hin wäre his­to­risch aber gut gewe­sen, nur eben die Ent­ar­tun­gen und Über­trei­bun­gen nicht. Daher die bekann­ten Redu­zie­run­gen: Lenin noch gut, Sta­lin dann böse. – Nein, es sind die­se Ent­ar­tun­gen und Über­trei­bun­gen, denen immer und über­all Insti­tu­tio­nen im Sin­ne eines Sicher­heits­ma­nage­ments ent­ge­gen­ge­setzt wer­den soll­ten. Genau dies strebt grund­sätz­lich eher die Rech­te als „Reak­ti­on“ an.

Der Streit um den Men­schen, mit­hin um die Anthro­po­lo­gie, endet nie. Die Lin­ke stellt sich der Kri­tik ihres eige­nen Welt­bil­des nicht, sie will Faust ohne Mephis­to­phe­les den­ken und ihre Kri­ti­ker nicht zur Dis­kus­si­on zulas­sen. Den­noch sam­meln wir alle immer neue Erfah­run­gen mit uns und der Gesell­schaft. Je nach die­sen Erfah­run­gen schlug das Pen­del gesell­schaft­li­cher Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Herr­schafts­for­men nach links und rechts aus.

Gefähr­lich sind dabei die Extre­me, denen stets auf­merk­sam vor­ge­beugt wer­den müß­te. Bestimmt nur eine Sei­te, wird das nicht wirk­sam gelingen.

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Kommentare (78)

Grobschlosser

15. November 2019 14:31

re : flotte Anywheres.

kann man ausbremsen .

ich bin da sehr kreativ .

Schopenhauer

15. November 2019 16:13

Zu dem Text gäbe es einiges zu sagen, ich will mich aber auf das besagte Pendel beschränken, das nach rechts und links ausschlägt. Dieses Bild ist mittlerweile völlig veraltet, weil es nur einigermaßen in homogenen Kulturen richtig ist.

Die Bevölkerungsstruktur in Deutschland ist aber - wie jeder weiß - alles andere als homogen Deutsch. In vielen Gegenden sind die Deutschen bereits in der entschiedenen Minderheit! Somit kann es auch keine ausgleichende rechte Gegenschwingung des "Pendels" geben.

Die Frage wird sein, wie sich unsere Heimat, unser Volk vor diesem Hintergrund entwickelt. Ohne Frage steuern wir wohl auf eine Art germanischen Balkan hin. Einen Vielvölkerstaat im Herzen Europas. Damit wäre dann auch eine deutsche Vorherrschaft in Europa, wie insbesondere von den Briten gefürchtet, wieder einmal vom Tisch und die NATO als auch die EU wären obsolet.

Wie das Experiment Jugoslawien ausgegangen ist, dürfte wohl noch jedem in Erinnerung sein.

Caroline Sommerfeld

15. November 2019 17:36

"Insofern der Rechte das, was er denkt und will, vorm Hintergrund des kategorischen Diktats der Aufklärung gar nicht wollen dürfte, erscheint es um so schäbiger, wenn er dennoch – also wider besseren Wissens, wie unterstellt wird – mit seinen Intentionen zu wirken versucht und namentlich die Jugend verführt, indem er sie vom Ursprung des Guten fernhält und für seine Zwecke instrumentalisiert."

Ich glaube, das trifft nicht Kant, auch wenn es gegen eine landläufige oder "Vulgär"-Aufklärungsideologie trefflich ins Feld zu führen ist.
Der Rechte ist genauso Mensch, genauso "aus krummem Holze" wie der Linke. Die "intelligible" Person in ihm ist weder durch linke noch durch rechte Weltanschauungsbestandteile korrumpiert. Kants Annahme ist sozusagen allezeit kontrafaktisch, eine Art induktiver Beweis: weil es vorkommt auf der Welt, daß Menschen gut handeln, ist das Gute möglich. Es könnten also alle Individuen, die mir oder Heino Bosselmann im Leben so über den Weg laufen, böse sein. Es könnten sogar die Linken recht haben mit ihrer fiesen Unterstellung, rechte Menschen seien deshalb besonders böse, weil sie, wären sie gut, aufgeklärte Handlungsmaximen (was immer das in concreto für welche wären) entwickeln würden, und dies aus Verstocktheit des Herzens einfach nicht täten. Völlig egal - das ficht die "intelligible Welt" nicht an. Das "radikale Böse" aus Kants Religionsschrift ist meines Erachtens nichts anderes als eine Neufassung des alten Problems der Verstockung.
Im Alten Testament gibt es stets die Lösung: Verstockte werden für ihr Tun und Lassen zur Rechenschaft gezogen. Darin drückt sich zweierlei aus. Das objektive Faktum des vollbrachten Bösen wiegt schwerer als die mögliche subjektive Unfähigkeit, es zu vermeiden. Und das negative Einwirken Gottes auf einen Menschen enthebt diesen nicht der Verantwortung für sein negatives Tun; ein verstockter Mensch ist nicht etwa von Gott besessen, sondern bleibt im Besitz seiner geistigen und seelischen Kräfte.
Der Verstockungsgedanke führt an den Rand des rational Nachvollziehbaren und theologisch Aussagbaren.
Doch nun kommt Kants subjektphilosophische Neufassung des Gedankens: "Weil die Tiefe des Herzens (der subjektive erste Grund seiner Maximen ihm (dem Menschen, C.S.) selbst unerforschlich ist", muß er durch "eigene Kraftanwendung" da raus, Kant spricht auch von der "Zumutung der Selbstbesserung", und vorerst nur so tun, als ob er wüßte, wohin er sich entwickeln soll. Die Triebfedern dazu lassen sich nicht aus der Moral selber ableiten, dafür braucht es andere Quellen: Gewohnheit, Erziehung, den Schein des "So-tuns-als-ob-man-gut-Wäre", der dann nach und nach in die Gesinnung übergeht, Religionsausübung usw.
Das Böse läßt sich nicht aberziehen, aber die äußere Form läßt sich bearbeiten - doch am Ende nur vom einzelnen Menschen selber (-> "Selbstbesserung"). Das klingt doch schon nicht mehr ganz so "links", nicht wahr?

Pit

15. November 2019 19:22

"Rechts" ist also böse.
Ich schreibe nichts dazu... da, was ich schreibe, offensichtlich zu kontrovers ist, um erträglich zu sein... was für sich genommen bereits sicherlich bemerkenswert ist.

Sehr lustig ist aber: es ist also die Aufklärung, die uns gelehrt hat, inwiefern "rechs" böse ist.
Alles, was ich hier schreibe, geht um: Kopf versus Spüren.

Wenn Aufklärung irgendwas ist, dann Kopf... 😂 :D

(es geht natürlich um ein Gleichgewicht zwischen den beiden, Denken und Spüren... ich bin ganz für die Aufklärung und das sapere aude... es wird aber der Kopf ganz fehlerhaft angewendet... und das Spüren ganz vernachlässigt).

Elvis Pressluft

15. November 2019 20:56

Exzellenter Artikel – der allerdings den (gruseligen) Treppenwitz übrig läßt, daß all das die heutige Blockpartei wußte, als sie sich noch ausdrücklich aus einem christlichen Welt- und Menschenbild herleitete: Der Mensch ist nicht per se gut; jeder Mensch ist potentiell gut, aber potentiell böse. Von dieser Voraussetzung her kann man einerseits Hitler, andererseits Stalin, Pol Pot, Mao et al. zumindest zu verstehen und Konsequenzen zu ziehen versuchen. (Aber da fängt es schon wieder an und endet nie: Jede neue Veröffentlichung zu Hitler scheint sein Rätsel auf seltsame Weise nur zu vertiefen, während die Erforschung der linksextremistischen Verirrung beharrlich rudimentär bleibt.)
Das linke Kartell steht in der Tat vor der Dilemma, alles Rechte einerseits auf eine Handvoll tumber, daueralkoholisierter, schwersttätowierter, glatzköpfiger Schläger reduzieren zu wollen – andererseits darf das nur die halbe Wahrheit sein, sonst könnte man nicht ständig vor der Gefahr warnen, deren – staatlich mit allen Mitteln gefördertes – „Anti“ man sein will. „Unbelehrbar“ aber sind wir alle: Wer lernen und denken kann, ist links; das ist Naturgesetz. Was nicht links, eher schon linksextrem ist, ist per definitionem „nicht mehr zeitgemäß“ – eine nie geschriebene Habilitationsschrift könnte offenlegen (offengelegt haben), wie sich dieses Schema aus dem Vulgärhegelianismus der 68’er (und Früherer) herleitet.
Dazu paßt (vielleicht) eine Meldung von heute: Stegner will gegen Frau Sayn-Wittgenstein Strafantrag wegen „Volksverhetzung“ stellen, denn diese unterstellte den Links-Grünen, Andersdenkende in „Lager“ sperren zu wollen … nun, Linke tun (siehe oben) grundsätzlich nichts Böses. Die Feststellung ist tautologisch bzw. selbstreferentiell. Was aber tun Linke mit der Anomalie, die das Rechte (= Böse) aus ihrer Sicht darstellt – zumal, wenn die Bösen keine Belehrungen empfangen? Ein echtes Problem. Der Strafantrag gewinnt erst einmal Zeit.

Franz Bettinger

15. November 2019 22:54

Das Pendel? In der zur Diktatur verelendenden BRiD muss man vorsichtig sein. Möglicherweise genügt bald schon ein etwas schärferer Ton in der Kommentar-Spalte zu dulden, und man wird verboten. Von physischen Attacken ganz zu schweigen. Von daher verstehe ich auch Kositzas Zensur-Verhalten. Ich bin denen nicht gram, sondern dankbar. So bescheiden sich alles auch noch anfühlt, was wir Rechten auf die Beine stellen: Wo wären wir ohne die AfD, ohne Tichy, Achgut und SiN? Die Linken? Lassen wir sie ruhig plärren, denunzieren und sich über jede Hand auf jedem Knie aufregen. Zerren wir das ständige Foulspiel der Block-Parteien an die Öffentlichkeit, ihre Tricks, ihr Kindergarten-Benehmen und all die Peinlichkeiten von Links bis FDP im Bundestag. Soll sich doch die System-Presse noch mehr Richtung Human-Duselei und Fremden-Freundlichkeit - trotz dramatisch zunehmender Ausländer-Kriminalität - entblöden! Das Pendel muss weit ausschwingen, damit es kraftvoll in die Gegenrichtung schmettern kann. Wer weiß, vielleicht ist all das nötig, damit sich dieses Land von Grund auf ändert und nicht nur an der Oberfläche gekratzt wird.

Gracchus

16. November 2019 01:26

Teilweise gut gesehen, teilweise greift mir die Analyse zu kurz:

1. Der linken Mitte so etwas wie ein konsistente Anthropologie oder Ideologie angedeihen zu lassen, scheint mir ob ihrer intellektuellen Dürftigkeit zu viel der Ehre. Es bringt einen nur um den Verstand, so etwas zu versuchen.

2. Es geht weniger um Anthropologie. Die Linke hat die Diskurshoheit errungen, um den Preis der Trivialisierung. Die Diskurse funktionieren - das konnte man früher von kritischen Linken lernen - wie Trivialromane, in denen die Rollenverteilung von vorneherein feststeht, durchaus einem manichäischen Muster (Mann=böse, Frau=gut, weiss=böse, black=gut etc.) folgend. Wandlungen sind möglich, aber nur von einem Stereotypen in einen anderen. Das (für mich) enttäuschende ist, dass die Linke einst gegen rassistische etc. Stereotype eines rechten Diskurses angegangen ist, nun aber selbst einen solchen stereotypen Diskurs pflegt. Diskurshoheit heisst auch, die Lernlasten verteilen zu dürfen bzw. nicht mehr dazulernen zu müssen.

2. "Sicherheitsmanagment durch Institutionen"? Erleben wir nicht auf breiter Front das Versagen der Institutionen? Der staatlichen Gewalten, der sog 4. Gewalt? Mir scheint, da sollte sich die Rechte - oder die Gehlen-Fraktion - etwas Neues einfallen lassen.

3. Ungewöhnlich heftig zeigt sich aber ein Narzissmus. Ich denke, das ist neu in seiner massenhaften Ausprägung und hängt mit den neuen Medien zusammen, wo das Selbstbild, das man von sich entwirft, mehr zählt, als wie man wirklich ist. Die linksliberale Mitte kann andere Realitäten/ Erfahrungen/ Meinungen nicht einmal mehr wahrnehmen. Wer Kriegsflüchtlinge mit Teddybären empfängt, hat kaum eine Vorstellung von der Realität derjenigen, die da ankommt. Dem Moralismus der linken Mitte geht es nicht in erster Linie um das eigene moralische Selbstbild. Kritik - so sachlich sie sein mag - wird stets als Bedrohung des Selbstbilds aufgefasst. (Deshalb springt man auch so gern auf den Klimazug auf: wieder eine Gelegenheit, das eigene Selbstbild aufzupolieren, die man sich von Skeptikern nicht zunichte machen lassen will.)

Dieser moralische Narzissmus hat mit Aufklärung oder einer irgendwie zu optimistischen Anthropologie wenig zu tun.

Franz Bettinger

16. November 2019 05:28

@Elvis und das Rätsel Hitler: Solange man über das Dritte Reich und die Weltkriege lügt und wohl lügen muss, wird Adolf Hitler ein Faszinosum bleiben. Er bleibt einem also erhalten. A-priori-Wahrheiten sind immer falsch (gewesen), ob es sich nun um Gott oder Teufel, Hexen oder das Klima oder um Rechts handelt. Vorurteilsfreie Forschung und sachliche Aufklärung ist nötig, immer.

Franz Bettinger

16. November 2019 05:37

Was @Kant angeht, sieht man an seinem Diktum zum Bösen (das 'den guten Maximen‘ widerspricht, als ob die so klar auf der Hand lägen) wie sehr sich auch ein Kluger irren kann! Kants Irrung erinnert an Brecht’s Spruch „Wie kommt die Dummheit in die Intelligenz?“ egal, wie und was Brecht damit gemeint hat. (Denn auch er hat geirrt.) Natürlich ist der Mensch an sich gut, wie Kant konzediert. Wieso? Weil die Natur gut ist, und der Mensch zur Natur gehört. Er ist ein Tier. Sogar Kant erkennt im Menschen eine biologische "Anlage zur Tierheit". Immerhin gut voraus geahnt! Kant kannte ja damals noch nicht die Vergleichende Anatomie, Histologie, Zytologie, Genetik etc. Da aber alles zur Natur (Gottes?) gehört, ist alles gut. Dann aber bräuchte man nicht die Begriffe gut und böse. Wieso gibt's sie dennoch? Weil sie für bestimmte Menschen nützlich sind. Für den Papst und für den Kaiser zum Bleistift. Gut und bös sind Erfindungen, ja! Ach, jetzt hör ich auf. Führt eh zu nix mit so vielen Philosophen, Theologen und Christen an Bord - und kaum (wissenschaftlichen) Materialisten.

Nein, Leute, es ist nicht nötig mich wegen meiner Häresie abzustrafen, ich bin schon zerknirscht genug. Lasst mich einfach spielen und hin und wieder auf eure Sandburgen tappen, ich mein’s nicht bös. Irgendwer muss ja für mich verantwortlich sein. Der Schöpfer Gott? Mein Schutzengel, der Alleswisser und Witzbold? Oder gar sein Gegenteil, der Lichtträger? Welch ein Name für den Typ! Klingt gar nicht negativ konnotiert. Wie kann es sein, trotz des fehlenden göttlichen Funkens in mir, dass ich von innen und außen betrachtet als ein guter und verantwortungsvoller Mensch erscheine. Ha, der Schein, der Schelm, der Funke, das Licht und leider auch das Kainsmal! Die Natur mal wieder! Nein, alles ist gut. Ok, @Martini, außer den Amerikanern! "Ist's die späte Stunde?" Nein, Verehrteste, es ist der Wein. „Er nennt’s Vernunft und braucht’s allein, tierischer als jedes Tier zu sein.“ Voilà, Mephisto: https://www.youtube.com/watch?time_continue=66&v=VUvTDhnU4rM&feature=emb_logo

Franz Bettinger

16. November 2019 05:43

@Herr Bosselmann: "Also hebt die Linke didaktisch den Finger und ruft: Seht her! Das darf nie wieder geschehen!“ Was denn? Was darf nie wieder geschehen? Butter bei die Fisch! muss man fordern gegen das linksgrüne Geschwafel. Außerdem geschieht leider gerade genau das wieder, wovor die Elitioten so warnen: Die Zivilgesellschaft hat sich ermächtigt, die Zivilgesellschaft lässt einmarschieren und aufmarschieren, der Saalschutz marschiert auf, und der Zivilgesellschaftsschutz spioniert uns alle aus. Die Zivilgesellschaft lässt sperren und einsperren. Sie lässt entlassen und fertig machen, Sachen und Personen. Sie lässt Menschenketten bilden; karrt ihre Schlägerbanden zu 'Gegen-Demos' (übersetzt mit: „Gegen das Volk“), die Zivilgesellschaft warnt „Kauft nicht bei denen, verratet sie, schließt sie und liefert sie aus! Schließt sie von allem Schönen aus: weg mit denen aus den Theatern, den Gaststätten, Versammlungs-Räumen, öffentlichen Parks. Macht sie arbeitslos, mobbt sie zu Tode, und ihre Kinder. Verhängt Sippenhaft! Die Zivilgesellschaft reanimiert bald auch den Rest der Nürnberger Gesetze "im Namen des Guten und der Menschlichkeit". Merkt’s einer?

In gewisser Weise jedoch hält Merkel den Deutschen den Spiegel vor. Was ich darin sehe, ist hässlich, wegschauend, wegduckend und selbstsüchtig. Sind das wirklich wir, die Deutschen? Ich fürchte fast ja. Die Besten sind weg und kommen nie wieder. Was für eine Farce!

Gustav

16. November 2019 08:27

....sie machen es allesamt wie die Weiblein, alle diese großen Schwärmer und Wundertiere — sie halten die »schönen Gefühle« bereits für Argumente, den »gehobenen Busen« für einen Blasebalg der Gottheit, die Überzeugung für ein Kriterium der Wahrheit. Zuletzt hat noch Kant, in »deutscher« Unschuld, diese Form der Korruption, diesen Mangel an intellektuellem Gewissen unter dem Begriff »praktische Vernunft« zu verwissenschaftlichen versucht: er erfand eigens eine Vernunft dafür, in welchem Falle man sich nicht um die Vernunft zu kümmern habe, nämlich wenn die Moral, wenn die erhabne Forderung »du sollst« laut wird. Erwägt man, daß bei fast allen Völkern der Philosoph nur die Weiterentwicklung des priesterlichen Typus ist, so überrascht dieses Erbstück des Priesters, die Falschmünzerei vor sich selbst, nicht mehr. Wenn man heilige Aufgaben hat, zum Beispiel die Menschen zu bessern, zu retten, zu erlösen — wenn man die Gott­heit im Busen trägt, Mundstück jenseitiger Imperative ist, so steht man mit einer solchen Mission bereits außerhalb aller bloß verstandesmäßigen Wertungen — selbst schon geheiligt durch eine solche Aufgabe, selbst schon der Typus einer höheren Ordnung! .. . Was geht einen Priester die Wissenschaft an! Er steht zu hoch dafür! — Und der Priester hat bisher geherrscht'. — Er bestimmte den Begriff »wahr« und »unwahr«!...

Friedrich Nietzsche: DER ANTICHRIST

Vox

16. November 2019 09:53

Was genau ist "rechts"?

Selbst die linken Propagandamedien haben bislang keine stringente Definition geliefert, sondern die Begriffe nur in ausländerfeindlichen oder nationalsozialistischen Zusammenhängen benutzt, um so einen pawlowschen Reflex beim schlichten Propagandakonsumenten einzudressieren, was beim Großteil der Propagandakonsumenten auch zum Erfolg geführt hat.

Doch wer könnte "rechts" besser definieren als Rechte selbst?

"Rechts" bedeutet: Für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Im Gegensatz zu links.

Und was genau bedeutet "rechtsextrem"? Der Duden beschreibt "extrem" mit "äußerst", "sehr". Wenn man es also sprachlich genau nimmt, bedeutet "rechtsextrem" nichts anderes als: Äußerst, sehr für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Im extremen Gegensatz zu links. Wer jetzt in Schnappatmung verfällt, kann sehen, wie weit bei ihm die staatlich linke Propaganda und Dressur erfolgreich ist.

