Ich hab total oft Gülle im Kopf

PDF der Druckfassung aus Sezession 87/Dezember 2018

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

X: »… ja, das ist alles schön und gut, was Eure Bun­des­zen­tra­le macht. Euer Flu­ter ist in Ord­nung – für höhe­re Schü­ler. Jugend­spra­che, aber nicht anbie­dernd, Cool­ness­fak­tor: wun­der­bar. Und ja, Schu­le läuft wun­der­bar, dis­si­den­te Leh­rer gibt es so gut wie nicht, Schu­le ohne Ras­sis­mus läuft pri­ma, und die­se Ama­deu-Anto­nio-Stif­tung gibt ja auch schön But­ter bei die Fische …«

Y (genervt): »Deren Per­so­nal ist natür­lich auch … begrenzt.«

X: »Genau. Die bestär­ken die, die wir eh schon in der Tasche haben. Wir brau­chen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­po­ten­ti­al für die ein­fa­chen Leu­te, die es nicht kapie­ren wol­len. Für Leu­te, die »dif­fus dage­gen« sind – irgend­was, das die Puber­tä­ren kana­li­siert. Eine Rich­tung, wo deren Ener­gie abflie­ßen kann!«

Y: »Machen wir doch. Haben wir doch. Die Ärz­te. Her­bert Grö­ne­mey­er. Cam­pi­no. Das sind unse­re Influen­cer, die brin­gen unse­re Messages.«

X (seuf­zend): »Bit­te mal das Durchschnittsalter die­ser Fach­leu­te? 57, oder? Das ist kein Mate­ri­al für die Kids auf der Kip­pe. Die Rech­ten höh­nen schon ›Bun­des­pun­ker‹, stimmt ja auch. Was damals rich­tig gut geklappt hat …«

Y: »Ich weiß, was Sie mei­nen. Die Ultras. Das war ein Coup, den fei­er ich heu­te noch. Das hät­ten wir uns nie erträu­men kön­nen: eine anti­fa­schis­ti­sche Fuß­ball­sze­ne! Die Fra­ge ist, wie schaf­fen wir das mit der Popkultur?«

X: »Wir bräuch­ten jeman­den … von dort.«

Y: »Wil­der Osten!«

X: »Exakt. Einen Typ mit Ecken, Kan­ten und Brü­chen. Bloß kein Intel­lek­tu­el­ler, gern unterbelichtet.«

Y: »Ich prä­zi­sie­re: Um unse­re Bot­schaft unters, ähm, Volk zu brin­gen, bräuch­ten wir jeman­den, der habi­tu­ell wie ein tum­ber Ossi rüber­kommt, aber eben auf unse­rer Sei­te steht, ja? Schön aus­ge­dacht. Aber woher neh­men, wenn nicht stehlen?«

X: »Den Typen haben wir!« (Packt obi­ges Pho­to aus.)

Y: »Ein Rechts­ro­cker! Dick und doof!«

X: »Brav! Und jetzt mal genau hin­schau­en, was lesen wir auf dem T‑Shirt die­ses Herrn? Und was sagt uns die­se Tätowierung?«

Y (gluck­send): »Das ist unser Mann!«

Unser Mann heißt Jan Gor­kow, ist 27 Jah­re alt und lebt im länd­li­chen Vor­pom­mern. Sei­ne Freun­de nen­nen ihn Mon­chi, in Anleh­nung an das pum­me­li­ge Affen­bär­tier. Er kommt aus gutem Haus (Mut­ter Zahn­ärz­tin; Gor­kow: »Mei­ne Mud­däh is Zahn­äz­tin, ich weiß, wie es ist, auf die Fres­se zu krie­gen!«, Vater Bau­un­ter­neh­mer) und dürf­te sei­nen Eltern zunächst Sor­gen berei­tet haben.

Schul­ab­bruch, Haft­stra­fe, star­kes Über­ge­wicht, miso­gy­ne Ansich­ten. Dann grün­de­te er mit Kum­pels die­se Band, FSF. Mitt­ler­wei­le buch­sta­biert man die­ses Kür­zel als »Fei­ne Sah­ne Fisch­fi­let« aus, das gän­gi­ge FSF hin­ge­gen ent­spricht vari­iert dem, was bei den Toten-Hosen-Fans von anno dazu­mal als FBB auf dem T‑Shirt getra­gen wur­de: Ficken, bum­sen, bla­sen, Kehr­reim eines Lied­leins von 1983.

Unter den Söh­nen der Hosen-Gene­ra­ti­on ist fres­sen, sau­fen, ficken ange­sagt. Gor­kow zu sei­ner Basis­mo­ti­va­ti­on: »Wir woll­ten ein­fach nur sau­fen, ficken, biß­chen Musik machen.« Zwi­schen 2011 und 2014 stand die Rock­ka­pel­le im Ver­fas­sungs­schutz­be­richt des Bun­des­lan­des, ihr wur­de eine »expli­zit anti­staat­li­che Hal­tung« nachgewiesen.

Das bezog sich zum einen auf die Tex­te: »Die Bul­len­hel­me, sie sol­len flie­gen. Eure Knüp­pel kriegt ihr in die Fres­se rein!« oder, beson­ders gekonnt gereimt: »Ich habe mir nichts vorzuwerfen/Bin bei wei­tem nicht frei von Sün­de /aber tre­te vor zum Wer­fen«, zum ande­ren dar­auf, daß auf der Netz­sei­te der Grup­pe eine Bau­an­lei­tung für Molo­tow-Cock­tails zu fin­den war.

