Mal tobt er offenkundiger, mal brennt er unter der Oberfläche. Momentan ist er für den Beobachter aus der Ferne wieder klarer sichtbar: Die Israelis töteten am Dienstag den Kommandeur der militanten »Bewegung des islamischen Dschihads in Palästina«. Als Antwort flogen aus dem palästinensischen Gazastreifen dutzende Raketen; laut dem israelischen Militär fünfzig an der Zahl.
Ein Ende der Eskalation ist bisher nicht in Sicht: Während aus Gaza immer wieder Raketen abgeschossen werden, flog die israelische Luftwaffe in der Nacht zum Freitag abermals Angriffe auf Ziele im palästinensischen Autonomiegebiet an der Mittelmeerküste – die am Donnerstag verkündete Waffenruhe war quasi schon gebrochen, bevor sie ausgesprochen wurde.
Derweil zeigt sich bei Teilen der deutschen Rechten seit geraumer Zeit ein neokonservativer Hang zur Israel-Apologetik. Twitterprofile werden eifrig mit dem Davidstern geschmückt, Solidarität mit dem Staat Israel bekundet und zionistische Argumentationslinien eins zu eins übernommen. Betrachtet man dieses Treiben eingehender, so beschleicht einen das Gefühl, daß damit von Manchem der bemitleidenswerte Versuch unternommen wird, sich vom linken Brandmal des der Rechten als immanent angedichteten Antisemitismus zu befreien.
»Schaut her, ich bin gar kein Antisemit! Solidarität mit Israel!« Daß das auf der Gegenseite kein verständnisvolles Wohlwollen evoziert, sollte klar sein. Mir ist bis heute kein Fall bekannt, bei dem Antideutsche oder der Zentralrat der Juden ihre Stigmatisierungsversuche aufgrund derartiger Positionierungen auf der Rechten unterlassen hätten.
Was auch immer die Beweggründe auf rechter Seite, man vermißt die notwendige Distanz und die angebrachte Reflexion gegenüber einem Konflikt, der so verworren wie undurchsichtig ist. Um dieses Knäuel an Interessen, Konflikten und Mythen zu entwirren, empfiehlt sich die Lektüre des hervorragenden Buchs »Die Idee Israel« von Ilan Pappe, Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Exeter in England (hier erhältlich).
Pappe fühlt darin dem israelischen Gründungsmythos auf den Zahn und verbannt das Narrativ von Israel als einem »Hort der Stabilität« inmitten muslimischer Barbarei dorthin, wo es seinen Platz hat: ins Land der Märchen. Benedikt Kaiser hat dieses Werk übrigens auf Sezession im Netz ausführlich rezensiert.
Wem das noch nicht ausreicht, dem sei noch der von Ilan Pappe und Jamil Hilal herausgegebene Sammelband » Zu beiden Seiten der Mauer« (hier erhältlich) ans Herz gelegt, der namhafte Wissenschaftler mit sowohl israelischem als auch palästinensischem Hintergrund versammelt, die sich mit Geschichte, Identität, Ursachen und möglichen Lösungen für diesen dauerhaften Krieg auseinandersetzen.
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Ganz und gar überraschend erlebte eine legendäre Zeitschrift am wahren deutschen Feiertag, dem 09. November, ihre Wiedergeburt: die Wir selbst – Zeitschrift für Nationale Identität ist zurück. Im Frühjahr 2002 war die letzte Ausgabe des nationalrevolutionären Blattes erschienen, an deren Erfolg das Nachfolgemagazin Volkslust nicht anknüpfen konnte. Doch auch die Wir selbst war über die 1990er in unruhige Fahrwasser geraten, was schlußendlich zur Einstellung Anfang des neuen Jahrtausends geführt hatte.
Nun haben Siegfried Bublies, Hanno Borchert, Rolf Stolz und Werner Olles das Projekt wieder aus der Taufe gehoben; Bublies und Borchert waren schon bei der »alten« Wir selbst federführende Köpfe gewesen. Zunächst fokussiert sich die Zeitschrift auf das Netz – ob es je zu einer erneuten Druckausgabe kommen wird, sollte im Wesentlichen vom Erfolg der Netzseite abhängen. Indessen ist es erklärtes Ziel, an der Traditionslinie der Wir selbst anzuknüpfen und ethnopluralistische sowie ökologische Zusammenhänge zu beleuchten.
