Anmerkungen zum Frankfurter Altstadtprojekt

von Claus M. Wolfschlag
PDF der Druckfassung aus Sezession 87/Dezember 2018

Der Publi­zist und Kunst­his­to­ri­ker Claus M. Wolf­schlag ist einer der Ideen­ge­ber des im Früh­jahr ein­ge­weih­ten Frank­fur­ter Alt­stadt­pro­jekts. Lin­ke Kri­ti­ker sol­cher Rekon­struk­ti­ons­vor­ha­ben mei­nen nun, völ­ki­schen Geist hin­ter dem Pro­jekt ent­deckt zu haben. 

Dies hin­dert ande­re Lin­ke jedoch nicht dar­an, das bei den Bür­gern sehr belieb­te neue Quar­tier sofort zu mar­kie­ren und zu ver­ein­nah­men: Die Frank­fur­ter Grü­nen-Poli­ti­ke­rin Danie­la Cap­pel­lu­ti ist bis heu­te stolz dar­auf, Alex­an­der Gau­land mit den Wor­ten »Ver­las­sen Sie unse­re neue Alt­stadt!« aus die­ser (unse­rer!) neu­en Alt­stadt ver­trie­ben zu haben. 

Pro­gno­se: Die neue Alt­stadt wird es län­ger geben als die Grü­nen, und nicht der Name Cap­pel­lu­ti wird mit ihr in Ver­bin­dung blei­ben, son­dern Wolf­schlag. Hier sein Text zum Projekt.

Die Dekon­struk­ti­on der Iden­ti­tät fin­det nicht nur auf dem Gebiet der Bevöl­ke­rungs­um­schich­tung statt. Sie begeg­net uns seit lan­gem auch im Bereich der ästhe­ti­schen Gestal­tung des öffent­li­chen Rau­mes, also in Kunst und Archi­tek­tur. Es han­delt sich um eine gro­ße Angleichung.

Den mit Sty­ro­por gedämm­ten Wohn­kis­ten ste­hen die glä­ser­nen Shop­ping-Malls gegen­über. In jenen soll abends das Geld aus­ge­ge­ben wer­den, das tags­über in den genorm­ten Büro­wa­ben erwirt­schaf­tet wird. Die Peri­phe­rie der Städ­te zer­franst sich der­weil in Auto­tras­sen, Area­len von Dis­coun­ter-Pavil­lons, Lager-Con­tai­nern, Schnell­im­bis­sen sowie ver­wahr­los­ten Brachflächen.

Die stramm moder­nis­ti­sche Archi­tek­ten­schaft über­häuft der­weil ihre Sicht­be­ton­so­li­tä­re mit Design-Prei­sen. Die gro­ßen Welt­me­tro­po­len wie Sin­ga­pur, Hong­kong, Tokio, Dubai oder Lagos sind ihre Vor­bil­der. Bevor­zu­gen die einen das Mini­ma­lis­ti­sche, Schmuck­lo­se, Glat­te, so gera­ten die ande­ren beim Unfer­ti­gen, Zer­ris­se­nen, Bru­ta­len in freu­di­ge Erregung.

Wol­len die einen den Füh­rer­bun­ker für Jeder­mann, so möch­ten die ande­ren mit­tels Sperr­holz­wän­den und Con­tai­ner-Wohn­quar­tie­ren Euro­pa auch optisch noch in einen Teil der Drit­ten Welt ver­wan­deln. »Wel­che Archi­tek­ten braucht die Welt?«, wird gefragt.

Dar­un­ter macht man es nicht. Alles Regio­na­le ist suspekt, das Natio­na­le kon­ta­mi­niert, der Hori­zont glo­bal – man switcht zwi­schen den optisch sich immer mehr ähneln­den Mega­ci­ties. Doch bei so viel Domi­nanz ent­ste­hen irgend­wann auch Gegenkräfte.

Noch sind sie im Archi­tek­tur­be­reich schwach. Sie kon­zen­trie­ren sich nicht auf Neu­schöp­fung, son­dern auf das Wie­der­ge­win­nen des Ver­lo­re­nen. Die der­zei­ti­ge Rekon­struk­ti­ons­wel­le ist die drit­te nach 1945. Die ers­te fand in den Jahr­zehn­ten unmit­tel­bar nach dem Krieg statt und war untrenn­bar mit dem Wie­der­auf­bau verknüpft.