Nationalsozialisten waren im Übrigen entgegen aller medialer Propaganda und Dressur, wie alle Sozialisten, u.a. nach eigenen Bekundungen, links. Echte Rechte können der mittlerweile abgegriffenen Forderung "Nazis raus" uneingeschränkt zustimmen und an Linke richten. Keine Schmach für den Feind ist größer, als mit den eigenen Waffen geschlagen zu werden.

Franz Bettinger

16. November 2019 10:59

@Vox meint: "Rechts bedeutet: Für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sein. Im Gegensatz zu links.“ Aber nein! F, D und R beanspruchen die Linken doch auch für sich. Das ist eben nicht das Gelbe vom Rechten Ei. Auch wenn ich euch mit meinen Wiederholungen langweile: Rechts ist die Pflege und Verteidigung des Eigenen. Das Eigene! Nichts anderes! Alle anderen Merkmale von Rechts ergeben sich daraus. Diese Definition nämlich können sich die Linken nicht auf ihre Fahne schreiben. Linkssein ist das Gegenteil. Linkssein ist das Eigene herabsetzen bis hin zur Einebnung. Links sein ist Gleichmacherei. Ich halte es für eminent wichtig, den Kern des Rechts-Seins zu verstehen und in der Debatte einzusetzen. Im Englischen benutze ich übrigens für Rechte die Worte „the right-minded and right-winged people“, was oft zu einem Augenaufreißen, einem Aha-Erlebnis führt. Wir müssen selbst wissen und selbst definieren, was wir sind und sein wollen, Rechte!

Laurenz

16. November 2019 11:55

@Herrn Bosselmann .... Sind die Eltern Kants, beide aus Handwerker-Familien entstammend, einer Gesellschaft nicht viel nützlicher gewesen als jeder Philosoph, der nichts produziert?

Wie auch im Islam oder der Kirche hielten sich die Fürsten der Aufklärung "Gelehrte", um ihre Entscheidung zur Machtübernahme theologisch oder intellektuell begründen zu lassen. Aber, wie wir am jüngeren Zeitgenossen (Kants) Goethe feststellen können, war dieser, trotz privilegierter gesellschaftlicher Position nicht gerade glücklich mit seinem neuen Souverän (dem Fürsten), auch wenn dieser mehr Denk-Freiheit gewährte, als die totalitäre Kirche vormals.

Nach den linken Vorstellungen unseres Mit-Foristen @Imagine können wir doch, wie in der Kirche, jegliche Geistes- und auch sonstige Wissenschaft einstellen. In einer konstruierten Wahrheit, sind neue Erkenntnisse doch gar nicht mehr vonnöten und Frau Sommerfeld kann nachhause gehen, denn die System-Gelehrten, am Tropf des Souveräns hängend, produzieren doch eh nur Bestätigungen des Konstrukts.

Ist es das nicht, was Thilo Sarrazin am Islam kritisiert? Den geistigen Stillstand?
Wir hatten, durch das orientalische Christentum, dem Islam gleichend, über tausend Jahre geistigen Stillstand. Sarrazin spricht also aus historischer Erfahrung heraus.

Selbst der sich selbst kasteiende Guido Knopp, als das Sinnbild des historisch Publizierbaren, ist doch bald überflüssig, da selbst sein schmaler Denk-Korridor zu einem Nadelöhr verkommt, durch das kein Kamel mehr geht.

Aktuell ist nur "rechts" böse, aber wir brauchen nicht lange zu warten, bis ein kluger Neo-Stalin aufkreuzt, der auch unter den Links-Abweichlern rigide aufräumen wird.
Was die Linke nie lernen wird, ist der alternativlose didaktische Zusammenbruch des eigenen asozialen Konstrukts, denn das linke Konstrukt lebt immer von der Produktivität der Nicht-Linken. Wenn es aber zukünftig keine Nicht-Linken mehr gibt, dann war's das.

Zivilisationen leben also immer vom Umverteilen und sie zerfallen dann, wenn es nichts mehr umzuverteilen gibt.

zeitschnur

16. November 2019 12:56

Zunächst zum Kant-Zitat:
Das klingt doch ganz danach, dass Kant hier ein Paradoxon aufzeigt: Wenn das Böse im Menschen grundgelegt ist als "radikal" zu verstehendes, als an der Wurzel aller möglichen Maximenbildung wirkendes, sind gewissermaßen alle Maximen zum Guten, nach dem der Mensch auch strebt, kontaminiert und heben es wieder auf.
An anderer Stelle sagt Kant deshalb folgerichtig: "Gut ist alleine der gute Wille", denn jede Realisation des Gutgewollten ist radikal vom Bösen kontaminiert.
Die Frage ist danach, wie der Mensch, der doch nach dem Guten strebt oder es zumindest herbeisehnt, diese Wurzelkontamination überschreiten kann, um die Welt einigermaßen erträglich zu gestalten. Dass eine Überschreitung möglich sein muss, liest Kant an der Tatsache ab, dass jene ja tatsächlich immer wieder faktisch, aber leider nur punktuell stattfindet. Der Mensch hat ebenso tatsächlich eine Wahlfreiheit und es wäre verfehlt zu behaupten, alle seine Regungen wären bereits determiniert. Jeder von uns weiß, dass wir in jedem Moment vor Wahlmöglichkeiten stehen und sie - ob wir wollen oder nicht - frei entscheiden müssen. Auch die Fremdbestimmung ist demnach eine frei erfolgte Wahl, und niemand kann diese Entscheidung dem anlasten, der sie ihm abverlangte oder auch nur erschlich. Daher nennt Kant auch die faktische Unmündigkeit „selbstverschuldet“.
Dazu ist zunächst zu bemerken, dass diese Idee Kants sogar sehr christlich ist, jedenfalls in diesem Detail keine Reibung zur christlichen Doktrin beinhaltet.
Zweitens verstehe ich den Zusammenhang zur Manichäisierung des Politischen, wie es in unseren Tagen seitens der Linken und Grünen postmoderner Ausprägung geschieht, nicht.
Man kann natürlich sagen: Was bei Kant als Unerklärlichkeit, als "perversitas" des Guten angelegt ist hinsichtlich des Bösen, was der neuplatonischen Ansicht, das Böse sei nicht etwas an sich selbst, sondern Abwesenheit des Guten ähnelt, ist dem heutigen Linksgrünen die intellektuelle Rechte ebenso, aber ohne Begriff vom Guten - und das ist der Unterschied. Die Rechte wird diffamiert, dämonisiert, verhetzt, verleumdet, aber stets ohne tragfähige Begriffe. Was sie wirklich denkt und tut und macht ist doch völlig aus dem Blick. Was man als "rechts" klassifiziert, sind Vorurteile und böswillige Hexenbilder, Ausgeburten linksgrüner mentaler Verfassung. Nicht selten treffen sie auf die Linksgrünen selbst eher zu als auf die verleumdete Rechte. Keiner von diesen Pappnasen hat doch je einmal ein rechtsintellektuelles Buch gelesen oder wüsste auch nur annähernd, was in dieser Szene diskutiert wird. Die meisten Linksgrünen sind heute so verbildet, dass sie dem, was sie als „rechts“ ansehen, schlicht und einfach geistig nicht mehr folgen können: sie verstehen nur Bahnhof. Hinzukommt, dass auch der eigene Begriff eines Guten auf linksgrüner Seite nicht nur rudimentär, sondern auch vulgär und populistisch ist, keiner philosophischen Prüfung standhalten würde und sie daher auch intellektuell inzwischen in einem wahren Geistespfuhl hängen, angesichts dessen jede gutherzige ungebildete Drittweltfrau ihnen ethisch haushoch überlegen ist und vermutlich intelligentere Argumente hat als dieser aufgeblasene Verein deutschen Schwachsinns. Die Rechte wird als Popanz des pervertierten Guten aufgebaut, aber die Linksgrünen haben faktisch auch keinen Begriff des Guten. Es ist geradezu surreal, was sich hier abspielt und kann sich ganz gewiss nicht auf Kant berufen, gerade auf ihn GAR NICHT! Sie sind geistig am Ende und hassen darum alles und jeden, der noch so etwas wie geistige Substanz hat. Ich denke zwar, dass auf der Rechten auch sehr viele Dumpfbacken unterwegs sind, aber dennoch ist deutlich erkennbar, dass inzwischen alles, was in Deutschland überhaupt noch unabhängig denken kann, sich inzwischen in der von der Gegenseite breit verleumdeten Rechten sammelt (selbst Wagenknecht wird ja als rechtsoffen verschrien). Wenn der linksgrüne Spuk vorbei ist, wird sich diese "Rechte" auch wieder deutlich segmentieren in die verschiedenen Denkrichtungen und dann einen hoffentlich endlich wieder niveauvollen Diskurs fortsetzen, den es ja durchaus einmal gab!

zeitschnur

16. November 2019 13:32

@ Caroline Sommerfeld

Mich haben die biblischen Szenen, in denen "Gott des Herz verstockte" immer zutiefst irritiert. ZB heißt es das vom Pharao, nachdem er die Israeliten immer wieder mit leeren Versprechungen an der Nase herumgeführt hatte. Irgendwann dann verstockte der Herr sein Herz und er hatte keine Wahlfreiheit mehr und MUSSTE nun böse handeln. So jedenfalls kam es bei mir an. Auch Judas oder auch der "filius perditionis", der am Ende der Zeiten kommt, sind menschliche Gestalten, die kommen MÜSSEN, also solche Verstockten sind. Dennoch haben sie vor Gott keine Entschuldigung.

Der erste Einwurf meinerseits wäre hier, dass all diese Szenen von den Autoren erst lange nachdem es geschehen ist, so beurteilt werden — bis auf die vom Antichristen. Man kann also aktuell niemals wissen, ob ein anderer „für immer“ verstockt ist iS von "dem Bösen verfallen (aus eigener Schuld)". Erst die Frucht zeigt, was da heranreifte (dazu passend Jesu Warnung im Gleichnis vom Unkraut und vom Weizen). Das Gericht darüber hält nicht der Mensch!
Der zweite wäre dementsprechend, dass die Linke mit ihrer Manichäisierung der Welt ja eben genau das selbst tut, was sie ihren herbeigefluchten Feinden vorwirft: sie manichäisiert die Welt und maßt sich ein gottrichterliches Urteil an über den Feind, den sie nicht mehr zu begreifen versucht und nicht begreift, weil sie sich selbst für erhaben hält für den Diskurs mit ihnen. Genauso wie der Pharao Mose entgegenschleudert, als der um die Erlaubnis bittet, mit dem Volk in die Wüste zu ziehen, um dort dem Gott der Hebräer zu huldigen: "Kenn ich nicht, diesen Gott!" Es genügt schlicht, dass er ihn nicht kennt, um ihn abzulehnen. Das heißt: er WILL ihn nicht kennen, und das ist eine selbstverantwortete Entscheidung, die Gott ernstnimmt.
Die Verstockung besteht in der Verweigerung zur Freiheit möglicher Erkenntnis.
Die Bildsprache davon, dass irgendwann Gott selbst das Herz eines solchen verstockt, bedeutet mE eine psychologische Erfahrung: wenn man sich tief genug verhärtet hat (selbstverschuldet), die Anrufe Gottes an das Herz immer wieder verweigert, bewusst und kaltblütig, dann wird es irgendwann keinen Anruf Gottes mehr geben. Das heißt, dass der Verstockte irgendwann - seinem eigenen Wunsch entsprechend - von Gott und damit dem Guten in Ruhe gelassen wird. Vielleicht ist das auch die "Sünde wider den Hl. Geist".
Es sind schauerliche Vorgänge, nicht?
Wer vermag sie so einfach bei einem anderen zu beurteilen?
Und wer möchte dem anderen wünschen, dass es so steht?
Die Linke unserer Tage tut etwas, was niemals geschehen dürfte: sie verflucht die Rechte, sie hat einen Hexenwahn ausgelöst, und genau das wird sie selbst nicht überleben, denn "was der Mensch sät" das "erntet er" am Ende selbst.
Dem Christ bleibt nur, dem Impuls zum Zurückfluchen zu widerstehen und trotzdem den Diskurs zu suchen. Was andere Rechte angesichts der Lage machen, also solche, die nicht christlich sind, weiß ich nicht. Sie haben da gewissermaßen keine wirksamen und v.a. keine heilsamen Möglichkeiten mehr, denn die Linke entreißt ihnen tatsächlich alles, was gut wäre. Wenn sie nicht selbst aggressiv werden, werden sie bitter. Das ist ein Dilemma.

heinrichbrueck

16. November 2019 14:26

Die Linke geht doch von der Gleichheit der Menschen aus. Wie kann jemand herrschen, der so denkt, dessen Fundament und Ausgangspunkt eine Lüge ist? Wie kann überhaupt jemand politisch denken, wenn die Moral das Wortgeschehen führt? Diese Handlanger einer verdrehten Moral, sie können die Guten spielen, sie können ihr Lügengebäude in den Himmel bauen, können sie aber auch gewinnen?
In der Politik müssen Entscheidungen getroffen werden, die in der Realität töten. In der Historie war die Rechte nie böse genug, jedenfalls im Vergleich. Der Feind ist böse. Was ist denn mit dem menschlichen Verstand politisch zu erreichen? Wenn wir schon alle menscheln, Sicherungsinstitutionen einrichten wollen, wer soll dann der Institutionsbetreiber sein? Vom Regen in die Traufe, nur mit dem Unterschied, Institutionen können auch den Feind schützen. Wo der Feind strukturell unsichtbar ist, ist die Erkennung durch das Denken kein Beweis, schließlich gibt es Interpretationsspielräume.
Das Private ist politisch, aber es denkt nicht politisch. Wird Europa gegen die Wand gefahren, in Deutschland haben sie dieses Ziel, kann die Linke wegen ihrer Tätigkeiten für schuldig befunden werden? Ist Deutschland dann schuld?
Was ist jetzt Wahrheit? In Berlin wird falsch geherrscht? Herrscht die Rechte? Mit dem Verstand eine Pseudowahrheit erkennen, aufgrund irgendwelcher Erkenntnisse, ist nicht die ganze Wahrheit. Politische Wahrheit ist befreit von moralischer Argumentation. An der Grenze darf geschossen werden.

Heino Bosselmann

16. November 2019 14:55

@Zeitschnur:

Sie sind – wie stets – genau am Thema. Ich zeichne - abseits von allem Klugen und Richtigen, das Sie Ihrerseits notierten - hier einen Gedanken noch einmal nach, den ich meinrseits oben nicht deutlich genug faßte:

Die linksgrünen Leitlinienbestimmer sehen in konservativen oder rechten Einwendern böse Demagogen, die perfide agieren. Perfide in der Weise, daß sie wider besseres Wissens wirken oder wenigstens nicht dem dringlich gebotenen Erfordernis folgen, ihre Haltung zu revidieren. Darin liegt ihre vermeintliche tiefe Schuld und Schädlichkeit. Es ist ihnen, den politisch korrekten Richtungsweisern, offenbar gar nicht vorstellbar, daß Konservative und Rechte aus Überzeugungen handeln, die sich ihrerseits erarbeitet oder kraft Erfahrung erworben haben und die sie bewußt jenseits der vorgeschriebenen Linie vertreten. Gerade weil eine solche Überzeugung den offiziellen politischen Deutungsbehörden und den ihnen zugeschalteten Medien überhaupt nicht in das Spektrum des Denkbaren paßt, findet eben der offene Diskurs nicht statt, den ich für interessant hielte, gerade wenn er nicht nur um ein allgemeines Bekenntnis geführt würde, sondern ums jeweils Konkrete, etwa darum, welche dringlichen Korrekturen in der Bildungspolitik stattfinden müßten, um zu gewährleisten, daß die Schule den wissenden und urteilskräftigen Absolventen zum Ziel hat. -

Wahrheitssucher

16. November 2019 15:04

@Vox

Ihre Definition von „rechts“, es bedeute „Für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ ist nicht wirklich besonders aussagekräftig.
Dann könnte sich doch ein fast jeder als „rechts“ fühlen...

Als Empfehlung das Beste zum Thema nach meinem Wissensstand: Die „Streitschrift“ des leider zu früh verstorbenen Norbert Borrmann „Warum rechts? Vom Wagnis, rechts zu sein“ aus dem Jahre 2011.

zeitschnur

16. November 2019 15:18

Lieber @ Franz Bettinger

Ihre freiwillige Selbstvertierung führt schnurgerade in dasselbe Selbstmitleid, in dem sich die postmoderne Grünlinke wälzt.
Die Überschneidungen des Menschen mit dem Tier hat nicht erst eine arrogante und darum defizitäre "Naturwissenschaft" des 19. Jh "entdeckt" - davon sprach schon Thomas von Aquin, davon sprachen sie alle, Pascal, Kant selbst ja auch, stehen wir also aus dem Schweinekoben des verlorenen Sohns auf und bemerken wir verwundert, dass wir auf zwei Beinen gehen, sprechen und debattieren können. Zeigen Sie mir das Tier, das das tut!
Der feine Unterschied ist der: der Mensch ist aus Erde geformt, von Gott selbst und ohne Mittler. Nur vom Menschen heißt es, dass er Gott ähnelt und seinen Odem eingeblasen bekam. Alle anderen irdischen Wesen sind auch aus Erde, aber sie wurden vermittelt auf Gottes Befehl hin von der erde und vom Meer selbst hervorgebracht.

Versuchen Sie, konsequent zu denken: Diese desaströse mentale Verrohung, die wir erleben, hängt ganz ursächlich mit einem vertierten Selbstbild des Menschen zusammen. Sähe man in sich selbst und im anderen (jedem!) Gottes Bild, hätte man mehr Hemmungen, sich derart gehenzulassen, wie es nicht nur aufseiten der Linskgrünen geschieht. Das selbstvertierende Selbstbild ist im Ansatz kriminell, denn es rechtfertigt all das und will die Wahlfreiheit zum Guten oder Bösen aufheben. Letzteres ist der Ausgangspunkt aller kriminellen Geistesverfassung. Sie wandeln auf einem schmalen Grad, verehrter Franz Bettinger und sehen es nicht, denn ich nehme Ihnen Ihre Unbefangenheit durchaus ab.
Mir ist bewusst, dass die gnostische Verteufelung der animalischen Anlagen des Menschen, ja, ihre Abspaltung vom Geistkörper eine Gegenbewegung hervorrufen musste, die den Leib überbewerten würde. Vielleicht ist das ja Ihr tieferes Motiv für die provokative Position inmitten von "Philosophen, Theologen und Christen". Ich verstehe das, wenn es so ist. Nur: als P, T und C gesprochen ist dieser unser animalischer Leib gottgeformtes Bild ... desselben Gottes, von dem wir auch den Odem haben. Erst dann erhält der Leib seine glanzvollen Ursprung und mit ihm übrigens auch das Fleisch der Tiere. Das darf nicht mit Sentimentalität und "Tierliebe" verwechselt werden.
Aber das Tierbild der Materialisten wird auch dem Tier nicht gerecht.

quarz

16. November 2019 15:18

@Bettinger

"A-priori-Wahrheiten sind immer falsch ... Natürlich ist der Mensch an sich gut ... Wieso? Weil die Natur gut ist, und der Mensch zur Natur gehört."

Also ich war neulich mit dem Gutometer in der Natur. Hat nichts angezeigt!

Balvenie

16. November 2019 16:19

Ist der Mensch von Natur aus gut oder böse? Was ist gut? Was ist richtig, das linke (sozialistische) oder rechte (konservative) Menschen- und Weltbild? Fragen, deren Beantwortungsversuche oft mit intellektueller Überheblichkeit oder mit schlichter Moralisiererei betrieben werden, und dadurch oft zu Ab- und Ausgrenzungen verführen. Denken muss offen, muss objektiv bleiben! Ein gesunder Menschenverstand und sein Gebrauch sollte das Ziel aller Erziehung sein.

Laurenz

16. November 2019 17:47

@zeitschnur .... ich erachte besagtes Zitat von Kant als falsch. Und Sie haben Recht, Gut und Böse sind nur eine Frage des eingenommenen Standpunkts und daher grundsätzlich subjektiv, und auf die aktuelle politische Situation bezogen, ging die Polarisierung und klandestine Übernahme des Staates von der Linken aus. Die sich immer mehr steigernde Polarisierung ist deswegen tatsächlich christlich abrahamitisch, weil diese Religionen, einschließlich des Marxismus, den Auszugrenzenden, den Bösen brauchen, um sich von ihm zu unterscheiden, etwas anderes hat die Linke nicht. Linker politischer Inhalt sind nur wir.

Da wir Rechten, zumindest die meisten, wissen, was in der Weimarer Zeit schief gelaufen ist, sind wir es, die der Eskalation der politischen Eskalation die Stirn bieten. Aber zumindest verbal, haben wir noch Luft nach oben.

