See kostet keinen Eintritt und liegt inmitten einer großen Wiese, die zwei Mal im Jahr gemäht wird. Er ist tief und kühl, und die Anfahrt entlang einer aufgegebenen LPG wirft einen so ein bißchen aus der Zeit.
Was man verzehren will, muß man mitbringen. Das ist am anderen See anders. Er kostet ab 17.00 Uhr nur noch einen Euro Eintritt, und es gibt eine Rutsche, ein Wassertrampolin und einen Kiosk. Dieser Stützpunkt ist so angelegt, daß man während des Verzehrs die Kinder beobachten kann, die im Wasser spielen oder im schlammigen Sand Löcher graben. Meist ist man nicht alleine am Ausschank, sondern kommt rasch ins Gespräch.
Der andere heißt Karl, er hat sich auch eine Flasche Ur-Krostitzer reichen lassen.
“Also dann!”, sagt er.
“Gleichfalls!”, sage ich.
Wir trinken. Karl betrachtet das Flaschenetikett und ist zufrieden.
“Mein Bier”, sagt er. “Ich mag den Gustav Adolf, und ich sag dir jetzt mal was: Ich glaube, der hat hier auch schon gebadet.”
“Meinst du?”
“Hundertprozentig. Er hat Querfurt belagert, und dann ist er wieder Richtung Merseburg abgezogen. Da muß er hier vorbei, das hat er sich nicht entgehen lassen.”
“Aber das hier”, sage ich, “ist ein Baggersee.
Wir trinken still weiter. Ein Motor brüllt auf. Seit zwei Wochen wird am anderen Ufer des Sees gebaggert. Das ist verwunderlich, denn auf die andere Seite darf man noch nicht einmal schwimmen, der seltenen Vögel wegen. Und siehe da: Ein Fischreiher erhebt sich, schwingt sich auf eine Trauerweide und schaut dem Bagger zu. Dann streicht er ab und verschwindet in Richtung Bundesstraße.
Karl schaut auf die Tischplatte, dann schaut er mich an und sagt:
Die fischer überliefern das im süden
Auf einer insel reich an zimt und öl
Und edlen steinen die im sande glitzern
Ein Vogel war der wenn am boden fußend
Mit seinem schnabel hoher stämme krone
Zerpflücken konnte – wenn er seine flügel
Gefärbt wie mit dem saft der Tyrer-schnecke
Zu schwerem niedrem flug erhoben: habe
Er einer dunklen wolke gleichgesehn.
Des tages sei er im Gehölz verschwunden
Des abends aber an den strand gekommen
Im külen windeshauch von salz und tang
Die süße stimme hebend daß delfine
Die freunde des gesanges näher schwammen
im meer voll goldner federn goldner funken.
So habe er seit urbginn gelebt
Gescheiterte nur hätten ihn erblickt.
Denn als zum erstenmal die weißen segel
Der menschen sich mit günstigem geleit
Dem eiland zugedreht sei er zum hügel
Die ganze teure stätte zu beschaun gestiegen
Verbreitet habe er die großen schwingen
Verscheidend in gedämpften schmerzeslauten.
Am Kiosk geht die kleine Glocke. Karl beugt sich weit nach hinten und kriegt seine Pommes zu fassen. Er schiebt sich gleich welche in den Mund und rückt die Schale in die Mitte des Tisches, damit ich auch zugreifen kann.
“George”, sagt er. “Der Herr der Insel.”
“Das Lieblingsgedicht von Gustaf Adolf”, sage ich, und wir müssen beide lachen.