Kunst ist frei – das Trojanische Pferd

PDF der Druckfassung aus Sezession 84/Juni 2018

Vom 13. bis zum 16. April stand das Kunst­pro­jekt »Das Tro­ja­ni­sche Pferd – eine kunst­vol­le Meta­pher für die Situa­ti­on in unse­rem Land« vor dem Kul­tur­pa­last in Dres­den – initi­iert und bewerk­stel­ligt von einer unab­hän­gi­gen Grup­pe Bür­ger, gedacht auch als Anschluß an die mehr als frag­wür­di­ge, städ­tisch ins Werk gesetz­te Instal­la­ti­on von Flücht­lings­bus­sen vor der Dresd­ner Frauenkirche.

Sezes­si­on doku­men­tiert mit freund­li­cher Geneh­mi­gung der Red­ner vier der Eröff­nungs­re­den sowie Bil­der die­ses in der digi­ta­len Welt als »Tro­ja­ner« bekann­ten, in Dres­den erneut plas­tisch gewor­de­nen Sinn­bilds von List, War­nung, Blind­heit und bösem Erwa­chen. Die Ein­ord­nung in den Dresd­ner Kon­text und in die nun allent­hal­ben aus dem Früh­lings­bo­den bür­ger­li­chen Wider­stands sprie­ßen­den Pro­jek­te nahm am 15. April Vera Lengs­feld vor. Ihr Text, den sie uns zum Abdruck frei­gab, erschien zunächst auf ihrer Inter­net­sei­te vera-lengsfeld.de.

Das Tro­ja­ni­sche Pferd von Dresden
von Vera Lengsfeld

Dres­den hat von sich reden gemacht, als die Stadt­spit­ze 2016 vor der Frau­en­kir­che die drei Schrott­bus­se des Deutsch-Syrers Man­af Halbouni instal­lie­ren ließ, die als Mahn­mal gegen Krieg und Ter­ror an die in Alep­po als Schutz vor Hecken­schüt­zen auf­ge­stell­ten Bus­se erin­nern soll­ten. Lei­der hat­ten die Befür­wor­ter über­se­hen, daß die Ori­gi­nal­bus­se beflaggt waren. Es han­del­te sich um die Fah­ne der »Ahr­ar-ash-Sham«, die vom Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz als ter­ro­ris­ti­sche Ver­ei­ni­gung ein­ge­stuft wur­de und laut Stif­tung Wis­sen­schaft und Poli­tik zum »isla­mis­tisch-sala­fis­ti­schen Spek­trum« gehör­te. Der Künst­ler woll­te nichts davon gewußt haben, hat­te aber auch kei­ne Pro­ble­me damit, als er es zur Kennt­nis neh­men mußte.

Die Stadt zahl­te nicht nur eine unbe­kann­te Sum­me Gel­des für das frag­wür­di­ge Monu­ment, sie schritt auch nicht ein, als aus einem der Bus­se Öl aus­trat und den Beton­so­ckel kon­ta­mi­nier­te. Von einer Kri­tik des Dres­de­ner Künst­ler­ver­ban­des Atti­cus war damals nichts zu hören.
Das ist mit der neu­en Kunst­in­stal­la­ti­on, die Dres­den kei­nen Cent kos­tet, kei­ne frag­wür­di­gen Hin­ter­grün­de hat und auch nichts kon­ta­mi­niert, anders. Die Rede ist vom »Tro­ja­ni­schen Pferd«, das am Frei­tag­abend vor dem Kul­tur­pa­last auf­ge­stellt wur­de. Das Werk wur­de vom Ver­ein »Pro­Mit­spra­che« und der Grup­pe »Kunst ist frei« aufgestellt.
Die Macher sehen es als pas­sen­de Mah­nung »für das, was uns bewegt und Sor­gen macht«.
Im Mythos zie­hen die Tro­ja­ner das von den Grie­chen am Strand zurück­ge­las­se­ne Pferd ent­ge­gen gött­li­cher War­nun­gen in die Stadt und legen sich unbe­sorgt schla­fen. In der Nacht klet­tern die ver­bor­ge­nen grie­chi­schen Sol­da­ten her­aus und zer­stö­ren die Stadt.
Der Dresd­ner Ver­ein Atti­cus, der gegen­über der ans Licht gekom­me­nen isla­mis­ti­schen Sym­bo­lik der Schrott­bus­se unbe­sorgt war, sieht in dem Pferd einen »schlei­chen­den Angriff auf die Grund­wer­te unse­rer Demo­kra­tie unter der Bemän­te­lung von Hei­mat- und Freiheitsliebe«.

Wie­der ein­mal wird Kri­tik nicht dar­an geübt, was die Initia­to­ren gesagt haben, son­dern dar­an, was man ihnen unter­stellt. Die Gruppe
»Kunst ist frei« hat­te geschrie­ben: »Unser Kunst­werk … wol­len wir in die Rei­he der von der Dres­de­ner Stadt­spit­ze initi­ier­ten Kunst­in­stal­la­tio­nen stel­len. Kon­tro­vers, zum Nach­den­ken anre­gend und mit dem Her­zen füh­lend, was unse­re Dresd­ner Bür­ger­schaft wirk­lich bewegt. Wir wol­len ein gleich­be­rech­tig­ter Teil eines öffent­lich geführ­ten Dis­kur­ses sein. Wir möch­ten in Frie­den leben in die­ser Stadt, in die­sem Land mit all jenen, die unse­re Kul­tur und unse­ren Glau­ben wertschätzen«.

Die Dres­de­ner nah­men jeden­falls trotz hef­ti­gen Regens Anteil an der Ein­wei­hung des 500 Kilo schwe­ren und fünf Meter hohen Kunst­werks. Möge es die nöti­ge Dis­kus­si­on anregen!

I.Redebeitrag von Dani­el Heimann

Dani­el Heimann ist Unter­neh­mer, Vater von drei Kin­dern, gläu­bi­ger Christ, einer der Köp­fe der Bür­ger­grup­pe »Pro Patria Pir­na« und einer der Prot­ago­nis­ten des Films Mon­tags in Dres­den, für den er sich ein hal­bes Jahr lang mit der Kame­ra beglei­ten ließ.

Die Geschich­te, die Meta­pher des Tro­ja­ni­schen Pfer­des ist die von einer Kriegs­list. Eine List ist immer die Vor­täu­schung fal­scher Tat­sa­chen, also eine Lüge. Inso­fern steht die­ses Pferd für mich als Kunst­ob­jekt für die Lüge, mit­hin für die Lüge in unse­rem Land. Und damit mei­ne ich nicht die klei­ne Not­lü­ge, die uns dazu ver­hilft, die eine oder ande­re per­sön­li­che Ver­let­zung zu ver­mei­den oder eine pein­li­che Situa­ti­on für alle Betei­lig­ten gesichts­wah­rend zu meis­tern. Nein, wenn ich von der Lüge rede, dann mei­ne ich dies durch­aus im Sin­ne der gött­li­chen Gebo­te, die für unser Volk lan­ge Richt­schnur und Maß­stab sei­nes Han­delns waren.
Die­ses Lügen­pferd wird heu­te von vie­len Hel­fern durch das Land geschleift. Es sind eini­ge Poli­ti­ker, Funk­tio­nä­re, Medi­en­leu­te, Kir­chen­ver­tre­ter, Pro­fi­teu­re und Lands­leu­te dar­un­ter, alle Betei­lig­ten sind und blei­ben aber Teil und Bestand­teil unse­res Vol­kes und unse­rer Gesell­schaft. Das Lügen­pferd gebiert unab­läs­sig neue Lügen, gro­ße und kleine.