Ein echter Philosoph würde sich nie wagen, Standpunkte und Haltung festzulegen. Demnach war Kant keine echter Philosoph, weil er seine subjektive Haltung nicht kenntlich machte. Er war eben auch nur ein Werbeträger seines Souveräns.

Pit

16. November 2019 18:41

"Das Böse" in philosophischer Betrachtung: hab´s ehrlichgesagt bis heute nicht wirklich kapiert... habe es, und tue es vielleicht immer noch, für relgiösen Unfug, Mißverstehen, oder bewußte Irreführung (ähnlich Teufel, Hölle), also Kindermärchen, gehalten.
Eine Sache, die ich verstehen kann, ist: Machtkampf. Da scheint mir nun, beim Machtkampf, daß eben der Brutalste gewinnt. Dazu darf man vor nichts zurückschrecken. So sind dann eben auch Dinge notwendig, die allen Instinkten widersprechen (Frauen, Kinder...). Aber es ist ganz rational nachvollziehbar; nur halt weit außerhalb des Üblichen.
Eher schon metaphysisch böse, also als eigene Kategorie, da nicht logisch herleitbar, wäre: Quälen ohne Grund. Mag es auch geben. Aber insgesamt wohl nicht allzu viel.
Bez. Machtkampf: ist es denn vorstellbar, daß man mit dem Machtkampf aufhört? Es steht ja doch nur der als Verlierer da, der nicht das letzte Register auch noch gezogen hat (genau Soros-Argumentation: wenn ich´s nicht tu, heißt das ja nicht, daß es nicht passiert: es macht dann halt nur ein Anderer, der weniger Skrupel hat. Ergo kann ich´s gleich selber machen, sonst bin ich nur der Verlierer). Insofern: ich weiß es nicht. Muß man also mit dem ewigen Bestehen äußerster Gewalt rechnen? Möglicherweise, scheint mir gut vorstellbar. Gibt es also eine Lösung? Ich weiß es nicht. Vielleicht ist die Lösung ein Gleichgewicht, in welchem willkürlich viele Menschen ermordet werden, aber logischerweise immer genügend überleben, da der jeweilige Machthaber ja Subjekte braucht.

Dies ist also alles unerträglich und sinnlos. Das bringt mich zu einer anderen philosophischen Spekulation, dem Solipsismus: es wäre also alles nur eine Projektion unseres Inneren in ein Äußeres; alles nur eine Produktion unserer Phantasie. Auf diese Idee komme ich aus folgendem Grund: wenn ich in mich hineinspüre, so finde ich da, genau wie Kant: eigentlich nur das Gute (das unerklärliche moralische Gesetz in mir). Insofern sollte es so etwas wie grenzenlose Grausamkeit nicht geben. Also könnte es sich dabei einfach um eine Phantasie handeln... ein Durchspielen von Möglichkeiten, Ängsten, in der Phantasie... alles irreal.
Ein weiterer Aspekt ist das Problem der Langeweile: wie würde denn eine befriedete Welt aussehen? Kants ewiger (Friedhofs)Frieden. Bringt mich wieder zu der solipsistischen Annahme, daß das alles ein Spiel, eine Inszenierung ist, um mich zu unterhalten... Entertainment gegen die Langeweile (zu diesen Fragen wollen ja anscheinend die Anthroposophen mit der Geisteswissenschaft Wesentliches beitragen... soll mir recht sein...).

Und nun also doch noch zum Aktuellen: die linke Position ist mir natürlich durchaus nachvollziehbar: wie kannst du einen Menschen wegen seines Aussehens ablehnen, wie oberflächlich, wir sind offen, herzlich, annehmend, nicht trennend, ablehnend. Offensichtlich kann sich ja selbst die Mehrheit des konservativen Lagers dem nicht entziehen und hat beständig ein schleichendes schlechtes Gewissen wegen ihrer Haltungen. Das Interessante, Überraschende, Seltsame ist aber nun: wenn man die linke gute Moral in die Realität umsetzt, ist das Ergebnis anders als man erwartet hat. Der Kopf hat´s unwiderleglich ausgerechnet... und ei guckenu, die Realität kommt doch anders raus: zur Überraschung aller wollen die Menschen eben NICHT zusammenleben. Sie scheiden sich in Gruppen. Die Identität dieser Gruppen basiert auf... Aussehen... gemeinsamer Herkunft, geteilter Gene, Biologie... irgendsowas. Der Kopf mit seinen Berechnungen ist eben nicht unfehlbar, und wenn es noch so überzeugend erschien. Es ist einfach eine Sache von Lebenspraxis, schrittweise vorzugehen: Versuch und Irrtum. Das ist Pragmatik, statt Ideologie; etwas erfahren statt es schlau ausgerechnet zu haben.

Die Linken, Guten, machen es also FALSCH. Das muß endlich einmal klar herausanalysiert werden, ein für allemal: was schön klingt, gute Absichten, kann nicht bereits verbindlich sein! Ihre Moral ist falsch! Erst was sich in der Praxis bewährt, ist richtig!

Die Rechte soll endlich aufhören, sich insgeheim für ihre Positionen zu schämen. Offenheit und Menschenfreundlichkeit ist gut, aber wir bilden unsere eigene Gruppe, wie jeder andere: das ist nicht böse! Diese Moral muß endlich verstanden und offensiv vertreten werden.

Gracchus

16. November 2019 22:43

Ich finde:

1. Kant ist immer noch ein Leitgestirn. Man sollte ihn ruhig lesen. Und gleich noch seinen Antipoden Hamann. Aufklärung halte ich wichtiger denn je, natürlich eine selbstreflexive Aufklärung, die ihre Dialektik kennt und sich die romantische Kritik zu Herzen nimmt.

2. Die Linke hat die Aufklärung so wenig gepachtet wie Demokratie. Demokratie und Aufklärung sind kein Besitz, das ist ein fataler Irrtum. Deshalb ist die Linke so denkfaul (geworden). Was Bosselmann meint, was ich aber nie dem guten Kant anlasten würde, lässt sich an einer Anekdote verdeutlichen: In einer 4-Runde erwähnte ich ohne Provokationslust, dass ich in manchen Punkten konservativ sei, so sei ich nicht für die Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare. Der Muslim in der Runde pflichtete mir bei. Von der "liberalen Mitte" bekam aber nur ich heftiges Contra, so nach dem Motto, ich müsse es ja besser wissen. Was der Muslim natürlich gecheckt hat, worauf er sich über die herablassende Art beschwert hat.

3. Nochmals zu den Institutionen, die m. E. versagen und somit gerade ihre Sicherungsfunktion nicht erfüllen, d. h. noch schlimmer: Gefahren abwehren, wo keine sind. Das ist ihrer Trägheit geschuldet. Weil sie ja ein Stückweit der Realität entzogen sind, können sie neue Situationen anscheinend schlecht adaptieren. Natürlich ist hierfür auch die deutsche Staatsräson des "Nie wieder" mitursächlich, die den Feind mehr im Inneren sucht, als trage jeder Deutsche eine Nazi-Bestie in sich. Paradoxerweise stiftet diese Suggestion so etwas wie eine (negative) deutsche Identität, wie ja schon vielfach bemerkt worden ist.

4. Angesichts des institutionellen Versagens schwenke ich derzeit die liberale Fahne gegen einen gemästeten Wohlfahrtsstaat.. Das Leben eines durchschnittlichen Deutschen spielt sich spätestens ab dem 3. Lebensjahr in (semi-)staatlichen Institutionen ab, Kindergarten, Schule - und dann obendrein ggf. noch Uni, die sich infolge Bologna stark verschult hat. Wo bleibt denn da bitte sehr das abenteuerliche Herz? Vielleicht ist die Migrationspolitik ja eine geheime Volte gegen das institutionalisierte Leben? Früher hätte man vielleicht Kriege angezettelt ... um eine Stunde Null herbeizuführen.

5. Dass die Linke ihre Gegner dämonisiert, ist ein grobes Faul. Solche metaphysischen Kategorien sollten nur sehr dosiert, falls überhaupt, im politischen Bereich angewendet werden, auch wenn die Weltgeschichte das Weltgericht ist, können wir deren Urteil nicht vorwegnehmen.

Franz Bettinger

16. November 2019 23:47

@zeitschnur: Kein Selbstmitleid. Stolz und Freude! Sie achten mir das Tier zu wenig, auch das Tier in uns! Sie sollten es mal kennenlernen. Eine herrliche Kreatur! Natürlich müssen Sie die Naturwissenschaften als arrogant empfinden, weil sie davon kaum Ahnung haben. Weil jene ohne Seele, ohne Moral (dafür Motivation) und ohne geistigen Humbug auskommen (müssen) und größte Erfolge feiern, während die Philosophen immer noch um Aristocats und Kant herumtanzen und nicht von der Stelle kommen. Wenn Sie hochtrabend schreiben: „Stehen wir aus dem Schweinekoben auf und bemerken wir, dass wir auf zwei Beinen gehen, sprechen und debattieren können. Wo ist das Tier, das das tut!“ dann ist zu antworten: Nun, Löwen, Wölfe und Bären könnten eine ähnliche Schmach über das Tier Mensch empfinden (den nackten Affen, der am leichtesten zu fangen ist) und ihre Verachtung an ihre Nachkommen weitergeben, was sie ja auch tun.

Auch wenn wir Menschen vielleicht in der Hierarchie der Evolution oben stehen - obwohl die Eskimos nach Angabe von Hans Ruesch ("Top of the World“), bis sie Gewehre bekamen, im Eisbären die Krönung der Schöpfung sahen - heißt das nicht, wir seien keine Tiere. Der Ringelwurm steht auch über dem Rund- und dem Platt-Wurm, aber muss er sich deswegen brüsten? Und dann erschlagen Sie mich mit der ungeheuerlichen a-priori-Wahrheit: "Der Unterschied zum Tier ist: Der Mensch ist aus Erde geformt, von Gott selbst. Nur vom Menschen heißt es, dass er Gott ähnelt und seinen Odem eingeblasen bekam.“ Hui, cool, vor allem das mit dem Einlasen. Waren Sie dabei? Schnell noch: Wie viele Engel passen auf eine Nadelspitze?

Verehrte @zeitschnur, Ebenbild der Gottheit: Mit solchen „Argumenten“ können Sie nur bereits Bekehrte bekehren. Andres zu begehren, ist vergeblich Müh. Faust wusste es: „Dem Wurme gleiche ich, und Staub muss ich fressen.“ Sie und ich, Wertes Fräulein, wir bräuchten ein sehrsehr langes Lagerfeuer, um einander näher zu kommen, und doch würd ich’s riskieren. War neulich in ähnlicher Angelegenheit mit einem sehr netten und klugen Pius-Bruder auf der Pirsch … aber das ist eine andere Geschichte. Seien Sie versichert, Liebe: auf irgendeiner Schicht, und zwar der wesentlichen, Gott sei Dank, sind wir beide uns sehr ähnlich, und das ist gut so, da kann die Oberfläche Wellen schlagen so viel sie will, denn „Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich des Rechten Weges wohl bewusst.“

@quarz: Sie haben recht. Das Gutometer kann nichts anzeigen. Denn da ist nix. Weder Gutes noch Böses. Ich habe nur herum geflaxt. Mich sozusagen in die Höhle der Christen begeben. Dort kommen Sie aber nur rein, wenn Sie „Schnittlauchbrot“ sagen also das Codewort kennen ;-) Übrigens: Es ist immer recht gemütlich bei denen, echt.

Thomas Martini

16. November 2019 23:50

"Zweitens verstehe ich den Zusammenhang zur Manichäisierung des Politischen, wie es in unseren Tagen seitens der Linken und Grünen postmoderner Ausprägung geschieht, nicht." - zeitschnur

Vielleicht hat das ja etwas damit zu tun, dass im 20. Jahrhundert zwei Weltkriege im Namen des Guten gegen das Böse geführt wurden?

Wobei das Gute glücklicherweise einen Sieg auf ganzer Linie davontrug. Deshalb auch: Nie wieder! Wehret den Anfängen! Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das Kroch. Oder um es zeitgemäß zu sagen: Keinen Millimeter nach rechts!

Franz Bettinger

17. November 2019 00:24

@Pit schreibt: „Die linke Position ist nachvollziehbar: Wie kannst du einen Menschen wegen seines Aussehens ablehnen?“ - Lieber Pitt, aber ich lehne einen Menschen wegen seines Aussehens doch gar nicht ab. Ich will ihn nur nicht durchfüttern, ihm nicht meine Tochter zum Fraß oder anderem vorwerfen, ihm nicht alles ausliefern, was ich oder meine Eltern und Vorfahren aufgebaut haben, ich will mich auch nicht der Moral und Kultur des anderen unterwerfen. Das aber begreift die Linke nicht. Die Linke denkt: 'Rechts = Eigenheiten und Eigentum schützen = Egoismus. Und wir wissen ja alle, Egoismus ist böse.' Irrtum! Egoismus ist die Grundlage allen Lebens, und auch allen sozialen Lebens. Irgendwann mehr dazu. Das Thema gehört vertieft von einem Berufeneren als mir.

Ratwolf

17. November 2019 12:44

Schopenhauer, 15. November 2019 16:13

"Damit wäre dann auch eine deutsche Vorherrschaft in Europa, wie insbesondere von den Briten gefürchtet, wieder einmal vom Tisch und die NATO als auch die EU wären obsolet."

Ein Vielvölkerstaat kann auch geschlossen handeln. Die Briten sind selber zu einen Vielvölkerstaat geworden.

Osteuropa als Speerspitze der westlichen Oligarchie auf dem Weg an die russischen Ressourcen bleibt im Ursprungszustand erhalten. Die Ukrainer in Polen sind nicht wirklich Fremd oder Kulturfremde.

Caroline Sommerfeld, 15. November 2019 17:36
....Schein des "So-tuns-als-ob-man-gut-Wäre"

Mit dem Guten und dem Bösen wird es schwierig, wenn man sich an dem orientiert, was andere für einen als Gut oder Böse vorgelegt haben. Dann wird es zur Befriedigung der "Anlage zum Herdentier"

Vox, 16. November 2019 09:53

Was genau ist "rechts"?

"Rechts" und "Links" wirken wie Feindmarkierungen, welche dazu dienen die eigenen Lager zu festigen, die Macht und die Einkünfte der jeweiligen Führer zu festigen, und jeden einzelnen von seinen eigenen Interessen abzulenken. Die eigentlichen gesellschaftlichen und politischen Bruchlinien sind nicht Rechts oder Links. Sie lassen sich situativ (was gerade anliegt) an aktuellen Themen beschreiben. Aktuell ist das Thema Identität, Volk und Migration. Das Thema "Klima" halte ich für eine Ablenkung. Zumal wichtige Akteure (wie die USA) ausgestiegen sind.

Das Böse?
Um die niederen Instinkte einer Gesellschaft zu befriedigen brauchen es "Das Böse" schlechthin. Den einfachen Menschen wird etwas zur Verfügung gestellt werden, auf was sie einprügeln können. "Dann hat der Tag Struktur" (Pispers). Die Wahlergebnisse der AfD zeigen aber, dass die Definitionshoheit der Hinterleute, welche die Meute in Brand stecken, wackelt.

Das von oben vorgegebene AfD-Kooperationsverbot der CDU ist absolut, total und totalitär. Es soll zeigen, dass man zu allen bereit ist. Eben auch bis zur Selbstzerstörung.

Substantivierungen bestimmte Adjektive sind eine Illusion. Es gibt sie nicht. Wie schon ein kluger Mann sagte: Das Leben - Wo ist es denn? Steht es vor der Tür und klopft an?

zeitschnur

17. November 2019 13:51

@ Franz Bettinger

Wenn ich auf einen Kommentar antworte, dann heißt das nicht, dass ich einen Absturz ins Persönliche wünsche. (Ich bin kein "Fräulein", schminken Sie sich das ab, seit Jahrzehnten verheiratet, lassen Sie es gut sein.)

Sie verstehen mich leider wieder mal miss, leider auch und noch tragischer auf der Sachebene.
Sie nehmen für sich in Anspruch, auf dem Boden objektiver Wahrheit zu stehen, etwa in dem Sie mit der "Evolution" argumentieren, die auch nur eine reine Glaubensangelegenheit ist, nur trauriger, dumpfer und hoffnungsloser als jede Religion, die sich ehrlich als das ausgibt, was sie ist, nämlich Glaube und nicht "Wissen".
Man kann sich alles schönreden, auch eine Welt, in der Eisbären potentiell hierarchisch über Ihnen stehen (über mir nicht, weil ich an keine Hierarchie glaube!).
Sie wollen mir allen Ernstes erzählen, welche Tiere "Schmach empfinden über den Menschen" und Verachtung für ihn "weitergeben"?

Mir ging es nicht um solche hochspekulativ-sentimentalen Details, die vom Thema wegführen.
Mir ging es alleine darum, dass ein materialistische Weltbild, wie Sie es vortragen, im Grunde überhaupt kein metapolitisches Konzept trägt und damit letztendlich auch keine Politik, weder einen rechten noch linken oder sonstigen Ansatz.
Das katastrophale Misslingen aller Politik hängt ursächlich mit diesem Weltbild zusammen, das im Grunde keine Orientierungspunkte mehr haben oder schaffen kann. Sie lehnen Moral ab, sie lehnen damit jeden Verantwortungsbegriff ab. Wie wollen Sie da begründen, was politisch sinnvoll und gut ist - ach nein, "gut" dürfen wir ja nicht mehr sagen ... zu "religiös" ...
Es läuft in Ihrem Horizont drauf heraus, dass ein mörderischer Kampf um die Oberhand stattfindet. Der Sieger hat dann recht - "evolutionär logisch".
Dass Sie der Debatte auf der Sachebene nicht standhalten und ziemlich schnell ad personam gehen, offenbart die Schwäche Ihrer Argumente, und die liegt in mE falschen Prämissen.
Das rechte Narrativ von der "Realität", die alleine maßgeblich sei, funktioniert nun mal nicht, weil der Mensch seinen Realitätsbegriff immer theoretisch formen muss. MUSS. Er lebt nun mal nicht wie ein Tier von Augenblick zu Augenblick, Erlebnis zu Erlebnis - nicht nur und vor allem nicht primär. Er mag Wirklichkeiten vorfinden (subjektiv), aber einen Begriff davon, der objektiv ist (und das braucht man, will man politisch agieren) findet man nicht einfach vor.

Und hier liegt auch der Hase im Pfeffer: Die Linke verweigert sich dieser Aufgabe ebenso wie Sie es tun. Sie tut so, als läge der Begriff dessen, was alleine richtig ist, doch auf der Hand und unterstellt der Rechten, sie handle wider "besseres Wissen".

Bloß: Es gibt kein besseres Wissen, weil gebildete oder verweigerte Begriffe nicht auf "Wissen" (also einer Art Ersatzoffenbarung) basieren, sondern auf einer notwendigen Theoriebildung und vorherigen Beobachtungen, aber immer auch zwingend Bewertungen der Beobachtungen (das unterschätzt die Rechte teilweise tragisch, während die Linke eher die empirischen Phänomene unterschätzt).
Ich vermisse an der derzeitigen Mainstreampolitik eine menschliche Reflexivität. Der Begriff der Alternativlosigkeit entspricht Ihrem evolutionären Torso: Merkel hat im struggle for life nun mal gerade die Oberhand, starke Kräfte halten sie aus dem Back Off-Bereich. Sie hat recht, weil sie sich durchsetzen kann.
Was wollen Sie daher eigentlich? Läuft doch alles bestens. Oben jammern Sie darüber, dass die "Besten" aus Deutschland weggehen - wer sind die "Besten". Lassen Sie nicht nur das Wort "gut", sondern bitte konsequent auch seine Steigerungen weg. Im evolutionären Sud geht es Sie nichts an, wer wohin geht, wer kommt, wer geht - alles eine Frage der Forcierung des Stärkeren. Und wenn die Deutschen zu dämlich und zu wohlstandverwahrlost sind, um zu überleben: was würde da wohl die Evolution dazu sagen, Ihre Göttin?

Ich will Sie auf Ihre Denk-Widersprüche aufmerksam machen. Mehr nicht. Mit solchen materialistischen Konzepten halten wir nicht stand. Das gilt noch viel mehr für die Kommentare von @ Laurenz, die einfach nur Rundumschläge ohne Verstand sind: damit gewinnt man keinen Blumentopf.
Und vor allem: man gibt den Linken Kanonenfutter und bestätigt ihre manichäischen Konstrukte von der "bösen Rechten".
Wie kann man sich nur so schnurgerade um Kopf und Kragen reden!

