Wenn sie wie in ruhigen bundesrepublikanischen Jahren aus Planspielen zu Stimmenanteilen, Prozentsätzen und bunten Koalitionsvarianten allerlei Orakel für die politische Zukunft abzuleiten versuchen, geben sich die Blockparteien der Berliner Republik einer verbrauchten Illusion hin.
Es geht längst um ganz andere, nämlich dramatische und prinzipielle Veränderungen, als daß Wahlen jetzt darauf reagieren könnten. Mag sogar sein, die großen Fragen der Zeit können mal wieder nicht durch „Reden und Majoritätsbeschlüsse“ entschieden werden, sondern … – Wir kennen diese Bismarck-Sentenz und wissen, was die Schlußfolgerung des späteren eisernen Kanzlers war. Zitierte man den Satz aus seiner 1862 vorm preußischen Abgeordnetenhaus gehaltenen Rede aber vollständig, würde man als militant gelten und, klar, als „Nazi“.
Immerhin haben wir doch Demokratie und bewahren sie dankbar. Ist sie aber lebendig genug, funktioniert sie in Schwierigkeiten, wird die einzig vitale Fraktion der Opposition gehört? Nein. – Nur wäre genau das wichtig, denn die Ereignisse der Corona-Krise deuten darauf hin, daß im Lande eher dezisionistisch verfahren wird, als daß für langatmige Essayistik noch Zeit wäre.
Und selbst wenn es wieder normaler liefe, reichten die finanz- und neuerdings gesundheitspolitische Zeichen aus, die bisherige Behäbigkeit zu ändern. Den „Populisten“ wird stupide vorgeworfen, sie hätten allzu einfache Antworten auf allzu komplexe Vorgänge.
Nur gibt es tatsächlich mitunter einfache Antworten, gerade in Zeiten erhöhter Gefahr: Abgrenzung bei Überforderung der Systeme ist eine davon. So wie das Händewaschen bei Ansteckungsgefahr eine andere ist. Und umgekehrt ist nicht jede kurze Antwort eine populistische, sondern mitunter nur die erforderliche. Viele immens wichtige Antworten sind kurz, etwa ein Ja oder ein Nein.
Kernproblem unseres Landes bleibt die sogenannte Einwanderung, also die Armutsmigration aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie Afrika. Zur Integration fremder Kulturen und Religionen mag ein Land befähigt sein, das um seine eigene nationale Identität weiß, das also darin klarsieht, unter welchen Bedingungen zum Nutzen und zur Pflege der Nation zu integrieren wäre.
Das Selbstverständnis der Berliner Republik besteht aber ganz im Gegenteil darin, alles Identitäre auszuschließen und namentlich identitäre Bestrebungen als faschistisch zu diskreditieren. Den Regierenden ist die eigene Nation peinlich, ja sogar der Begriff der Nation. Sie zieht sich auf wohlmeinende Abstrakta zurück, die sie rein ideologierhetorisch bestimmt:
Toleranz, Weltoffenheit, Humanität und andere Worthülserei, die nicht mal den Propagandisten selbst entscheidend Klares sagt, ganz zu schweigen davon, daß sie den eigenen Forderungen selbst konsequent genügen würden. Wer sich expressis verbis auf die Nation zu beziehen versucht, dem droht die Beobachtung durch den Verfassungsschutz und das Verbot politischer Handlungen.
Außerhalb der „Corona-Krise“ wurde deutlich, daß sogar der grundsätzliche Ansatz europäischer Aufklärung, Religionskritik nämlich, völlig vergessen war, gerade von der Linken, die ihren einstigen Gründungsimpuls doch insbesondere der Religionskritik verdankt. Aber selbst die aus den blutigen Religionskriegen in der frühen Neuzeit gezogenen laizistischen Konsequenzen sollten neuerdings im Sinne einer allzu billig verstandenen Toleranz kaum noch etwas gelten.