Die Lüge und die Behaup­tung kom­men in den unter­schied­lichs­ten Figu­ren, Rol­len und Erschei­nungs­for­men daher. Sie sind des Kai­sers Neue Klei­der, die Stig­ma­ti­sie­rung des Ande­ren, der Selbst­be­trug, die Halb­wahr­heit, das Attri­but vor einem Sub­stan­tiv, das Schwei­gen selbst in der Gegen­wart der Unwahr­heit. Die Lüge sitzt grin­send in den Talk­shows unse­res Lan­des, als Paro­le und als Schlag­wort springt sie auf die nächs­te Pla­kat­flä­che, durch die tau­send­fa­che Wie­der­ho­lung wird sie zur Pro­pa­gan­da. Sie ver­sucht, die Wahr­heit zu rela­ti­vie­ren und zu ver­dre­hen, schließ­lich wird die Wahr­heit selbst der Unwahr­heit bezich­tigt. Damit bemäch­tigt sich die Lüge einer gan­zen Gesell­schaft, wird zum all­mäch­ti­gen Wesen, das Tei­le unse­res WIR im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes ver­rückt wer­den läßt.

Die Lüge ist eines der größ­ten Pro­ble­me unse­rer Gesell­schaft in der Gegen­wart. Sie ist das Böse, der Total­an­griff gegen alle Wesens­strän­ge unse­res Daseins, sie wirkt wie ein Spalt­pilz, der Tra­di­tio­nen und Kon­ven­tio­nen, Reli­gio­nen und selbst Fami­li­en spal­tet und zer­stört. Die Lüge erzeugt auf Grund ihrer schein­ba­ren Mäch­tig­keit Angst, die­se Angst macht uns krank und frißt unse­re Gesell­schaft von innen auf. Die Macht der »Fake-News« (eine unsäg­li­che Wort­schöp­fung) ver­hin­dert den inne­ren Frie­den und das nöti­ge Ver­ge­ben in unse­rem Land, gera­de im Ange­sicht der Opfer, die die Lüge jeden Tag for­dert. Kein The­ma, das vor ihr sicher wäre: die all­täg­li­che Rechts­beu­gung, die ille­ga­le Mas­sen­mi­gra­ti­on, die wun­der­ba­re Bipo­la­ri­tät von Mann und Frau, die guten und wich­ti­gen Tra­di­ti­ons­li­ni­en eines Vol­kes, unser Got­tes­bild, die bewähr­ten Model­le der Erzie­hung und Bil­dung unse­rer Kinder.
Was tun? Wie Paro­li bieten?

Mich hat bereits vor Jah­ren der dazu pas­sen­de Text von Alex­an­der Sol­sche­ni­zyn aus dem Jahr 1974 tief beein­druckt. Frei­lich schrieb Sol­sche­ni­zyn damals in ungleich grö­ße­rer Gefahr, die momen­ta­ne Lage in unse­rem Land erscheint mir aller­dings aus­rei­chend, den Text vom 12. Febru­ar 1974 mit eini­gen beacht­li­chen Par­al­le­len zur Gegen­wart zu ver­se­hen. Der flam­men­de Appell an sei­ne Mit­bür­ger heißt: »Lebt nicht mit der Lüge«.
Sol­sche­ni­zyn geht zuerst auf die schein­bar ver­zwei­fel­te und aus­sichts­lo­se Lage sei­nes Vol­kes ein. Zitat: »Was soll­ten wir denn dage­gen tun? Wir haben nicht die Kraft. Kei­ne Här­te, kein Stolz, kein lei­den­schaft­li­cher Wunsch ist uns geblie­ben. Sich bloß nicht von der Her­de lösen, kei­nen Schritt allei­ne tun.«
Sol­sche­ni­zyn kommt im wei­te­ren Ver­lauf des Tex­tes zur Lüge: »Wenn die Gewalt in das fried­li­che Leben der Men­schen ein­bricht, dann glüht ihr Gesicht vor Selbst­si­cher­heit, sie trägt es auf die Flag­ge geschrie­ben und schreit: Ich bin die Gewalt! Aus­ein­an­der fort – ich tre­te drauf. Doch Gewalt altert schnell … und ruft sich unwei­ger­lich die Lüge zum Verbündeten.
Denn: Gewalt kann sich hin­ter nichts ande­rem ver­ber­gen als hin­ter der Lüge und die Lüge kann sich nur durch Gewalt hal­ten. Und nicht jeden Tag, nicht auf jede Schul­ter legt die Gewalt ihre schwe­re Pran­ke, sie for­dert von uns nur, der Lüge erge­ben zu sein, täg­lich an der Lüge teil­zu­neh­men – und dar­in liegt die gan­ze Erge­ben­heit. Und hier näm­lich liegt der von uns ver­nach­läs­sig­te, ein­fachs­te und zugän­gigs­te Schlüs­sel zu unse­rer Befrei­ung: Selbst nicht MITLÜGEN … Denn wenn die Men­schen von der Lüge Abstand neh­men, dann hört sie ein­fach auf zu exis­tie­ren. Wie eine anste­cken­de Krank­heit kann sie nur in den Men­schen exis­tie­ren … Unser Weg: In nichts die Lüge bewußt unter­stüt­zen … und wir wer­den erstaunt sein, wie schnell und hilf­los die Lüge abfällt, und was nackt und bloß daste­hen soll, wird dann nackt und bloß vor der Welt ste­hen … und möge jeder wäh­len, ob die Zeit für ihn gekom­men ist, sich als ehr­li­cher Mensch zu mau­sern, der die Ach­tung sei­ner Kin­der und Zeit­ge­nos­sen verdient.«
Ich rufe euch heu­te zu: Bleibt, seid und wer­det stand­haft in der Wahr­heit! Gott schüt­ze und behü­te euch! Vie­len Dank!

II.Redebeitrag von Hans-Joa­chim Maaz

Der Psych­ia­ter und Psy­cho­the­ra­peut Hans- Joa­chim Maaz, Jahr­gang 1943, ist unmit­tel­bar nach der Wen­de mit sei­nen Büchern Der Gefühls­stau. Ein Psy­cho­gramm der DDR sowie Die Ein­heit beginnt zu zweit. Ein deutsch-deut­sches Zwie­ge­spräch bekannt­ge­wor­den. Heu­te hält er in über­füll­ten Sälen Vor­trä­ge über die »norm­o­pa­thi­sche Gesellschaft«.

Wäh­rend mei­ner puber­tä­ren Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit der Nazi-Ver­gan­gen­heit habe ich mich immer gefragt: Und wie hät­te ich mich ver­hal­ten? Eine Iden­ti­fi­ka­ti­on mit dem unfaß­ba­ren Ver­bre­chen der Deut­schen war abso­lut undenk­bar, aber was mach­te mich so sicher, ein bes­se­rer Mensch zu sein? Ich begriff bald, daß es eben nicht nur die Nazis waren, son­dern eine Mehr­heit der Deut­schen begeis­tert in den Krieg gezo­gen ist und mit der Juden­ver­nich­tung ein­ver­stan­den war. War die Mehr­heit so krank? Waren mei­ne Eltern und Groß­el­tern böse Men­schen? Und ich?