Pit

17. November 2019 18:56

an Franz Bettinger:
zum Thema "Materialismus": da ist die Sache mit dem Zen-Bogenschießen von Eugen Herrigel: "etwas" bewegt seine Hand (Loslassen des Pfeiles von der Sehne); aber es ist nicht er, der das tut: wer tut es also? Solche Betrachtungen (und: Erfahrungen!) sind etwas, die Alternativen zum Materialismus implizieren können.
Übrigens Zen: da ich´s ja immer mit Kopf versus Spüren hab: ich schätze, wenn´s beim Zen um eines geht, dann.... ha ha... wirklich, die Lektion zu lernen, daß der Kopf Sch**** ist ! Er bringt zilch! Die Logik hilft in grundlegenden Fragen gerade NICHT weiter. Es gilt, das Spüren als Wegweiser zu entdecken. Das ist die Lektion, die Grenzgänger zu erfahren hoffen: wenn sie an ihre Grenze kommen, wenn sie kapitulieren... was bleibt dann noch!? Interessanterweise zeigt sich, daß da tatsächlich noch etwas bleibt. Nämlich was?
Und zur Logik des Verstandes: die Physik verwickelt sich jenseits des Mesokosmos in unlösbare Paradoxien und Zirkelschlüsse. Die Quantenwelt ist für die Logik unverständlich... die Logik kann etwas wie Welle-Teilchen-Dualismus, Doppelspaltparadoxon, Unschärferelation, Wahrscheinlichkeitsinterpretation nicht verstehen (interessanterweise aber exakt damit arbeiten). Ich glaube, es ist mittlerweile etabliert, daß das etwas mit "Bewußtsein" zu tun hat (Einfluß des Beobachters). Ha ha ha... die materialistische Wissenschaft sieht sich genötigt, etwas wie "Bewußtsein" einzubeziehen!
Dies also dem Materialisten zu bedenken gegeben.
Ich habe es weitgehend aufgegeben, die Welt logisch erklären und verstehen zu wollen. Darum ja auch meine solipsistischen Spekulationen (die immerhin Decartes und sein "cogito ergo sum" in ihren Reihen weiß).... es gäbe nur mich, ein wahrnehmende Bewußtsein (nochmal: die Anthroposophen wollen hier erklärende Beiträge haben... hatte damit bisher noch nicht viel Berührung). Insofern akzeptiere ich den Begriff "mystisch". Natürlich führt das leider zu Problemen, daß jetzt jeder irgendwas behaupten kann, was nicht logisch ist, und beruft sich dann auf das Mystische (linke, oder allgemein jede, Religionskritik von daher sicher verständlich).

Zu "Ablehnen wegen Aussehens": tja... was wird abgelehnt... nicht der Mensch. Sondern: die GRUPPENZUGEHÖRIGKEIT dieses Menschen!
Und hier kommen wir auch auf den Manichäismus: mir scheint hier eben leider tatsächlich ein "manichäisches" Problem vorzuliegen, da kommt eine ganz simpel binäre Logik zur Anwendung: Gruppenzugehörigkeit, also Gruppenloyalität, ist strikt binär, ja oder nein. Darum ist die extreme Polarisierung zurecht vorhanden. Das zeigt aber nur die äußerste Brutalität dieses Krieges gegen identitäre Gruppen: identitäre Gruppen werden durch das Aufzwingen von Fremden in ihrer Existenz zerstört... nicht irgendwie "ein bißchen" beeinträchtigt. Demographie als Waffe, gar nicht neu (z.B. Franco wollte so die Basken schwächen durch Besiedlung ihres Territoriums mit Nichtbasken). So sieht´s leider aus. Natürlich kommen jetzt wieder die Argumente "Frage der Quantität", "Frage der Assimilation", über welche Zeiträume sich so was abspielt. Ich stelle dem entgegen: Selbstbestimmung. Die Frage, ob es gegen meinen Willen geschieht, ist das Entscheidende, egal wie viel oder wie schnell. Wo ist unsere Zustimmung? Wo werden wir gefragt, wo unsere Stimme gehört?

Niekisch

17. November 2019 19:03

"im 20. Jahrhundert zwei Weltkriege im Namen des Guten gegen das Böse geführt"

@ Thomas Martini 16.11 23:50: Na, da bin ich ja glücklich: weil wir Deutsche nach herrschender Meinung diese Weltkriege ausgelöst und geführt haben, standen wir auf der Seite des Guten gegen das Böse.

Vox

17. November 2019 20:11

@ Franz Bettinger

Natürlich lehnt kein Aufrechter Menschen primär wegen ihres Aussehens ab. Das Aussehen könnte allenfalls durch jahrzehntelange Erfahrungen ein Indikator auf Innenleben, Charakter und Mentalität sein.

Im Prinzip kann man "rechte" Gesinnung in einem einfachem Satz erklären:

Für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Das hat mit Aussehen primär gar nichts, überhaupt gar nichts zu tun.

Gracchus

17. November 2019 20:37

Da treffen Sie @zeitschnur den springenden Punkt:

"Diese desaströse mentale Verrohung, die wir erleben, hängt ganz ursächlich mit einem vertierten Selbstbild des Menschen zusammen." Den aufRECHTEN Gang kann man auch so deuten, dass sich der Mensch nach etwas Höherem sehnt.

Ihre Zwistigkeit mit Ihnen @Herr Bettinger ist ganz amüsant, wiederholt sich aber. Und wenn das Tier in mir ein Wurm oder eine Ratte ist, Herr Bettinger? Dabei gebe ich Ihnen teilweise recht, was die Achtung vor dem Tier und dem Körperlichen angeht. Der Körper übersteigt ja unseren menschlichen Verstand, ein Wunderwerk der Evolution. Aber Ihren platten Materialismus kann ich nicht ganz ernst nehmen. Das ist Ihrer auch nicht würdig.

Andreas Walter

17. November 2019 20:45

Wenn mir das Böse dabei hilft zu überleben ist es gut. Wobei ich selbst entscheide, wann und ob ich das zulasse oder nicht, dass mich der Teufel reitet. Bilde ich mir zumindest ein. Manchmal bin ich ja auch nur auf der Jagd. Oder auch schlecht gelaunt, unsicher, unzufrieden. Wobei ich auch schwache, deckungslose und dezentrierte Momente habe die sich "das Böse" wahnsinnig gerne zu nutze macht, um sich dann meiner zu bemächtigen, mich anzustecken, mich zu triggern.

https://de.wikipedia.org/wiki/Triggerwarnung

Wenn mich immer gute Ernten (oder Erfahrungen) allerdings unvorsichtig machen, meine Vorräte (Überzeugungen) betreffend, dann kann mich eine einzige Schlechte das Leben kosten. Was ausgesprochen doppelplusungut wäre. Aus Erfahrung (oder mittels korrekter Überlieferung) wird man daher klug und Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Ich weiß, dass auch bei manchen Christen (manchmal, immer?) eine etwas naive, kindliche Vorstellung existiert, was die Natur und die Definition von Gut und Böse betrifft. Wobei das Ganze gleichzeitig auch eine mystische Komponente besitzt, über die sich aber Grundsätzlich nichts absolutes oder genaues sagen lässt. Habe ich auch schon oft erlebt, auch wenn es mir früher, in der Jugend, noch Engst gemacht hat. Heute schmunzle, lache und grinse, freue ich mich darüber.

Einflüsse gleich mehrerer asiatischer Philosophien und eine Religion wie auch das Buch Krankheit als Weg (Psychosomatik) haben mich wie Herrn Bettinger auch zu einer etwas anderen, ich glaube, differenzierteren Sichtweise dieser sowohl zum Teil Gefühle als auch Vorstellungswelten geführt, die man mit diesen beiden Begriffen teilweise verbindet. Das Kapitel darüber im Der neue Prometheus war aber auch eine Bereicherung, die jedoch eher aus der Hippie-Kultur stammt.

Für mich hat das darum hauptsächlich etwas mit Psychologie zu tun, mit den Programmen, mit denen ein Mensch seit und sogar schon vor seiner Geburt gefüttert wurde. Ganz spannend sind auch fest verdrahtete Überlieferungen, die wahrscheinlich genetisch weitergegeben werden, wenn man andere Möglichkeiten wie morphogenetische Felder ausschliesst.

(...)
Kositza: Bitte keine Linkflut.

Gracchus

17. November 2019 21:04

@zeitschnur "....will die Wahlfreiheit zum Guten oder Bösen aufheben." Das trifft ebenfalls den Punkt - und bringt mich zu der These, dass der Freiheitssinn mit dem Christentum verschwindet. Ich kann darin auch kein positives Menschenbild sehen, weil man den Menschen gar nicht zutraut, diese Versuchung zu meistern. Und es entspringt auch keinem positiven Menschenbild, wenn Linke meinen, jeder Mensch sei nur das Produkt der Gesellschaft und - ich überspitze - benötige zum Überleben und Gedeihen einen Rundumbetreuung durch einen Fürsorgestaat.

zeitschnur

18. November 2019 10:41

@ Heino Bosselmann

Mir erscheinen diese Verketzerungen, die derzeit vom linksgrünen Mainstream vorgenommen werden, methodisch und strukturell uralt: Zugrunde liegt die in unzugänglichen Bewusstseintiefen verborgene Überzeugung, es müsste solche "Richtungsgeber" geben, um das Chaos zu vermeiden. Man wähnt sich als Mohikaner im ultimativen Feindesland und kämpft gegen die Gespenster des eigenen Bewusstseins, die man auf selbst erfundene Feinde projiziert. Echtem aufklärerischem Denken hing immer der Geruch an, in die Unordnung und das Tohuwabohu zu führen.
Götz Kubitschek schrieb neulich irgendwo, er wundere sich über die "ahistorische Utopie" der Libertären. Ich habe das so verstanden, dass er für diese Utopie keinen historisch realistischen Ansatzpunkt sieht. Man kann aber auch anders herum argumentieren und sagen, dass diese unzugängliche Bewusstseinsebene uns etwas glauben und unentwegt reproduzieren lässt, das so überflüssig wie ein Kropf ist und selbst Ausdruck großer Unordnung ist. Vielleicht ist das sogar diese kantische Vorstellung von dem "radical Bösen" (ich verstehe "radikal" hier wörtlich, eben dass das "Böse" als Perversion alle Gutheit im Menschen von Grund auf schwächt, irritiert oder sogar regelrecht verdreht und aus Schwarz Weiß macht).
Staats- und gesellschaftstheoretisch erfüllt für mich tatsächlich der Faschismus dieses absolut Pervertierte. Allerdings habe ich einen offenbar anderen Faschismusbegriff als die meisten hier. Meine christliche Perspektive meint: was uns zusammenhält ist Gott, kein Kollektivkonstrukt, dieser Gott ist immer Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Vater Jesu und aller seiner Kinder, namentlich, er benennt sich nach den Einzelnen und ist allen alles. Von ihm erhalten sie die Befähigung zur Gemeinschaft, dies aber auch frei, charismatisch. Freiheit und Maß sind für meine Überzeugung nicht anders zu haben.

Die heutige Mainstream-Grünlinke ist in meiner Definition sogar total faschistisch aufgestellt: Es muss EINEN Meinungsführer geben, und alle Institutionen müssen darin gleichgeschaltet werden. Wer anders denkt, ist „der Feind“, das Böse, der Ketzer und muss gehasst und vernichtet werden. Man dehnt die Mittel immer weiter aus. Unsere bisherige Verfassung lässt sie eigentlich nicht zu, aber man übertritt immer mehr Recht, verdreht immer mehr das Maß. Der Meinungsführer ist ein Amalgam aus Finanz- und Staatselite. Sie sagen es doch ganz offen, sind aber geistig so verkommen, dass ihnen gar nicht mehr auffällt, dass sie damit im deutschen historischen Horizont den Nazis mehr ähneln als jede andere politische Richtung, die wir derzeit haben. Wie der sprichwörtliche Irre, der alle anderen für irre hält, nur sich selbst nicht, glauben sie, alle, die ihnen widersprechen, ihnen, die ihrem Wahnbild vom Bösen tatsächlich am meisten entsprechen, seien "Nazis" oder wenigstens "Rechte". Aber fragen Sie einen dieser Schreihälse einmal, was genau eigentlich "rechts" sein soll und wer die Nazis waren: eine klare oder gar präzise Antwort werden sie von diesen Leuten nicht bekommen. Nazis - das sind eben immer die anderen. Und obwohl sie die Macht an sich gerissen haben und alles dominieren, fühlen sich diese Leute notorisch als "Opfer" der "Rechten".
Diese Struktur, immer einen Feind ausmachen zu müssen, um selbst bestehen zu können, ist mE zutiefst krankhaft, aber leider "historisch", und tatsächlich hängt ein großer Teil der Rechten diesem Wahn ebenso an wie die Linke, hat aber derzeit nur noch keine Macht. Ich finde das gefährlich.
Wenn es kein Rechts-Links-Schema mehr gäbe, würde man neue Trennlinien erfinden. Es hat seinen Grund, dass viele, die einmal ultralinks waren, heute ultrarechts auftreten. Aber sehen Sie sich die Karrieristen der Grünen an: sie toppen das vormals abgelehnte Spießertum so perfekt, dass kein Konservativer diesen Möchtegern-Paradiesvögeln auch nur das Wasser reichen kann. Wenn man endlich anfängt, klar zu sehen, wird man entdecken, dass Erika Steinbach neben Claudia Roth geradezu freigeistig und revolutionär wirkt.

Ein wichtiger Schritt wäre für die, die man derzeit als "rechts" verschreit, sich aus dieser manichäischen Logik zu befreien und sich zu öffnen für echte Freiheitlichkeit. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass das ohne Christentum, wie @ Gracchus sagt, nicht zu haben ist. Allerdings müsste das Christentum erst einmal neu erweckt werden in einer neuen Gestalt, weil die alte vollkommen korrumpiert ist und selbst maßgeblich neben dem Geist der Freiheit, den sie einfach nicht totgekriegt hat, diesen manichäischen Geist kultiviert hat und aus ihrem babylonischen Mund der Begriff des Ketzers erst erfunden und in schauerliche Realität umgesetzt wurde.
Ich glaube: Deutschland hat nur in einer christlichen Erneuerung eine Chance. Andernfalls wars das.

Maiordomus

18. November 2019 11:56

@Gracchus. Falls Sie die Ausführungen von Thomas von Aquin, Erasmus von Rotterdam, dem jesuitischen Klassiker der Willensfreiheit Pedro de Molina sowie diejenigen von Kierkegaard und Reinhold Schneider zum Thema "Wahlfreiheit" endlich aufgearbeitet haben, nicht zuletzt noch Meister Eckhart, für den die Freiheit des Christenmenschen wohl sogar noch wesentlicher war als für Luther, können Sie sich dann wieder mal äussern über den Freiheitssinn in der Geschichte der Christenheit. Auch der katholische Katechismus wäre zu dieser Frage zu konsultieren. Sie verwechseln die Substanz mit den Usurpatoren, die ein System fabriziert haben, wobei die Leugnung Gottes immerhin im Namen einer neuen "Offenheit" eher akzeptiert würde als zum Beispiel die Kritik an der Kirchensteuer, bei der es um die objektiven Interessen des Systems geht. Sage ich Ihnen indes als katholischer Akademiker, der wegen Benützung der Freiheit unbeschadet von Forschungen zum Thema seit 60 Jahren meinerseits seit Jahrzehnten von katholischen Bildungshäusern boykottiert wird. Ja, "Christus ist nicht der Ordner der Welt; er ist unsere tödliche Freiheit+ (Winter in Wien).

Gracchus

18. November 2019 12:49

@MD
Ihre Oberlehrer-Attitüde sollten Sie sich tatsächlich mal abgewöhnen. Zumal ich nicht weiss, was Ihr Kommentar soll. Ich kann meine These für Sie präzisieren: Mit dem Verschwinden des Christentums verschwindet auch der Freiheitssinn. Das ist eine Aus- bzw. Vorhersage bezogen auf die aktuelle Lage Deutschland. Dabei ist vorausgesetzt, dass das Christentum die Willensfreiheit bejaht und den Freiheitssinn fördert, falls nötig auch gegen die Amtskirchen. Um das zu erkennen, reicht es im Übrigen schon die Evangelien und Paulus zu lesen.

Maiordomus

18. November 2019 12:54

@Zeitschnur. Die letzte Chance der christlichen Erneuerung, von der Sie schreiben, war die Zeit nach dem 2. Weltkrieg, als z.B. Reinhold Schneider 1946 ein "Volk auf der Heimkehr zu Gott" zu sehen wähnte, eine Situation, welche das Zentrum ausnützte und sich deshalb CDU bzw. CSU nannte bei gleichzeitigem Verrat der christlichen Substanz, was zum Beispiel Schneider und Heinrich Böll schon damals und fast unmittelbar schmerzlich aufgefallen ist. Noch in den 50er Jahren herrschte aber eine Blütezeit von Theologie und christlicher Bildungskultur, weil sonst z.B. das 2. Vatikanische Konzil gar nicht möglich geworden wäre, welches zwar längst nicht mehr nach dem eigenen Wortlaut interpretiert wird, sondern heute zumal als diffuse "Öffnung" herhalten muss. Derzeit schliesse ich das, was Sie "christliche Erneuerung" nennen, schon allein aus bildungsmässigen Gründen aus. Wir leben, was die jüngere Generation betrifft, bereits in einer Zeit von Bibelanalphabeten und Nichtkennern des Gedankengutes der Reformation einerseits, wie vor mehr als 100 Jahren von Max Weber geschildert, andererseits ist beispielsweise allein schon nur die Soziallehre der katholischen Kirche in fast völlige Vergessenheit geraten. Zu schweigen von denjenigen christlichen Traditionen, deren Verschwinden, etwa den Totenkult betreffend, in den Romanen von Arnold Stadler beklagt wird. Mit Stefan George kann man da allenfalls formulieren:

"Tretet weg vom herde/es ist worden spät."

Zu den Personen in Deutschland, die diese oben beschriebene Welt noch am stärksten verinnerlicht haben, gehört mutmasslich die hier noch aktive Bloggerin @Monika. Ob sie hier allerdings noch wirklich an der richtigen Adresse ist, muss sie sich wohl selber dann und wann mal fragen.

Andreas Walter

18. November 2019 13:37

Ja, OK. Weiß manchmal nicht, was ich als bekannt oder unbekannt voraussetzen soll.

Entdecke zudem ständig Sachen, die ich unglaublich interessant finde, die ständig auch mein Bewusstsein dadurch erweitern. Ich teile gerne, auch mit und auch mich mit. Es gibt so vieles auch wichtiges zu erzählen.

Die BBC-Dokumentation "The Century of the Self" zum Beispiel. Reiner Sprengstoff in den richtigen Händen.

Außerdem sind es ja auch fast immer richtig komplizierte Sachen und auch Heikle, die hier besprochen werden.

Nein, ich bin kein Böser. Ich bin sogar ein ausgesprochen Lieber. Auch Nächstenlieber. Vielleicht ist das ja mein Fehler. Dass ich zu viele und zu viel in mein Gebet einschließe, am liebsten die ganze Welt. Jeder und alles an seinem Platz.

Eines der Mädchen in "meinem Film" heisst übrigens Anneliese, und die schöne Erinnerung hatte ich tatsächlich, doch erst am nächsten morgen, nicht vor dem Einschlafen. An ein Buch meiner Kindheit mit dem Namen Peterchens Mondfahrt, an das ich schon seit zwischen 45 und 50 Jahren nicht mehr gedacht habe. Sogar die alten Illustrationen von Hans Baluschek habe ich wiedererkannt, besser noch als die Geschichte selbst.

Die Prägung in der Kindheit spielt daher auch eine grosse Rolle betreffend unserer Vorstellung von Gut und Böse. Nur sind wir uns darüber häufig nicht bewusst.

heinrichbrueck

18. November 2019 13:43

@ zeitschnur
Wozu brauchte Gott ein Neues Testament? Mit diesem Selbstwiderspruch wird der alttestamentarische Gott negiert. Und es bedurfte des Menschen, der Kreuzigung und der Zustimmung dazu, diese Erkenntnis vermitteln zu können. Jesus weigerte sich nicht. Die Unordnung liegt darin, zu denken, der Judengott wäre unser Gott. Der Gott des Alten Testaments hatte sein Auserwähltes Volk, und dieses war nicht die Menschheit. Es können nicht beide Götter anerkannt werden. Ohne NT kein Christus. Wir hätten mit JHWH nichts zu tun.
Und die Demokratie ist nun mal die Märchenerzählerin der Welt. Den Leuten wird eingeredet, sie würden gefragt, und sie könnten mitreden. Und wie auch die Götter mit Illusionen befrachtet werden, geht es dann auch in der Wahrnehmung der Politik zu.
Fürsorgestaat. Was das Volk erwirtschaftet, muß dem Volk zugutekommen. Davon sind wir meilenweit entfernt.

