Siegfried Bernfeld, 1892 in Galizien geborener Freudianer und Marxist und Mitglied im »Bund der entschiedenen Schulreformer«, erregte 1925 mit der Schrift Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung einiges Aufsehen in der reformpädagogischen Zunft.
Das neue »Evangelium« der Reformpädagogen seit der Jahrhundertwende, Pädagogik »vom Kinde aus« und in liebevoller Hinneigung zum Kind zu betreiben, hält Bernfeld für trivial: »Ich lese es gern und übe es willig. Aber daß dieses zweckrationaler wäre als die Haßpädagogik, das ist unrichtig. Es ist zumindest nicht entschieden. Daß es neu wäre, ist sicher unrichtig. Beide Formen sind Konstanten. Unvermeidliche.«
Bernfeld ist ein schrecklicher Pessimist. Das, was sich der Erzieher vornehme, sei unmöglich, hat Niklas Luhmann einmal lapidar festgestellt. Diese Feststellung hätte auch von Siegfried Bernfeld stammen können. Wer Freud gelesen hat, muß desillusioniert sein über die Steuerungsmöglichkeiten des Erziehers an der Seele des Zöglings. Wer Marx gelesen hat, muß desillusioniert sein über die Formungsmöglichkeiten des Erziehers am sozialen Milieu des Zöglings. Zugriff verweigert.
Bernfeld ist ein schrecklicher Realist. Seinen Genossen schreibt er ins Stammbuch, daß es auf den einzelnen nicht ankomme, wenn man Erziehung sozialistisch entwerfe: »Denn eine sozialistische Ordnung wird wissen, daß sie jene Maßnahme durchzuführen hat, die ihr einen gewünschten Erfolg bei sagen wir 80 Prozent der ihr unterworfenen Kinder garantiert. Sie ist gar nicht interessiert, wessen Sprößlinge unter dieser Mehrzahl, wessen unter der unbeeinflußt gebliebenen Gruppe der Minorität sich befinden werden.«
Dies könnten die Genossen ja noch schlucken, gehen sie doch davon aus, daß die Erziehung eine Frage des Umbaus der ganzen Gesellschaft sein müsse, und nicht bloß der pädagogischen Institutionen. Doch Bernfeld schneidet noch tiefer ins Mark der Marxisten, denn ihm drängt sich »hier der Vergleich mit der Strategie auf, die – Verwirrung und Unheil genug – sozialistische Methoden der Menschentötung verwendet, in einer Ordnung, die für friedlichere und sympathischere Zwecke die mörderischen Mittel der Haßgesellschaft Kapitalismus eingeführt hat.«
Sozialistische Erziehungsmaßnahmen verhalten sich ähnlich wie die (natürlich allein dem Kapitalismus abgeschauten) Mordmaßnahmen der Bolschewisten: dem »friedlicheren und sympathischeren Zwecke« wird der ein oder andere einzelne geopfert.
Man müßte annehmen, daß dieser Mann, der die bisherige Pädagogik für das Werk des Sisyphos hält, und schonungslos die Grenzen der Neuen Erziehung zieht, falsches Futter für Utopisten ist. Doch wie geschieht Bernfeld? Er wird von Klaus Mollenhauer entdeckt.
Mollenhauer, 1927 geboren, Angehöriger der Flakhelfergeneration, verfaßt 1969 das Grundlagenwerk Erziehung und Emanzipation. Mollenhauer geht von Bernfelds Feststellung aus, jede Erziehung sei »in Bezug auf die erziehende Gesellschaft konservativ organisiert; in Bezug auf die Machttendenzen der erzie- henden Gruppe intensivierend (ausbreitend, vermehrend).«
Erziehung reproduziere also immer die herrschenden Verhältnisse, weil dies im Interesse der Machterhaltung der Herrschenden liege. »Die soziale Funktion der Erziehung ist (…) nicht allein Konservierung im Sinne der Reproduktion des Erreichten, sondern Konservierung im Sinne der Verhinderung eines Neuen«.
