Die Konzeptionen, die im westlichen Ausland während des Krieges zur Bestrafung Deutschlands vorgelegt und diskutiert wurden (unter anderem Kaufman‑, Nizer‑, Hooton- und Morgenthau-Plan), waren für die deutsche akademische Geschichtswissenschaft stets ein heißes Eisen.
Da die Verfasser dem Judentum angehörten, müssen deren Kritiker mit dem Antisemitismus-Verdikt rechnen. Während die etablierte Historikerzunft (auch aus diesem Grund) zumeist verharmlosend von einer bloßen »Morgenthau-Legende« (Bernd Greiner) gesprochen hat, halten verschwörungstheoretische Kreise solche Vorstellungen schon per se für einen Vernichtungsfeldzug der ehemaligen Kriegsgegner Deutschlands, ohne die Wertigkeit zu prüfen.
Die Wahrheit dürfte eher im weiten Feld zwischen diesen Extremen liegen. Eine Historisierung tut auch hier Not. Einen der geheimnisumwitterten Pläne entnimmt man meist aus verschiedenen Denkschriften des Finanzministers Henry Morgenthau jr. und seines Umfeldes.
Der frühere Herausgeber einer landwirtschaftlichen Fachzeitschrift vertrat die Überzeugung, daß »Menschen, die dem Boden nahe sind, dazu tendieren, ein ruhiges und friedvolles Leben zu führen«. Diese Memoranden repräsentierten im September 1944 wenigstens für kurze Zeit die amtliche Politik. Hauptziel war bekanntlich die vollständige Entindustrialisierung des Ruhrgebietes.
Die Umsetzung dieser Intention hätte in ihrer Konsequenz wahrscheinlich den Hungertod für Millionen Deutsche bedeutet und wäre von Goebbels’ propagandistischer Übertreibung der Verwandlung des Reiches in einen »riesigen Kartoffelacker« nicht weit entfernt gewesen.
Dieses Extinktions-Szenarium war aber im Regierungsapparat Roosevelts aus unterschiedlichen Gründen heftig umstritten. Opposition betrieben jene, die die Produktionskraft des besetzten Deutschlands bewahren wollten, damit Reparationsforderungen erfüllt werden können.
Andere opponierten aus Gründen der Humanität, gemäß der man nicht »Brutalität mit Brutalität« bekämpfen dürfe, wie es US-Verteidigungsminister Henry Stimson ausdrückte, wieder andere aus judenfeindlichen Motiven. Der Widerstand nahm in der Meinung der Öffentlichkeit größere Ausmaße an, als sie davon Wind bekam.
Die Washington Post geißelte die eliminatorische Absicht:
Von millionenfachem Erschießen abgesehen, wird fast alles Erdenkliche vorgeschlagen, um Deutschland und das deutsche Volk zu zerstören.
Hinzuweisen ist aber darauf, daß es in der öffentlichen Debatte auch namhafte Befürworter des genannten Entwurfs gegeben hat. In der deutschen Nachkriegspublizistik (Caspar von Schrenck-Notzing!) hat man nicht nur auf die fundamental-destruktiven Tendenzen, sondern vor allem auf die re-educatorischen Vorschläge hingewiesen, die sich in der Gedankenwelt Morgenthaus und seiner »boys« finden.
Im Gegensatz zu dem einflußreichen Regierungsmitglied Morgenthau fungierte der Anthropologe Earnest A. Hooton eher als Außenseiter. Der Professor an der Harvard-Universität strebte danach, auf nachhaltige Weise zu verhindern, daß von Deutschland je wieder Gefahren ausgehen könnten.
Er rückte biologisch-genetische Vorgehensweisen in den Vordergrund, die ihm adäquat erschienen, Rückfälle der Besiegten dauerhaft auszuschließen. 1943 verfasste Hooton einen Artikel in der Zeitschrift P.M. (Peabody Magazine, New York).