Franz Bettinger

18. November 2019 22:13

@heinrichbruek: bündig argumentiert. Klasse! Nebenbei: Gestern waren A und ich im Kino. Sahen einen Film über Radfahren. Die erste Hälfte war mitreißend, ästhetisch schön und auch lustig; die zweite: Propaganda für Klima, Migration, Diverse und Behinderte. Überall schleichen die Agitatoren deep states rum und streuen ihr Gift, kein Film wird gefördert, der nicht für CO2-Steuer und irgendeine Rettung wirbt.

Ein Freund schickte Folgendes aus Schweden: Jahrelang engagierten sich die Linken für Migration und begrüßten den Zuzug von Flüchtlingen. Nun sind sie in Schweden mit den Folgen konfrontiert. Die Feministen sind gezwungen, ihre Stockholmer Viertel zu verlassen. Muslime wollen die Schwedinnen nicht mehr sehen, weil die einen schlechten Einfluss auf muslimische Frauen hätten. Eigentlich hätten diese negativen Erfahrungen eine bewegen können, ihre Ansichten zu überdenken. Keineswegs! "Ich sehe's immer noch positiv. Wenn es dort sicherer wird, kann ich morgen wieder zurück," meinte Dagli. Albert Einstein: “Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die Dummheit der Menschen. Aber beim Universum bin ich mir nicht sicher."

zeitschnur

18. November 2019 22:17

@ Maior Domus

Christliche Erneuerung ist nichts "Bildungsmäßiges". Es handelt sich um das Wehen des Geistes, und er weht, wo er will. Das sagte Jesus. Die Großen im Königrecih Gottes sind die Kleinsten dieser Welt. Ob ein Volk religiös gebildet ist oder nicht, schafft beides nichts, wie man an den blinden Gelehrten der Zeit Jesu sieht und nicht nur an ihnen. Man muss sich auch nicht am Konzilstheologen Karl Rahner abarbeiten, um Christ zu sein. Ach die Reformation ist keine Voraussetzung dafür, vom Geist ergriffen zu werden. Obwohl der christliche Glaube auch historische Dimensionen hat, ist er an sie nicht gebunden.
Die völlig entfremdete Jugend hat immerhin den Bonus, dass sie sich nicht aus freiem Willen oder gar bewusst vom Christentum abgewandt hat.
Was wissen Sie über das Wehen des Geistes?
Haben Sie vom Herrgott seine Reisekarte geliefert bekommen?

zeitschnur

18. November 2019 22:29

@ heinrichbrueck

Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen. Alleine schon aus logischen Erwägungen: Was hat diese Stereotype vom Judengott, der nicht unser Gott ist, mit der Märchenerzählerin Demokratie zu tun?

Vielleicht sollten Sie anfangen, das AT einmal zu lesen: Der Gott Abrahams. Isaaks und Jakobs ist DER Gott, der eine und einzige. Denken Sie mal logisch: wenn er das ist - und das Schma bekennt es genau so! - dann ist er der Gott aller Völker und Menschen. Daher spricht er im AT immer wieder zu anderen, die keine Israeliten sind und bezieht sie ein in seinen Heilsweg mit der ganzen Welt, der an Israel ja nur "aufgehängt" wird. Dieser ganze zionistische Unsinn von einer jüdischen "Rasse" und all dieser pseudofromme Nationalismus ist eine moderne Verkennung der alten Überlieferung. Sie lesen im AT bereits von Massenkonversionen (zB der Perser am Ende des Buches Esther) zum Judentum. Und im römischen Reich sollen sich so viele Heiden dem Judentum zugewandt haben, dass mindestens 10% aller Einwohner entweder Herkunftsjuden oder "Gottesfürchtige" waren (sogenannte "Judengenossen"). Aus ihnen wuchs dann auch das Evangelium ins Heidentum ein. Insbesondere Peter Schäfer hat die Wechselwirkungen zwischen dem Judentum der Spätantike und dem Christentum herausgearbeitet. Bevor man sich mit diesen Forschungen nicht auseinandergesetzt hat, sollte man sich hüten davor, die immer gleichen alten Vorurteile wiederzukäuen. Die gnostische Behauptung, es seien "zwei" Götter, hat so viele andere Implikationen, die Ihnen wohl kaum gefallen dürften, dass man darauf keine pauschale Meinung zu dem geheimnisvollen und sich entwickelnden Gottesbild im gesamten Schrifttext, aber bereits schon im AT selbst abgeben sollte.

Cugel

18. November 2019 23:05

@zeitschnur:
"Die heutige Mainstream-Grünlinke ist in meiner Definition sogar total faschistisch aufgestellt: Es muss EINEN Meinungsführer geben, und alle Institutionen müssen darin gleichgeschaltet werden."

Ja, aber man sollte sich davor hüten, sie darum für Faschisten zu halten, denn die Gleichschaltung ist kein Spezifikum des Faschismus, die haben Sie in allen totalitären Systemen.
Die Grünen sind pseudoindividualistisch-kollektivistisch-internationalistisch aufgestellt. Sie sind zudem der postmodernen Identitätspolitik verfallen, dem alten Teile-und-Herrsche-Spiel im (arg durchscheinenden) neuen Gewand.
Der Faschismus war nie pseudoindividualistisch, nie internationalistisch, und der postmoderne Dreck wäre im Faschismus undenkbar gewesen.
Die Grünen sind keine Faschisten!
Es mag im verkommenen Politikbetrieb der späten BRD opportun erscheinen, sie in die Nähe der Nationalsozialisten zu rücken; eben das halte ich für das gewöhnliche Motiv (nicht das Ihre). Dafür spricht auch, daß der in diesem Zusammenhang (nicht von Ihnen) gern zitierte Silone ein Linker war. Der Wahrheitsfindung dient das jedenfalls nicht, man wird damit weder dem NS noch dem Faschismus gerecht.

zeitschnur

19. November 2019 08:11

@ Cugel

Ich schrieb ja ausdrücklich, dass nach meiner Definition von Faschismus, die ich anderweitig auch hier schon öfter genauer dargelegt habe, die Grünen eine faschistische Partei sind. Also: nach MEINER Definition.
Diese zielt auf den totalitären Charakter ab, der durch Bündelung aller elitären Kräfte, die Gleichschaltung aller Institutionen mit diesem Elitenführer entsteht. Dieser Führer kann eine physische Individualperson sein, muss aber nicht. Es kann auch eine unsichtbare, ungreifbare Führerschaft sein, wie wir sie derzeit erleben. Wichtig ist, dass da ein ich oder Über-Ich Führerschaft beansprucht und durchsetzt. Ein Abweichen ist enorm erschwert. Der F. ist für mich kein "rechtes" Phänomen - er braucht keine bestimmten inhaltlichen Auszierungen oder Narrative, nicht einmal die "Nation", er richtet sich nach dem, was zeitgeistig nützlich ist und bildet daher inhaltlich eine Collage. Was ihn ausmacht in seiner ganzen Leere, ist diese geistleere Struktur und dieser Machtaufbau Marke Ameisenhügel. Dem Wesen nach ist er IMMER inhaltlich epigonal und manieriert, greift irgendwelche traditionalistischen UND modernen Motive auf, aber er ist grundsätzlich nie vital. Nur mit Repression gelingt ihm eine gewisse Fassade. Es ist doch völlig wurst, ob er gerade mit Pseudoindividualismus oder dem "e pluribus unum" schillert (wie Habeck). Das sind alles nur Köder, Larven, Kostüme aus der Theaterkleiderkammer. Ich kann nicht sehen, was an der Ästhetik älterer Faschismen so viel weniger "Dreck" gewesen sein soll als das heute. Es war streckenweise durch seine Verknüpfung von Kitsch und Martialität nicht weniger unerträglich als irgendwelche postmodernen Dekonstruktionskunstwerke und spaltzüngig-dialektischen Parolen. Dem F. ist jedes Mittel recht, sein strukturelles Zweck heiligt jedes Mittel. Manche F. ver-bilden daher das dominierte Volk jahrelang (wie in Deutschland mit dem Reichsschulpflichtgesetz von 1938, das bis heute gilt), andere erzeugen bewusst einen weitreichenden Bildungsausschluss der vielen und eine hohe Analphabetisierung (wie besonders extrem unter Salazar, auch Franco). Wichtig ist immer, was hinten herauskommt, nämlich die Gleichschaltung der Gehirne.

Ein antiquierter F.-Begriff erscheint mir an der Sache vorbeizugehen, denn das, was in den verschiedenen rechts- und linksfaschistischen Systemen im 20. Jh erprobt wurde, ist aus mS Erprobung für ein noch viel gigantischeres Projekt der Zukunft gewesen.
Man könnte dem Projekt natürlich einen anderen Namen geben, aber da die Phänomene sehr deutlich historisch aneinander anknüpfen (strukturell) und von denselben Elitenkräften durchgeboxt und finanziert werden (ich sage nur: Antony Sutton!), würde ich sie auch im selben Begriff analysieren.

Maiordomus

19. November 2019 09:51

@Zeitschnur. Schon für Dante war klar, dass es in der Hölle von Schriftgelehrten wimmelt. Für die Christenheit sind analphabetische Heilige wie Klaus von Flüe, Jeanne d'Arc und Marguerite Bays, die Schweizer Heilige des Kulturkampfes, so wie schlichte Gemüter in der Art von Bernadette Soubirous und den Kindern von La Salette und Fatima von eindrücklicher und vielleicht unentbehrlicher Bedeutung. Auch heute leben zumal Katholizismus und die Orthodoxie des Ostens, so weit diese Hochburgen des Kulturchristentums noch Glaubenskraft ausstrahlen, von einem allerdings schmelzenden Heer einfacher und wenig gebildeter Personen.

Das ist aber in der Tat nur die eine Seite der Medaille. In Tat und Wahrheit ist das Christentum die Errungenschaft eines hochgebildeten jüdischen Intellektuellen, nämlich Paulus, so wie jeder, der heute die Pharisäer kritisiert, zunächst mal das geistige und sittliche Niveau eines guten Pharisäers erreichen sollte. Diesen Anspruch sollte man zum Beispiel an alle stellen, die hier auf intellektuellem Niveau Religionskritik betreiben wollen. Auch wenn ich dafür ganz sicher nicht in den Himmel komme, die Details der Schrift, wenn möglich in der Originalsprache (siehe Luther) und die hermeneutische Methode muss beherrscht werden, weil ich sonst dem Anspruch etwa von Anselm von Canterbury und Karl Barth "fides quaerens intellectum", nicht gerecht werde und insofern zu solchen Themen eher schweigen sollte. Vgl. Wittgenstein, der aber dann als durchaus spirituelle Existenz das Schweigen bis zum Lebensende dann doch nicht durchgehalten hat; Primarlehrer für Kinder in Österreich zu sein erwies sich für ihn als schwieriger denn eine Professur in Oxford. Es gibt nun halt mal intellektuelle Fertigkeiten, für die hochbegabte Gelehrte vonnöten wären. Jeder soll das tun, wofür er sich eignet.

Nietzsche sieht nicht total falsch, selber übrigens hochgebildeter Pfarrersssohn, so wie ohne das protestantische Pfarrhaus von einer Blüte deutscher Bildung von Reformation bis Aufklärung und 19. Jahrhunderts nicht gesprochen werden könnte, dass das Christentum nun mal so etwas wie der "Platonismus für das Volk" geworden ist. Sowieso verstehen Sie nichts und auch gar nichts von christlicher Kultur, wenn Sie Max Weber "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" nicht aufgearbeitet haben. Mit dieser Ethik hat das Christentum endlich das Niveau des Judentums erreicht, was meines Erachten keine Kleinigkeit ist und nun mal vor allem ein Bildungsfaktor, so wie die lateinische Christenheit, der heute allerdings fast völlig zerfallene Jesuitismus, zu schweigen vom religiösen Denken eines Albertus Magnus, Abaeldard, Roscelin von Compiègne, dem Erfinder des Nominalismus, ohne den die europäische Zivilisation noch fast immer auf den Bäumen stattfinden würde, zu schweigen vom kosmischen Erkenntnisinteresse eines Roger Bacon, Nikolaus Kopernikus, Johannes Kepler (aus meiner Sicht der bedeutendste christliche Gelehrte Deutschlands, der wahre Einstein, wie es letzterer übrigens seinerseits realisierte, als er Kepler am 9. Nov. 1930 in der Frankfurter Zeitung würdigte). Noch die französische Aufklärung wäre ohne jesuitische Gelehrsamkeit, z.B. Voltaire und Diderot, letzterer übrigens Bruder einer Nonne). Und wenn Sie das grandioseste Konzept einer liberalen Theologie nachlesen wollen, lesen Sie die Aufzeichnungen eines savoyardischen Vikars von Jean-Jacques Rousseau im 4. Buch des "Emile", zu schweigen von den enormen Errungenschaften christlicher Denker auf dem Gebiet der Erkenntnistheorie, wobei man ja ohne Meister Eckhart den in der Idee der Dreifaltigkeit enthaltenenn dynamischen Gottesbegriff nicht versteht und also keinen Anspruch erheben kann, die intellektuelle Substanz des abendländischen Christentums annähernd verstanden zu haben, welche übrigens auch in Dichtungen wie denjenigen von Dante, Calderon und durchaus sogar beim ungläubigen Goethe im Faust und im Rochusfest zu Bingen zum Ausdruck kommt, zu schweigen von den mathematischen Theologen, nämlich Nikolaus von Kues, der zwar in den zeitgenössischen vatikanischen Akten auf 20 000 Seiten nur 10 Zeilen in Anspruch nimmt, was zeigt, dass man in geistiger Hinsicht Rom schon nicht überschätzten sollte. Zu den theologischen Mathematikern gehörten überdies Blaise Pascal und Bernard Bolzano, im 20. Jahrhundert noch der grosse Logiker Joseph Bochenski, den ich noch persönlich gekannt habe. Am meisten würde ich aber, für das Verständnis christlicher Intellektualität, Hermann Lübbes Standardwerk "Religionsphilosophie nach der Aufklärung" empfehlen. Selbstverständlich bleiben deutsche Philosophen wie Kant, Hegel, Fichte, Baader, Leopold Ziegler und Martin Heidegger ohne den christlichen Hintergrund in ihren Intentionen weitgehend unverständlich. Es bleibt dabei, dass, trotz der enormen politischen Klugheit jenes Heiligen (Klaus von Flüe), ein analphabetisches Christentum für die Durchdringung einer Kultur nicht genügt, mögen auch die grosse Mehrheit der christlichen Intellektuellen und Gelehrten nach Dante in der Hölle schmoren, weil nun mal der Genuss der Früchte vom Baum der Erkenntnis nicht ungefährlich ist und Akademiker sich gern in der Sünde des Hochmuts verrennen, zu schweigen von ihren nicht zu unterschätzenden politischen Irrtümern. Rein politisch verhalten sich, das schliesse ich nie aus, die weniger Gebildeten langfristig tatsächlich oft vernünftiger als die Klasse der Schriftgelehrten, von denen aber die besten 2 Prozent wohl dennoch absolut unentbehrlich bleiben.

PS. Sie erwähnen Karl Rahner. Es stimmt, dass er, ähnlich wie der Philosoph Heidegger (der erklärte, wer nicht Griechisch könne, solle ihn nicht lesen) sich einer breiten Leserschaft nicht gerade verständlich gemacht hat. Wenige Tage vor seinem Tode hielt er noch ein Bildungsseminar in der kath. Akademie Freiburg i.B. Am Ende bat er noch, Geld in einen Sammelkorb zu legen, weil ein (schwarzer) Seelsorger in Zentralafrika ohne ein neues Motorrad die Aussenstationen seiner umfangreichen Gemeinde nicht erreichen könne und somit das Wort Gottes nicht an den Endabnehmer gelange. Funktioniere dies nicht, seien die hermeneutischen Bemühungen für ein besseres Bibelverständnis vergeblich. Ein Zeichen von Demut eines grossen Gelehrten, das ich als Teilnehmer jenes Seminars nicht mehr vergessen werde.

zeitschnur

19. November 2019 12:11

Hier übrigens noch ein interessanter Standpunkt dazu, was "rechts" ist von Michael Klonovsky: https://www.youtube.com/watch?v=UBQXcB3HGoM
Ca. ab min 24.
Im wesentlichen sieht er die "Rechte" nur als Reaktion auf die ältere und frühere Linke.
Damit gliedert er sich natürlich in dieses Gut-Böse-Spiel mit ein. "Die Rechte ist nur eine Übersprungsreaktion eines in die Enge getriebenen Konservativismus".
Kommt daher dieser verzweifelte Versuch der "Rechten", - neuplatonisch karikiert - , nicht nur "Abwesenheit des Guten (Linken)" (das „Böse“) zu sein, sonder was „Eigenes“?
Mir fällt dazu spontan der Loriotsche Jodelkurs für Ehefrauen ein. Deren Männer fördern das mit der Bemerkung, die Frau hätte dann ja auch was "Eigenes", während er die bodenständige Arbeit macht, in der er Erfüllung findet und mit der er Geld verdient.
Nur sind hier die Rollen vertauscht: die Rechte glaubt ja, sie sei gewissermaßen der "realistische" Gatte, und die Linke vertreibe sich die Zeit mit Jodeltheorien.

Aber insgesamt trifft Klonovsky sehr wohl einen Nerv: Eine Rechte, die verzweifelt die Sammlung all jener versucht, die das, was die Linke da anstellt, nicht will, selbst aber kein wirkliches Konzept hat, zu groß und widersprüchlich ist das "Mosaik", hat keine Chance.
Womit sie punkten kann, ist die intellektuelle Durchdringung der vorgefundenen Phänomene, der historischen wie natürlichen. Denn an dem Punkt ist die Linke infantil und nicht einmal mehr mediokre.
Die Reaktion der Linken darauf ist im Grunde der Neid der Besitzlosen. Ihnen entgegen stehen derzeit fast alle der begabteren Landsleute. Wer einigermaßen talentiert, couragiert, vernünftig und tatkräftig ist, wendet sich von der Grünlinken ab.
Der Hass der Verlassenen steigert sich ins Unermessliche, bis dahin, nun alle Ex-Partner zu Teufeln zu erklären. Da sie die Macht noch innehaben, ist es ihnen unerklärlich, wie Menschen von den Fleischtöpfen wegrennen und sich auf einen Exodus in die Wüste begeben können.
Wie der schäumend-verstockte Pharao stürzen sie den Scheidenden nach, ohne Hirn auch in die Fluten, in denen sie untergehen werden.
Im Prinzip ist die Grünlinke getrieben von der Panik vor dem "tendeziellen Fall der Profitrate" ihrer unterirdisch-geistlosen Hegemonialmacht. Daher noch mal mein Appell: eine materialistisch eingestellte, philosophie- und christentumsfeindliche Rechte hat von vornherein schon verloren, weil sie dem Gegner so sehr ähnelt, dass sie das ewige Armdrücken mit ihm nicht bestehen wird.

heinrichbrueck

19. November 2019 13:41

@ zeitschnur
Sie wollen also "aufgehängt" werden? Wissen Sie eigentlich, was Gott denkt?

zeitschnur

19. November 2019 14:04

@ Maior Domus

Ganz kurz noch:
Offenbarung und Weissagung sind immer überrational, d.h. man käme von selbst aufgrund der Naturverfassung nicht drauf. Einmal aber ins Herz gesunken, kann es rückwirkend rational reflektiert und verbal dargestellt werden, entweder poetisch oder philosophisch.
Insofern "fides quaerens intellectus": der Glaube, das Überrationale gestaltet alles um und wächst gewissermaßen ins Natürliche wieder hinein.

zeitschnur

19. November 2019 14:05

... pardon "fides quaerens intellectum", vertippt. Eile ...

Maiordomus

19. November 2019 20:48

@Zeitschnur. "Fides quaerens intellectum", der Glaube unterwegs in Richtung Einsicht. So wie Sie es formulieren, erinnert es mich an Baruch de Spinoza, "nur mit ein bisschen anderen Worten", hätte Goethe im Faust formuliert. Der bedeutendste Weiterentwickler von Spinoza als idealistischer Naturphilosoph war indes nicht Goethe, sondern wohl Schelling. Von Spinoza beeindruckte mich indes nicht hauptsächlich die "Ethik", eher schon die Algebraik des Regenbogens, eine imposante Weiterentwicklung von Paracelsus' Deutung dieses Naturphänomens, für Spinoza in der Tat ein Kunstwerk mit dem Griffel Gottes.