Mei­ne Berufs­wahl war getra­gen von der tie­fen Beun­ru­hi­gung, das Böse in uns Men­schen und in mir und die mas­sen­psy­cho­lo­gi­sche Kraft des Mit­läu­fer­ver­hal­tens zu verstehen.
Und ich habe schließ­lich erken­nen müs­sen, daß destruk­ti­ves Ver­hal­ten immer eine per­sön­li­che Quel­le hat und eine sozia­le Unter­stüt­zung sucht. Jeder Täter war immer zuerst ein Opfer! Das ent­schul­digt kei­ne Straf­ta­ten, ist aber für Hei­lung und Prä­ven­ti­on ein wich­ti­ger Ansatz. Ver­un­si­cher­te und gekränk­te Men­schen sind eher in der Lage, Fal­sches und Böses zu tun, wenn es von ihnen ver­langt wird oder sie sich Vor­tei­le und Aner­ken­nung davon ver­spre­chen. Mas­sen­psy­cho­lo­gisch ent­steht so eine gesell­schaft­li­che Fehl­ent­wick­lung, eine Norm­o­pa­thie, in der das Gestör­te für nor­mal gehal­ten wird, weil es poli­tisch gewollt, öko­no­misch erzwun­gen und mora­lisch-reli­gi­ös ver­langt wird – und dann eine Mehr­heit so denkt und han­delt, wie es erwünscht oder gefor­dert wird.
Eine sol­che Anpas­sung ver­langt nach Ent­schä­di­gung. Im deut­schen Natio­nal­so­zia­lis­mus war es der Grö­ßen­wahn der Welt­herr­schaft einer Her­ren­ras­se; in der DDR war es die Illu­si­on von Frie­den und Sozia­lis­mus durch einen neu­en Men­schen; in der heu­ti­gen nar­ziß­ti­schen Gesell­schaft ist es die Illu­si­on eines unbe­grenz­ten mate­ri­el­len Wachs­tums mit Wohl­stand für alle.
Wenn die Ent­schä­di­gung sich als gro­ßer Irr­tum erweist, kol­la­biert nicht nur die norm­o­pa­thi­sche Gesell­schaft, son­dern auch die indi­vi­du­el­le Anpas­sung: Alle bis­he­ri­gen Über­zeu­gun­gen sind dann falsch und jeder Ein­zel­ne ist wie­der der eige­nen Bedürf­tig­keit, dem Begrenz­ten, dem Feh­ler­haf­ten und Bösen aus­ge­setzt. Es gibt dann vier Möglichkeiten:

1.Man wird krank.
2.Man ist bemüht, das Bis­he­ri­ge unbe­dingt zu ver­tei­di­gen. Also: Wei­ter so! Alter­na­tiv­los! Wir schaf­fen das! Das ist eine huma­ni­tä­re Pflicht!
3.Man sucht Sün­den­bö­cke, angeb­lich Schul- dige, die man dann abwer­ten, ein­schüch­tern, dif­fa­mie­ren und ver­fol­gen kann. Das gelingt beson­ders leicht, wenn tat­säch­lich eine rea­le Schuld belegt wer­den kann, die aber in kei­nem Ver­hält­nis zur Beschul­di­gung steht.
4.Man gehört zu den Men­schen, die bei Ver­än­de­rungs­pro­zes­sen und Kri­sen um ihre Wür­de ringen.

Der Kampf um die Wür­de beginnt, wenn die Anpas­sung zur Qual wird, wenn die Fremd­be­stim­mung kei­nen Raum mehr für Selbst­be­stim­mung läßt, wenn der Kon­takt zu sich sel­ber ver­lo­ren geht, wenn man sich selbst nicht mehr lei­den kann und wenn die Inkauf­nah­me von Kon­se­quen­zen leich­ter zu ertra­gen ist, als der Selbst­ver­rat durch Anpassung.

Die Wür­de ver­langt nach Wahr­hei­ten, nach Echt­heit und Rea­li­täts­be­zug. Wenn die gesell­schaft­li­che Ent­wick­lung kri­sen­haft wird, ist das »Wei­ter so!« bloß Opi­um für das Volk zu sei­ner Ruhig­stel­lung. Die Pro­jek­ti­on der Schuld ist hin­ge­gen die Anstif­tung zur Spal­tung, zu Feind­schaft und Gewalt. 

Rea­li­täts­be­zug hin­ge­gen ist die Her­aus­for­de­rung, Ideen, Vor­schlä­ge und Visio­nen für bes­se­re Lebens­for­men zu entwickeln
Das tro­ja­ni­sche Pferd ist für mich ein Sym­bol des Krie­ges, das ich ger­ne über­win­den möch­te. Es ist das Zusam­men­spiel von List und Nai­vi­tät. List ist die Macht und Gewalt der Schwa­chen, der Ver­lie­rer, der Gekränk­ten und Ver­un­si­cher­ten. Nai­vi­tät ist der nar­ziß­ti­sche Über­mut einer angeb­li­chen Über­le­gen­heit und der infan­ti­le Schutz vor bit­te­rer Erkennt­nis und belas­ten­der Wahrheit.
Auf der Sei­te der List ste­hen für mich fol­gen­de Ereignisse:

Ѽ 1945 den Deut­schen nur Demo­kra­tie ver­ord­net zu haben und in der Ost-West-Spal­tung den Haß nicht auf­zu­lö­sen, son­dern im »Geschwis­ter­krieg« zu bin­den und damit psy­cho­so­zia­le Rei­fe zu verhindern;
Ѽ 1990 den Ost­deut­schen mit Bana­nen und Begrü­ßungs­geld die Revo­lu­ti­on bil­lig abge­kauft zu haben;
Ѽ seit 2015 mit unkon­trol­lier­ter Mas­sen­ein­wan­de­rung die west­li­che Lebens­form her­aus­zu­for­dern und infra­ge zu stellen.

Auf der Sei­te der Nai­vi­tät stehen:

Ѽ Die Illu­si­on, die Ver­gan­gen­heit nur durch Erin­ne­rungs­kul­tur, Gelöb­nis­se, Fei­er­stun­den und Lip­pen­be­kennt­nis­se bewäl­ti­gen zu wol­len, ohne die indi­vi­du­el­le Schuld per­sön­lich zu beken­nen und zu verarbeiten;
Ѽ die Illu­si­on, daß im Wes­ten alles bes­ser sei;
Ѽ die Illu­si­on, daß Will­kom­mens­kul­tur und Inte­gra­ti­ons­be­mü­hun­gen das Pro­blem der Migra­ti­on und der welt­wei­ten sozia­len Unge­rech­tig­keit lösen könnten.
Ѽ Die heu­ti­ge Nai­vi­tät und Über­schät­zung erle­be ich zuneh­mend als bedroh­lich, wegen der Rea­li­täts­ver­leug­nung, wegen der Ver­harm­lo­sung und Schön­fär­be­rei der Gesell­schafts­kri­se, der oft ein­sei­ti­gen und ideo­lo­gi­sier­ten Bericht­erstat­tung, wegen der feind­se­li­gen Spal­tung der Gesell­schaft, der Zunah­me der Gewalt und wegen des Politikversagens.

Und ich ste­he erneut vor der Fra­ge: Was tue ich heu­te? Mei­ne Ant­wort ist auch eine Ant­wort auf die offen geblie­be­ne Fra­ge: Und wie hät­te ich mich damals ver­hal­ten? Um mei­ne Wür­de zu wah­ren, um mei­ne öffent­li­che und pri­va­te Mei­nung halb­wegs unter einen Hut zu brin­gen, muß ich mich äußern, muß ich mei­ne Erkennt­nis­se und Deu­tun­gen zur Dis­kus­si­on brin­gen als den mir mög­li­chen Bei­trag zur not­wen­di­gen Gesellschaftsentwicklung.
Kein Wei­ter so!
Kein »Geschwis­ter­krieg«!
Kei­ne Dif­fa­mie­rung Anders­den­ken­der! Ehre dem Protest!
Brei­te Dis­kus­si­on dar­über, was wir ver­än­dern wol­len und bewah­ren müssen!
Gesell­schaft­lich rufe ich mich und alle ande­ren – beson­ders auch alle lin­ken und rech­ten Kämp­fer – auf, For­de­run­gen an die poli­ti­sche Eli­te zu stel­len, den Druck nach oben zu ent­fal­ten, den Dis­kurs über unse­re Lebens­form und Zukunft zu füh­ren, statt sich gegen­sei­tig zu läh­men und zu schwächen.

