Im Falle “Hanau” ist dieser Sortierungsvorgang eindeutig: Der Mord an neun Menschen mit ausländischen Wurzeln wird “gegen rechts” instrumentalisiert, der mutmaßliche Mörder gilt als Rassist, sein gegen die gesamte Menschheit gerichtetes Pamphlet als rassistisches Dokument, und wir (AfD, publizistisches Vorfeld, Protestbewegungen) sollen mitgeschossen und mitgeschrieben haben.
“Erfurt” eignet sich weniger gut für eine Begriffsaufladung gegen rechts, und das ist auch der Grund, warum die medialen und zivilgesellschaftlichen Bemühungen so vehement sind und so angestrengt wirken: Die Stabilisierung der Parteienfront gegen die AfD funktioniert nur, wenn die Markierungen und Feindbilder eindeutig sind, schwarz und weiß, und keinen Spielraum für Ambivalenz und Graustufen lassen.
Das ist tatsächlich ein Mammutprojekt: Die CDU und die FDP, die Grünen, die SPD und die Linkspartei einzubinden in eine Parteienfront gegen die einzige Alternative – je nach Bundesland und Koalitionsmöglichkeit unter wechselnder Führung. Inhaltlich können diese fünf Parteien eigentlich nicht auf einen gemeinsamen Nenner (und das bedeutet in diesem Fall: auf Linie) gebracht werden. Dies gelingt nur über den gemeinsamen Kampf gegen einen grundsätzlichen Gegner.
Man muß solche systemischen Beziehungen kalt betrachten und sollte in ihrer Beschreibung die Wörter “ungerecht” und “unfaßbar” vermeiden. Es handelt sich um Stabilisierungsmaßnahmen einer hohl gewordenen Herrschaft.
Ereignisse durch Weglassung oder Behauptung ins Eindeutige zu wenden und damit politisch verwertbar zu machen, ist ein Vorgang, den auch das AfD-Milieu kennt. “Die Migranten” und “das Establishment” sind ebenso Markierungswörter von rechts wie “Lügenpresse” und “Großer Austausch”, und natürlich instrumentalisiert (also: nutzt) die AfD jeden Vorfall, der ihre Wirklichkeitsbeschreibung stützen könnte.
Daß aber die Altparteien und der mediale Komplex zur Lüge greifen und den politischen Kontrahenten denunzieren und kriminalisieren, hat eine andere Qualität. Offensichtlich ist, daß die Machtmittel und Möglichkeiten, aber auch die Skrupellosigkeit ungleich verteilt sind. Das wissen wir seit langem, aber die Grundsätze, die daraus abgeleitet werden müssen, sind noch immer nicht verinnerlicht. Vier davon bilden den Kern:
1. Der Mensch ist auf stabile Verhältnisse angewiesen. Arnold Gehlen hat diese Notwendigkeit, Stabilisierung in instabile Daseinsbedingungen zu bringen, in seiner Institutionenlehre beschrieben: Institutionen, also auf Dauer gestellte Einrichtungen, entlasten den Menschen dadurch, daß er nicht immer wieder aufs neue Verhaltensweisen entwickeln und nach Mustern suchen muß. Er kann vielmehr Regeln einhalten, das Festgelegte wiederholen, das Bewährte bestätigen, das Entlastende aufsuchen – und jede dieser Handlungen stabilisiert wiederum die einmal eingerichtete Institution.
Aufs Politische übertragen lautet der Grundsatz: Eine bestehende Herrschaft hat stets das Trägheitsmoment derjenigen auf ihrer Seite, die an ihre Sprache, ihre Verfahrensweisen, ihre Feinderklärungen, ihr andauerndes, also wahrnehmbar stabiles Vorhandensein gewöhnt sind. Das Wort von der Alternativlosigkeit hat da tatsächlich einen Sitz: Jede Alternative zu dieser Alternativlosigkeit muß erklären, warum sie vom Leser, Wähler, Bürger den Aufwand einer Abkehr vom Gewohnten zurecht fordert.
Diese Forderung muß rational, aber vor allem emotional an die Einsicht Einsicht und das Gefühl geknüpft werden, daß es sich lohne, mit den Gewohnheiten, den stabilen Verhältnissen zu brechen und eine Phase der Unruhe und der Verwerfung in Kauf zu nehmen. Wir sprechen nicht von den Überzeugungstätern in Politik und Vorfeld, wohlgemerkt. Wir sprechen von den zehn, zwölf, fünfzehn Millionen Wählern, denen es innerlich möglich sein muß, der Alternative eine Chance zu geben.