Wäh­rend nicht nur Rui­nen der moder­nis­ti­schen Abriß­wel­le der Nach­kriegs­zeit zum Opfer fie­len, son­dern auch zahl­rei­che unbe­schä­dig­te Alt­bau­ten, wur­den im Gegen­zug als bedeut­sam erach­te­te Ein­zel­bau­ten wie­der her­ge­rich­tet und schritt­wei­se rekonstruiert.

Ein bekann­tes Bei­spiel die­ser Ära ist der Wie­der­auf­bau der im Krieg stark zer­stör­ten roma­ni­schen Kir­chen in Köln. Eine zwei­te Wel­le an Rekon­struk­tio­nen erfolg­te in den 1980er Jah­ren. Die Post­mo­der­ne hat­te Ein­zug gehal­ten, und damit ein locke­rer Umgang mit his­to­ri­schen Bauformen.

Bei­spie­le die­ser Rekon­struk­ti­ons­ära sind die Fach­werk-Ensem­ble des Hil­des­hei­mer Markt­plat­zes und die Römer­berg-Ost­zei­le in Frank­furt am Main. Die DDR-Füh­rung ver­such­te sich an die­sen Trend zur His­to­rie anzu­hän­gen und errich­te­te im Ber­li­ner Niko­lai­vier­tel ein wei­ten­teils frei zusam­men­ge­stell­tes Ensem­ble aus rekon­stru­ier­ten his­to­ri­schen Gebäu­den und alt­städ­tisch ange­pass­ten Plattenbauten.

Die drit­te und immer noch aku­te Rekon­struk­ti­ons­wel­le setz­te schließ­lich nach der Wen­de von 1990 ein. Ihren Aus­gangs­punkt nahm sie in Dres­den, wo bereits am Ende der DDR-Zeit Rufe nach einem Wie­der­auf­bau der baro­cken Frau­en­kir­che laut wurden.

Unmit­tel­bar nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung grün­de­te sich die »Stif­tung für den Wie­der­auf­bau Frau­en­kir­che« und schaff­te es, gegen Wider­stän­de von Archi­tek­ten und His­to­ri­kern, das bedeut­sa­me Rekon­struk­ti­ons­vor­ha­ben in Gang zu set­zen. Um auch der Brach­flä­che um die Kir­che wie­der ihre städ­te­bau­li­che und archi­tek­to­ni­sche Bedeu­tung zurück­zu­ge­ben, grün­de­te sich 1999 die »Gesell­schaft His­to­ri­scher Neu­markt Dres­den« (GHND).

Die­ser gelang es, in der zähen Aus­ein­an­der­set­zung mit den Bau­be­hör­den sowie als Ver­mitt­lungs­in­stanz zwi­schen Bür­gern, Stadt­ver­wal­tung und Inves­to­ren, das his­to­ri­sche Neu­markt­are­al wie­der zu einem städ­ti­schen Zen­trum zu machen.

Zahl­rei­che äußer­lich rekon­stru­ier­te Barock­ge­bäu­de in den ver­schie­de­nen Quar­tier­be­rei­chen des Gelän­des wech­seln sich nun mit moder­nen Füll­bau­ten ab. Das Dresd­ner Pro­jekt hat­te Signal­wir­kung. In Ber­lin war­ben Wil­helm von Bod­dien und der »För­der­ver­ein Ber­li­ner Schloss« für den Wie­der­auf­bau des Stadt­schlos­ses der Hohen­zol­lern als »Hum­boldt-Forum« an Stel­le des mit Asbest ver­seuch­ten DDR-»Palastes der Republik«.

In Pots­dam bemüh­ten sich der »Ver­ein Pots­da­mer Stadt­schloss« und die mit die­sem koope­rie­ren­de Bür­ger­initia­ti­ve »Mit­te­schön« beharr­lich um eine äußer­li­che Rekon­struk­ti­on des fri­de­ri­zia­ni­schen Stadt­schlos­ses als neu­en Bran­den­bur­ger Land­tag und eine Neu­ge­stal­tung des ver­wais­ten Alten Mark­tes nach Dresd­ner Vorbild.