III.Redebeitrag von Ange­li­ka Barbe

Ange­li­ka Bar­be, Jahr­gang 1951, war DDR-Oppo­si­tio­nel­le und Mit­grün­de­rin der Ost-SPD kurz vor der Wen­de. Sie saß für die SPD Anfang der 1990er-Jah­re im Bun­des­tag, trat 1996 jedoch gemein­sam mit Vera Lengs­feld zur CDU über und arbei­te­te bis zu ihrer Pen­sio­nie­rung für die Lan­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung in Sach­sen. Im März 2018 wur­de sie ins Kura­to­ri­um der AfD-nahen Eras­mus-Stif­tung berufen.

Die Zivil­ge­sell­schaft mel­det sich heu­te mit einer wun­der­ba­ren krea­ti­ven Kunst-Akti­on öffent­lich zu Wort – in Dres­den, der ver­leum­de­ten Stadt in Dun­kel­deutsch­land. Das höl­zer­ne Pferd ist für mich ein Sinn­bild der War­nung. Denn es hät­te in Tro­ja kei­nen Scha­den ange­rich­tet, wenn – ja wenn die Tro­ja­ner auf Kas­san­dra und Lao­ko­on gehört hät­ten. Bei­de warn­ten davor, das Pferd, das die Grie­chen vor den Toren Tro­jas zurück­ge­las­sen hat­ten, in die Stadt zu holen. Die Bewoh­ner hat­ten Tro­ja zehn Jah­re tap­fer ver­tei­digt und ver­fie­len nun dem Irr­glau­ben, ihre Fein­de hät­ten den Kampf auf­ge­ge­ben und fei­er­ten vor­ei­lig das Ende des Krie­ges. Sie trau­ten den Ver­füh­rern, die die War­nun­gen igno­rier­ten. Tro­ja ging unter.

Wie war es 1989, als die Ost­deut­schen – ange­führt von Weni­gen – auf die Stra­ße gin­gen, um Rechts­staat, Demo­kra­tie und Frei­heit ein­zu­for­dern? Damals ver­such­ten die SED-Macht­ha­ber, die Bür­ger zu täu­schen, gau­kel­ten ihnen vor, plötz­lich in einen »Dia­log« ein­tre­ten zu wol­len, den sie 40 Jah­re ver­wei­gert hat­ten. Sie stürz­ten schnell noch Hon­ecker und prä­sen­tier­ten uns Krenz, den ver­haß­ten Bon­zen, der Krei­de gefres­sen hat­te, um an der Macht zu bleiben.

Die Bür­ger­recht­ler lie­ßen sich von die­sen tro­ja­ni­schen Ver­spre­chun­gen nicht blen­den, grün­de­ten als demo­kra­ti­sche Alter­na­ti­ven das Neue Forum, den Demo­kra­ti­schen Auf­bruch, Demo­kra­tie Jetzt, die SPD in der DDR. Die Bür­ger schlos­sen sich hoff­nungs­voll den neu­en Grup­pie­run­gen an, weil sie das Ziel ein­te – der Sturz der SED und der Wunsch nach frei­en Wahlen.
Zuvor hat­ten die gleich­ge­schal­te­ten Medi­en die Bür­ger mit der 3V-Stra­te­gie zu beru­hi­gen versucht.
Das ers­te V: Sie ver­schwie­gen die Wirk­lich­keit und gau­kel­ten Potem­kin­sche Dör­fer vor. Wenn es sich nicht mehr ver­schwei­gen ließ, wurde
das zwei­te V ange­wandt: das Ver­harm­lo­sen des wirt­schaft­li­chen und gesell­schaft­li­chen Bank­rotts der DDR. Und als auch das nicht mehr fruch­te­te, gin­gen sie zum drit­ten V über: Sie ver­leum­de­ten Bür­ger und Bür­ger­recht­ler und ver­kün­de­ten als Hof­pos­til­len der SED die Unwahrheit. 

Die Ost­deut­schen fie­len auf die­se Stra­te­gie nicht mehr her­ein, woll­ten wie Vaclav Havel »in der Wahr­heit leben« und demons­trier­ten bis zur fried­li­chen Macht­auf­ga­be der SED. So muß­te die SED zäh­ne­knir­schend freie Wah­len zuge­ste­hen. Aller­dings ver­sucht sie bis heu­te, sich mit mehr­fach gewen­de­tem Namen zu tar­nen, als Frie­dens­stau­be zu ver­kau­fen und die Macht wiederzuerlangen.
Es bleibt die erdrü­cken­de Erkennt­nis des gro­ßen sozia­len Ein­flus­ses von Gesell­schaft, Medi­en und Mehr­heits­mei­nung auf die »Unter­ta­nen«, die dadurch blind für die Rea­li­tät wer­den können.
Es ist tat­säch­lich schwer, sich von äuße­rer Bevor­mun­dung zu befrei­en. Es gab kein Recht in der DDR, die Bür­ger waren der Will­kür des Staa­tes aus­ge­lie­fert. Die­ses Recht erkämpf­ten sie sich 1989 mit Mut und gro­ßer Zivil­cou­ra­ge selbst. Und sie ver­stan­den, was vie­len West­deut­schen heu­te noch nicht bewußt ist:
Frei­heit heißt nicht, daß man alles tun kann, was man will, son­dern daß man nicht tun muß, was man nicht will (Rous­se­au). Die Bür­ger wol­len nicht auf den – unter Leid und Repres­sio­nen errun­ge­nen – Rechts­staat ver­zich­ten und auch nicht auf gesi­cher­te Gren­zen und auch nicht in der »Herr­schaft des Unrechts« (See­ho­fer) leben. Denn das hat­ten sie bereits.

Das aber will die heu­ti­ge poli­ti­sche Eli­te nicht wahr­ha­ben. Die Mehr­heit leb­te jahr­zehn­te­lang im Wohl­stands­deutsch­land, wo man Revo­luz­zer sein konn­te, aber kein Revo­lu­tio­när sein muß­te. Sie jubel­ten die DDR zum »bes­se­ren deut­schen Staat« hoch, der den Ost­deut­schen als Stra­fe für Ausch­witz zuge­mu­tet wur­de, in dem sie selbst aber nicht leben woll­ten. Sie füh­len sich heu­te in ihrer Arro­ganz der Macht un- angreif­bar und ver­hal­ten sich auch so, weil sie in geschütz­ten Area­len leben, ihre Kin­der Pri­vat­schu­len besu­chen und sie selbst hoch­do­tier­te Pos­ten bekleiden.