Auf der Buchrückseite des von Mollenhauer bei Suhrkamp herausgegebenen bernfeldschen Sisyphos liest man 1973: »Bernfeld macht Marx und Freud zu ›Schutzpatronen der neuen Erziehungswissenschaft‹. Er will, wenn möglich, den Determinismus der Vererbungslehre, der Konstitutionsforschung, der Psychoanalyse, des Darwinismus und der Klassenlage überwinden.« »Wenn möglich?« Eher wohl unmöglich, eher wohl: »Konstanten. Unvermeidliche.« Die Kritische Erziehungswissenschaft hätte es wissen können.
Hat sie aber nicht. Unter der Bezeichnung »Kritische Erziehungswissenschaft« entstand ab 1960 in erstaunlich kurzer Zeit eine extrem einflußreiche Pädagogik, die bis heute subtil durchwirkt. Kein Studium der Erziehungswissenschaft, kein staatlicher Rahmenlehrplan, kein freizeit- pädagogisches Projekt und kein Elternratgeber kommen ohne ihre Hintergrundannahmen aus. Der Freudomarximus der Exilanten der »Frankfurter Schule«, die Pädagogik des amerikanischen Pragmatisten John Dewey und der »Behavioristen« sowie die »sozialistische Pädagogik« und ebenfalls behavioristische Psychologie der Sowjetunion bildeten nach 1945 eine lagerübergreifend alliierte Umerziehungsidee.
»Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voraus, daß ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen«, lautete Theodor W. Adornos dogmatische Setzung von 1966. Der Gründungsmythos der Kritischen Erziehungswissenschaft ist Auschwitz. Danach kann nur noch alles Neue besser als alles Alte sein – der neue Mensch muß erschaffen werden und mit ihm die neue Gesellschaft.
Der Pädagogikprofessor Helmwart Hierdeis fährt noch 1987 das Vollprogramm dessen auf, was »Kritische Erziehungswissenschaft« will: die »Utopie von der gerechten, repressionsfreien und glücklichen Gesellschaft mündiger, weil emanzipierter Individuen« zu verwirklichen. Der konservative Erziehungswissenschaftler Wolfgang Brezinka hat sich 1972 über die Pädagogik der Neuen Linken hergemacht, und sie nach Strich und Faden zerlegt. Ihrer Wirkmächtigkeit tat dies keinen Abbruch. Ich will im folgenden aus dem Programm von Hierdeis fünf zentrale Stichworte herausgreifen
Erstes Stichwort: Utopie
Kritische Erziehungswissenschaft geht von einem normativen Endzustand der Gesellschaft aus: der Utopie der Herrschaftsfreiheit, in der nicht länger die Kinder von der überflüssigen Autorität der Erwachsenen, die Lohnabhängigen vom Kapital, die Entwicklungsländer von der Vormundschaft der Industrienationen unterdrückt werden. Kinder sind in jeder Gesellschaft massenhaft vorhanden und greifbar, der Rest der Utopie ist nur auf dem Wege einer echten Revolution zu erzwingen.
Das ist der Grund, weshalb sich die Sozialrevolutionäre ausgerechnet die Pädagogik auswählen. Die »radikale Umwandlung der Gesellschaftsordnung«, so hat man linkerseits spätestens seit Kriegsende mit Mao Tse-Tungs Hilfe erkannt, kann nicht direkt ausgelöst werden, sondern nur auf dem Umweg über den »kulturellen Apparat«. »Unauffällig, schleichend und unter der Maske einer höheren Moral« (Brezinka) bricht sich die Kulturrevolution Bahn.
Die Utopie erfüllt hierbei eine doppelte Funktion: Einerseits ist sie die normative Kritikfolie, vor der alles Bestehende keinen Bestand mehr haben kann. Andererseits kann man revolutionäre Stimmung schüren durch die »Taktik der moralischen Überbietung«: Wenn in der utopischen Gesellschaft der Mensch erst seine Menschlichkeit wiedererlangt (Karl Marx), sich erst dann wirklich »selbstbestimmen« kann, weckt dieses Fernziel zugleich Naherwartungen. Hier und jetzt muß ein kleines Stück weit der Utopie vorgegriffen werden.