2. Auch die Sprache ist eine Institution, eine Bedeutungsvereinbarung, und genau aus diesem Grund ist die Umdeutung von Wörtern ein Vorgang von eminent politischer Bedeutung. Jede Neuaufladung der Wortbedeutung ist ein destabilisierender Vorgang, der zugleich aber in eine neuen Bedeutungsgewohnheit übergehen und damit eine neue Sicht und Wertung der Dinge stabilisieren soll.
Ob eine Umdeutung erfolgreich ist oder nicht, ob eine Wortsetzung gelingt oder nicht, hängt nicht von Stimmigkeit und tatsächlichem Realitätswandel ab. Es kommt auf die Deutungsmacht und auf den Resonanzraum an. Auch Unterstellungen, Denunziationen, Lügen, Kriminalisierungen wirken stabilisierend, wenn sie mit Macht und über alle Kanäle vorgetragen werden können und beispielsweise das Wort “Hanau” mit einer politischen Feinderklärung verknüpfen.
Die AfD spürt stärker als jede andere Partei am eigenen Leibe, daß solche Falscherzählungen und Unterstellungen nicht gerecht sind und daß es in den eigenen Reihen zu Exzessen der Verzweiflung kommt vor einer Wand aus ZDF, ARD, Spiegel, Welt, Süddeutscher, FAZ undsoweiter. Aber weder wird Verzweiflung prämiert noch ist “Ungerechtigkeit” eine politische Kategorie.
3. Stabilität ist an und für sich bereits ein Argument. Dieser Umstand ergibt sich aus den ersten beiden Grundsätzen, und die Ableitung daraus ist eminent wichtig. Wer das Bestehende infrage stellt, weil es auf verantwortungslos wackligen Beinen steht, muß Stabilität anbieten können, und das bedeutet: Zunächst muß die eigene Truppe diese Stabilität ausstrahlen. Es geht also um Geschlossenheit.
Uneinigkeit und Richtungskämpfe sind für Medienleute und Politologen interessant, nicht aber für Wähler. Wer darüber nachdenkt, hohle (also eigentlich bereits instabile) Verhältnisse zu verlassen und eine Alternative aufzusuchen, will nicht zuallererst in einen Familienstreit geraten.
Geschlossen aufzutreten, Selbstsicherheit und Selbstbewußtsein auszustrahlen und zu zeigen, daß man weiß, was einen untereinander verbindet und vom Gegner trennt, ist eine Grundvoraussetzung für jedes politische Projekt. Und das ist im Gegenzug der Grund, warum AfD-interne Kritiker stets ein offenes Ohr bei denjenigen Medien finden, deren Ziel es ist, diese Partei aufzuspalten.
4. Die Übernahme der gegnerischen Erzählung ist keine Option, denn weder stabilisiert sie die AfD selbst noch würde eine solche Verbeugung vom Gegner als ehrlich empfunden oder als Annäherung begrüßt.
Wer meint, daß er durch grundsätzliche Zugeständnisse an den politisch-medialen Block aus der Schußlinie käme, täuscht sich. Um eine ältere Formel zu wiederholen: Es gibt keinen Zustand einer starken AfD, der für das Establishment akzeptabel wäre. Wäre die AfD auf FDP-Niveau, ließe man sie vielleicht in Ruhe; wäre sie bei 35 Prozent, käme es zu Koalitionsverhandlungen – aber nicht aus inhaltlichen, sondern nur aus machtpolitischen Erwägungen.
Ihr derzeitiger Zustand ist für die AfD gefährlich, von außen und innen zugleich – von außen, weil die Gegner alles veranlassen, um die Partei unter der Schwelle gedrückt zu halten, hinter der es zu einem freimütigen Bekenntnis zur AfD auch in bürgerlichen Milieus käme; von innen, weil dieses Verharren auf einem Erfolgsplateau eine Form der Stagnation ist, die zu gegenseitigen Vorwürfen führt.
Für die Gefährdung von außen steht beispielhaft die neuerliche Verschärfung der Sprache, die der Verfassungsschutz anschlägt. Er markiert die AfD als Prüf- oder Verdachtsfall, um noch unbeteiligte Bürger von einer möglichen Wahl oder sogar Mitgliedschaft abzubringen.