Zwei wohl­ha­ben­de Pri­vat­per­so­nen tru­gen maß­geb­lich zum Gelin­gen des Vor­ha­bens bei: Der Fern­seh­jour­na­list Gün­ther Jauch und der Unter­neh­mer Has­so Platt­ner. Neben klei­ne­ren Ein­zel­pro­jek­ten wie dem Bol­fras­haus in Frank­furt an der Oder oder dem his­to­ri­schen Rat­haus in Wesel, mach­te in letz­ter Zeit vor allem die »neue Alt­stadt« von Frank­furt am Main Furore.

Das im Krieg zer­bomb­te und danach abge­räum­te Dom-Römer-Are­al zwi­schen dem Kai­ser­dom und dem Römer­berg war seit den 70er Jah­ren durch den bru­ta­lis­ti­schen Groß­kom­plex des Tech­ni­schen Rat­hau­ses besetzt. Die­ses maro­de Gebäu­de wur­de Anfang des Jahr­tau­sends abge­ris­sen und soll­te durch moder­ne Hotel- und Büro­ge­bäu­de ersetzt werden.

Die Chan­ce zu einer Rekon­struk­ti­on des his­to­ri­schen Her­zens der alten Stadt der Kai­ser­krö­nun­gen erkann­ten zuerst Ver­tre­ter der klei­nen Kom­mu­nal­frak­ti­on der »Bür­ger Für Frank­furt« (BFF) sowie eini­ge Ein­zel­gän­ger aus Krei­sen der »Jun­gen Union«.

Die BFF brach­ten 2005 einen Antrag vor das Stadt­par­la­ment, der eine Rekon­struk­ti­on der his­to­ri­schen Gas­sen­ver­läu­fe und eini­ger Leit­bau­ten vor­sah. Der Antrag wur­de erst von allen ande­ren Frak­tio­nen abgelehnt.

Glück­li­che Umstän­de führ­ten ihn dann doch noch zum Erfolg: Die Pres­se nahm das The­ma auf, Bür­ger zeig­ten posi­ti­ve Reso­nanz, der Ver­ein »Pro Alt­stadt« grün­de­te sich, und schließ­lich schwenk­ten die Ver­tre­ter der gro­ßen Par­tei­en um.

Pri­va­te Inves­to­ren trie­ben das Unter­fan­gen wei­ter. So ent­stand ein klei­nes Are­al ent­lang des ehe­ma­li­gen Krö­nungs­we­ges mit fünf­und­drei­ßig Häu­sern, dar­un­ter sech­zehn Rekon­struk­tio­nen aus der Zeit der Gotik bis zum Klas­si­zis­mus. Das ist zwar nur ein klei­ner Bruch­teil des im Krieg ver­lo­re­nen Gesamt­ensem­bles, doch die zer­stör­te Kai­ser­stadt hat ihr his­to­ri­sches Herz zurückerhalten.

Die fei­er­li­che Eröff­nung des Are­als im Sep­tem­ber erfolg­te durch einen Fest­akt in der Pauls­kir­che, dem sich ein mehr­tä­gi­ges Fest mit Besu­cher­re­kord anschloß. Die hohe Poli­tik sonn­te sich in einem Erfolg, den einst ganz ande­re zum Lau­fen gebracht hatten.

Längst haben Ein­hei­mi­sche und Besu­cher das klei­ne Quar­tier in ihre Her­zen geschlos­sen. Wo vor­her Des­in­ter­es­se vor­herrsch­te, lau­schen die Men­schen plötz­lich gebannt den Stadt­füh­rern zur Geschich­te der Kai­ser­krö­nun­gen und vie­len Altstadt-Anekdoten.

Das sicht­ba­re Stadt­quar­tier weckt das Inter­es­se für des­sen Geschich­te, lie­fert den Bewoh­nern Iden­ti­fi­ka­ti­ons­punk­te, wirkt also iden­ti­täts­stif­tend. Wo so viel Schö­nes und Freu­de herr­schen, wäre es aber blau­äu­gig, die Exis­tenz der Gegen­mäch­te auszublenden.

Gera­de in der Archi­tek­ten­schaft rufen Rekon­struk­ti­ons­in­itia­ti­ven die här­tes­ten Wider­sa­cher auf den Plan. Die Hoch­schu­len und der »Bund Deut­scher Archi­tek­ten« (BDA) sind immer noch fest in moder­nis­ti­scher Hand. Und die Demü­ti­gung, daß eini­ge weni­ge rekon­stru­ier­te alte Gebäu­de so viel mehr die Her­zen der Bür­ger berüh­ren als die zahl­rei­chen preis­ge­krön­ten moder­nis­ti­schen Kis­ten und Schach­teln, läßt die Wut bis­wei­len ins Maß­lo­se wachsen.