Sie las­sen sich nicht von ihrem Pro­jekt »Relo­ca­ti­on und Resett­le­ment« (Migran­ten­an­sied­lung) abbrin­gen, das auch im Koali­ti­ons­ver­trag ver­ein­bart wur­de, schon gar nicht von Ost­deut­schen und erst recht nicht vom gemei­nen Volk, das Gabri­el als »Pack« und Maas als »Nazis in Nadel­strei­fen« titu­lier­te. Gauck hat­te in der ARD erklärt: »Die Eli­ten sind im Moment nicht das Pro­blem, die Bevöl­ke­run­gen sind es.«

Plötz­lich schafft es eine Grup­pe cou­ra­gier­ter Bür­ger aus Ost und West, mit einer »Erklä­rung 2018« und der dar­in auf­g­stell­ten For­de­rung nach Schlie­ßung der Gren­zen eine Mas­sen­ba­sis her­zu­stel­len und mehr als hun­dert­tau­send Bür­ger zu mobi­li­sie­ren. Schon die 2018 Unter­schrif­ten bis zur Öff­nung für alle erreg­ten so viel Auf­se­hen, daß Welt, FAZ, Süd­deut­sche Zei­tung nicht mehr schwei­gen konnten.

Namen, Rang, Qua­li­fi­ka­ti­on der Unter­zeich­ner bele­gen, daß es sich nicht um dum­me, abge­häng­te Wen­de­ver­lie­rer aus Dun­kel­deutsch­land han­delt. Damit bezieht die brei­te Pro­test­be­we­gung das Bil­dungs­bür­ger­tum ein, dem man kei­ne Moder­ni­sie­rungs­ängs­te andich­ten kann.

Nun hat das gemei­ne Volk durch sei­ne feh­len­de Ein­sicht aber end­gül­tig das Ver­trau­en der herr­schen­den poli­ti­schen Klas­se ver­lo­ren. Und des­halb beginnt eine media­le Hatz auf die­je­ni­gen, die das Spiel der Mäch­ti­gen durch­schau­en. Die poli­tisch Herr­schen­den ver­fol­gen, dif­fa­mie­ren, beschimp­fen alle, die sich ihnen in den Weg stel­len. Es sind nur unter­schied­li­che For­men, mit denen sie ver­su­chen, den Wider­stand zu brechen.

Man stellt die Leu­te in die rech­te Ecke, bezeich­net sie als Idi­ot oder als bit­ter oder als gest­rig. Die Palet­te der Eti­ket­ten ist viel­schich­tig, mit denen man ver­sucht, die Wider­ständ­ler mund­tot zu machen. »Lücken­pres­se« (Nor­bert Bolz) und »gebüh­ren­fi­nan­zier­te Staats­me­di­en« (Mathi­as Döpf­ner) tun alles, um die öffent­li­che Debat­te um offe­ne Gren­zen oder den Islam einzuschränken.
Wich­ti­ge Nach­rich­ten erfährt man nur noch aus weni­gen deut­schen und Schwei­zer Medi­en. Die Auf­merk­sam­keit wird auf Tri­via­les gelenkt. Staat­li­che Pro­pa­gan­da ersetzt Informationen.

Der geschul­te Ost­bür­ger fragt sich inzwi­schen bei jeder Nachricht:

1. Stimmt das?, und
2. Wem nützt es? Wel­che tro­ja­ni­schen Pfer­de will die Macht­eli­te uns wie­der unterjubeln?

1989 im Kampf gegen die SED hiel­ten wir Ker­zen in den Hän­den, kei­ne Waf­fen und kei­ne Mes­ser. Wir tru­gen gleich­zei­tig die Tra­di­ti­on des Pra­ger Früh­lings von 1968 wei­ter – die Tra­di­ti­on von Gewalt­lo­sig­keit, Argu­ment, Gegen­ar­gu­ment und Debat­te. Wir lehn­ten die Auf­tritts­wei­se der West-68i­ger ab, ihre Gewalt, ihr Freund-Feind-Den­ken, ihr Nie­der­schrei­en der Anders­den­ken­den, ihre Diffamierungen.

Genau wie 1989 ver­sucht eine gewalt­lo­se Kunst­ak­ti­on in Dres­den heu­te, eine offe­ne gesell­schaft­li­che Debat­te ohne Dif­fa­mie­run­gen Anders­den­ken­der anzu­sto­ßen und damit die­se Tra­di­tio­nen wie­der­zu­be­le­ben. Das Kunst­pro­jekt »Tro­ja­ni­sches Pferd« ist Mah­nung und War­nung zugleich. Es steht.

1.für die müh­sam erstrit­te­ne Demokratie,
2.für den Rechts­staat, den wir in der DDR schmerz­lich ver­miß­ten, denn nur er schützt die Bür­ger vor der Will­kür des Staates,
3.für die Frei­heit der öffent­li­chen Rede und das Ver­samm­lungs- und Demons­tra­ti­ons­recht – kurz für das Grund­ge­setz, das nicht ver­han­del­bar ist.
Das Kunst­pro­jekt »Tro­ja­ni­sches Pferd« ist Aus­druck von Mün­dig­keit eines ost­deut­schen Bür­ger­tums, das stolz auf die ein­zi­ge selbst errun­ge­ne und gelun­ge­ne deut­sche Revo­lu­ti­on ist.

IV.Redebeitrag von Gritt Kutscher
Die Voll­ju­ris­tin Gritt Kut­scher stammt aus Mei­ßen und arbei­tet als Rich­te­rin am Amts­ge­richt in ihrer Heimatstadt.

Wir haben die Legen­de von Tro­ja in die heu­ti­ge Zeit trans­por­tiert, weil sie für uns Sinn­bild für die Ereig­nis­se der Gegen­wart ist. Unse­re Inter­pre­ta­ti­on ist eine von meh­re­ren, nicht die allein gül­ti­ge. Eine war bereits zu lesen, ande­re wer­den fol­gen und das begrü­ßen wir aus­drück­lich. Ich rufe jeden, der die­se Instal­la­ti­on betrach­tet, auf, sich sei­ne per­sön­li­che Mei­nung, sein Urteil zu bilden.

Ich wur­de gebe­ten, Sie, ver­ehr­tes Publi­kum, Teil haben zu las­sen an mei­nem Pro­zeß der Urteils­bil­dung, was ich zu beach­ten habe, wovor ich auf der Hut sein muß. Denn es gibt sehr vie­le Par­al­le­len zur Mei­nungs­bil­dung im demo­kra­ti­schen Prozeß.

Spä­tes­tens seit 2015 wis­sen wir, wie sehr die Mei­nun­gen in Poli­tik und Gesell­schaft aus­ein­an­der­ge­hen. Nahe­zu jeder hat ein Urteil parat. Es wird gestrit­ten, geschimpft und beschimpft. Fast immer geht es dar­um, wer was wann falsch gemacht hat. Doch geht es in einer Demo­kra­tie dar­um, am Ende »Recht« zu haben? Was nützt es, »Recht« gehabt, gewon­nen zu haben, wenn auf dem Weg dahin die Gesell- schaft zer­bro­chen ist?

Des­halb mein Bei­trag zum Mei­nungs­bil­dungs­pro­zeß: Stel­len wir uns zunächst die Fra­ge: Wor­um geht es? Geht es etwa um die Höhe der Unter­halts­zah­lun­gen eines Vaters oder dar­um, ob über­haupt gezahlt wer­den muß? Strei­ten wir über Asyl? Strei­ten wir wirk­lich dar­über, oder nur dar­über, wer kon­kret Anspruch dar­auf hat? Oder reden wir über Ein­wan­de­rung? Oder dar- über, daß jeder leben darf, wo er mag? Strei­ten wir über Nor­men für Die­sel­mo­to­ren oder über ihr Ver­bot oder dar­über, daß alle Bahn fah­ren sollen?