Nach innen wirkt dieses Vorgehen auf sprengende Weise, weil der Verfassungsschutz sich Parteiteile und einzelne Führungspersönlichkeiten herauspflückt, um sie in einen besonderen Rechtfertigungsdruck zu bringen: den nämlich, der von den Parteifreunden ausgeht, die sich den Umstand, selbst nicht besonders genannt und eingestuft zu werden, als Verdienst anrechnen – als Folge einer gemäßigten Sprache oder einer überprüfbar harmlosen Gesinnung.
Auf diese Weise entsteht ein parteiinternes Klima des permanenten Vorwurfs, man stünde längst besser da, wenn es “die Radikalen” oder “die Unversöhnlichen” nicht gebe. Damit einher gegen stets Abgrenzungsforderungen und Aufrufe zur Mäßigung, kurzum: aufreibende Dialoge, leider oft öffentlich gespielt.
Daß dies eine Verkennung der Rolle des Verfassungsschutzes ist, habe ich bereits erwähnt: Er beobachtet ja nicht nach objektiven Kriterien oder um tatsächlich eine Bedrohung für die Verfassung abzuwehren – er beobachtet und verkündet diesen Umstand nur deshalb öffentlich, weil er parteipolitisch mißbraucht die regierenden Parteien vor einer neuen, mit Macht auftretenden Konkurrenz zu schützen versucht.
Sind wir uns entlang solcher Stabilisierungsvorgänge dessen bewußt, daß es mehr denn je strategischer Einsicht und taktischer Disziplin bedarf, um eine gefährliche Zeit zu überstehen.
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Ich komme damit zur Bewertung eines Artikels, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 4. März zu lesen war. Es geht darin um die Einordnung der Erfurter Vorgänge durch die AfD selbst. Namentlich wird der zuletzt aus dem Bundesvorstand gewählte Georg Pazderski als jemand genannt, der das Agieren Höckes während der Erfurter Ministerpräsidentenwahl kritisiere.
Die FAZ stützt sich auf ein Analysepapier, das Pazderski verfaßt hat und in dem er davon spricht, daß der “strategische Kollateralschaden für die AfD nicht unerheblich” sei. Konservative CDU-Landesverbände wie die in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt seien nun abgeschreckt, Koalitionsoptionen für die AfD damit in weiter Ferne.
In seinem Papier schiebt Pazderski die Schuld dafür unter anderem Höcke zu, dessen taktischer Streich Vertrauen zerstört habe und dessen radikale Rhetorik es selbst willigen CDU-Kreisen schwer bis unmöglich mache, sich der AfD anzunähern. Der Flügel habe daher, so schließt Pazderski, eine klare Grenze nach rechts zu ziehen und von politischen Abenteuern Abstand zu halten. Man liefere dem Gegner sonst billige Argumente und verschrecke bürgerliche Kreise.
Soweit, so öffentlich. Man sollte sich nun für die Einordnung dieser Analyse die oben genannten vier Punkte zur Frage der Stabilität ins Gedächtnis rufen:
Höcke nimmt sich innerparteilich stets zurück. Er hat Schuldzuschreibungen abgewehrt, starke Ergebnisse erzielt, Parteistrukturen ausgebaut und bis heute keine Rolle auf Bundesebene beansprucht. Er hat im vergangenen Sommer selbst den “Appell der 100” hingenommen und mit Erfolgen gekontert. Zuletzt hat er in Erfurt die Möglichkeiten des Parlamentarismus ausgeschöpft und die “möglichen Koalitionspartner” dazu gezwungen, Farbe zu bekennen.
Die CDU dazu zu zwingen, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie lange und zu welchem Preis man sich noch in eine Einheitsfront mit der Linken gegen die AfD zwingen lasse, war dringend notwendig. Auch die Frage, inwiefern sich selbstständige Landesverbände von Kanzlerin Merkel weiterhin zurechtweisen ließen, mußte gestellt werden. Beide Fragen sind nun beantwortet – und wenn wir heute hören, es rumore in der WerteUnion oder im Thüringischen Landesverband der CDU kräftig, so sollte sich dieses Rumoren in Austritten, Übertritten oder wenigstens in einem scharfzüngigen Analysepapier niederschlagen – oder es bleibt das Gegrummel in der Kabine nach der Niederlage auf dem Platz.