Hin­zu kommt die Angst vor dem Ver­lust von Macht und Auto­ri­tät beim eige­nen Nach­wuchs. Um eine Rebel­li­on der eige­nen Stu­den­ten zu ver­hin­dern, müs­sen die­se um so mas­si­ver auf die moder­nis­ti­sche Linie ein­ge­schwo­ren werden.
Das gelingt am ehes­ten durch den »Nazi«-Vorwurf an die Rekonstruktionsbewegung.

Im Fall der Frank­fur­ter Alt­stadt fiel dem Stutt­gar­ter Archi­tek­tur­pro­fes­sor Ste­phan Trüby die Rol­le des Scharf­ma­chers zu. Im April 2018 wur­de er als Pro­fes­sor Lei­ter des »IGMA – Insti­tut für Grund­la­gen moder­ner Archi­tek­tur und Ent­wer­fen« an der Uni­ver­si­tät Stuttgart.

Das IGMA ist wie die die­sem nahe ste­hen­de Theo­rie­zeit­schrift arch+ eine Frucht der 68er-Ära. arch+ wur­de zeit­wei­lig vom lin­ken VSA (Ver­lag für das Stu­di­um der Arbei­ter­be­we­gung) ver­trie­ben. Ste­phan Trüby hat­te bis­lang nur eine mage­re, kaum erwäh­nens­wer­te wis­sen­schaft­li­che Bilanz vorzuweisen.

Somit dürf­ten Bemü­hun­gen um Selbst­pro­fi­lie­rung und Selbst­mar­ke­ting eine Rol­le bei sei­nen nun fol­gen­den Atta­cken gegen das Frank­fur­ter Alt­stadt-Pro­jekt gespielt haben. Erfolg­lo­se Künst­ler oder Wis­sen­schaft­ler wis­sen unter bun­des­deut­schen Bedin­gun­gen stets, auf wel­chem Gebiet ihnen die Türen der Medi­en geöff­net werden.

Möch­ten sie es nicht über Sex- oder Nudis­ten­skan­däl­chen versuchen,müssen sie sich dem Kampf gegen »Nazis« oder »Rech­te« ver­schrei­ben. Trüby ver­such­te es zuerst 2016 mit einer Atta­cke gegen den Antai­os-Ver­lag und Schnell­ro­da. »Rech­te Räu­me. Wie AfD- und NPD-Kader die Blut-und-Boden-Archi­tek­tur wie­der­ent­de­cken«, lau­te­te sein Arti­kel in der Zeit. Er behaup­te­te dar­in über das Rit­ter­gut Schnell­ro­da und den »Rechts­au­ßen-Ver­lag Antaios«:

Ange­sichts der hei­li­gen Her­un­ter­ge­kom­men­heit die­ses Anwe­sens, des­sen Mobi­li­ar an Ver­eins­gast­stät­ten mit Drau­ßen-nur-Känn­chen-Tris­tesse gemahnt, ent­behrt die Chuz­pe von Kubit­schek und sei­ner Mit­strei­ter, sich als Ord­nungs­ver­tei­di­ger zu gerie­ren, nicht einer unfrei­wil­li­gen Komik.

Ellen Kositza nahm dar­auf­hin die Bür­de auf sich, ihn in einem Schrei­ben zu fra­gen, wie er zu die­sen absur­den Behaup­tun­gen gekom­men sei, obwohl er nie sei­nen Fuß ins Haus Kubit­schek gesetzt hat­te. Eine Ant­wort erhielt sie erwar­tungs­ge­mäß nicht.

Trübys Atta­cke blieb unge­hört. Zu vie­le ande­re »anti­fa­schis­ti­sche« Autoren hat­ten sich schon des The­mas Kubitschek/Antaios ange­nom­men, spek­ta­ku­lä­re­re und geis­tig anspruchs­vol­le­re Bei­trä­ge lagen längst vor. Eini­ge alt­be­kann­te »Antifa«-Informationen zusam­men­zu­kle­ben sowie mit viel »Ressentiment«-Mehl und »Nazi«-Sauce zu ver­rüh­ren, war selbst für die »gegen rechts« stets auf­nah­me­be­rei­te Zivil­ge­sell­schaft zu »Trüby« und führ­te nicht zum erwünsch­ten Effekt.