Franz Bettinger

19. November 2019 22:17

@zeitschnur verweist auf Michael Klonovskys bzw. Ernst Niekichs Umschreibung (nicht Definition) von Faschismus: „F ist die Bürgerliche Gesellschaft im Belagerungszustand. Es gibt F nur, wenn es die Linke gibt.“ Ganz meine Meinung! Ich drücke es nur klarer aus: Rechts ist die Verteidigung des Eigenen. Es gibt Rechts nur, wenn Links (oder auch sonst ein Angreifer) einem das Eigene wegnehmen will. Es lohnt sich, meine ich, nein mehr: Es ist eminent wichtig, sich den Kern des Rechts-Seins klarzumachen. Ich wäre froh, wenn SiN sich dieses Thema (erneut) vornehmen würde, dann müssten wir nicht andauernd abenteuerlich falsche Fremd -Definitionen hören, leider auch von Sarah Wagenknecht. (Habe gerade S.W.’s von @Kositza empfohlene Biographie zu Ende gelesen.) Von Gut und Böse weiß Klonovsky nichts zu sagen, es dauern ihn die Rechten nur nur in diesen Jammertagen. @zeitschnur schreibt: 'Was die Linken um- und antreibt, ist der Neid der Besitzlosen.‘ Richtig, oder wie mein Freund Toxer gern sagt: „Der Linke ist ein falscher Hund. Er schimpft solange auf die Millionäre, bis er selber einer ist."

zeitschnur

20. November 2019 09:11

@ Franz Bettinger

Klonovsky zitiert zwar Niekisch, differenziert aber an der Stelle nicht zwischen F. und "rechts". Das halte ich für falsch und sogar tragisch falsch. Die rechte sollte sich nachdrücklich von jeglicher faschistischen Strukturverehrung distanzieren und konsequent das Individuum als das tragende Element der Gemeinschaft ansehen. Nur dann wäre sie eine echte Alternative zu den Linken. Wer in einer echten und guten Gemeinschaft lebt, erkennt sehr schnell, wie sehr sie vom einzelnen lebt und geprägt ist. Immer wenn einer herausgerissen wird, haben die Zurückbleibenden das Gefühl, es sei finster und leer geworden, und es dauert lange, bis diese Wunde verheilt.
Mir ist begrifflich also immer noch nicht klar, was das "Eigene" im Bezug auf Kollektive sein soll - wenn die Linke es "wegnehmen" will, was ist es dann? Das materielle Gut, das sie enteignen will (das kann einem auch von rechts blühen... außer bei den Libertären...)? oder irgendeine unte Theorie, die bestreiten will, dass ich eine Himmelblaue, Wachsgelbe oder Mausgraue bin?
Wenn ich mich gewissermaßen achsensymmetrisch voll und ganz aus der Logik dieses "Feindes" definiere, habe ich mich bereits vollständig an dessen Weltdefinitionen angepasst und teile sie wie ein siamesischer Zwilling.
Mir ist das alles zu schwammig, aber auch tragisch nutzlos und in den Wind geschissen.
Klarer würde es mir, wenn das "Eigene" etwas Offenes bleibt, etwas, das immer im Werden ist und in seiner Realisation immer im Augenblick bleibt, aber auch einen historischen "Rattenschwanz" hat. Es kann doch auch für ein Volk nur so sein, wie es auch bei einer individuellen Biografie ist, bei der jemand sich entfaltet und "ganz bei sich" ist. Er hat eine Geschichte, ist aber nicht an sie gebunden wie ein Sklave. Es gibt tatsächlich die berühmten "Stufen" (Hesse).
Dazu aber verhilft am ehesten ein libertärer Denkansatz: es gibt kein Kollektivvolk, sondern nur die Gemeinschaft vieler einzelner, die durch familiäre und historische kulturelle, aber auch aktuelle Formungen und Bande und vor allem eine Sprache zusammengehören. Die Geschichte ist offenes, weil fortschreitendes Faktum. Was daraus weiterwächst, hängt tatsächlich an der Entwicklung des einzelnen und seiner Entfaltung und nicht an irgendeiner Kollektividentität. Wer vom Kollektiv her denkt, schafft nur den Ruin einer Gemeinschaft. Daraus folgt aber nicht der reine Egoismus. Die Identität einer Gemeinschaft ergibt sich natürlicherweise. Man kann und darf da nicht "nachhelfen". Von daher gebe ich auch auf die "Kraft" des Multikulturalismus nichts - das ist unrealistisch und wird allenfalls zu einer Segmentierung des deutschen Staatsgebietes führen, im schlimmsten Fall zu einer Vertreibung, nicht aber zu einer "Mischung". Das hat noch nirgends funktioniert. Was immer aber geschieht, wird das "Eigene" sein und bleiben. Das kommt ja nicht bloß "über einen", sondern man ist ja immer dabei, solange man lebt. Und diesen Faktor des Lebendigen kann niemand einfach so steuern. Weder von links noch von rechts.

zeitschnur

20. November 2019 10:21

@ HeinrichBrueck

Obwohl Sie eine flapsige Antwort geschrieben haben, möchte ich doch ein paar Fragen stellen, die im letzten Ende zeigen, dass der Materialismus als „Glaube“ die entropische Tendenz zum Manichäismus hat, von dem auch unser Artikel spricht.

Eine Selbstoffenbarung Gottes führt selbstverständlich beim Gläubigen zu einem "Wissen". Also: wer an diesen Gott glaubt, "weiß, was er denkt" im Rahmen dieser Offenbarung. Natürlich nicht, was Gott umfassend denkt, wenn der Begriff des prozessualen Denkens auf Gott überhaupt passt.
Der Außenstehende wird das abwehren und sagen: Und wenn es nur Deine Einbildung ist?
Antwort: ja, sicher! Nur: manches ist von einer Natur, dass kein Mensch darauf von selbst kommen kann.
Ich führe ein Beispiel aus:
Eine Bekannte meinte neulich: Religion entspringt einfach dem Wunsch, sich zu bedanken für all das Gute, etwas von dem, was man erhält, zu "opfern" aus Dankbarkeit.
So simpel das erscheint - aber nicht einmal das glaube ich. Warum sollten Menschen etwas vernichten, um es aus "Dankbarkeit" dem Gott zurückzugeben? Was ist das für ein Geber-Gott, der ein Opfer iS der Vernichtung des Opfers braucht? Und warum sollten Menschen überhaupt denken, dass sie irgendeinem höheren Wesen dankbar zu sein hätten? Faktisch erlebt sich der Jäger oder Sammler als der, der sich seine Nahrung selbst gibt. Er erkennt vielleicht, dass die Nahrung aus der Natur kommt, die ihn umgibt, und anderes Leben dabei draufgeht. Aber warum sollte er das als Problem sehen? Es wäre allenfalls denkbar, wenn man schon Lebendiges "isst", davon dem Gott aus Dankbarkeit ein symbolisches Häppchen zuzuwenden. Alle Opfer sind aber kontaminiert davon, dass aus der Vernichtung dem Gott ein Mehrwert entsteht seitens des Menschen. Es ist nicht nur ein Symbol.
Woher kommt so ein Gedanke? Und warum hat er das gesamte Altertum derart zerfräst, wie wir wissen, bis hin zu Menschenopfern?
ME sind das Gedanken aus einer "anderen Welt". Sie konterkarieren ein Gut, das man ebenfalls nicht von selbst denkend finden kann.
Selbst solche Ideen, die zwar in der Bibel mit-getragen, aber auch fallengelassen bzw überwunden oder deutlich in Frage gestellt werden, kommen unmöglich aus einer natürlichen Denkart. Kein Mensch käme auf solche Ideen und schon gar nicht ganze Völker. Wenn man dieses Denken abtrainiert und vergessen macht, kann ja auch folgerichtig keiner damit etwas anfangen. Es ist ein Kuriosum aus älterer Zeit. So wurden durch die Christianisierung ältere Gedanken gelöscht und neue installiert im Bewusstsein.
Ein anderes Beispiel ist die Tatsache, dass alle Kulturen von einem Leben nach dem Tod ausgehen und dafür einen immensen Aufwand betrieben haben. Woher hatten sie das? Aus bloßem Frust über die Vergänglichkeit?
Bitte hier erst mal innehalten, bevor man mit einer vulgären Antwort aufwartet. Diese Frage ist schwieriger als es aussieht.

Ich finde, dass wir viel zu oberflächlich umgehen mit all diesen Fragen.
Ähnlich ist es mit der menschlichen Sprache - sie ist nie und nimmer eine Entfaltung irgendwelcher evolutionärer Hyänenschreie angeblicher Vorfahren auf Bäumen. Sprache ist derart komplex, selbst nach dem üblichen Simplifizierungsprozess im Laufe der Jahrhunderte, den jede Sprache durchmacht - es NICHT nicht umgekehrt. Das heißt: je älter die Zeit, desto komplexer die Sprache. Die Menschen werden immer sprachunfähiger. Woher hatte der Mensch das? Und warum verblasst es, anstatt sich evolutionär immer höher zu entwickeln?
Diese "archetypische" Urwissen, das in allen Völkern und Kulturen, verfremdet und teilweise versponnen, aber gut erkennbar, vorliegt: darauf kommt man nicht einfach so. Es ist ein spezifisches Wissen um die Menschheit, das zu spezifisch ist, um einfach nur gut kollektiv erfunden zu sein.
Es hängt mit den Gedanken Gottes zusammen, bejahend oder verneinend, aber eben mit seinen. Was wir denken, ist immer Echo auf das seine.

Ich würde daher dazu einladen, etwas mehr in die Tiefe zu bohren und nicht immer nur diese dünnen Bretter der Materialisten und reinen Dogmatiker, die nach dem Motto leben: was ich nicht ansehen will ist nicht existent. Denn genau diese Haltung liegt auch der Grünlinken zugrunde.

Maiordomus

20. November 2019 10:58

@Gracchus. Ihre Präzisierung scheint mir wesentlich. Sie bringen auf den Punkt, was ich leider etwas kompliziert ausgedrückt habe, im Sinne Ihrer Kritik bestimmt zu oberlehrerhaft. Wir scheinen uns aber einig zu sein: Es gibt in der christlichen Bildungstradition - trotz Calvin und trotz einiger weiterer Fundamentalisten - ein Freiheitspotential, welches auf Paulus zurückgeführt werden kann. Dies realisierten u.a. eindrücklich Martin Luther einerseits und Albert Schweitzer andererseits. Letzterer mit dem Buch "Die Mystik des Apostels Paulus". An dieser Stelle darf man hoffentlich ohne Risiko die Aussage wagen, dass der geschulte Rabbiner und faktische Begründer des Christentums, nämlich Schaul/Paulus wohl intellektuell eine krass andere Liga als Muhammad darstellte. Man denke nur an das hohe gnostische Niveau des Verständnisses von Auferstehung im Korintherbrief, was eine Direktübertragung jenes Ereignisses durch den CNN (so es diesen damals schon gegeben hätte), ausgeschlossen hätte. Es ist, wie Nietzsche es wohl richtig verstanden hat, eine Art Platonismus für das Volk.

Diese hohe Anerkennung verdient Paulus unbeschadet davon, dass man bei nicht wenigen Stellen seiner Briefe aus heutiger Sicht mehrfach leer schlucken muss. Die Bibel ist indes nicht dazu da, auf unsere Zustimmung zu warten. Man sollte die unangenehmen Stellen nicht weginterpretieren. Beispielsweise ist mir dieser Tage aufgefallen, dass der Diakon Stephanos, ein hellenistisch gesinnter Jude (wenn überhaupt), wohl das erste Opfer der Jagd auf Antisemiten gewesen ist. Jedenfalls geriet er mit den jüdischen Schriftgelehrten in Jerusalem in Konflikt, wurde wegen seiner Auffassung des Evangeliusm der Gotteslästerung bezichtigt. In seiner Verteidigungsrede vor dem Hohen Rat ging er auf die Geschichte Israels ein, erklärend, dass die Juden "den Gerechten" getötet hätten, eine Lesart, welche die kath. Kirche heute nicht mehr unterschreibt. Daraufhin wurde er gesteinigt. (Apg 7, Lk 23,34,56; Apg 8,4; 11, 19. Paulus war übrigens Zeuge dieser Steinigung (vgl. Apg. 7,58; 8,13;22.20). U.a. nach Bibel-Lexikon, Brunnen-Verlag 1994.

Franz Bettinger

20. November 2019 11:35

@Zeitschnur: Es macht keinen Sinn, über Rechts, NS oder F zu reden - und sich wie Sie von diesem oder jenem brüsk zu distanzieren, als hätte man "Teufel" gesagt - wenn man diese Begriffe nicht definiert hat. Denn z.B. Sie verstehen offenbar etwas ganz anderes darunter als ich. Ich gebe zu, dass wir uns damit in die sogenannte Kopfschuss-Zone der BRiD bewegen und uns deshalb über das Thema nicht frei austauschen können. Belassen wir’s dabei, und überlassen wir K+K, was öffentlich gesagt und gewagt werden kann und was nicht. Im Zweifel eher weniger. Denn mit solchen Debatten hier gewinnen wir keinen Blumentopf.

Sehen Sie, Zeitschnur, Sie nehmen Ihr Christentum auch nicht in Haftung für die Verbrechen, die im Namen dieser Ideologie / Religion verübt wurden; und die Linke schlägt trotz Lenin, Stalin, Pol Pot und anderen Gangstern nicht drei Kreuze, wenn sie über Marxismus / Kommunismus / Sozialismus redet. Wieso also dieser Pavlowsche Reflex, wenn die Sprachen auf den NS oder F kommt? Ja, shit happens, aber nicht zwangsläufig. Lassen wir’s.

Das Eigene ist zuerst - heute - unser Land, Deutschland. Sehen Sie nicht, dass es den Deutschen weggenommen wird? Dass es durch Versailles 1918 und dann wieder durch Jalta und dann wieder durch Merkels Fremdenliebeswahn uns weggenommen wird? Es geht in erster Linie um Leute, Sprache und Kultur; erst sekundär geht's beim Schutz des Eigenen um mein Haus, mein Auto, meinen Job und mein Geld auf der Bank. Die Links-Grünen wollen uns das alles, direkt oder indirekt, wegnehmen. Mein Gott, ist das so schwer zu verstehen? Sie Z bekennen sich zum Libertären und schreiben: „Es gibt kein (Kollektiv-) Volk, sondern nur die Gemeinschaft einzelner.“ Und: „Was immer geschieht, wird das Eigene sein und bleiben.“ Sagen Sie das mal den Indianern, vor allem den Mohikanern. - Ihnen ist nicht zu helfen!

zeitschnur

20. November 2019 12:37

@ Maior Domus

Stephanus ist nicht der "Erste, der wegen Antisemitismus verfolgt wurde".
Das ist eine vollkommen unzulässige Rückprojektion eines postmodernen Szenarios eine völlig andere historische und spirituelle Situation.
Und er wurde auch nicht gesteinigt, weil er den Juden vorwarf, den Gerechten getötet zu haben. Deswegen waren sie zwar "aufs Äußerste empört", wie es heißt in Apg 7,54 und "knirschten mit den Zähnen" - d.h. sie suchten einen Grund, der zuließ, ihn zu steinigen. Dazu reichte solche Kritik noch nicht aus!
Das Drama nimmt erst seinen Lauf, als Stephanus vom Hl. Geist erfüllt wird und den Himmel offenstehen sieht, den "Menschensohn zur Rechten Gottes stehen". Die Juden halten sich die Ohren zu und überbrüllen seine Rede einfach: das ist der "Stein des Anstoßes zur Steinigung, dass er das bezeugt und gesagt hat.
Bitte genau unterscheiden: nach jüdischem Denken ist es keine Blasphemie, einen andere als Gerechten anzusehen. Aber zu behaupten, der "Menschensohn", also ein reiner Mensch, stehe zur Rechten Gottes - das ist der Hammer. Zur Rechten Gottes ist niemand, sonst müsste ein Mensch mit Gott gleichgestellt worden sein. Zwar findet sich dies als Ankündigung in einem Psalm, aber die Unerträglichkeit dieses Gedankens ist bis heute daran erkennbar, dass auch Christen dies nicht ertragen und dogmatisch festgestellt haben, obwohl das nirgends in der Schrift steht, dieser Mensch sei "wesensgleich" mit Gott. Die Muslime umgekehrt, aber auch christliche Unitarier ertragen den Gedanken umgekehrt nicht und werten Jesus als Mensch ab.
Stephanus war selbst Jude und setzte sich mit Juden auseinander. Er war weder Antisemit, noch warf ihm jemand A. vor. Der Vorwurf ist und bleibt wie bei Jesus: Blasphemie.

zeitschnur

20. November 2019 12:40

@ Franz Bettinger

Doch, ich sehe, dass hier geostrategische Wegnehmereien und Täuschungen stattfinden! ich sehe aber auch ein bescheuertes Volk, das alles auch noch unter Proskynesis und Fußkuss mitmacht - das ist mein wesentlicher Punkt.
Ansonsten habe ich eher keine Pawlowschen Reflexe - Sie wissen doch: ICH bin kein Tier.

heinrichbrueck

20. November 2019 13:03

@ zeitschnur / Franz Bettinger

Das gesamte Weltfinanzsystem ist so angelegt, daß man mit einem Bein im Faschismus steht. Sogar stehen muß. Das falsche Entwicklungspotenzial einer Gemeinschaft, Einverständnis der Gemeinschaft vorausgesetzt, die ihre Freiheit in die Urne wirft und nach oben delegiert, verbunden mit einem Oben, welches durch eine Ideologie der Vorgabe führt und das Kreativpotential unterdrückt, zeigt ein System der Schuldknechtschaft, in der jedermann lebenslang Schulden abarbeiten muß. Faschismus ist die Verschleierung, die einem Systemzusammenbruch als Notwehrmaßnahme dient, um sein Fortbestehen nach einer Massenreinigung in einem Neuanfang garantieren zu können.
Das Eigene ist die Volksgemeinschaft, die in Freiheit Gottes Entwicklungspotential verrichtet; die wahre Selbstverwirklichung, die jedes Unterdrückungssystem außerhalb ihrer eigenen Kultur weiß.

Die biblische Kultur des Zinshungers bedarf eines Upgrades. Die Benutzeranforderungen müssen den Verwender überleben lassen, und nicht den untergejubelten Parasiten. Wie der Glaube zur Einsicht gelangt, in der Realität wohlgemerkt, wirkt sich in beide Richtungen aus: die eine ist Zukunftslosigkeit, die andere zieht Geldüberweisungen an fremde Kontobenutzer. Hier besser notiert: https://fktdeutsch.wordpress.com/2019/10/28/weltwirtschaftskrise-biblische-kultur/

Sie diagnostizieren im Sellnerstrang einen völkischen Dachschaden. Vor nicht allzu langer Zeit, ein Türscharnier war abgebrochen, dieses in einer Schlosserei schweißen lassen. Eine Minutenangelegenheit, das Schweißen sogar im Sekundenbereich lag. Kostenbetrag: ein Kasten Bier liegt preislich höher. Spätestens an diesem gedanklichen Punkt wird aber auch deutlich, daß die Dachschadendiagnostiker nicht schweißen können. Und so langsam artet es in einer Unverschämtheit (Infiltration) sondergleichen aus, den Systemfehler intellektuell glaubensmäßig dem einfachen Volk anzulasten; und diesen auch noch mit alttestamentarischen Konnotationen zu untermauern. Welches Echo bestimmt hier das Denken?
Jenseitsmythologien, wir werden es alle früh genug erfahren. Das Diesseits ist wichtiger. Gott ist ohne den Menschen nichts, um jetzt auch einmal zu menscheln. Er kann menschenfrei jederzeit getötet werden.

Maiordomus

20. November 2019 14:06

@Danke für die Präzisierung. Natürlich gibt es längst auch Juden, denen man Antisemitismus vorwirft, nicht nur den druchaus berühmt-berüchtigten jüdischen Selbsthass, bis hin etwa zu Marx. Sogar schon Broder gilt in manchen Kreisen als Antisemit. Immerhin scheint es so, dass Stephanos auf der Seite der hellenistischen Christen und nicht auf derjenigen der Judenchristen gestanden zu haben scheint. Ich gebe ferner zu, dass die Formulierung mit dem frühen Antisemitismus reichlich salopp war, aber ich bleibe überzeugt, dass Stephanos sich immer noch "antisemitischer" und die Juden stärker beleidigend geäussert hat als der Politiker, der wegen dem Wort "Judaslohn" um seine Stellung als Ausschuss-Vorsitzender gekommen ist.