Es geht uns um die Bewahrung, Stärkung und Weitergabe unserer nationalen Identität. Erst wenn wir uns der Bedeutung und des Wertes unserer Identität als deutsches Volk wieder bewußt werden, gibt es eine Grundlage für den gemeinsamen politischen Willen zur Wahrnehmung und Durchsetzung unserer nationalen Interessen.
Zu Netzpräsenz gelangen Sie hier: www.wir-selbst.com
Ein Facebook- und Twitterprofil gibt es auch. Schauen Sie vorbei! Dem Projekt ist eine erfolgreiche Zukunft zu wünschen.
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Der Mensch will höher fliegen, als ihm die Flügel dazu gewachsen sind. Da fällt er herunter.
Passend zum Titelbild und Thematik der Sezession 92 ein Knut Hamsun-Zitat; auch für diese starke Ausgabe, die mit einem Leitartikel des IfS-Leiter Erik Lehnert und gelungenen Beiträgen zur Postpolitik (Benedikt Kaiser) und einer postmodernen Rechten (Nils Wegner) aufwarten kann, haben sich Verlagsleiter und Sezession-Chefredakteur Götz Kubitschek sowie Sezession-Redakteur Benedikt Kaiser wieder einmal zusammengesetzt, um das Heft en détail zu besprechen:
Außerdem ist nun auch die Vorstellung des Werkes »Vorlesen«, das Ellen Kositza und Caroline Sommerfeld gemeinsam verfaßt haben, auf der Buchmesse in Frankfurt auf dem kanal schnellroda verfügbar:
Sowohl die aktuelle Sezession als auch das Buch »Vorlesen« können über den größten konservativen Versandbuchhandel, Antaios, bezogen werden. Beide Schriften sind ein selbstbewußter Schritt ins Konstruktive.
Homeland
Wenn ein Bekenntnis zu Israel als Apologetik angemalt wird, dann unterstellt der Autor mindere Beweggründe, was sich aus seiner nachfolgenden Skizzierung ergibt. Wenn es dabei nur darum ginge, windige Israelsympathie zu brandmarken, wäre dies teils nachvollziehbar. Jedoch nicht wirklich, denn ginge es um eine Anklage, dass aufrichtige Solidarität mit Israel angezeigt wäre, stünde es wohl da. Tut es aber nicht. Das genaue Gegenteil verschafft sich Luft.
Als Dr. Gauland im Bundestag bemerkte, dass einer beschworenen und uneingeschränkten Solidarität mit Israel auch Taten folgen müssten, traf er den Kern der deutschen Staatsräson. Sie ist folgerichtige Staatsräson. Dass dies hier, auch im Kommentarbereich, zuweilen entschieden anders gesehen wird, erschüttert mich. Dass gerade zudem eine latente oder gar offen zur Schau gestellte Islamsympathie die andere Seite dieser Medaillie zeigt, umso mehr als wir von einem totalitär-sozialistischen Gesellschaftsentwurf reden.
Die Diskussion um den jüngsten Sellner-Beitrag, der zur sozialen und patriotischen Plattform anhob, zeigte, dass - und das rundet das Bild eigentlich ab - die soziale Frage, auch oder gerade die einer Nation, in den Sozialismus verschoben wird, der von verschiedenen rechten Autoren tatsächlich als Option verstanden wird. Die Gemengenlage, einschließlich der eingangs angestellten Überlegung, zeichnet ein kaum bedenkenswertes Konglomerat einer Weltanschauung, die ein Selbstläufer ins Nichts ist. Wer diesen Weg wählt, steht auf dem Abstellgleis. Wer es gar aus Überzeugung tut, steht zurecht dort.
Am Rande (aber mit einer gewissen Schnittmenge zum Vorgetragenen und weil die Diskussion dort geschlossen ist) möchte ich bei dieser Gelegenheit Götz Kubitschek zumindest für den Hinweis danken, dass der Gedanke der Selbstverantwortlichkeit eines jeden Menschen, den die Libertären befördern, doch bedenkenswert sei. Andersherum: Die libertären Gedankenmodelle sind, wie alles andere auch, eingebettet in ihre Zeit. So manches stellt sich mittlerweile anders, korrigiert, fortentwickelt dar. Bevor der eine oder andere also hier wirklich groben Unfug zu diesem Komplex von sich gibt, empfehle ich die grundlegende Lektüre, auch von Kommentierungen.