Gor­kow nennt das »Sati­re«, gibt aber zu: »Ich hab total oft Gül­le im Kopf.« Der bekann­te Schau­spie­ler Char­ly Hüb­ner, der auch »von dort« stammt, hat­te jüngst einen Kino­film mit dem roman­ti­schen Titel Wil­des Herz über Gor­kow und sei­ne Man­nen gedreht.

Für Hüb­ner »sind deren Stü­cke ein­fach nur Punk­songs. ›Die Ost­see soll frei von Bul­len sein‹ – sol­che Tex­te sind Punk­tra­di­ti­on. Wie kann jemand den­ken, dass die­se Musi­ker ernst­haft was gegen den Staat haben? (…) Das sind Punks, die in alko­hols­eli­gen Songs ihre Gefüh­le besin­gen, weil sie regel­mä­ßig am Wochen­en­de auf irgend­wel­chen Demos in Hader mit der Poli­zei gera­ten sind. Dass sol­che Leu­te zu Sys­tem­fein­den erklärt und irgend­wel­che Sprü­che umge­wan­delt wer­den in ideo­lo­gi­sche Theo­re­me, das hat mich irritiert.«

In der Tat dürf­te Gor­kow wenig mit »ideo­lo­gi­schen Theo­re­men« zu tun haben. Ein Inter­view, das Klaas Heu­er-Umlauf mit dem Sän­ger führ­te, kann man gemäß Gor­kows Aus­sa­gen so zusam­men­fas­sen: »Kein Bock … gei­le Leu­te … Schei­ße … kei­ne Ahnung … ham­mer­geil … AfD-Wich­ser … gei­ler Scheiß … Dig­gäh.« Und: »Wer in sei­nem Leben noch keine
Müll­ton­ne gewor­fen hat, weiß nicht, was Frei­heit ist.«

In ande­ren Belan­gen gibt sich Gor­kow lernfähig:

Ich hab Jah­re lang ver­tre­ten, dass Frau­en beim Fuss­ball nichts zu suchen haben. Und dann kamen Leu­te zu mir, die sich ernst­haft mit mir aus­ein­an­der­ge­setzt haben (…). Das hat mir viel gebracht, dass zwei, drei Leu­te, die in orga­ni­sier­ten Anti­fa-Grup­pen waren, sich wirk­lich mit mir rich­tig viel Mühe gege­ben haben. Das heisst nicht, dass ich nicht heu­te auch noch mega viel Scheis­se im Kopf hab.

Auf dem Pho­to fal­len auf: Zum einen die Mikro­phon­hal­tung. Auf ande­ren Bil­dern hält Gor­kow frei in den Mund lau­fen­de Bier­fla­schen in glei­chem Win­kel. Es ist eine Sie­ger­po­se, auch am V- wie Vic­to­ry-Win­kel erkenn­bar. (Mireil­le Mat­thieu, Roland Kai­ser und ande­re San­geskol­le­gen pfle­gen bekannt­lich eine abwei­chen­de Mikro- bzw. Trinkgefäßhaltung.)

Die Täto­wie­rung auf dem Unter­arm, »161«, ver­weist weder auf sexu­el­le noch lukul­li­sche Gelüs­te, son­dern steht für »AfA«, Anti­fa­schis­ti­sche Akti­on; Anti­fa­schist, sagt Gor­kow, sei die ein­zi­ge Schub­la­de, die er sich gefal­len las­se. Er hat es weit gebracht damit.

Bei­zei­ten hat­te Hei­ko Maas per Twit­ter für Kon­zer­te der links­ra­di­ka­len Com­bo gewor­ben, jüngst hat­te bekannt­lich auch Bun­des­prä­si­dent Stein­mei­er das »bun­te, anti­ras­sis­ti­sche Kon­zert« in Chem­nitz gelobt, auf dem FSF feder­füh­rend wirk­ten. Auf Gor­kows T‑Shirt lesen wir: »Par­ti­sa­nen gegen Deutschland«.

Inner­halb eines phan­tas­ti­schen Wap­pens sehen wir ein ver­mumm­tes Gesicht, links und rechts davon zwei Sturmgewehre.

Y: »Par­ti­sa­nen … also eine irre­gu­lä­re Trup­pe irgend­wie, ja?«

X: »Carl Schmitt. Ken­nen Sie? Theo­rie des Par­ti­sa­nen? Irre­gu­la­ri­tät ist nur eines sei­ner Kenn­zei­chen. Hin­zu trä­te gestei­ger­te Mobi­li­tät, also tak­ti­sche Bewe­gungs­frei­heit – kön­nen wir gewähr­leis­ten. Und Inten­si­tät, also Hal­tung und Kampf­mo­ral – sehr easy in die­sem Fall.«

Y: »Ja, ich habe Schmitt gele­sen. Er sagt dem Par­ti­sa­nen aller­dings auch einen tel­luri­schen, erd­ver­bun­de­nen Cha­rak­ter nach. Wie könn­te also ein Deut­scher ›gegen Deutsch­land‹ sein?«

X: »Na, lesen Sie Ihren Schmitt zu Ende. Letzt­lich fun­giert der Par­ti­san als Entor­te­ter. Er wird zum aus­wech­sel­ba­ren Werk­zeug einer mäch­ti­gen, Welt­po­li­tik trei­ben­den Zen­tra­le. Schreibt Schmitt.«

Y: Und wo blie­be der Feind?«

X: »Die­se Men­schen, denen der Par­ti­san nutzt, sehen sich gezwun­gen, die­se ande­ren Men­schen, d.h. ihre Opfer und Objek­te, auch mora­lisch zu ver­nich­ten. Sie müs­sen die Gegen­sei­te als Gan­zes für ver­bre­che­risch und unmensch­lich erklä­ren, für einen tota­len Unwert. Sonst sind sie eben sel­ber Ver­bre­cher und Unmen­schen. Auch: Schmitt.«

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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