Maiordomus

20. November 2019 14:26

@Noch PS an Zeitschnur. Wahr ist, dass man beim herkömmlichen Wortgebrauch von "Antisemitismus" , was ich leider praktiziert habe, regelmässig in Widersprüche gerät, weil es nämlich Antijudaismus genannt werden müsste, weil es ja über die Juden hinaus noch andere, oft mit den Juden verfeindete, Volksgruppen gab und gibt. Und auch der Antijudaismus ist wie der Antikatholizismus eine verkorkste Angelegenheit, weil viele Antikatholiken wie in der Schweiz Augustin Keller und in Deutschland Karlheinz Deschner selber Katholiken waren, und entsprechend ist Judenhass in gar nicht so wenigen Fällen von Juden ausgegangen. Insofern wäre die Geschichte von Stephanos, die jedoch differenzierter erzählt werden müsste als ich es getan habe sogar, im Sinne Ihrer Ausführungen doch noch und durchaus lehrreich.

Cugel

20. November 2019 21:30

@zeitschnur
Vielen Dank für Ihre Erläuterung.
Mir ist dennoch nicht klarer geworden, wozu Sie den Faschismusbegriff benötigen. Für Ihre Definition des Faschismus gibt es bereits den Begriff des Totalitarismus.
M. E. differenzieren Sie zuwenig. Auch zwischen Kitsch und Dreck sehe ich noch einen erheblichen Unterschied.

Gracchus

20. November 2019 22:36

@Maiordomus: "Wir scheinen uns aber einig zu sein: Es gibt in der christlichen Bildungstradition - trotz Calvin und trotz einiger weiterer Fundamentalisten - ein Freiheitspotential, welches auf Paulus zurückgeführt werden kann." Richtig. Da sind wir uns einig.

"was eine Direktübertragung jenes Ereignisses durch den CNN (so es diesen damals schon gegeben hätte), ausgeschlossen hätte." Meinen Sie?

Cugel

20. November 2019 23:23

@zeitschnur
"Die rechte sollte sich nachdrücklich von jeglicher faschistischen Strukturverehrung distanzieren und konsequent das Individuum als das tragende Element der Gemeinschaft ansehen."
Sie meinen, daß die Distanzierungsorgien, die man bisher rechts der Mitte - und das ist bekanntlich heute jeder rechts des Linksextremismus - gefeiert hat, immer noch nicht reichen?
Ihren früheren Erläuterungen entnehme ich, daß Strukturverehrung intrinsisch faschistisch ist. Dann frage ich mal lieber nicht, ob Ihnen etwa die kommunistische genehmer ist, da alles dieselbe Soße.

Und wen meinen Sie mit "die Rechte"?
Schnellroda kann's nicht sein, die AfD auch nicht.
Die Rechte, Dritter Weg, NPD?

"Dazu aber verhilft am ehesten ein libertärer Denkansatz: es gibt kein Kollektivvolk, sondern nur die Gemeinschaft vieler einzelner, die durch familiäre und historische kulturelle, aber auch aktuelle Formungen und Bande und vor allem eine Sprache zusammengehören."

Wann würde da nun die Grenze zum Kollektiv überschritten?
Wo wird das Kontinuum diskret, zeitschnur?

Bei Ihnen habe ich oft den Eindruck, daß Sie das unter Insistieren anders Bezeichnete als dasselbe mit anderen Worten beschreiben, wolkig zudem.
Das wäre dann nur ein Streit um Etiketten.
Wo der Eine "Kollektiv" draufpappt, klebt die Andere entrüstet "Gemeinschaft" drüber.
Kaum jemand im Kommentariat sieht das Volk als Ameisenhaufen, und niemand ist scharf auf die Diktatur des Proletariats (gut, außer Imagine).
Es geht aber kein Weg am Zwang vorbei. Ohne Zwang weder Zivilisation noch Staat, der für seßhafte Völker lebensnotwendig ist.
Haben Sie Mut zum Zwang, zeitschnur!
Oder schreiben Sie "Notwendigkeit" auf die Phiole, dann schmeckt die Medizin gleich besser. Alles schön und gut, solange der Fortbestand des Volkes gesichert wird, den nicht alle Kollektivisten im Sinn haben. Libertären jedenfalls ist er herzlich egal, sonst wären es ja keine Libertären, sondern Nationalliberale.

Maiordomus

21. November 2019 09:23

@Gracchus. Die Sache mit dem CNN, welcher die Auferstehung wohl kaum hätte direktübertragen können, bedarf einiger Erläuterungen.

Was Paulus in I Korinther 15, 35 - 56 über den verwandelten Auferstehungsleib schreibt, entspricht. teilweise in Vorwegnahme, weitgehend Theorien von Neuplatonikern und Gnostikern über den verwandelten Leib; vergleiche die Lehre von Paracelsus über Leib und Seele. "Himmelskörper" sind nach Paulus mit unserem "adamitischen Leib" (Paracelsus) nicht zu verwechseln, so Kor I, 40f: "Die Schönheit der Himmelskörper ist anders als die der irdischen Körper. Der Glanz der Sonne ist anders als der Glanz des Mondes ... ; denn auch die Gestirne unterscheiden sich durch ihren Glanz. - So ist es auch mit der Auferstehung der Toten. Was gesät wird, ist verweslich, was auferweckt wird, unverweslich. Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer Leib. Wenn es einen irdischen Leig gibt, gibt es auch einen überirdischen. So steht es auch in der Schrift: Adam, der Erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der Letzte Adam (Jesus Christus MD) wurde ein lebendigmachender Geist.Aber zuerst kommt nicht das Überirdische; zuerst kommt das Irdische, dann das Überirdische. Der Erste Mensch stammt von der Erde und ist Erde; der Zweite Mensch stammt vom Himmel. Wie der Erste Mensch irdisch war, so sind es auch seine Nachfahren. Und wie der vom Himmel himmlich ist, so sind es auch seine Nachfahren. Wie wir nach dem Bild des Irdischen gestaltet wurden, so werden wir nach dem Bild des Himmlischen gestaltet werden."

Dies ist freilich eine komplexe gnostische Lehre mit unterschiedlichen Wirklichkeitsebenen, wie es denn auch der christliche Intellektuelle Meister Eckhart gesehen hat; nur dass er der Meinung ist: "Für Gott ist der Mann (vollendeter Mensch) vor dem Säugling, das Huhn vor dem Ei", was er gemäss der Lehre von Aristoteles von der Entelechie so interpretiert, nicht zu verwechseln mit einer rein biologischen Betrachtungsweise; es geht um die "Substanz", das "Wesen" des Menschen und des Huhns, wie es in Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit gegründet wurde.

Man kann und soll über diese Dinge kritisch denken; es bleibt aber klar, dass es ein hochintellektuelles Modell ist, von einem ganz anderen theoretischen Niveau als es etwa im Koran Standard. Daraus ergibt sich dann der dynamische Gottesbegriff der Heiligen Dreifaltigkeit, dessen Pointe nach Meister Eckhart die Gottesgeburt in der Seele ist; findet letztere nicht statt, kann Gott, wie es dann Kierkegaard ausdrücken wird, buchstäblich "seinen Himmel behalten". Wer es fassen mag, der fasse es. Noch interessant bleibt indessen, dass gemäss I Kor 15,6 der auferstandene Jesus mal 500 Brüdern zugleich erschienen ist, von denen gemäss Paulus viele noch zu seiner Zeit lebten und die er persönlich kannte. Das ist mit der Halluzination eines Einzelnen nicht zu verwechseln, wobei man jedoch als Kenner von Le Bon und Canetti sich da durchaus seine eigenen Gedanken machen sollte. Wie auch immer, der CNN hätte wohl auch diese Erscheinung vor 500 Zeugen - es muss eine Lichterscheinung gewesen sein - nicht so filmen können, dass damit die leibliche Auferstehung von Jesus endgültig "bewiesen" gewesen wäre.

Für den relativ modernen Neuplatoniker Paracelsus gab es nach dem "adamitischen Leib" (für den CNN filmbar) noch einen subtilen feinstofflichen Seelenleib so wie einen Geistleib. Dies kann indes auf Ebene Blog hier nicht näher erläutert werden, ausser dass wohl auch das vom Alchemisten als "feinstofflich" Bezeichnete ähnlich wie etwa Elementarteilchen nicht für das Massenpublikum anschaulich "gefilmt" werden. Es bedarf dazu, wenn schon, einer Art von geistigem Auge. Wir bewegen uns hier allerdings auf einem Terrain, auf welchem der Durchschnittschrist seit 2000 Jahren schon überfordert blieb; die Kirche war sich dessen bewusst; darum und wohl hauptsächlich darum hat sie Meister Eckhart, ohne aus ihm einen herkömmlichen Ketzer zu machen, 1328 verurteilt. Auch war das selbständige Lesen der Bibel zu den Blütezeiten der katholischen Kirche vielfach verboten, wewil solche Texte wie die von Paulus die grosse Gefahr enthielten, Verwirrung zu stiften. Lesenswert bleibt indessen, wie ich oben schon angeführt habe, das Buch von Albert Schweitzer "Die Mystik des Apostels Paulus". Es muss wohl ein für allemal klar sein, dass wohl nicht Jesus, sondern Paulus der Stifter des Christentums als "Kirche" gewesen ist. Es bleibt dabei, dass er von einem ganz anderen geistigen Niveau war als Muhammad, so wie Meister Eckhart dank abendländischer Philosophie noch einmal eine andere Liga als Buddha darstellt. In einem gewissen Sinn war indes die Reformation Luthers so etwas wie "Meister Eckhart für das Volk".

zeitschnur

21. November 2019 10:16

@ Cugel

Ich gebe Ihnen damit recht, dass "Faschismus" und "Totalitarismus" verwandet Begriffe sind. In meiner Begrifflichkeit trifft der Faschismus als Bildbegriff das Phänomen besser, handgreiflicher.
Ansonsten - irgendwie ufert das jetzt aus, aber ich meinte nicht, dass ich JEDE Struktur ablehne, sondern die faschistische. Die Verehrung einer Struktur erscheint mir absurd. Sie ist immer nur Dienerin, nicht Herrin. Es ging hier davon abgesehen schon öfter um den Primat des Kollektives (das auch das "Volk" sein kann) gegenüber dem Primat des Einzelnen. Ich denke sehr wohl differenziert, denn es macht einen erheblichen Unterschied aus, wem ich hier den Primat zuerkenne.

zeitschnur

21. November 2019 10:53

@ Maior Domus

Ihre Belesenheit ist bewundernswert. Chapeau bas. Aber war Paulus "Gnostiker"? Was immer Sie damit meinen, vielleicht meinen Sie ja eher, dass bei ihm immer wieder hellenistische Ideen "spuken", obwohl er andererseits, wie es in Apg 9,29 beschrieben wird, ziemlich gleich zu Beginn seines öffentlichen Wirkens als Christ mit den jüdischen Hellenisten den Streit suchte, was beachtet werden sollte. Die Areopagrede sucht Anknüpfung an das Denken der heidnischen Hellenisten, aber sie bestätigt damit nicht das Gedankengebäude.
Die Stelle in I Kor 15 habe ich anders verstanden: es geht da um einen Vergleich der kommenden himmlischen Gestalt des Menschen, der Verwandlung dahin, mit etwas, das wir schon hier aus der Natur kennen: Es werden nicht Himmelskörper gegen Erdenkörper gesetzt, sondern Paulus will sagen, dass die Natur voller Vielfalt ist und Gott jedem einen anderen Gestalt gegeben hat - schon hier. Dazu zählt er auch die Himmelskörper, die untereinander verschiedengestaltig sind. Schon hier wird aus einem Nukleus eine unerwartete Gestalt. Obwohl alles aus Erde und Wasser ist, hat Gott es differenziert, selbst unterschiedliches Licht gibt es (Sonne, Mond, Sterne).
Dies dient als Bild für den Auferstehungsleib, der aus dem Nukleus des Irdischen kommt, aber seine wesentliche Differenz zum irdischen Leib vom Himmel erhält (andernfalls wäre der Gedankengang unlogisch!).
Allerdings werden Sie bei Paulus keine Rede von "Substanz" oder dergleichen finden. Genau an diesem Punkt ist er nicht hellenstisch, und man sollte es auch nicht in ihn hineindeuten. Wie gesagt: eine seiner ersten Auseinandersetzungen war die mit Hellenisten, vermutlich, weil er selbst hellenistisch geschult war und die Verführung durch diese intellektuell zweifellos anspruchsvollen Ideen am besten abschätzen konnte. Seine Erblindung korrespondiert der typischen Ver-blendung durch den Hellenismus. Er gewann sein Augenlicht wieder, hat sich aber danach vom Hellenismus immer weiter entfernt, auch wenn die Spuren dieses Denkens immer wieder aufflackern.
Die Kirche hat sehr wohl das hellenistische Denken stark gefördert und integriert, nicht zuletzt durch die blutig und gewalttätig durchgesetzte, außerbiblische Trinitätslehre. Als dann eines Tages die Schriften des angeblichen Dionysius vom Areopag auftauchten, schien man DEN Beweis zu haben für die paulinische Schulung seines Eleven ... Aber sie sind eine Fälschung, wie man bald wusste. Auf dieser Spur würde ich daher nicht weiterdenken. Die Kirche ist mit Sicherheit wegen dieses aus mS Irrwegs da gelandet, wo sie heute steht.

Maiordomus

21. November 2019 14:19

@Zeitschnur. Es war gewagt, Paulus einen Gnostiker zu nennen; eher würde ich von einem bedeutenden Einfluss von ihm auf die Gnosis sprechen. Zumal eine christliche Gnosis gäbe es ohne die denkerischen Knacknüsse in den Paulus-Briefen kaum, was in der Folge in alle möglichen Arten und Unarten von Orthodoxie und Ketzerei ausartete. Natürlich muss dogmatisch die Gnosis vom Christentum abgegrenzt werden, zumal der sog. Manichäismus, gegen den z.B. Augustinus angetreten ist, ohne von ihm ganz frei zu sein. Gnostiker sind oft von Paulus beeinflusst, er selber war wohl kein Gnostiker, da muss ich Ihnen, @Zeitschnur, wohl recht geben. Ähnlich wie Hegel am Ende wohl weder für die Marxisten noch gar die Bolschewisten die Verantwortung hätte übernehmen wollen, wiewohl er auf diese Richtungen einen Einfluss hatte (Lenin studierte in Zürichs Zentralbibliothek noch 1916/17 Hegelsche Werke).

Sie müssen mir nicht beibringen, dass die aristotelische Lehre von der Substanz bei Paulus natürlich nicht referiert wird. Die Meinung aber, Jesus Christus sei "wahrhaft auferstanden", und zwar weder als frommes Märchen noch rein nur metaphorisch, blieb für alle denkenden Christen der Folgezeit - "Glaubensgeheimnis" hin oder her - eine Knacknuss. Von daher stellten sich christlich beeinflusste Philosophen, in der Aufklärung noch Kant, mit Recht die Frage: "Wir wirklich ist die Wirklichkeit?" Heidegger aus Messkirch formulierte es dann so: "Der Frage nach dem Sein widme ich mein Leben." Oder Watzlawick: "Wie wirklich ist die Wirklichkeit?" Diese Fragen stellten sich indes schon Platon mit dem Höhlengleichnis und Aristoteles mit seinem Hauptproblem, der Lehre von der Substanz, deren seriöse Erarbeitung viel Studienzeit erfordern würde. Der "Nutzen" davon wären die Grundlagen der abendländischen Ontologie, von der freilich Popper und Carnap bekanntlich wenig gehalten haben, während deren Mentor Wittgenstein mit der Zeit merkte, dass hinter diesen Fragestellungen doch echte Probleme stecken. Also lohnt es sich vielleicht, bloss nicht finanziell oder wegen der Karriere, sich mit abendländischer Ontologie auseinanderzusetzen. Es geht, bei allem Respekt vor den eigentlich nicht minder klugen Indern, Chinesen und Japanern, um unser spezifisch abendländisches Wirklichkeitsverständnis. Ob es einen Gott gibt oder nicht, ist spätestens seit Meister Eckhart eine eigentlich falsch gestellte Frage. Wie man sich aber zu dieser Frage stellt, denkerisch und existentiell, ist schon wesentlicher und wurde für das "abendländisches Weltverständnis" mit konstitutiv.

Eines der besten Bücher zum Thema schrieb der im September verstorbene beste asiatische Eckhart-Kenner, S. Ueda, in seinem Standardwerk "Die Gottesgeburt in der Seele oder der Durchbruch zur Gottheit", eine vorurteilslose Darstellung von Meister Eckhart und der Heiligen Dreifaltigkeit aus der Feder eines japanischen Nichtchristen. Ich bin mir nicht sicher, ob Ratzinger die Dreifaltigkeit so gut verstanden hat wie Ueda, vielleicht war der Japaner deswegen so gut, weil er weder etwas unbedingt verteidigen noch bestreiten musste; es genügte ihm, Meister Eckhart verstehen zu wollen, und dafür musste er zuerst die Heilige Dreifaltigkeit verstehen. Ich versichere Ihnen, @Zeitschnur, dass sich Ueda dieser Frage in jahrzehntelangen Studien gründlicher angenommen hat als Sie und ich. Es ist aber klar, dass man über das jüdisch-paulinische hinaus die abendländische Philosophie und zumal Ontologie incl. Platon, die Gnosis, Augustinus bis über das Mittelalter mit seiner spirituellen Alchemie und bis in die Neuzeit hinein studieren muss, um zu sehen, dass im Zusammenhang mit der Lehre von der Person (die Personen in Gott und der Mensch als Person) die Debatte über die Dreifaltigkeit immer wieder ihre überraschenden Ableger findet. Und stets geht es um die Frage nach der Substanz. Zum Beispiel ist bei Fichte das sog. Transzendentale Ich "Substanz", bei Schopenhauer der "Wille", der sich in die Vorstellung gestaltet, zu schweigen von Heideggers Fragen nach Sein, Seinsvergessenheit und ob uns am Ende dann doch nur ein "Gott" retten könne, wie der Philosoph aus Messkirch sich gegenüber Spiegel-Augstein äusserte. Diese Debatten setzen aber durchgehend voraus, dass man die Problemstellungen, nicht die Antworten, von Aristoteles in dessen Erster Philosophie, später Metaphysik genannt, erarbeitet hat. Und die Frage aller theoretischen Fragen bei Aristoteles ist nun mal die Frage nach der Substanz, was man für die wahre Wirklichkeit halte. Sage mir, was für dich die Substanz ist, und ich sage dir, was für eine Philosophie du habest. Oder wie es dann Fichte ausdrückte: "Was für eine Philosophie man habe, hängt davon ab, was für ein Mensch man sei". Aus theologischer Sicht hängt dies dann engstens mit der Vorstellung oder Nicht-Vorstellung von Gott zusammen. Gemäss Anselm von Canterbury, über den Karl Barth ein bedeutendes Buch geschrieben hat, und auch Kant, als er die Gottesbeweise demontierte, geht es zunächst um Grundbegriffe, zum Beispiel "Das Wesen, das vollkommener nicht gedacht werden kann", das sog. ontologische Argument. Dieses spielte noch bei Leibniz eine Rolle, als er über die beste aller mögliche Welten nachdachte und nicht zuletzt über die Monaden, die wiederum mit dem Problem der Substanz zu tun haben. Natürlich können Sie einwenden, @Zeitschnur, dass Paulus weder den Begriff "Monade" noch Kants Begriff vom "Ding an sich" gekannt habe. Trotzdem haben alle diese Denker an der Frage nach Gott entzündet, haben alle Platon, Aristoteles, Paulus und Augustin gekannt und sich über nicht mehr und nicht weniger als über das christliche Gottesbild den Kopf zerbrochen, so wie zuletzt der letzte grosse Systematiker, Karl Barth, mit seiner vielbändigen "Christlichen Dogmatik", die in Einzelheiten zwar viele Absurditäten enthält. Vielleicht auch, weil die ontologischen Grundlagen nicht gerade seine grösste Stärke waren.