Ich hof­fe es wird deut­lich, daß wir zuerst sor­tie­ren müs­sen. Bevor ich also eine Ant­wort auf die Fra­ge geben kann, ob eine Per­son von einer ande­ren etwas ver­lan­gen kann, der Staat von einer Per­son oder umge­kehrt, muß ich fra­gen: Wor­um geht es kon­kret? Die nächs­te Fra­ge lau­tet: War­um? War­um soll eine Per­son einer andern Per­son Geld zah­len? Weil sie Vater und Kind sind? Rich­tig. Väter haben ihren Kin­dern Unter­halt zu zah­len. Moment! Ihren eige­nen Kin­dern! Und was ist, wenn das Kind beim Vater wohnt? Oder das Geld nicht für alle Kin­der reicht? Bevor ich mich ent­schei­de, muß ich fragen:
Was geht und was nicht? Was ist mög­lich, was ist nicht mög­lich? Ich fra­ge, was rich­tig ist.
Was bedeu­tet das: »rich­tig«? Es bedeu­tet nicht, was ich mir wün­sche, was mir per­sön­lich gefällt. Denn ich ent­schei­de für und in einer Gesellschaft.

Eine Gesell­schaft funk­tio­niert nur dann, wenn nicht jeder macht, was er will. Jede Gesell­schaft braucht Regeln. Wir haben Regeln. Unse­re Regeln sind nicht vom Him­mel gefal­len, son­dern sind Ergeb­nis der Demo­kra­tie. Dreh- und Angel­punkt der par­la­men­ta­ri­schen Arbeit. Sie sind bin­dend, und zwar für alle – wes­halb die­se Regeln auch nicht mal ein­fach so bei­sei­te gewischt wer­den können!
Bevor ich also ent­schei­de, muß ich wis­sen, wel­che Regel gilt. Wir alle müs­sen unse­re Regeln, unse­re eige­nen Geset­ze ken­nen. Eine unse­rer Regeln heißt: Eltern sor­gen für ihre Kin­der. Eine ande­re: Poli­tisch Ver­folg­te genie­ßen Asyl. Das ist aber nicht alles. Die eine Regel lau­tet wei­ter, daß man zuerst sei­ne eige­nen Ver­pflich­tun­gen erfül­len und sei­nen eige­nen Unter­halt sichern kön­nen muß, bevor man ver­pflich­tet ist, Unter­halt zu gewäh­ren. Die ande­re, Art. 16a GG, hat noch einen Absatz 2. Dort steht, daß sich nie­mand auf Asyl beru­fen kann, wenn er aus einem Land der EU oder einem ande­ren siche­ren Land ein­reist. Man muß also wis­sen, wel­che Regeln des­we­gen der Ein­zel­ne und die Behör­den ein­zu­hal­ten haben.

Wer die Regeln unse­rer Gesell­schaft kennt, weiß etwa auch, daß eine Flücht­lings­kon­ven­ti­on kei­ne Migra­ti­on auf Dau­er erlaubt und erst recht kei­ne Armuts­mi­gra­ti­on. Wer unser Recht kennt, weiß auch, daß ein Grund­recht nicht über einem ande­ren Grund­recht steht, das Recht auf Aus­übung der Reli­gi­on nicht über der Gleich­be­rech­ti­gung von Mann und Frau, und daß es das Recht beinhal­tet, von der Reli­gi­on des ande­ren ver­schont zu wer­den. Er weiß, wel­che Rech­te gel­ten, aber auch, wel­che Pflichten.

Wer auf die Regeln ver­weist, äußert also kei­ne Mei­nung, er zitiert das gel­ten­de Recht. Wer einem ande­ren des­we­gen Aus­län­der­feind­lich­keit, Ras­sis­mus unter­stellt, zeigt, daß er ent­we­der die Regeln unse­rer Gesell­schaft nicht kennt (dann heißt es: Zurück auf Start, nimm ein Gesetz­buch zur Hand und mache Dich schlau!), oder die­se Regeln nicht akzep­tiert. Wer aber das Recht in einer Demo­kra­tie nicht akzep­tiert, steht außer­halb der Gesellschaft.
Nächs­ter Schritt: Der Sach­ver­halt, meist der schwers­te, aber der span­nends­te Teil.
Ver­schie­de­ne Men­schen sehen das­sel­be und beschrei­ben etwas voll­kom­men Unter­schied­li­ches. Men­schen neh­men unter­schied­lich wahr, guk­ken nicht rich­tig hin, ver­ges­sen, irren. Fast jeder hat »einen ande­ren Blick« auf eine Sache. Er ist geprägt durch Erzie­hung, Erfah­rung. Man­cher Blick ist klar, man­cher rosa­rot gefärbt, man­cher sieht schwarz.

Es ist eine Kunst, sich zuerst selbst davon frei zu machen und unvor­ein­ge­nom­men, im wahrs­ten Sin­ne »frei« zu sein. Es ist eine Kunst, frei zu wer­den von der eige­nen Prä­gung, der eige­nen stets begrenz­ten Erfah­rung, frei vom eige­nen Inter­es­se. Ein Sach­ver­halt will aus ver­schie­de­nen Blick­win­keln betrach­tet wer­den. Es gilt Doku­men­te zu lesen, hin­zu­se­hen, Fra­gen zu stel­len, vor allem zuzu­hö­ren, und zwar nicht immer denselben.

Stö­rend ist es, wenn Sach­ver­halt und Mei­nung ver­mischt sind. Das kann auch eine List sein. Es erschwert in jedem Fall die Infor­ma­ti­on. Aber die Kunst, den Sach­ver­halt frei von der Mei­nung zu machen, kann man erler­nen. Wir ehe­ma­li­gen DDR-Bür­ger haben das gelernt.
Doch nicht jeder beherrscht die­se Kunst: Hapert es im aktu­el­len poli­ti­schen Dis­kurs schon an der Kennt­nis des Rechts, ich erin­ne­re an Clau­dia Roth, die in einer Talk­show offen­bar­te, daß sie das Grund­ge­setz tat­säch­lich nicht kennt, so hapert es erst recht an der Kennt­nis des Sachverhalts.

Um bei mei­nem Bei­spiel zu blei­ben: Bevor ich mir Gedan­ken über die Unter­halts­hö­he mache, muß fest­ste­hen, daß der Mann tat­säch­lich der Vater des Kin­des ist. So muß auch fest­ste­hen, ob Wind und Son­ne genü­gend Ener­gie lie­fern, bevor ich Kraft­wer­ke aus­schal­te. Oder wer von jenen, die seit 2013 /14 in unser Land kamen, auch tat­säch­lich vor »Krieg und Ver­fol­gung« floh. Dazu muß aber fest­ste­hen, wer jemand ist, woher er kommt, wie alt er ist – und (wegen Art. 16a Abs. 2 GG) zu aller­erst, aus wel­chem Land er ein­ge­reist ist.

Das nennt man Sach­ver­halts­ar­beit. Die­se muß getan wer­den. Wenn also jemand etwas ver­langt, muß ich zunächst fra­gen: Wor­um geht es genau? Ich schaue nach den Regeln, dem Gesetz. Ich erfor­sche den Sach­ver­halt, und erst wenn die­se Arbeit getan ist, prü­fe und ent­schei­de ich, ob der Anspruch besteht oder eben nicht. Ich bil­de mir mei­ne Mei­nung – ich fäl­le das Urteil. Das gilt bei Gericht, aber auch bei der Nachrichtensendung.

