Ziel war eine Überschau des gewonnenen Bodens seit 2015 im Bereich der rechtspopulistischen Parteien, der Gegenöffentlichkeit sowie der patriotischen Bewegung, samt Gegenkultur und Intelligenz. Mein Text sollte sich um zwei strategischen Fragen drehen: um den Ausbruch aus der Stagnation durch einen Raumgewinn in den Bereichen Gegenöffentlichkeit, Parteipolitik und Bewegung sowie um die Änderung des Bezugsrahmens und die Zusammenfassung der Ressourcen.
Der Text sollte auf einer Zugfahrt nach Dresden entstehen, wohin mich Ellen Kositza und Susanne Dagen zu einer Folge ihres Literaturformats eingeladen hatten. Doch dazu kam es nicht. Kurz vor der Reise spitzte sich alles zu und die Wirklichkeit überholte meine Analyse. Etwas, das ich jedoch außen vor ließ, ist nun eingetreten. Was in diesen Überlegungen fehlte, hat sie nun überholt: das umwälzende Ereignis oder auch “formative event”, wie es im Englischen heißt.
Umwälzende Ereignisse ändern den Bezugsrahmen und damit den Bereich des Gangbaren und Möglichen, in dem politische Strategie und Taktiken entwickelt werden. Ihr Eintreten kann jedoch nicht vorhergesagt oder künstlich herbeigeführt werden, sonst wären sie ja Bestandteil der eigenen Strategie.
Von Anhängern des Krisenkults werden diese Ereignisse herbeigesehnt. Terroristen wollen sie mit Gewalt herbeibomben. Da eine kühle Lageanalyse niemals fest mit solchen Ereignissen, den sogenannten „schwarzen Schwänen“, rechnen darf, dürfen sie kein Bestandteil einer Strategie sein.
Es geht immer auch darum, in der Lage zu sein, sich dynamisch und rasch an sie anzupassen, sie nicht zu über‑, allerdings auch nicht zu unterschätzen. Ist die Corona-Krise ein solcher „formative event“? Ich denke, daß man das, völlig unabhängig von der Frage nach der Gefährlichkeit des Virus, klar bejahen kann.
Die ökonomischen, parteipolitischen und metapolitischen Auswirkungen der Qurantänegesetze können nicht überschätzt werden. Sogar der ausgemachte Transatlantiker, Globalist und Law & Order-Patriot Sebastian Kurz erkennt die formative Kraft der Pandemie, wenn er sagt:
Danach wird die Welt auch anders aussehen. Das wird große Auswirkungen haben auf die Frage, wie wir miteinander umgehen, wie wir leben, wie vorsichtig wir sind – aber auch die Globalisierung wird in vielen Bereichen hinterfragt werden.
Ich will noch einen Schritt weiter gehen. Ich sehe in der Corona-Krise einen metapolitischen Schock für unsere Gesellschaft, der einen Bewußtseinswandel und eine Bereitschaft hin zur Remigration bewirken könnte. Im Gefolge der Krise wird es zu keiner abrupten Wende kommen, doch das Wachstumspotential des patriotischen Lagers, von Partei über Bewegung bis zur Gegenöffentlichkeit steigt enorm und kann vielleicht sogar in die Nähe politischer Macht führen. Das Overton-Fenster könnte sich ruckartig in unsere Richtung verschieben.
All meine folgenden Überlegungen gehen davon aus, daß die Quarantänemaßnahmen noch längere Zeit aufrechterhalten oder wiederholt werden und eine massive Wirtschaftskrise entstehen lassen. Beide Faktoren wirken wie ein Stresstest für den Multikulturalismus. Die identitäre Kritik am „sozialen Experiment“ (Yascha Mounk), zielt stets auch auf den Abbau des „sozialen Kapitals“, das der Bevölkerungsaustausch bewirkt.
Das wechselseitige Vertrauen in einer multikulturellen Gesellschaft bricht, soziologisch nachweisbar, in sich zusammen, was langfristig Demokratie, Wirtschaftsverkehr und Rechtsstaat gefährdet. Zudem, so der Tenor rechter Kritiker, sind solche Gesellschaften, mögen sie auch vermeintlich stabil und wohlhabend wirken, anfällig für Krisen und Schocks, weil ihnen das soziale Kapital fehlt. Genau auf dieses greifen heute alle Nationalstaaten zurück. Die italienische Bundeshymne auf Balkonen, die (inoffizielle) österreichische Hymne „I am from Austria“, aus den Lautsprechern der Polizeifahrzeuge, die ständigen Appelle von Sebastian Kurz an „die Österreicher“, all das appelliert an das national Gefühl und das soziale Kapital.
Sich an die Ausgangsverbote zu halten, den eigenen Betrieb stillzulegen und keine Hamsterkäufe zu tätigen, macht nur Sinn, wenn sich alle daran halten. Es erfordert also Solidarität und gegenseitiges Vertrauen. Zum Schutz, vor allem der Älteren, die eigene Wirtschaft lahmzulegen erfordert eine generationenübergreifende Solidarität. Das fehlt in einer multikulturellen Gesellschaft in welcher erschwerend dazukommt, daß der Bevölkerungsaustausch in der jungen Alterskohorten bereits weiter fortgeschritten ist.
Die ständigen Krisenansprachen von Kanzler und Kanzlerin werden von einem großen Teil der Untertanen gar nicht gehört, weil sie eher Medien wie Al Jazeera oder TRT konsumieren und kaum Deutsch sprechen. Patriotische Appelle prallen an einem Großteil der Bevölkerung ab, der als importiertes Proletariat, keinen Funken Identifikation mit dem nationalen Narrativ verspürt. Kurz: Soziales Kapital, das in Krisenzeiten benötigt wird, verschwindet.