Dieses ontologische Modell, womit die Lehre von der Heiligen Dreifaltigkeit als irgendwie denkbar theoretisch nicht ausgeschlossen wird, wurde ein ganz wichtiges Theologoumenen ab den Kirchenvätern und in der Scholastik, wobei dies zur Interpretation vieler Stellen bei Paulus im Sinne von "fides quaerens intellectum" (Anselm) durchaus sinnvoll und nicht daneben war. Auch die johanneische Logoslehre ist so eine Sache. Eine der bedeutendsten denkerischen Errugenschaften der älteren Theologie, die Lehre von der Person (ohne dieselbe auch Theorien von Menschenrechten kaum eine Grundlage hätten, bis hin zu Kant usw.), hat nun mal mit dem Leib-Seele-Problem bei Platon und Aristoteles zu tun und gehört mithin auch zum Verständnis der "Gottesgeburt in der Seele", ohen welche die Dreifaltigkeit, wie offenbar auch bei Ihnen, ihre Bedeutung weitgehend verlieren würde. Zum Verständnis des Substanzbegriffs, der z.B. nichts zu tun hat mit "chemischer Substanz", müsste man über Platon, für den die Seele die Substanz bedeutet, über Aristoteles (Mensch zusammengesetzte Substanz aus Leib und Seele) über die Scholastik mit dem Streit zwischen Nominalismus und Universalismus (wo es immer um das Verständnis der Substanz geht!) bis hin zu Descartes, Spinoza, Kant, Fichte, Hegel, Schelling, Schopenhauer, Whitehead und Heidegger die Sache weiterdenken. Theologisch von Bedeutung ist die Lehre von der Substanz als die Lehre von der Person, was mit dem Göttlichen im Menschen zu tun hat, dem Eckhartschen Seelenfunken. Bei der Kommentierung wird regelmässig Rekurs auf Paulus genommen, obwohl dieser natürlich die Lehre von Platon und Aristoteles trotz einiger Kenntnisse der Frühgnosis nie selber schulmässig erarbeitet hat. Es bleibt aber dabei: ohne die drei sich vereinigenden und wieder trennenden Personen in Gott gibt es im christlichen Sinn keine Vereinigung mit Gott und wird zumal die Lehre von der Menschwerdung Gottes sinnlos.

Ich finde es indes nicht lustig, dass Calvin 1553 den Arzt Serveto wegen dessen Leugnung der Dreifaltigkeit in einem hochdemokratischen Gerichtsverfahren, dem auch Bern, Neuenburg, Basel, Zürich und noch andere Gemeinden zuzustimmen hatten, hinrichten liess; es ist aber schon klar, dass diejenigen, welche von der Heiligen Dreifaltigkeit ausgehen und diejenigen, welche diese leugnen, völlig verschiedene Religionen haben; die Leugner der Dreifaltigkerit dem Islam näher stehen als dem abendländischen Christentum mit dessen metaphysischen Vorstellungen der Vereinigung von Immanenz und Transzendenz, was ja den Sinn der "Menschwerdung" ausmacht. Ausserhalb der Theorie der Dreifaltigkeit eine schlichte Absurdität. A propos Dionysios. Ohne die die gewaltige Studie Kaltenbrunners, sein bedeutendstes Werk, unterhalten wir uns in dieser Frage nicht mit den gleichen Voraussetzungen. Das mit "Fälschung" bringt nichts oder auch gar nichts für dessen Bedeutung.

Noch zu Calvins Prozess gegen Serveto: Er ist ein Musterbeispiel für moderne Justiz, weswegen alle Instanzen einstimmig zu urteilen hatten; dort, wo es wirklich um die Wurst geht, hört die Toleranz auf. Das ist auch heute noch so, nur ist die heilige Dreifaltigkeit heute wohl 99% der Menschenrechtsjuristen wurst. Es sind heute ganz andere Themen, die einen Richter postwendend und automatisch um die Fortsetzung seiner Karriere brächten. Die höchsten zivilreligiösen Dogmen dürfen nicht geleugnet werden, da gibt es nur Kapitulation auf Gnade oder Ungnade.

Noch etwas: Im Zusammenhang mit der Lehre vom "Leib" , auch Auferstehungsleib, sollte man natürlich "Himmelskörper" nicht im rein astronomischen Sinn verstehen. Meines Erachtens gibt es bei Paulus allenfalls ein Phänomen, das sowohl für die astronomische Kosmologie und Kosmosophie (z.B. noch bei Kepler) wie für die Anthropologie und "Anthroposophie" (nicht nur im Steinerschen Sinne) von Bedeutung bleiben: das Licht. Goethe nennt es das Urphänomen. Aber auch der Begriff Licht ist, wie die Nacht, in der europäischen Mystik natürlich analog zu verstehen. Mit Kaltenbrunner halte ich übrigens Dionsysios, wer immer er gewesen sein mag, für einen der wichtigsten ausserbiblischen Autoren. Für das intellektuelle Verständnis des abendländischen Christentums bleibt er unentbehrlich. Nicht zufällig ist er bei Thomas von Aquin der meistzitierte Autor, noch vor Aristoteles und Augustinus. Natürlich muss über den "Leib" tiefer philosophiert werden als es hier möglich ist. Um es mit einem protestantischen deutschen Mystik-Autor aus der Tradition des von Paracelsus beeinflussten Jacob Boehme auszudrücken, nämlich Oetinger, würde gelten: "Leiblichkeit ist das Ende aller Wege Gottes", wobei "Ende" im Sinne von Ziel oder Worumwillen zu verstehen wäre, so wie auch Schiller diesen Begriff in seiner Jenauer Antrittsrede "Warum und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte" verwendet hat.

Persönlich glaube ich, dass Meister Eckhart das mystische Verhältnis von Vater und Sohn im Neuen Testament von allen mir bekannten christlichen Theologen am besten und klarsten darzustellen vermocht. Ekchart hat damit die Pointe der Heiligen Dreifaltigkeit nicht nur zum Faszinosum erhoben, sondern zum Orientierungspunkt auf dem mystischen Weg gemacht hat. Das Denken der Unio mystica setzt, wie das innergöttliche Verhältnis von Gott Vater und Gott Sohn, das Modell der Dreifaltigkeit nun mal voraus. Und mit der Dreifaltigkeit versteht der abendländische Mensch im Sinne von Meister Eckhart, aber auch der spirituellen Alchemie, sich selber, und ohne die Dreifaltigkeit läuft er Gefahr, sich selber nicht zu verstehen. Wenn einer über Paulus hinausgekommen ist, ohne das biblisch-johanneische "Wort Gottes", den Logos, zu verraten, dann am ehesten Eckart von Hochheim (1260 - 1328) . Die dortige Thüringer Dorfkirche, etwa 15 Kilometer von Gotha entfernt, beheimatet eines der eindrücklichsten christlichen Kunstwerke des 21. Jahrhunderts, nämlich Webers Kirchenfenster "Die Gottesgeburt", eine fürwahr mystische Aussage; ähnlich Zumthors Bruder-Klaus-Kapelle auf einem Feld irgendwo zwischen Köln und Dürnten, eine eher dunkle schlichte Örtlichkeit, aber mit wohl unvergleichlich tieferer Ausstrahlung als die Kirchen der Apparate, deren Bedeutung für das spirituelle Leben in Europa sich beinahe täglich unterbietet.

Maiordomus

21. November 2019 18:37

@PS. Der Titel von Bosselmanns Aufsatz lautet: "Die Rechte ist böse." Die Erklärung des Bösen über gewöhnliche Schwächen und Fehler hinaus als das Böse, den Weltfeind, an sich, war und ist ein Problem der Gnosis, weswegen es nicht mal so eine grosse Abschweifung war, in Antwort auf Sie, @Zeitschnur, auf die Gnosis zu sprechen zu kommen. Noch als Korrektur. Natürlich stellte auch Kant die Frage "W i e wirklich ist die Wirklichkeit?", und beim letzten Abschnitt muss es heissen:

"Persönlich glaube ich, dass Meister Eckhart das mystische Verhältnis von Vater und Sohn im Neuen Testament von allen mir bekannten christlichen Theologen am besten und klarsten darzustellen vermochte. Ekchart hat damit die Pointe der Heiligen Dreifaltigkeit nicht nur zum Faszinosum erhoben, sondern zum existentiellen und zugleich transzendentalen Orientierungspunkt auf dem mystischen Weg gemacht."

Meines Erachtens war das Eckhart-Verständnis des Ideologen Alfred Rosenberg in seinem Buch "Der Mythos des 20. Jahrhunderts" mehr als nur national verschwurbelt, weil er die theologischen Grundlagen dieses Denkers, für die vor allem die lateinischen Schriften massgeblich sind, nicht aufgearbeitet hat. Eckhart war und blieb für ihn eine Art faustischer Mensch, ein national-spirituelles Maskottchen für "Deutsch-Gläubige" oder sogenannt "Gottgläubige", wie man damals sagte. Dabei scheint es mir nicht einmal sicher, ob Eckhart in einem herkömmlichen Sinn "gottgläubig" war. Dies wurde mit zu einem Grund, warum sich dann der Marxist Ernst Bloch seienrseits für ihn begeisterte. Aber ein Atheist etwa im Sinne von Ludwig Feuerbach war Eckhart erst recht nicht. In ihm kulminiert die "Theologia negativa", was für Orthodoxe aller Schattierungen und zumal für Fundis, auch aller Schattierungen, Probleme macht.

zeitschnur

21. November 2019 20:16

@ Maior Domus

Sie toppen mich wirklich locker an Ausführlichkeit. Ich kann nicht mehr auf die vielen Aspekte in diesem Strang eingehen. Aber ich finde es gewagt, jemandem, der mit dem Trinitätsmodell nicht warm wird, zu unterstellen, er denke nicht abendländisch.
Es ist dabei die Frage, ob die gedanklichen Probleme mit diesem Modell einer tumb—großmäuligen Vernünftelei entspringen (wie beim Islam in jedem Fall sehr oft, bei Servetus ging es wohl auch primär um die "Unvernünftigkeit" des Modells, aber auch bei Newton, der sich sonst für keine alchemistische Spekulation zu schade war und dessen hübsche Ideen, wie der, dass die Naturgesetze im ganzen Kosmos gelten müssten oder die Behauptung einer Gravitation, die bis heute nicht bewiesen ist, ging es primär um angebliche Unvernünftigkeit).
Mit diesen Leuten habe ich nichts zu tun - natürlich gibt es bei Gott Wunder und Unausdenkbares, das sollte keine Frage sein.
Die Frage ist vielmehr, ob sich diese Lehre aus dem NT (und AT) wirklich ableiten lässt. Und das tut sie nicht. Nicht mal die ersten christlichen Jahrhunderte geben das her. Es ist gewissermaßen eine "fremde" Lehre, die man in die christliche Botschaft gemixt hat. Die Kirche hat unter ihr mehr oder weniger bald geächzt. Immerhin war noch im 4. Jh fast das ganze Abendland samt dem Orient "arianisch", dachte also nicht trinitarisch. Uns erzählt man, der großartige Held Athanasius habe wie das Zünglein an der Waage im letzten Moment die Kirche vor dieser "Häresie" gerettet. Allerdings macht der Bursche einen durchaus ekelhaften Eindruck, wenn man genauer studiert, was da ablief. Was, wenn es umgekehrt war (und dafür spricht viel): der Trinitarismus ist die Häresie und die weitverbreiteten anderen und früheren Traditionen sind die eigentliche Wahrheit gewesen oder ihr zumindest näher gestanden?
Schon gleich nach dem Konzil von Nizäa nahmen Bischöfe ihre Unterschrift für das Wortmonster "homoousios" zurück: sie hätten das nur unter Druck unterschrieben, glaubten das aber nicht und hielten es auch für eine Irrlehre. Na prima, aber der Käse war gegessen. Später kam der hl. Geist zu der nicänischen Binität dazu, dann stellte sich die Frage, ob Maria dann nicht auch "Gottesmutter" sei, an der die Kirche bis heute gespalten ist, dann kam das unselige "Filioque", das dann die gesamte Ostkirche ablehnte (bis heute), wobei es logisch aus dem Trinitätsmodell hervorgeht. Aber wenn ich orthodoxe Argumentationen lese, wird mir klar, dass auch der Osten mit der Trinitätslehre im Grunde größte Probleme hat, und nota bene: auch sie sind Abendländer! Als es dann dran ging, zu behaupten, der Geist gehe vom Sohn gleichermaßen aus wie vom Vater, wichen sie denn doch zurück. Sie spürten, dass das um keinen Preis mehr aus dem NT abzuleiten ist. Rom dogmatisierte das dann schließlich 1215 auf dem 4. Laterankonzil.
Und erst danach gingen die wilden mystischen Spekulationen los, die vielleicht wirklich asiatischer als abendländisch sind ...

Ich kontempliere die NT-Texte, auf Latein, aber auch auf Griechisch, lese die Übersetzungen, auch alte wie die Ulfilas (die arianischen Hintergrund hatte), um herauszuhören, was man wie verstanden hatte und mache immer erstaunlichere Entdeckungen und habe inzwischen einen eigenen Zugang gefunden, den ich so noch nirgends gelesen habe. Ich arbeite daran und denke, dass ich es mit Ihrem Japaner auf jeden Fall aufnehmen kann. Dabei geht es nicht drum, dass ich nun jedes bedeutende oder unbedeutende Buch gelesen habe (wobei ich auch sehr viel lese), sondern um eine treffende und sorgfältige Gesamtschau und die Rekonstruktion der wesentlichen Schritte und Thesen.
Das Monumentalwerk Kaltenbrunners zu Dionysios habe ich allerdings noch nicht gelesen, aber ich habe es noch vor. Ich habe über ihn von Edith Stein gelesen, die ihn auch übersetzt hat.
Zur deutschen Mystik habe ich ein eigenes Verhältnis, auch zu Teresa. Vor allem die deutschsprachigen Mystikerinnen des Mittelalters sind für mich interessant und inspirierend, aber das wäre nun wirklich ein ganz anderes Thema. Wir sprengen hier eh schon den thematischen Rahmen, aber ich danke Ihnen sehr für den zivilisierten und lohnenswerten Diskurs - so macht es Freude.

Maiordomus

21. November 2019 22:40

@Liebe Zeitschnur. Bleiben Sie auf Ihrer suchenden Linie, immer unterwegs zu den Quellen der Erleuchtung, so wie das beispielsweise bei der in allerlei Versuchungen hineingestellten Mechthild von Magdeburg der Fall war, die wegen der im Kloster Einsiedeln aufbewahrten Handschrift ihres grandiosen Hauptwerks über das Fliessende Licht der Gottheit indirekt zur Geschichte der Mystik in der Schweiz gehört. Für mich ist die besagte Mechthild die weibliche und deutsche Entsprechung von Dante Alighieris Divina Commedia. Für den Weg, den Sie gehen und die Suche nach den vestigia Dei stillen freilich Konzilsbeschlüsse den geistigen und religiösen Durst nur sehr bedingt, weil dieselben vor allem religionspolitische Bedeutung erlangten. Wer wirklich Gott sucht, wird vielleicht allein schon bei Blaise Pascal und Dostojewskij wie auch bei nicht wenigen mystisch begnadeten Frauen mehr Herz und Verstand ergreifende tiefschürfende Einsichten finden als aus Protokollen von Kirchenversammlungen, wo Dogmen in der Art einer Sammlung von aufgespiessten Schmetterlingen musealisiert wurden; wobei ich indes mit Texten auf liturgischem Niveau wie das alte Glaubensbekenntnis durchaus keine Mühe habe, obwohl im Prinzip das Vaterunser als im Wortlaut annähernd gesicherter Text von Jesus genügen würde. Der "Dionysios" von Kaltenbrunner ist nun aber in der Tat ein Abenteuer, wiewohl und gerade weil es mehr ein bekennendes als wissenschaftliches Buch eines grossen Gelehrten ist. Ich benötigte allerdings mehrere Anläufe, um mich von Kaltenbrunner in dieser Sache belehren zu lassen, wiewohl ich zum Beispiel mit dem Thema "Engel" immer einiges anfangen konnte. Am meisten beeindruckte mich, dass der Autor nach diesem magnum opus verstummte. Als der deutsch-österreichische rechtskonservative Intellektuelle schlechthin hat er mit der Losung der Franziska von Chantal "Et si omnes ego non" flächendeckend ernst gemacht. Auch zum eigenen Lager fand er Abstand, ohne dass er irgendeine These seiner 45 Bände (oder wieviele es sind) Initiative hätte widerrufen müssen. Sein Verstummen galt nicht zuletzt der CDU/CSU und zumal auch der aktuellen Entwicklung von Kirche und Christentum in Europa. Ein demütiger katholischer Geistlicher, der in seinem Sinn dann noch in der Jungen Freiheit Artikel schrieb, darunter Würdigungen von Kaltenbrunner und dessen Gedankengut, wurde von der kirchlichen Obrigkeit zurückgepfiffen. Immerhin ist er heute noch aktiv; ein Beispiel, dass Einsicht, um nicht zu sagen Erleuchtung, nicht zur Resignation führen muss. Ich wünsche Ihnen in diesem Sinn, wenn Sie Ihren letzten Beitrag schon mit dem Wort "Freude" abgeschlossen haben, einen gesegneten Advent.

Gracchus

21. November 2019 22:51

Vielen Dank @Maiordomus für Ihre wertvollen Ausführungen, denen ich mit grossem Interesse gefolgt bin. Die angesprochenen Themen wie die Auferstehung des Leibes oder die Hl. Dreifaltigkeit sind gewaltig und jedenfalls von grösster Bedeutsamkeit - auch das Verhältnis von Neuplatonismus und biblischer Überlieferung (ich sehe dabei einige - aber durchaus produktive! - Reibungspunkte) -, sprengen jetzt aber diesen Strang. Meister Eckhart gehört jedenfalls zu meinen Leib- und Magenautoren. Seine Lektüre ist unerschöpflich. Merkwürdigerweise habe ich ihn in einer spätpubertären Phase zu lesen begonnen, wo ich mit Gott, Glauben wenig bis nichts am Hut hatte, und ich weiss heute nicht mehr, wie ich auf Eckhart gekommen bin. Was mich seinerzeit für ihn einnahm, war wohl seine Sprachgewalt (denn verstanden habe ich wohl das Wenigste), er erscheint mir immer noch als dichterischer Denker. Ihrem Hinweis auf den japanischen Eckhart-Forscher werde ich bei Gelegenheit nachgehen. Kaltenbrunners Werk über Dionysius hat - vor Jahren gelesen - grossen Eindruck bei mir hinterlassen, ein Werk, das sich wohl erst durch mehrfache Lektüre erschließt.

Franz Bettinger

22. November 2019 00:10

@cugel / Frau @Zeitschnur schreibt: 'Faschismus und Totalitarismus sind verwandt. In meiner (Zeitschnurs) Begrifflichkeit trifft der Faschismus als Bildbegriff (FB: Was ist das? Knüppelbanden statt Definition und Theorie des F?) das Phänomen besser, handgreiflicher (FB: Dacht ich mir’s doch! Das Bild im Bauch statt im Kopf!). Ich lehne nicht JEDE Struktur ab, aber die faschistische. Die Verehrung einer Struktur erscheint mir absurd. (FB: Also doch grundsätzlich jede Struktur!?)'

Butter bei die Fisch: WAS ist für Sie Z Faschismus? - Okay, vielleicht nicht auf diesem schon sehr langen Strang, aber irgendwann hätte ich von Ihnen Z gern mal eine Definition, da mir das Thema extrem wichtig ist. Ach ich glaub, darum hatte ich schon mal gebeten und nichts bekommen. Immer nur bauchabwärts Gefühle. Immer dieser Eiertanz!

Maiordomus

22. November 2019 09:02

Gracchus. Das Buch von Shizuteru Ueda über Meister Eckhart "Die Gottesgeburt in der Seele und der Durchbruch zur Gottheit", das ich vor 45 Jahren für die Doktorprüfung zum ersten Mal als die klarste damalige Darstellung lesen durfte, ist wieder neu aufgelegt worden. Ehrlich gesagt konnte ich vorher, analog zu Zeitschnur, mit der Dreifaltigkeit auch nicht viel anfangen, obwohl ich schon Jahre zuvor den Professor Ratzinger kennengelernt hatte. Die Thematik hat indes zutiefst mit einer Art religiöser Musikalität zu tun. Wir sind uns möglicherweise auch einig, dass etwa Johann Sebastian Bach in Sachen Bedeutung für die Christenheit und besonders die christlich abendländische Kultur mehr Gewicht hat und unverzichtbarer bleibt als diverse Konzilien, die beiden letzten inbegriffen.

Gracchus

22. November 2019 21:21

@Maiordomus: "Wir sind uns möglicherweise auch einig, dass etwa Johann Sebastian Bach ..." Das kann ich unterstreichen. Ohnehin habe ich mich schon gefragt, ob das Christentum ästhetisch nicht überzeugender ist als dogmatisch.

Götz Kubitschek

23. November 2019 11:56

mit dieser frage, deren beantwortung in einen glaubenskrieg münden könnte, endet die diskussion. dank an alle!

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