Zweites Stichwort: repressionsfrei
Was bietet sich da besseres an als das Kind, das in einer wilden Mischung aus Rousseau und Freud »ganz bei sich selbst« ist? »Selbstbestimmung« wird in der Kritischen Pädagogik utopisch und regressiv aufgefaßt. Die Neue Linke verwendet das Wort »Selbstbestimmungsfähigkeit« anders, als wir es aus der Stoa, dem Christentum, der Aufklärung und der Deutschen Klassik gewöhnt sind. Die Fähigkeit, sich selbst zu beherrschen, die Selbstbezogenheit, die Triebe zu überwinden und sich dem Sittengesetz als Erwachsener zu unterwerfen, gilt als »bürgerlich« und »repressiv«. »Selbstbestimmt« ist hingegen, wer im Sinne des negativen Freiheitsbegriffs frei von Zwängen, Herrschaft, Macht und Autorität lebt.
Der Begriff der »Repression«, vom Freudianer Herbert Marcuse gekonnt in die linke Nachkriegssoziologie eingeführt, diente zur Beschreibung auch noch der demokratischsten Gesellschaft. Falls diese auf den ersten »bürgerlichen« Blick ziemlich tolerant erscheinen sollte, handelt es sich eben um »repressive Toleranz«.
Wir sind alle fremdbestimmt, da können wir uns noch so sehr für autonome Individuen halten. Der Witz an diesem Trick, mit dem wir alle zu Objekten befreiungspädagogischer Pläne werden, ist: »Selbstbestimmt« wird reduziert auf das Gegenteil von »fremdbestimmt«. Kleine Kinder, die sich in einem antiautoritären Kinderladen »selbstbestimmt« mit Farbe und Kacke beschmieren dürfen, sind – es hat sie gegeben! – die ad nauseam herbeizitierte Karikatur.
»Schülerselbstverwaltung« und »partizipatorische Angebote« und Kurse zur »Selbstbestimmung für Mädchen«, die heute in staatlichen Schulen normal sind, zehren jedoch noch immer von exakt demselben Repressionsbegriff der Kritischen Pädagogik.
Drittes Stichwort: Mündigkeit
Von »Erziehung zur Mündigkeit« sprach Adorno 1969. »Mündigkeit« erfuhr eine ähnliche Umdeutung – auch »linguistische Therapie« (Marcuse) genannt – wie »Selbstbestimmung« und »Demokratie«. Mit Kants »Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit« hatte sie bald nur noch den Namen gemein. Das Kritisieren aller »Autoritäten« galt als sicheres Mittel zum Erwerb der »Mündigkeit«.
Diese wurde als psychische Disposition dazu vorgestellt, die Gesellschaft wie sie ist, radikaler Herrschaftskritik zu unterziehen und am Ziel einer Gesellschaft wie sie sein soll, mitzuarbeiten. »Mündig« im Sinne des »mündigen Bürgers« kann in der bestehenden Ordnung kein Mensch mehr sein, vielmehr erweist er sich erst als »mündig«, wenn und nur wenn er die autoritären Zusammenhänge durchschaut hat und überwinden will. »Durchschauen«, »Entlarven« und »Kritisieren« von Repression wird ineinsgesetzt mit Rationalität überhaupt.
Adorno selber war indes einen Tick klüger als seine Adepten von der kritischen Pädagogenfront: »Die Art, in der man zu einem autonomen, also mündigen Menschen wird, ist nicht einfach das Aufmucken gegen jede Art von Autorität«. Schließlich hatte er Hegels Herr-Knecht-Dialektik im Handgepäck dabei.
Viertes Stichwort: emanzipiert
Klaus Mollenhauer verband 1973 den marxistischen Begriff »Emanzipation« mit Habermas’ später in der »Theorie des kommunikativen Handelns« ausgefalteten Kommunikations-Utopie. »Erziehung muß verstanden werden als ein kommunikatives Handeln, dessen Ziel darin liegt, eine Kommunikationsstruktur zu etablieren, die den Erwerb von Fähigkeiten zum Diskurs ermöglicht (…) praktischen Fortschritt, Kampf gegen diskurseinschränkende Bedingungen«. Das Problem dabei: Der Emanzipationsbegriff ist per se negativ bestimmt als »Emanzipation von Zwängen«.