Er ist überschrieben: »Breed War Strain Out of Germans« (»Züchtet den Deutschen ihre Veranlagung zum Krieg ab«). Die sich in der Nähe des Rassenvokabulars (»Breed«) befindliche Wortwahl ist offenkundig. Hooton geht unorthodox an die Problematik heran.
Überblickt man die weltweiten Eugenik-Debatten in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, überraschen seine Formulierungen nicht. Eines seiner Werke trägt den Titel Apes, Men and Morons (»Affen, Menschen und Schwachsinnige«).
Hooton zeigte durchaus Skrupel. Er ahnte, daß er sich mit seinen biologistischen Gedanken auf ein Terrain wagte, das leicht in die Nähe seiner schärfsten Gegner zu geraten drohte. Er riet davon ab, nur die an Verbrechen Schuldigen zu strafen, da die prägend-mentalen Kräfte der Gesamtbevölkerung auf diese Weise unberührt bleiben müßten.
Kollektive Verhaltensweisen entstünden, so eine auch heute wissenschaftlich gängige Meinung, durch das Zusammenwirken von Erbgut und Milieubedingungen. Den deutschen Nationalismus wollte er ausdrücklich ausrotten, nicht die deutsche Bevölkerung; darüber hinaus plädierte er für die »Erhaltung und Festigung wünschenswerter deutscher biologischer und sozialer Fähigkeiten«.
Ohne biologische Maßnahmen sei aber keine solche dauerhafte Verbesserung möglich. Das, was erhalten werden wollte, mußte also erst noch geschaffen werden. Der Volkscharakter sollte gewandelt werden. Unverhohlen postulierte Hooton »Umvolkungs«-Maßnahmen im Sinne der Entnationalisierung.
»Die Ziele … schließen die Reduktion der Geburtenrate ›rein‹ deutscher Kinder, die Neutralisierung der deutschen Aggressivität durch Auszüchtung und die Entnationalisierung indoktrinierter Einzelpersonen ein.« Relativ konkret wird er im letzten Absatz:
Ermuntert während des Zeitraumes der Oberaufsicht und Besetzung dieser Staaten durch Militär- und Zivilpersonal der Alliierten Mitglieder dieser [fremden] Gruppen, deutsche Frauen zu heiraten und sich dort auf Dauer niederzulassen. Fördert während dieser Zeit auch die Einwanderung und Ansiedlung in den deutschen Staaten von nicht-deutschen Nationalitäten, besonders von Männern.
Angesichts des Männerüberschusses, der durch die jüngsten Einwanderungswellen nach Europa aufgebaut wurde, muß man sich gerade diesen letzten Satz auf der Zunge zergehen lassen. Hootons Pläne, für die er sowohl während als auch nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA kein größeres Echo erzielen konnte, wären heute wohl nicht einmal eine Randnotiz wert, hätten sie nicht (jedenfalls in der Sache) bei vielen Nachkommen der Erlebnisgeneration öfters Zustimmung gefunden.
Vielfach diskutiert ist der gerade bei der kritischen Intelligenz (besonders nach 1968) verbreitete Hang zur Internalisierung deutschfeindlicher Doktrinen. Der linke und liberale »Gutmensch« hierzulande ist stolz auf das »We are proud of not being proud«, wie es der Fernsehmoderator Jan Böhmermann auf den Punkt gebracht hat.
Die autoaggressive, hypermoralistisch aufgeladene Aversion gegen das Eigene als Reflex auf die nationalsozialistische Barbarei entfaltet jedoch keine kathartische Wirkung. Das läßt sich mit zunehmendem chronologischen Abstand vom Dritten Reich gut erkennen.
Von einem »autogenozidalen Drama« (Peter Sloterdijk), ja, von »autogenozidialer Selbstexklusion« (Micha Brumlik) wird man sprechen können, wenn man einige Beispiele der verbreiteten nationalmasochistischen Neigungen herausgreift.
Zumeist zeigt sich in diesem Kontext die Verwendung bestimmter naturhaft-regressiver Metaphern und Vokabeln, die bereits im Umfeld des Morgenthau- und Hooton-Plans kursierten: Boden, »Stück Land«, bewirtschaften, Acker, Siedlungsgebiet und so fort.