Sobald von rechts Kritik einsetzt, wird die Exekutive empfindlich. Das Grundgesetz sei in Gefahr, zuerst der zentrale Begriff der Würde und ihrer Unantastbarkeit, die der Staat schützen sollte. Wer aber vermag es überhaupt noch, diesen tatsächlich tragenden Begriff herzuleiten, vorzugsweise in der Weise, wie Immanuel Kant, mittlerweile überhaupt ein großer Unbekannter, es in seiner „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ versucht, indem er fragt, was allein als wertvoll erscheint, wenn von allen äußeren Zwecken abgesehen wird, und was seinen Zweck also nur in sich selbst hat und so also jener Selbstzweck ist, den es zu schützen gilt?
Nur der Mensch, so Kant, soll dieser Selbstzweck sein, da ihn allein Autonomie kennzeichnet, in der Freiheit, sich seine Ziele selbst vernünftig und moralisch setzen zu können. In dieser Freiheit bzw. in dem Vermögen, frei, vernünftig und gut zu handeln, bestehe die Würde des Menschen. Man wird ihm nur gerecht, wenn man ihn in seiner Selbstzweckhaftigkeit betrachtet und eben nicht zum Mittel für die Erlangung fremder Ziele herabwürdigt. Um aber lebenspraktisch frei und vernünftig handeln zu können, bedarf es der durch den Staat gewährleisteten Willkürfreiheit, die garantiert, daß dem Menschen nicht durch willkürliche Beschränkung verwehrt wird, gut zu handeln.
In der Menschheitszweckformel des kategorischen Imperativs ausgeführt: „Handle so, daß du die Menschheit (als das Wesen des Menschen – H. Bo.) sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“
So weit, so klar. Wirklich klar? Es gehört eine Menge dazu, unter anderem das Vermögen einer kritischen Selbstverantwortung, die sich immer aufs neue skeptisch und urteilskräftig zu prüfen hat. Geschieht das? Immerdar? Weiß das der Bürger – als den Grund dafür, daß ihm Würde zukomme? Weiß das der islamische Immigrant? Bestimmt er seinen „Zweck in sich selbst“ aufklärerisch und kantianisch?
Daß die Würde des Menschen nur mit Rückgriff auf dessen Gottesebenbildlichkeit theologisch herleitbar wäre, wollte der Königsberger doch gerade überwinden. Sein wiederum aus dem kategorischen Imperativ gefolgertes Rechtsprinzip macht es – gerade mit Blick auf das Verträgnis mit fremden Kulturen und Traditionen – nicht einfacher: „Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann.“ – Wird das dem Muslim in Willkommenskursen erläutert?
Selbst wohlstandsverwahrlost durch einen jahrzehntlangen Überfluß, der sich u. a. jenem Globalismus verdankt, der die Probleme im Süden hervorrief, meinen die politischen Entscheider schlechten Gewissens, nunmehr alle Leidenden der Welt endlich am Reichtum des alten Europa teilhaben lassen zu müssen und zu können. Dies vornehmlich als Akt umfassender Schuld und Sühne, der man obsessiv-zwangsneurotisch folgt. Andererseits sind die Funktionäre der Blockparteien kaum zur Selbstbeschränkung ihrer hedonistischen Bedürfnisse in der Lage.
Um mit politischem Realismus zu verfahren, geht es nicht automatisch um Integration um jeden Preis, sondern vorzugsweise um Unterscheidungen. Weil zuerst die Grenzen dessen nachzuzeichnen wären, was Deutschland ist und was es tatsächlich will und kann. Ohne eine genaue Selbstvergewisserung ist jede weitere „Öffnung“ gefährlich.