Die »emanzipierte Persönlichkeit«, das utopische Ideal aller kritischen Pädagogen, ist das negative Ideal eines Menschen, der mit der Tradition gebrochen hat, der die in seiner Gesellschaft geltenden Wertungen und Normen ablehnt, der sich jeder Verpflichtung entzieht, die von den herrschenden Autoritätsträgern ausgeht. Wie soll ein solcher ex negativo bestimmter Mensch hin zu einem herrschaftsfreien Diskurs erzogen werden? Da dies nicht gelingen kann, blieb die »emanzipatorische Pädagogik« dort stecken, wo man Kindern im »Kinderkollektiv« ganz konkret das Aufmucken, Kaputtmachen und Zungerausstrecken beibringen konnte.
Das »Beibringen« allerdings weist auf das Paradox linker Erziehung zur »Selbstbestimmung« hin: Einer muß es tun. Einer muß Einfluß ausüben, lenken, die Kinder dazu kriegen, ganz sie selbst sein zu wollen – denn von sich aus sind Kinder ausgesprochen »bürgerlich«: Sie wollen zu Erwachsenen aufschauen und nicht »diskurseinschränkende Bedingungen« erkennen. Auf die Idee, sich jetzt schon (und nicht erst in typisch adoleszenter Renitenz) von den Erwachsenen emanzipieren zu wollen, kommen Kinder einfach nicht von allein.
Fünftes Stichwort: Individuen
Die »Kritische Erziehungswissenschaft« hängt auch hier in einem Paradox fest. Einerseits strebt sie mit der »klassenlosen Gesellschaft« als kommunistischer Utopie ein ausgesprochen kollektivistisches Gesellschaftsmodell an. Andererseits birst sie vor überschwenglichen befreiungstheologischen Individualitätsphantasien bis hin zu freien »egozentrischen Orgasmuserfahrungen« (Brezinka). Wie läßt sich dieses Paradox lösen?
Brezinka hat 1971 etwas ziemlich Hellsichtiges gesagt: Man erkenne beim genaueren Hinschauen eine »Doppelstrategie« der Pädagogik der Neuen Linken. Sie wollten sowohl »emanzipatorische« und »antiautoritäre« als auch die »sozialistische« Erziehung eines totalitären Gesinnungsstaates. Bloß sind die Adressaten zu unterscheiden, und man muß die Zeitachse achten:
Für die Bevölkerung, insbesondere deren liberale Führungsschicht, wird die Forderung nach »antiautoritärer« oder »nichtrepressiver« Erziehung erhoben.
Diese Forderung trifft auf eine »Einstellung, die in der individualistischen Massendemokratie ohnehin bereits vorherrscht«: Der Erzieher soll auf Wertungen, Durchsetzung und Haltung verzichten und das Kind sich »individuell entwickeln« lassen. Wertungsunsicherheit und Führungsschwäche werden dabei kurzerhand als pädagogische Tugenden aufgeputzt.
»Für die große Mehrheit der Bevölkerung wird die Pädagogik der Neuen Linken während der ersten Phase der Kulturrevolution, die wir derzeit [in den 1970er Jahren, C.S.] erleben, in der Form der emanzipatorischen Pädagogik wirksam«. Aber: »Für die eigenen Anhänger wird schon längst eine autoritäre ›sozialistische Erziehung‹ empfohlen«. Denn in ein Autoritätsvakuum kann ein perfekter Gestaltungsplan für eine neue autoritäre Gesellschaftsform hineinstoßen.
Aus dieser Stichwortanalyse läßt sich zweierlei ableiten. Einerseits – zum Abkühlen –, daß das »Neue« an der »Pädagogik der Neuen Linken« einer systemischen Gesetzmäßigkeit folgt. Das Neue, Destruktive, Überwindende ist der Normalfall der Erziehung. Andererseits – zum Aufheizen –, daß wir es in der Gegenwart mit der von Brezinka vorausgesehenen totalitären Entwicklung zu tun haben und uns etwas Neues einfallen lassen müssen.
In einem Sammelband über den postmodernen Topos der »erstarrten Zeit« diagnostizierte der Erziehungswissenschaftler Konrad Wünsche Ende der Achtzigerjahre von der Warte des Zuschauers den historischen Schiffbruch der Neuen Linken: geschichtsphilosophisches Denken ist die grundsätzliche Antwort auf ein Strukturproblem der Erziehung.