Er ver­puff­te unge­hört. 2015 schon hat­te Trüby einen Auf­ruf »Gegen die Salon­fä­hig­keit Neu­er Rech­ter« lan­ciert. Aber bereits die­se Betei­li­gung am Mob­bing gegen Marc Jon­gen, wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter an der HfG Karls­ru­he und AfD-Mit­glied, führ­te nicht zu grö­ße­rer Aufmerksamkeit.

Also such­te Trüby danach, ein bis­lang weni­ger bear­bei­te­tes The­ma zu beset­zen, das der Selbst­pro­fi­lie­rung dien­li­cher erschien, also eine höhe­re Medi­en-Auf­merk­sam­keit ver­sprach und zudem mit der eige­nen Rol­le als Archi­tek­tur­pro­fes­sor kom­pa­ti­bel war.

Er fand die­ses The­ma im Frank­fur­ter Rekon­struk­ti­ons­pro­jekt. Sein Freund Peter Cacho­la Schmal, Direk­tor des Deut­schen Archi­tek­tur­mu­se­ums in Frank­furt und erklär­ter Geg­ner des Alt­stadt-Pro­jekts, dürf­te ihm dabei als Infor­ma­ti­ons­lie­fe­rant dien­lich gewe­sen sein, ohne selbst in Erschei­nung tre­ten zu müssen.

So mach­te Trüby im April 2018 in der Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Sonn­tags­zei­tung öffent­lich, daß der poli­ti­sche Trä­ger der »Rechts­po­pu­list« Wolf­gang Hüb­ner von den BFF und der eigent­li­che Ideen­ge­ber zum Frank­fur­ter Alt­stadt­pro­jekt ich selbst gewe­sen sei.

Gegen mich konn­te zwar außer der frei­en Mit­ar­beit für die Wochen­zei­tung Jun­ge Frei­heit und einem 1995 ver­öf­fent­lich­ten Auf­satz zur Archi­tek­tur nichts vor­ge­bracht wer­den. Es reich­te für Trüby aber, mich als »Rechts­ra­di­ka­len« zu benen­nen und das Frank­fur­ter Pro­jekt in den Zusam­men­hang einer Ver­schwö­rungs­theo­rie zu stellen.

Die Rekon­struk­ti­ons­be­we­gung sei dem­nach ein »Schlüs­sel­me­di­um der auto­ri­tä­ren, völ­ki­schen, geschichts­re­vi­sio­nis­ti­schen Rech­ten«. Die ideo­lo­gi­sche Anhän­ger­schaft wur­de mobi­li­siert. In der Zei­tung arch+ unter­schrieb eine gro­ße Zahl Bes­ser­ver­die­ner aus Lehr­an­stal­ten und Archi­tek­tur-Insti­tu­tio­nen einen Auf­ruf »Wider den moder­ne­feind­li­chen Architekturpopulismus«.

Der Archi­tek­tur­theo­re­ti­ker Phil­ipp Oswalt und der Jour­na­list Cars­ten Sau­er­brei blie­sen ins sel­be Horn. Der Trüby-Schü­ler Phil­lipp Krü­pe setz­te das Wort »Volk« in distan­zie­ren­de Anfüh­rungs­stri­che und zog Ver­bin­dungs­li­ni­en zu Björn Höcke.

Es folg­te eine unkri­ti­sche Wie­der­ho­lung der Ste­reo­ty­pen durch Rowan Moo­re im lin­ken The Guar­di­an. Trübys The­sen wur­den zudem nicht nur von will­fäh­ri­gen Jour­na­lis­ten unkri­tisch repro­du­ziert; der lin­ke Archi­tek­tur­theo­re­ti­ker konn­te sei­ne The­sen auch in meh­re­ren freund­schaft­lich geführ­ten Inter­views aus­brei­ten und zuneh­mend radikalisieren.

Es zeich­ne­te sich ein Gemen­ge aus alt­be­kann­ten neo­mar­xis­ti­schen und glo­ba­lis­ti­schen Ste­reo­ty­pen ab, nun als neue Erkennt­nis ser­viert. Schon in der Nach­kriegs­zeit wur­de die Argu­men­ta­ti­on erfun­den, derer sich Trüby heu­te bedient. Der christ­lich-sozia­lis­ti­sche Links­ka­tho­lik Wal­ter Dirks wet­ter­te damals gegen den Wie­der­auf­bau des Frank­fur­ter Goethe-Hauses.