Mein Vater, 85, gelern­ter Tisch­ler, sagt: Nur wer etwas weiß, kann zuhö­ren. Nur wer zuhö­ren kann, kann den­ken. Nur wer den­ken kann, kann mit­re­den. Ich ver­su­che die­sen Rat zu beher­zi­gen, im Beruf und pri­vat. Bevor ich mir auch nur eine öffent­li­che Mei­nungs­äu­ße­rung etwa über den Islam zutrau­te, habe ich mich geschla­ge­ne 20 Jah­re inten­siv damit be- faßt. Der per­sön­li­che Kon­takt mit Mus­li­men in Deutsch­land und auf Rei­sen mach­te mich neu- gie­rig. Ich woll­te wis­sen, wie ande­re Gesell- schaf­ten funk­tio­nie­ren. Also habe ich zunächst alle ver­füg­ba­ren Quel­len ange­zapft, gele­sen, zu- gehört, abge­wo­gen, ver­wor­fen. Des­halb erlau­be ich mir nun, eine Mei­nung dar­über zu haben und die­se zu äußern.
Mei­nungs­bil­dung ist ein anstren­gen­der Pro­zeß. In einer Demo­kra­tie ist er grund­le­gend. Aber: Das Urteil gespro­chen zu haben, ent­bin­det mich auf juris­ti­schem Feld viel­leicht von der Akte. Nicht so bei der demo­kra­ti­schen Wil­lens­bil­dung. Dort geht die Arbeit weiter.

Die Gesell­schaft lebt. Sie ent­wi­ckelt sich. Sie erfor­dert Ideen für die poli­ti­sche Gestal­tung, eine Anpas­sung des Rechts.
Dafür ist es erfor­der­lich, vie­le Mei­nun­gen zu hören und das Ergeb­nis sei­ner eige­nen Mei­nungs­bil­dung zu äußern – auch laut und ver­nehm­lich. Und zwar jeder. Das wol­len eini­ge ver­hin­dern. Doch was mich betrifft, hal­te ich es mit dem frü­he­ren Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ge­richts­hof Tho­mas Fischer: »Es wäre eine sinn­lo­se, unmensch­li­che For­de­rung, dürf­ten Rich­ter zu den Din­gen die­ser Welt kei­ne Mei­nung haben, oder wenn: nur eine ganz klei­ne, defen­si­ve, sich selbst infra­ge stel­len­de, dahin­ge­wis­per­te Mei­nung, eine gehei­me Ansicht unter der Bettdecke.«

Oft höre ich: Aber Du kannst doch Dei­ne Mei­nung sagen. Doch Mei­nungs­frei­heit beinhal­tet das Recht, auch gehört und respek­tiert zu wer­den. Es beinhal­tet das Ver­bot, jeman­den wegen sei­ner Mei­nung an den Pran­ger zu stel­len, gegen sei­nen Wil­len in die Öffent­lich­keit zu zer­ren, und zwar auch dann, wenn er irrt oder ver­meint­lich fal­sche Schlüs­se zieht. Mei­nungs­frei­heit beinhal­tet das Recht auf Irr­tum. »Es irrt der Mensch, solang er strebt.« Ent­schei­dend sind Bereit­schaft und Fähig­keit, sei­ne Mei­nung, sich selbst, stets aufs Neue zu hin­ter­fra­gen und auch Feh­ler zuzugeben.

Ich rufe Sie, lie­bes Publi­kum, auf: Bil­den Sie sich Ihre Mei­nung! Fra­gen Sie zuerst: Wor­um geht es über­haupt? Ver­schaf­fen Sie sich Kennt­nis über die Regeln und Nor­men! Erfor­schen Sie den Sach­ver­halt! Fäl­len Sie Ihr Urteil! Äußern Sie Ihre Mei­nung! Stel­len Sie sie zur Dis­kus­si­on! Hören Sie ande­ren zu! Hin­ter­fra­gen Sie Ihre Mei­nung im offe­nen Dis­kurs! Las­sen Sie uns reden!

V.Redebeitrag von Andre­as Hofmann

Hof­mann, ali­as DJ Hap­py Vibes, Jahr­gang 1966, mode­rier­te 20 Jah­re lang die Radio­sen­dung Maxi-Mal, bevor er 2016 als PEGIDA- Sym­pa­thi­sant in Erschei­nung trat und sei­ne Sen­dung weni­ge Tage danach »auf­grund sin­ken­der Hörer­zah­len« abge­setzt wur­de. Offi­zi­el­le Sta­tis­ti­ken bewie­sen, daß die­se Begrün­dung nicht ehr­lich war.

Als säch­si­scher Radio­ma­cher war ich 20 Jah­re mit Herz dabei, jeden Sams­tag in der Sen­dung Maxi-Mal den Leu­ten ein Lächeln ins Gesicht zu zau­bern, mit Ehr­lich­keit, spit­zer Zun­ge und viel Humor, wie man es von einer guten Par­ty- und Sati­re­sen­dung erwar­tet. Nie hat sich einer in den vie­len Jah­ren an unse­rer Sen­dung gestört. Die Ein­schalt­quo­ten gaben uns recht. Fast eine hal­be Mil­li­on Sach­sen schal­te­ten die Sen­dung Sams­tags ein. In die­sen knapp 20 Jah­ren war ich ein Bür­ger, der sei­nen Beruf und sei­ne Fans lieb­te, sich um sei­ne Fami­lie küm­mer­te und pünkt­lich sei­ne Steu­ern bezahlte.
Come­dy und Sati­re sind immer ein Spie­gel der Gesell­schaft und grei­fen auf, was die Bevöl­ke­rung gera­de bewegt, immer gedeckt durch das Kunst­frei­heits­ge­setz, ver­an­kert im Grund- gesetz Art. 5 Absatz 3.

Ab 2016 jedoch gab es per­ma­nen­te Anru­fe und Mails beim Sen­der von immer den­sel­ben selbst­er­nann­ten Moral­wäch­tern (wie bei­spiels­wei­se Eric Hatt­ke vom Atti­cus e.V. oder auch Mat­thi­as Präg von der Gewerk­schaft der Leip­zi­ger Ver­kehrs­be­trie­be), die mit fal­schen Behaup­tun­gen mein Anse­hen und mei­ne erfolg­rei­che lang­jäh­ri­ge Arbeit beim Sen­der zer­set­zen wollten.
In den sozia­len Netz­wer­ken wur­de ich plötz­lich vor­wie­gend von Per­so­nen mit Fake- Accounts belei­digt und sys­te­ma­tisch als Rech­ter dis­kre­di­tiert. Anzei­gen bei der Staats­an­walt­schaft wur­den ein­ge­stellt. In der Pres­se tauch­ten Arti­kel auf, die mich als rechts­po­pu­lis­tisch bezeich­ne­ten und dies als öffent­li­che Mei­nung in den Köp­fen der Bür­ger fundamentierten. 

Nach mei­nem Song »Ger­man Histo­ry 2« (für Teil 1 haben wir noch 2011 den Euro­päi­schen Musik­preis der EGFM bekom­men) wur­de ich ent­las­sen. Vor­her wur­de ich noch tele­fo­nisch dar­auf hin­ge­wie­sen, wenn ich das pro­du­zie­re, kann ich den Job nicht mehr machen. Nach mei­ner Kün­di­gung schos­sen sich die Medi­en ein und ver­brei­te­ten, ich wäre wegen sin­ken­der Ein­schalt­quo­ten gekün­digt worden.
Das konn­te ich zu 100 Pro­zent wider­le­gen, und zwar mit reichweiten.de, dem Por­tal der ARD-Wer­bung. Aber lei­der fehl­te mir selbst die Reich­wei­te, um es rich­tig zu stel­len. Es wur­de für mich unmög­lich, in mei­nem alten Beruf als Radio­mo­de­ra­tor wie­der Fuß zu fas­sen. Kein Sen­der stellt jeman­den ein, der wegen angeb­lich sin­ken­der Ein­schalt­quo­ten gekün­digt wur­de und von der Pres­se als rechts­po­pu­lis­tisch dar­ge­stellt wird.