Währen die Krisengesetze vom indigenen und assimilierten Teil der Bevölkerung fast ohne Murren befolgt werden, kriselt es in den Parallelgesellschaften bereits. Überall berichten Polizisten, daß es vor allem Migranten sind, welche die Ausgangssperren und Versammlungsverboten brechen. In Frankreich gab der Verteidigungsminister gar eine geheime Weisung aus, wonach diese Gebote in den Banlieues gar nicht durchgesetzt werden sollen, um keine Aufstände zu provozieren.
Doch es sind nicht nur identitäre Faktoren, welche zu vermehrtem Widerstand bei Migranten gegen die Coronamaßahmen führen werden. Der knappe und karge Wohnraum, die Kultur der Öffentlichkeit, das soziale Leben in Clans und der bevorstehende Ramadan sind mit Ausgehverboten gänzlich unvereinbar.
Weiter zugespitzt wird die Lage natürlich in Asylheimen, die, wie Hanau und Halberstadt zeigen, wahre demographische Zeitbomben sind. Der Streßtest von Corona macht so klar und sichtbar wie nie, welche Bevölkerungsteile nicht der „nationalen Solidargemeinschaft“ angehören und nicht bereit sind, die kollektiven Opfer zu bringen. Er zeigt auf ‚welche Teile der Bevölkerung durch eine jahrhundertelange Erziehung und Konditionierung, staatsunmittelbar gesetzestreu sind und, trotz moderner Entfernung und Vereinzelung, eine Kultur der Würde vertreten, während andere, in tribalistisch-ethnoreligiöser Denkweise, in einer Kultur der “Ehre”, den Staat nur als einen Akteur und Machtblock unter vielen wahrnehmen.
Tritt dieser, als fremder Akteur empfundene Staat auf einmal direkt und brutal im „Block“ auf, den diese Clans ebenso „besitzen“ und verteidigen wie ihre unmittelbaren Vorfahren ein Gebirgstal im Hindukusch oder eine Oase vor Tripolis – dann wird es ernst. Sollten diese Gesetze weiter bestehen bleiben, bleibt unseren Sozialexperimenteuren nur, entweder ihre Durchsetzung in migrantischen Wohngegenden gleich aufzugeben und zu kapitulieren oder mit einem scharfen Kurs Aufstände zu provozieren.
Daß 300 Moslems, die johlend und lärmend den ersten Muezzinruf einer islamistischen Moschee auf Berlins Straßen feierten, straffrei davonkamen, während gleichzeitig indigene „Coronasünder“, für kleinste Vergehen brutal abgestraft werden, zeigt womöglich für welche Richtung sich die Machthaber entscheiden.
Wirtschaftskrise, Ausgangsverbote, Überwachung und immer schärfere Seuchengesetze werden zu keiner Revolte bei den Einheimischen führen. Bei Migranten und Asylanten besteht dieses Potential aber durchaus. Auf diese Widerstände muß die Regierung entweder mit Nachsicht reagieren, um damit zurecht den Zorn der Einheimischen auf sich zu ziehen. Oder sie muß sie niederschlagen und damit riskieren, das importierte Konfliktpotential von Millionen jungen, geistig fremden Männern auszulösen.
All das findet statt, während eine angespannten wirtschaftliche Lage das Toleranzniveau der einheimischen Bevölkerung radikal senkt. Die kommende Wirtschaftskrise, die Experten zufolge bis zur Hyperinflation führen könnte, wird das einzige Glücksversprechen der liberalen Gesellschaft, nämlich die ständige Steigerung des Wohlstands und Lebensstandards, auf Dauer uneinlösbar machen. Damit stellen sich essentielle politische Fragen, die bisher von Konsum und Zerstreuung überdeckte wurden, erneut.
Der Streßtest, den Corona durch die Quarantänemaßnahmen und das Herunterfahren der Wirtschaft verursacht, wird die Differenzen zwischen Migranten und Einheimischen so klar wie nie zuvor zutage treten lassen. Sie werden von Migranten – erstmals seit Bestehen des Multikulturalismus – in großem Ausmaß nationale Solidarität und Opferbereitschaft für das Gemeinwohl einfordern.
Sie werden die Unvereinbarkeit der importierten Kulturen mit unserer Leitkultur so sichtbar wie nie machen. All das, davon bin ich überzeugt, wird das Problem des Bevölkerungsaustausches sichtbar machen und die Bereitschaft für Lösungen, wie das Konzept der Remigration, stärken.
Vieles, was jetzt nicht denk‑, geschweige denn sagbar erscheint, kann nach einer Kette von formativen Ereignissen im Zentrum der gesellschaftlichen Debatten stehen. (Ein Beispiel dafür sehen wir in den Schlagzeilen und Aussagen etablierter Politiker nach Erdogans Wahlkämpfen in Mitteleuropa.)
Das alles kann, muß aber nicht eintreten. Wenn es ausbleibt, weil die Krise sich verflüchtigt, oder sie so gemeistert wird, daß die latenten demographischen Krisenherde nicht aufbrechen, geht es wieder zurück ans Bohren der dicken metapolitischen Bretter.
Wenn die Konvergenz der Katastrophen aber eintritt, kann es sein, daß wir uns bald in gänzlich neuen Rahmenbedingungen für unsere Überlegungen wiederfinden werden.
Maiordomus
Das Wichtigste an der von Sellner ebenfalls angesprochenen "Intelligenz" ist, dass an ihr gearbeitet werden muss, und zwar nach dem uralten Motto: Ad fontes!