Doch zu wenige wissen, daß diese Organisationen mit Ihren Aktivitäten auch in der sogenannten Dritten Welt aktiv sind und dort ein einträgliches Geschäftsmodell mit der Überschrift »Hilfe für Afrika« aufgebaut haben. Sie geben vor, damit Fluchtursachen zu bekämpfen. 40.000 derartige Hilfsorganisation soll es in Afrika geben.
Für deutsche Aktivisten wurde von der Bundesregierung ein Hilfsfond der sogenannte »Marshall Plan für Afrika« installiert, aus dem die Hilfsorganisation sich bedienen können. Der Name des Fonds soll suggerieren, daß es dabei um wirtschaftlichen Aufbau geht, ähnlich dem nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa für die durch den Krieg zerstörten Länder.
Mehr als 20 Jahre war ich selbst als sogenannter Helfer, im Fachjargon auch Consultant in verschiedenen afrikanischen Standorten für eine NGO, einem Träger der Jugend‑, Bildungs- und Sozialarbeit, tätig.
Klar ist bei nüchternem Blick: Der von Angela Merkel öffentlichkeitswirksam angekündigte Marshallplan für Afrika wird zu keinem Erfolg führen, da er die bestehenden Probleme und Herausforderungen nicht lösen wird, ja diese zum größten Teil gar nicht kennt, geschweige denn ihre Kernaspekte überhaupt zur Kenntnis nehmen will. Bereits der Begriff Marshallplan ist ein Hohn, weil hier ein historischer Zusammenhang hergestellt werden soll, den es nicht geben kann.
Die Völker Europas hatten am Ende des Zweiten Weltkrieges den Willen, ihre zerstörten Wirtschaften und kulturellen Ressourcen wiederaufzubauen. Dabei sind sie schnell vorangekommen, mit Fleiß und Einsatzbereitschaft wurden Wohlstandszonen geschaffen. Auch wenn das heute zurückgefahren werden soll, kann man diesen historischen Neuanfang ohne jedes Pathos einen Erfolg nennen.
In Afrika herrschen wegen der vorhandenen Infrastrukturdefiziten, den wenig entwickelten staatlichen Strukturen in Wirtschaft und Verwaltung, mangelnder Rechtsstaatlichkeit und den fehlenden beruflichen Qualifizierungen der Menschen nicht die Voraussetzungen für ein zweites “Wirtschaftswunder”. Allein die herrschende Korruption macht jede gutgemeinte Investition im Ansatz zu Nichte oder läßt hoffnungsvolle Ansätze im Sande verlaufen.
Bereits in der Vergangenheit stand die Entwicklungshilfe als uneffektiv in der Kritik. Von insgesamt 800 Milliarden Entwicklungshilfe sollen 600 Milliarden in die Taschen von Diktatoren der korrupten Eliten gewandert sein (FAZ v. 23. September 2016).
Zu den Folgen der demographischen Entwicklung und bezüglich der Frage, welche grundlegenden Maßnahmen dagegen getroffen werden können, herrscht allgemeine Ratlosigkeit. Allein der jährliche Bevölkerungsanstieg beträgt 32,5 Millionen Menschen. Wie zusätzlich aufgelegte Geldmittel in den Herkunftsländern im Kontext dieser Entwicklungen Fluchtursachen beseitigt sollen, bleibt ein großes Rätsel.
Im 20. Jahrhundert hat sich die Bevölkerung Afrikas verzehnfacht. Dieser Trend setzt sich verstärkt fort. Heute hat Afrika etwa 1,3 Milliarden Einwohner, 2050 werden es 2,5 Milliarden sein. Auf die Frage, wie sich unter diesen Umständen überlebensfähige Demokratien entwickeln sollen, gibt es keine Antworten. Auf alle Fälle kann der im Westen propagierte Individualismus für 2,5 Milliarden Einwohner kein ernstgemeintes Lebensmodell sein.