Wer für das eigene Haus keine konkreten Grundvereinbarungen schließt, sollte keine Gäste empfangen, schon gar nicht solche, denen einzig und allein die eigenen Ziele und Zwecke relevant erscheinen, so nachvollziehbar diese aus einer prekären Bedürfnislage heraus auch sein mögen. Wir stehen nicht vor großen Konflikten, sondern bereits mittendrin. In einem Kulturkampf, in dem die Entscheidung darüber getroffen wird, wer wir sind, wer wie dazugehört und wie wir uns durchsetzen mit dem, was an Kultur eines großen Erbes noch in uns und gestaltungsfähig sein mag. Für den Fall, daß dort überhaupt noch Substantielles zu finden ist.
Viele Heranwachsende wissen über das geschichtliche Herkommen allzu wenig. Sie kennen meist nur die Verkürzungen aus Mehr-Demokratie- und Anti-Rechts-Kampagnen, zumal im Geschichtsunterricht wieder mal eher die „richtige Einstellung“ als das Wissen um so komplexe wie schicksalschwere Zusammenhänge benotet wird.
Unserer Identitätsschwäche und unserem neurotischen Selbstbild steht insbesondere mit der islamischen Landnahme ein Gegner gegenüber, der gerade hinsichtlich seines ideellen und identitären Selbstbewußtsein und ‑vertrauens immens stark ist, der unsere Schwäche des eigenen Kulturverlustes erspürt und diese ganz richtig als unsere Selbstaufgabe und Kapitulation erlebt.
Unser noch vorhandener materieller Überfluß alimentiert diesen Gegner und stattet ihn mit den Mitteln aus, seine eigenen Interessen und radikalen Ziele durchzusetzen, angeblich aus Geboten der Toleranz, substantiell aber im Sinne eines Übernahmekampfes, der des Schwertes gar nicht bedarf, insofern wir namentlich die islamischen Charismatiker gewähren lassen, selbst aber über keine souveräne Selbstgewißheit mehr verfügen, weil uns alles Nationale und Eigene per se fremd und schädlich erscheinen soll.
Wenn die Exekutive, die Legislative und die ihnen zugesellten Medien im Sinne kultureller Selbstbehauptung das Erforderliche nicht mehr leisten können und wollen, so wird diese Selbstbesinnung – wenn überhaupt – außerhalb der Entscheidungsinstitutionen erfolgen. Dafür werden sich Kräfte finden und bündeln. Ja, das ist problematisch, aber so werden die Konturen sichtbar. Die selbsterfüllenden Prophezeiungen der Deutungsbehörden der Berliner Republik funktionieren nur noch intern und im Sozialkundelehrbuch.
Gerade ändert sich die Lage erstmalig seit 1989/90 so gravierend, daß die Strukturen wanken und umgebaut werden. Man sollte das nicht hämisch begrüßen, sondern gleichfalls um die immensen Gefahren in Zeiten solcher Unwägbarkeiten wissen. Einstige DDR-Bürger sind in einem gewissen Erfahrungsvorteil, weil sie bereits Zeugen eines Übergangs geworden sind. Nicht direkt zu vergleichen, klar. Oder doch in der Weise, daß alles, was Menschen vereinbaren, vorm Hintergrund prinzipieller Veränderungen doch wieder anders vereinbart werden kann. Oder muß. Innerhalb eines dramatischen Prozesses, in dem mit den Chancen auch die Fährnisse zunehmen.
Mboko Lumumbe
"Es war immer schon die Aufgabe der Männer, ihr Revier abzustecken, um uns und die anderen zu unterscheiden und die eigenen Leute innerhalb dieses Reviers vor den anderen, die außerhalb stehen, zu schützen. Eine Kultur zu schaffen, die männliche Tugenden wie Kraft, Mut und Ehre fördert und gleichzeitig die Rolle der Frau würdigt, als Mütter, ohne die es kein Leben gäbe und kein Heim eine Heimkehr wert wäre: Das ist die Essenz des Wegs und der Art der Männer, besonders der germanischen Männer."
Auszug aus dem Vorwort zur deutschen Ausgabe von "Der Weg der Männer" von Jack Donovan.