Erwünscht ist die Vernichtung der Lebensgrundlage des eigenen Volkes, der angeblich noch »fruchtbare Schoß« solle endgültig beseitigt werden. Die Frankfurter Verfassungsjuristin und Vizepräsidentin des Hessischen Staatsgerichtshofes Ute Sacksofsky drückt ihren Haß auf jedwede Bevölkerungspolitik drastisch aus:
Gehen wir davon aus, daß es um die Weitergabe deutschen Erbgutes nach der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht mehr gehen kann: Was wäre eigentlich so schlimm daran, wenn die Deutschen aussterben sollten (was ohnedies noch ein paar Jahrhunderte dauern dürfte)? Das Territorium, auf dem sich derzeit Deutschland befindet, könnte der Natur zurückgegeben oder (das ist wahrscheinlicher) von anderen Menschen besiedelt werden.
Ebenso aussagekräftig ist das die Biodeutschen zu Minderwertigen stigmatisierende Diktum des satirischen Polemikers und Autors Wiglaf Droste:
Das deutsche Volk hat die moralische Verpflichtung auszusterben, und zwar subito. Jeder Pole, Russe, Jude, Franzose, Schwarzafrikaner usw. hat genauso viele Rechte auf deutschem Boden, von dem gesprochen wird, als sei er heilig und gebenedeit, zu leben wie irgendein Deutscher – wenn nicht sogar noch mehr.
Nicht viel anders hört sich das bei der »Grünen«-Politikerin Sieglinde Frieß an:
Ich wollte, daß Frankreich bis zur Elbe reicht und Polen direkt an Frankreich grenzt.
In diese Sammlung paßt gut ein von dem Publizisten Michael Klonovsky überliefertes Zitat einer Kölner Pastorin im Zusammenhang mit der jüngsten Migrationswelle:
… Wer sagt denn, daß Deutschland den Deutschen gehört? Das ist ein Stück Land, das bewirtschaftet werden muß, damit die Menschen leben können.
Von den genannten Entwürfen ist inhaltlich leicht der Bogen zu Gegenwartskontroversen zu schlagen. Morgenthau, Hooton, Nizer und Kaufman gehörten allesamt linken und liberalen Eliten an. Ihnen ging es vornehmlich darum, die Pax Americana, die sowohl nach dem Ersten Weltkrieg als auch nach 1989 als weltpolitisches Schlagwort Karriere machte, weltweit umzusetzen: Freiheit, Frieden und Wohlstand soll allen Völkern gebracht werden – im Sinne eines Oktroy auch den Feindstaaten Japan und Deutschland, denen immerhin die anfangs zugedachte Exterminierung erspart blieb.
Das Ziel des Friedens nach US-Gusto, das mit der Absicht der Errichtung einer New World Order stets Hand in Hand ging, folgte einem bestimmten Schema, das Carl Schmitt in seinen Arbeiten über Großräume treffend herausstellt: Zuerst diente die Pax Americana nach dem Sezessionskrieg der inneramerikanischen Befriedung; später mutierte diese großangelegt-ambitionierte Programmatik zur Verbreitung »imperialistisch-kapitalistischer Umdeutung« (Schmitt), ähnlich der Monroe-Doktrin.
Auch sie hatte ursprünglich einen rein defensiven Charakter, später indessen funktionierte die US-Elite sie in eine »pan-interventionistische Weltideologie« (Schmitt) um. Bereits seit den Haager Konferenzen von 1899 und 1907 sind die Bestrebungen, zwischenstaatliche Bestrebungen auf höherer Ebene zu verrechtlichen, mit Händen zu greifen.
Das diesbezügliche Großprojekt der Zwischenkriegszeit, der Völkerbund, scheiterte aus verschiedenen Gründen. Seit 1945 sorgen Dutzende einflußreicher Organisationen und Netzwerke (UN, die Bretton-Woods-Institutionen IWF sowie Weltbank, WTO, EU, Nato, Internationaler Strafgerichtshof, Bilderberger-Konferenz, Council on Foreign Relations und viele weitere) für die bereits fortgeschrittene Durchsetzung einer teils offensichtlichen, teils unterschwelligen globalen Agenda.