Im Konzept des Marshallplans für Afrika werden diese demographischen Problemlagen genannt, auf wirkungsvolle Strategien für nachhaltige Entwicklungen wird aber nicht verwiesen, tragfähigen Machbarkeitsstudien liegen nicht vor.
Erkannt worden ist, daß Analphabetismus und fehlende akademische und berufliche Bildung strukturelle Probleme in ganz Afrika darstellen. Gründe dafür sind in der mangelnden wirtschaftlichen Entwicklung zu sehen. Der Marshallplan sieht berufliche Bildung als Lösung vor. Hier öffnet sich ein riesiges Feld für eine international tätige Helferindustrie, die sich als NGOs verstehen, wobei sie alles andere als regierungsunabhängig sind.
Keine Antworten erhalten wir auch auf den wachsenden (sunnitisch-)islamistischen Fundamentalismus à la Boko Haram. Ein Thema, auf das die in Afrika tätigen NGOs keine Antwort geben wollen; die Allianzpartner in der Heimat könnten darin »Islamophobie« sehen.
Die vielen Helfer, die sich Experten nennen, freilich aber oft keine sind, verfolgen wie ihre Arbeitgeber größtenteils eigene Interessen und üben sich im Schulterschluß mit korrupten Diktaturen vor Ort. Kritik an den Verhältnissen in den jeweiligen Ländern wird öffentlich und unternehmensintern rigoros verschwiegen. Stattdessen wird vorgegeben, man würde in Bereichen Gesundheit, Bildung, Jugendarbeit und Sozialstandards nachhaltige Infrastruktur aufbauen. Die Wirklichkeit sieht anders aus.
Die einzelnen »Helfer«, oft sind es Sozialwissenschaftler, selten indes echte Ausbilder, handeln beispielsweise ihre Salärs individuell aus: der Verdienst kann so bis zu 500 Euro (!) pro Tag betragen – eine Summe, die dem Halbjahresverdienst eines einheimischen Arbeitnehmers in Afrika entspricht.
Die NGO versuchen den Einsatz ihrer Mitarbeiter öffentlichkeitswirksam zu vermarkten. So publizierte das Unternehmen, für das ich tätig war, eine angebliche IT-Bildungsmaßnahme dadurch, daß es in der eigenen Hauspostille ihren in Sierra Leone tätigen Mitarbeiter mit einer jungen farbigen Frau auf der Titelseite wie folgt ablichtete: Beide sitzen in einer Bambushütte und blicken in einen Laptop. – Doch daß es weder in der Hütte noch am besagten Ort elektrischen Strom gab, wurde nicht erwähnt. Ein IT-Kurs hatte auch nicht stattgefunden, und konnte es auch nicht, da der gut dotierte »Experte« ein Politologe war.
Da die hohe Vergütung Unmut bei den einheimischen Eliten auslöst, sind auch Mittel für sogenannte »lokale Experten« vorgesehen. In der Regel sind das Einheimische, die eine Anstellung bei den westlichen Helferteams erhalten, um Kaffee zu kochen und Einkäufe zu erledigen.
Oft haben die »Helfer« auch keine Ahnung vom Ziel ihres Einsatzes. Fragt man sie danach, erhält man in der Regel zwei Antworten: Man wolle die Situation in den Herkunftsländern verbessern, damit der Migrationsdruck auf Europa abnehme. Die andere Fraktion sagt unverhohlen: Wir wollen die Menschen beruflich qualifizieren, damit sie nach Europa gehen können.
Beide Argumentationen werden, je nach den Umständen des Befragens, wechselseitig benutzt. Die tatsächlichen Bedürfnisse vor Ort finden dabei keine Berücksichtigung, auch weil die »Helfer« davon oft wenig Kenntnisse haben und sich auch nicht tiefer mit der Materie beschäftigen wollen. Emotionale Befriedigung und leichtes Geld stehen im Vordergrund.