Folgenlos blieb Höckes Agieren jedenfalls nicht: Kramp-Karrenbauer, Mohring, Hirte – sie sind allesamt über Erfurt gestolpert und wurden schon oder werden noch ersetzt. Das zusammengenommen bedeutet: Höcke hat mit “Erfurt” seine eigene Partei stabilisiert und den Gegner (vor allem die CDU) destabilisiert, indem er sie in eine Entscheidungssituation zwang, die sie als beschwichtigungskonservativ und unentschieden entlarvte:
Warum sonst nämlich stimmte im dritten Wahlgang der Wiederholungswahl in Erfurt nur einer von einundzwanzig CDU-Landtagsabgeordneten gegen Ramelow, obwohl eine Nein-Stimme keine Ja-Stimme für Höcke bedeutet hätte? Niedriger kann man die Schwelle kaum hobeln, aber selbst über diese kleine Unebenheit zu treten war den CDU-Leuten trotz geheimer Wahl nicht möglich.
Pazderski verkennt, was seinem Parteikollegen Höcke und der AfD-Fraktion in Thüringen gelang. Stattdessen sendet er Signale der Instabilität nach innen und nach außen.
Und mehr: Wer sich nur ein wenig mit den Denunziationsmechanismen des Verfassungsschutzes beschäftigt hat, weiß, daß diese Behörde händeringend nach Stimmen aus der AfD selbst sucht, die Höcke und den “Flügel” brandmarken. Warnende oder sogar wertende Äußerungen von Parteimitgliedern sind mehr wert als “Expertisen” von Gegnern.
Wer Geschlossenheit, mit einem anderen Wort: Stabilität will, sollte nicht bei einem der bekanntesten und erfolgreichsten AfD-Politiker nach Ansatzpunkten für den Verdacht extremistischen Gedankenguts suchen. Er sollte auch nicht die falsche Hoffnung pflegen, daß die Umsetzung von Hygienemaßnahmen, die der Gegner fordert, diesen Gegner zufriedenstellen könnte. Vielmehr gilt: Wer zeigt, daß er blutet, zieht die Haie an.
Ich drehe eine kurze Schleife: Natürlich sind mir, sind uns Verbalradikalismen oder Gewaltphantasien nicht nur aus parteistrategischen, sondern tatsächlich aus grundsätzlichen Erwägungen zuwider; aber vielleicht kann mir jemandem dabei helfen, eine Wortmeldung aus den Reihen der AfD zu finden, öffentlich geäußert während einer prominent besetzten Diskussion, die an das herankäme, was sich jüngst eine Linke leistete: Sie setzte Einmütigkeit voraus, als sie sagte, man müsse nach der Revolution (Gewaltphantasie Nummer 1) “ein Prozent der Reichen erschießen” (Gewaltphantasie Nummer 2). Ich habe weder Höcke noch sonst jemanden in der AfD je von Revolutionen oder Erschießungen reden hören.
Ich würde, zweitens, außerdem gern noch den AfD-Vorsitzenden ausfindig machen, der nach einer solchen Äußerung cool auf dem Podium sitzen bliebe wie der Linken-Vorsitzende Riexinger und die Erschießungspläne bloß umböge in Zwangsarbeitskonzepte (Gewaltphantasie 3).
Solche Äußerungen und ein solches Verhalten habe ich weder bei der AfD noch bei uns, also im Vorfeld dieser Partei, je erlebt. Dennoch rate ich jedem, der mich fragt, vor Reden, Vorträgen, Äußerungen das Manuskript, das Herz und das Gehirn für ein paar Minuten in den inneren Gefrierschrank zu legen und nicht von dem abzuweichen, was man notiert hat und verantworten kann. Sich nicht mitreißen lassen – das ist ein Grundsatz.
Dazu gehört auch, sich nicht bei jeder Gelegenheit in den Vordergrund zu spielen – und sei es auf Kosten dessen, der gerade im Fokus steht. Das ist für einen bestimmten Typ Politiker sicherlich sehr schwierig, vor allem dann, wenn die Bedeutung aufgrund innerparteilicher Wahlniederlagen abgenommen hat. Man hat dann die Neigung, Aufmerksamkeit zu generieren. Im Sinne der Geschlossenheit wäre jedoch ein interner Brief an einen kleinen Verteiler die bessere Äußerungsform.
Grobschlosser
erschreckend ist wie der sog. "deutschlandfunk" und die staatlichen Sender ard & zdf pausenlos das falsche Narrativ eines Herrn Schäuble wiederholen und kommentieren ; der brd - Staat verspielt jeden politischen Rückhalt beim deutschen Volk ; die politische Klasse ist dumm , grausam und kriminell ,ich rechne mit erheblichen Verwerfungen ; auch ein Bürgerkrieg scheint nicht mehr ausgeschlossen wenn sich der brd - Staat weiterhin aggressiv verhält .