“Schwierig”, das ist eines dieser Adjektive mit denen routinemäßig “das Verhältnis zwischen Deutschen und Polen” beschrieben wird. Es typisches Rumdrucks-Vokabel, das nur dürftig die Ängstlichkeit und Verlogenheit, die das Thema umgibt, verschleiert. Tatsächlich werden unter der Flagge historischer “Aufklärung”, musikalisch untermalt von rituellem Versöhnungsgeorgel, stets die gleichen Legenden wiedergekäut, in denen Polen als ewiges Opfer und Deutschland als ewiger Täter dasteht.
So geschehen in der Ausstellung “Deutsche und Polen” im Deutschen Historischen Museum in Berlin, die eine leicht durchschaubare Unverschämtheit ist, und die Thorsten Hinz treffend in der JF verrissen hat. Sogar die handzahme, muckstille FAZ merkte am Ende ihres Berichts kleinlaut an , “das Bemühen um politische Korrektheit” verstelle “den Blick auf die Differenzen der Wahrnehmung.”
Die zur Ausstellung gehörige Filmretrospektive im Zeughaus, die am 29. Juli zuende ging, folgte deren selektivem Muster. Das Programm, das sich trotz gegenteiliger Beteuerungen überwiegend auf die Jahre 1939–45 konzentrierte, bestritten vorwiegend polnische und DDR-Produktionen, was zum Teil den einfachen Grund hat, daß es kaum brauchbare Bilder oder Filme für die andere Seite der Geschehnisse gibt. Die Sieger zementieren ihre Geschichte und ihren Platz im kollektive Gedächtnis auch im Kino. Erst in den letzten zehn Jahren sind allmählich Filme entstanden, die sich dem jahrzehntelang unterschlagenen Thema der Flucht und Vertreibung widmeten. Über den deutsch-polnischen Konflikt im Polen der Zwischenkriegszeit, dem bestgehüteten Geheimnis der ideologisierten Geschichtsschreibung, existieren aus deutscher Sicht lediglich eine Handvoll NS-Propagandafilme, wie der berüchtigte Streifen “Heimkehr” (1941) , was es natürlich einfach macht, das Thema zu tabuisieren und als indiskutabel zu brandmarken.
Letzterer gilt als “Vorbehaltsfilm”, und wurde aus (nicht nur) diesem Grund von einem Vortrag eines Filmwissenschaftlers eingeleitet. Bezeichnenderweise handelte es sich hier um den einzigen Film, den die Veranstalter mittels “kritischer” Einführung in einen historischen Kontext zu stellen beliebten – mit Ausnahme der DDR-Produktion “Der Fall Gleiwitz”, wobei hier der Vortragende keineswegs darauf erpicht war, diese historische Legende zu widerlegen. Keine historische Einführung schien nötig für den antideutschen Stummfilm “Bartek, der Sieger” (1923) nach Henryk Sienkiewicz, keine für Kazimierz Kutz’ Verherrlichung der polnisch-nationalistischen Aufstände in Oberschlesien des Jahre 1919, “Das Salz der schwarzen Erde” (1970), keine für Aleksander Fords patriotisches Epos “Die Kreuzritter” (1960) über die Schlacht von Grunwald, und keine zu dem (indes erstaunlichen) kurz nach dem Krieg an Originalschauplätzen (!) gedrehten Auschwitz-Drama “Die letzte Etappe” (1948). Es liegt auf der Hand, daß das Interesse an Historisierung und Aufklärung von den Veranstaltern nur geheuchelt ist, und daß vielmehr geschichtspädagogische Vorgaben den Vorrang haben.
Das zeigt sich auch am Fehlen von Filmen, die sich dem Thema Vertreibung und deutsche Geschichte im Osten wenigstens behutsam nähern, wie die lyrischen Dokumentationen von Volker Koepp, Viola Stephans “Schlesien – Slask”(1994), Ute Baduras “Schlesiens wilder Westen” (2002) oder Hans-Christoph Blumenbergs “Die Kinder der Flucht” (2006). Als einzige Ausnahme war wenigstens Helke Misselwitz “Fremde Oder” (2001) zu sehen. Das ist mager und einseitig genug, um die im Programmheft geäußerte Absicht “ein wechselhaftes, immer facettenreicher werdendes Bild des jeweils Anderen zu zeichnen” als Werbeprospekt-Phrase zu entlarven.
Demnächst mehr zum Thema “offene Dialoge”, Phrasen, Lügen, und den Film “Heimkehr” in diesem Blog.