Kon­ser­va­tiv hat nichts mit dem Gedan­ken­gut des Natio­nal­so­zia­lis­mus zu tun. Kon­ser­va­tiv kommt von dem latei­ni­schen Wort »con­ser­va­re«, was über­setzt »bewah­ren« bedeu­tet. Bewah­ren wir uns nicht alle Wer­te wie Mensch­lich­keit, Fami­lie, Tole­ranz, Streb­sam­keit, Hei­mat und das Wich­tigs­te: Ehrlichkeit?

Die­se Ehr­lich­keit heu­te offen zu zei­gen, wird einem schwer gemacht. Mitt­ler­wei­le erlei­den Tau­sen­de das­sel­be Schick­sal wie ich, die auf Miß­stän­de in unse­rem Land hin­wei­sen. Sie wer­den als »rechts« stig­ma­ti­siert. Kein Tag ver­geht, wo im TV nicht min­des­tens fünf Doku­men­ta­tio­nen oder Fil­me über das Drit­te Reich laufen.
Kein Mensch möch­te nur im ent­fern­tes­ten mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus auf eine Stu­fe gestellt wer­den. Und kein Mensch möch­te mit jeman­dem ver­keh­ren, der auf die­se Stu­fe gestellt wird. Doch inzwi­schen nutzt man die­se Ein­stel­lung, um Men­schen mit Mei­nun­gen, die nicht ins gewünsch­te Bild pas­sen, aus­zu­schal­ten. Dadurch ent­steht eine Art Selbst­zen­sur in der Bevöl­ke­rung. Wenn Ihr wüß­tet, mit wie vie­len Men­schen wir im Vor­feld unse­rer Kunst­ak­ti­on gespro­chen haben, wie­viel Men­schen und Fir­men Geld und Sach­leis­tun­gen gespen­det haben und dafür nicht öffent­lich genannt wer­den woll­ten – und zwar aus Angst vor Per­so­nen, die höchst unmo­ra­lisch und mit akri­bi­scher Schnüf­fel­ar­beit dafür sor­gen, daß Men­schen, die frei ihre Mei­nung äußern, stig­ma­ti­siert werden.

Machen sol­che Men­schen das aus Über­zeu­gung oder liegt es an den 25,5 Mil­lio­nen Euro schwe­ren För­der­töp­fen der Bun­des­re­gie­rung, die an 195 Ver­ei­ne im »Kampf gegen Rechts« aus­ge­schüt­tet wer­den? Gibt es sol­che För­der­gel­der auch im Kampf gegen Links­extre­mis­mus? Und wird kon­trol­liert, wer als rechts bezeich­net und bekämpft wer­den darf?
Demo­kra­tie kennt kei­ne Angst! – Ent­we­der wir gehen alle fair mit­ein­an­der um – oder das Boot der Demo­kra­tie ken­tert! Was führ­te denn zu die­ser uner­träg­li­chen Situa­ti­on, zu die­ser Spal­tung der Gesell­schaft? Ist es nicht die Igno­ranz der Poli­tik, auch Anders­den­ken­de zu akzeptieren?

Wenn ich in den Super­markt gehe, schaue ich mir an, was ich kau­fe. Wenn das Pro­dukt dann nicht hält, was es ver­spricht, rekla­mie­re ich. Pro­dukt­haf­tung ist gesetz­lich bis ins kleins­te Detail gere­gelt. Wenn ich zur Wahl gehe, schaue ich mir den Inhalt einer Par­tei an, dann mus­te­re ich den Kan­di­da­ten, und wenn ich von sei­ner Ehr­lich­keit und den Inhal­ten über­zeugt bin, wäh­le ich ihn. Wenn die gewähl­ten Poli­ti­ker jedoch Ent­schei­dun­gen tref­fen, die so nicht im Wahl­pro­gramm stan­den, oder nicht hal­ten, was sie ver­spra­chen, haben wir als Bür­ger dann das Recht, zu »rekla­mie­ren«? Nein, haben wir nicht, weil wir unse­re Stim­me lei­der für einen län­ge­ren Zeit­raum abge­ge­ben haben.
Doch müs­sen wir es in einer sta­bi­len Demo­kra­tie hin­neh­men, das Ver­spro­che­nes nicht gehal­ten wird? Daß eine Kanz­le­rin bei wich­ti­gen Ent­schei­dun­gen nicht ein­mal mehr das Par­la­ment fragt? Egal ob Kli­ma­po­li­tik, Grie­chen­land oder eben die Flüchtlingskrise?

Betrach­ten wir die Ent­wick­lung unse­rer Zeit ein­mal von oben, um zu ver­ste­hen, was in Euro­pa und Deutsch­land gera­de pas­siert: Am
17. März 2000 gab die UNO den Remi­gra­ti­on Act – eine Ana­ly­se zur Bestands­er­hal­tungs­mi­gra­ti­on her­aus. Der Begriff »Bestands­er­hal­tungs­mi­gra­ti­on« bezieht sich auf die Zuwan­de­rung aus dem Aus­land, die benö­tigt wird, um den dras­ti­schen Bevöl­ke­rungs­rück­gang, das Schrump­fen der erwerbs­fä­hi­gen Bevöl­ke­rung sowie die all­ge­mei­ne Über­al­te­rung aus­zu­glei­chen. Deutsch­land benö­tigt, laut die­ser Emp­feh­lung, pro Jahr 498000 Zuwan­de­rer (bei 83 Mil­lio­nen Ein­woh­nern) um zu überleben!

Von die­sem Umstand hat die Poli­tik also schon vor 18 Jah­ren Kennt­nis gehabt und hat nicht mit einer gesun­den Fami­li­en- und Ein­wan­de­rungs­po­li­tik gegen­ge­steu­ert. War­um wur­de die Fami­lie, die kleins­te Zel­le der Gesell­schaft, nicht mit der Prio­ri­tät behan­delt, die ihr gebührt, da nur sie das Über­le­ben unse­rer Gesell­schaft sichert? War­um wur­de die Prio­ri­tät lie­ber auf alles gelegt, was zwar mensch­lich nach­voll­zieh­bar ist, aber eines nicht kann: Kin­der zeugen?
War­um wur­de nicht eine ziel­ge­rich­te­te Ein­wan­de­rungs­po­li­tik betrie­ben, in der die Wirt­schaft Bedarf mel­det und Fach­kräf­te dann mit staat­li­chen Pro­gram­men gezielt ange­wor­ben wer­den? War­um konn­te man dem Bevöl­ke­rungs­rück­gang nicht auch mit Inno­va­ti­on und High Tech ent­ge­gen­steu­ern, also feh­len­de mensch­li­che Arbeits­kräf­te durch Auto­ma­ti­sie­rung erset­zen? Und war­um wur­den wir, die nor­ma­le Bevöl­ke­rung, nicht mit der nöti­gen Inten­si­tät dar­über unterrichtet?
Ein Sozi­al­ex­pe­ri­ment, das unser gesam­tes Leben und unse­re Kul­tur ver­än­dert, soll­te doch bis ins letz­te durch­dacht, geplant, kom­mu­ni­ziert und vor allem demo­kra­tisch legi­ti­miert und zur Abstim­mung gebracht werden.
Oder geht es am Ende um ein viel grö­ße­res, kaum zu glau­ben­des, gewal­ti­ges Expe­ri­ment, das gut geplant ist und sich auf natio­na­ler Ebe­ne gar nicht demo­kra­tisch legi­ti­mie­ren läßt?

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