Jedes Kind ist neu, und jede Erziehung beginnt am Nullpunkt des individuellen Säuglings. Weil aber nun einmal akkumulierte pädagogische Erfahrung verloren wäre, wenn der Gestaltwerdungszyklus bloß einmal durchlaufen wäre, muß sich diese Erfahrung verstetigen, als Muster »die Gegenwart überwinden«. Also wird Erziehung geschichtlich zeitgreifend, und das Kind wird zum Medium dieser Geschichte. »Die Appelle der pädagogischen Bewegung trieben immer wieder Versuche voran, einen verfluchten Zustand der Gesellschaft nach dem anderen vom Kind über- schreiten zu lassen. Die Gedanken der Väter dagegen gehörten der Welt an, die es zu destruieren galt.«
Die Kritische Erziehungswissenschaft nach 1968 verkörpert diese Innovationsdrift in reiner Form: eine reinweg verfluchte Gesellschaft, ein reinzuhaltendes Kind, reinrassige Naziväter. Klingt zu perfekt, um wahr zu sein für ein historisches Großexperiment zum »Neuen Menschen«.
»Die Welt, die es zu destruieren galt« hat unter diesen Experimentalbedingungen nicht überlebt. Brezinkas »erste Phase der Kulturrevolution« sollte sich sehr lange hinziehen. Der von linker Pädagogik anvisierte totalitäre »Gesinnungsstaat« ist kein ostblocksozialistischer geworden.
Stattdessen hat der permissive Kurs der »Demokratisierung« und Maximierung von Freiheits- und Gleichheitsansprüchen in einer zunehmend globalisierten liberalen Gesellschaft dasselbe Geschäft erledigt. Wir haben es gegenwärtig nicht mehr mit den Vokabeln »Utopie«, »repressions- frei«, »Mündigkeit« und »emanzipierten Individuen« zu tun, aber mit dem kulturmarxistischen Denkrahmen, dem sie entstammen.
Heute liest sich Pädagogik so: »Allerdings werden sie [Geschichtserzählungen, C.S.] unter neuen methodischen Vorzeichen, insbesondere im Zusammenhang mit Multiperspektivität, Gegenwartsbezug, Selbstreflexion sowie Re-Konstruktion und De-Konstruktion thematisiert. (…)
Die Basiskonzepte ›Macht‹ und ›Diversität‹ werden etwa durch die Frage tangiert, wer die Möglichkeit besitzt, gesellschaftliche Situationen auf welche Weise zu verändern. (…) Zentral sind dabei so genannte »Schlüsselprobleme«, die durch ihre Dauerhaftigkeit geprägt sind, vor allem: Globalisierung, Ressourcenverteilung, Migration, Ökologie, Krieg und Frieden und die Gleichberechtigung der Geschlechter.« (Lehrplan Österreich, Geschichte AHS Unterstufe 2016)
Die »Kritische Erziehungswissenschaft« hat uns rundum ausgestattet mit Methoden der »Ideologiekritik« und Anleitungen zum »kritischen Hinterfragen von Herrschaftssprache«. Sollten wir wagen, den Spieß umzudrehen, und nun unsererseits auf sie als etablierte Ideologie losgehen? Dazu müßten wir unter anderen zu Siegfried Bernfeld zurückkehren, denn dort ist pädagogische Machttheorie ohne Sozialutopie zu finden. Wenn Erziehung »in Bezug auf die erziehende Gesellschaft konservativ organisiert; in Bezug auf die Machttendenzen der erziehenden Gruppe in- tensivierend (ausbreitend, vermehrend)« ist, gilt es, dem Einhalt zu gebieten. Dann sind wir nicht länger »konservativ«, denn die durch zwei Generationen Erziehungspraxis intensivierten Machttendenzen liegen längst gut konserviert aufseiten der vormaligen Progressiven. Erziehungstheorie hat, Konrad Wünsche zufolge, immer die geschichtsphilosophische Devise: »Fasse Mut zur Mitträgerschaft geschichtlicher Bewegungen!« Na dann nur zu! Erste Aufgabe: Kritisieren wir die Propagandasprache des linken Erziehungsstaats.