Er schrieb, es habe »sei­ne Rich­tig­keit mit die­sem Unter­gang. Des­halb soll man ihn aner­ken­nen.« Der neo­mar­xis­ti­sche Sozio­lo­ge Theo­dor W. Ador­no teil­te die­se Linie. Eine Quel­le berich­tet, Ador­no hät­te über den »wider­wär­ti­gen« Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler Ernst Beut­ler, der sich für die dama­li­ge Rekon­struk­ti­on ein­setz­te, geäu­ßert, daß die­ser »gehenkt gehört«.

Wäh­rend ein Gros der Archi­tek­ten Dirks und Ador­no bereits damals zustimm­te, fan­den sich zahl­rei­che intel­lek­tu­el­le Gegen­stim­men, von Her­mann Hes­se bis Karl Jas­pers. Heu­te for­dert ein Trüby nicht mehr die Auf­stel­lung des Gal­gens, son­dern »zivil­ge­sell­schaft­li­che Gegen­wehr«. Jeder kann sich aus­ma­len, was damit gemeint ist.

In Dirks’ und Ador­nos Dik­ti­on wur­de der Bom­ben­krieg als mora­li­sche Stra­fe für die Ver­bre­chen des NS-Staa­tes inter­pre­tiert, wes­halb Rekon­struk­tio­nen die stets sicht­bar zu hal­ten­de Schuld kaschie­ren wür­den. Die Deut­schen soll­ten dazu ver­dammt wer­den, auf ewig in moder­nis­ti­schen Kis­ten zu leben.

Nichts ande­res meint Trüby über 70 Jah­re spä­ter, wenn er im schlich­ten »Antifa«-Jargon äußert, aus »Tätern wür­den Opfer gemacht«, er zudem den »Geschichts­re­vi­sio­nis­mus« beklagt und bekennt, den Begriff »Hei­mat« bewußt nicht zu gebrauchen.

Die schuld-reli­giö­se Aneig­nung der Kriegs­schä­den, die Trüby aus den 1940er Jah­ren über­nom­men hat, geht ein­her mit der alten lin­ken und glo­ba­lis­ti­schen Zukunfts­gläu­big­keit. Trüby ver­steht sich als »ein gro­ßer Fan von Städ­ten, die man als ›unter­co­diert‹ bezeich­nen könn­te, Städ­ten, in denen Neue­run­gen mög­lich sind, die nicht zu Ende gebaut sind, die Brü­che auf­wei­sen, in denen die Geschich­te und eine ver­meint­li­che ›Iden­ti­tät‹ nicht alles ande­re dominieren.«

Der unter­be­wuß­te Zwie­spalt zur NS-Zeit zeigt sich dabei in Trübys Ver­hält­nis zum Beton­bru­ta­lis­mus. Einer­seits wer­den Rekon­struk­tio­nen Jahr­hun­der­te alter Barock­ge­bäu­de oder Fach­werk­ensem­bles in den Zusam­men­hang zur NS-Ideologie gebracht, ande­rer­seits lob­te Trüby in einem Inter­view mit den Stutt­gar­ter Nach­rich­ten den Bru­ta­lis­mus als »die heroi­sche Archi­tek­tur der Nachkriegsmoderne«.

Schon ein­mal fühl­ten sich bekannt­lich man­che in Sichtbeton-Bunkern als beson­ders hero­isch. Die ästhe­ti­sche Ähn­lich­keit der Wie­ner Flak­tür­me zum bru­ta­lis­ti­schen Moder­nis­mus ist kein Zufall. Auch sie weist auf die Abgrün­de und ver­dräng­ten Gelüs­te gera­de in den See­len der Ideo­lo­gen hin, die sich als die größ­ten »Nazi-Jäger« zu prä­sen­tie­ren versuchen.

Die Aus­ein­an­der­set­zung um die Frank­fur­ter Alt­stadt weist auf eine Ver­schär­fung des Kul­tur­kamp­fes im Archi­tek­tur-Bereich hin. Kri­tik an den bestehen­den Macht­zu­sam­men­hän­gen und die Suche nach Alter­na­tiv­lö­sun­gen soll mit mög­lichst aggres­si­ven Atta­cken klein gehal­ten werden.

Der­weil schlen­dern die Bür­ger durch die Frank­fur­ter Neue Alt­stadt und stau­nen und genießen.

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