Die NGOs versprechen, mit aufgelegen Ausbildungsinitiativen den Bildungsnotstand zu beseitigen oder zumindest zu minimieren. In der Tat werden mit Mitteln der Entwicklungshilfe ganze Ausbildungszentren gebaut, in denen auch unterrichtet wird. Dies geschieht aber oft am »Markt« vorbei – oder die ausgebildeten Fachkräfte bleiben ohne Arbeit, weil es weder eine produzierende Wirtschaft noch einen Dienstleistungssektor gibt, in dem sie eine Anstellung finden können. Jugendliche erleben dies als pure Verballhornung, und man braucht sich nicht zu wundern, wenn sie ihr Land verlassen wollen. Ironie des Ablaufs: Entsprechende Unterstützung finden sie dabei just bei denen, die sie vor Ort ausgebildet haben.
Vertuscht wird in der Regel, daß die Helferindustrie den einheimischen Eliten Flankenschutz bei der Installierung von menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen gewährt und dafür finanzielle Mittel organisiert. Wenn tatsächlich industrielle Infrastruktur entsteht, herrschen oft keine Arbeitsschutz- und Umweltschutzbestimmungen.
Eine nachhaltige Entwicklungspolitik, die aus akademisch (universitär) und beruflich (Handwerk) gebildeten Fachkräften besteht, um dadurch eine selbstbewußte schöpferische Mittelschicht heranzubilden, die ökonomisch in der Lage ist, sich auf einem wirklichen Binnenmarkt zu bewegen, wird mit den Aktivitäten der Helferindustrie explizit nicht geschaffen.
Investitionen aus der Wirtschaft könnten zwar wirksame Veränderungen bewirken, dafür fehlt es aber sowohl an politischen Strukturen in den jeweiligen Länder Afrikas als auch an zwischenstaatlichen Vereinbarungen. Soweit sie geschlossen werden, dienen sie dem Machterhalt der der politischen Eliten und der Interessenmaximierung europäischer NGOs.
Diese Realität zu benennen und zu kritisieren, ist der erste Schritt auf dem Weg zu einer fundamentalen Neuausrichtung europäischer Afrika-Politik.
+ Unser Gastautor Peter Backfisch ist ehemaliger Vorstandsreferent eines Trägers der Sozialwirtschaft.
+ Wer sich weitergehend für die afrikanische Sondersituation, die linksliberale NGO-Industrie, den Migrationsdruck und für mögliche Auswege interessiert, findet in der Sezession einige Titel rezensiert, die bei antaios.de lieferbar sind:
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Caroline Sommerfeld
In der JF las ich gestern das Interview von Moritz Schwarz mit dem Maschinenbauingenieur Günter Beckmann zum Thema Klimawandel und Industrialisierung. Beckmann ist der Auffassung, daß gerade die Industrialisierung, da sie den Wirkungsgrad bspw. bei Heizung, Verkehr, Maschinenbetrieb wesentlich erhöht hat gegenüber vorindustriellen Lebensformen, für Afrika zukunftsweisend sei. Die Industrialisierung würde indes in den Medien stets verteufelt, die Überbevölkerung als Problem heruntergespielt oder ignoriert (Schwarz vermutet, weil dieses Thema den Rechten in die Hände spielen könnte...). "Das einzige, was wirklich wirken würde, ist die Bekämpfung der Überbevölkerung der Erde!" meint Beckmann. Seine angedeutete Lösung: Industrialisierung führe zur Reduktion der Kinderanzahl einer Familie.
Soweit, so gut - oder böse. Ein Kommentator hat vor einiger Zeit geschrieben, der "Überbevölkerungs"-frame der Rechten sei ein fürchterlicher Irrtum - ich erinnere mich nicht mehr, wer es war und zu welchem Beitrag. Wer sich erkannt weiß, trete vor und formuliere den Gedanken noch einmal neu. Denn ich vermute, da liegt der Hase im Pfeffer.