Deren ultimative Ziele sind noch nicht erreicht: Die Verfechter einer solchen Neuen Ordnung fordern unter anderem die Entmachtung der Nationalstaaten, die Förderung universeller Migration, die Vermischung der Religionen und die Verbreitung der Macht supranationaler Organisationen, deren Forderungen die Neue Ordnung konkretisieren.
Natürlich darf man nicht den Fehler machen, der in verschwörungstheoretischen Elaboraten omnipräsent ist: die Reduktion komplexer Vorgänge auf konspirative Ereignisse, für die angeblich nur wenige Personen verantwortlich sind. Die Macht globaler Organisation resultiert in erster Linie aus der zunehmenden Relevanz von staatenübergreifenden Strömungen in technischen, ökonomischen und politischen Zusammenhängen.
Dennoch sollte man den (wenigstens sekundären) Einfluß finanziell und politisch potenter Persönlichkeiten nicht übersehen, die bestimmte allgemein-programmatische Ansätze in konkrete Projekte übersetzen. Der US-Investor ungarischer Herkunft George Soros und der im Januar letzten Jahres verstorbene ehemalige europäische Kommissar für Wettbewerb und einflußreiche Spindoktor, der Ire Peter Sutherland, zählen zu den bekannten Köpfen, die ihren Kampf um die Auflösung der Völker offen aussprechen.
Sutherland gestand 2015 so offen wie nur möglich: Jeder, der ihm vorhalte, daß er »dazu entschlossen wäre, die Homogenität der Völker zu zerstören, hat verdammt noch mal absolut recht! Genau das habe ich vor! Wenn ich es morgen tun könnte, würde ich sie zerstören, mein eigenes Volk eingeschlossen.«
Das jüngste Großprojekt, das die alte Elitenprogrammatik der Depotenzierung von Volk und Nationalstaat ein Stück weiter vorantreiben will, ist der Globale Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration, kurz: UN-Migrationspakt. Die ausdrückliche Absicht dieser Vereinbarung, welche die meisten Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen unterzeichnet haben, ist die Ordnung der weltweiten Migration.
Die Rechte der Migrierenden werden haarklein erwähnt. Sie erscheinen beinahe als das neue Subjekt weltpolitischer Aktivitäten. Um die Autochthonen schert sich der im Dezember verabschiedete Text überhaupt nicht. Als Beruhigungspille für die, die sich um die Souveränität der Nationen sorgen, wird das Recht der Unterzeichnerstaaten, die Einwanderung selbst zu regeln, garantiert.
Der Teufel steckt jedoch wie überall im Detail. Punkt 15 betont zwar die nationale Souveränität der Staaten, die man diesen als Subjekte des Völkerrechts ohnehin nicht nehmen kann, aber mit einem nicht unwichtigen Vorbehalt: »im Einklang mit dem Völkerrecht«.
Dieser Zusatz wird entweder gerne überlesen oder als peripher abgetan. Nun besteht das Völkerrecht zum nicht geringen Teil aus Vereinbarungen, die in ihrer juristischen Gewichtung nicht von vornherein absehbar sind. Sie entwickeln sich häufig durch gewohnheitsmäßige Anerkennung.
Sind die Normen einmal gängige Praxis völkerrechtlicher Übereinkunft, haben sie gemäß der rechtspyramidalen Vorrangregelung im Kollisionsfall Priorität vor innerstaatlichen Gesetzen. Die Gewährleistung der Souveränität wird dann das Papier nicht wert sein, auf dem sie steht.
Die Genfer Flüchtlingskonvention, die bei ihrer Unterzeichnung lediglich einen minimalen Schutz für Flüchtende sicherstellen wollte, ist hauptsächlich durch exzessive Interpretation längst zum völkerrechtlichen Einfallstor für größere Migrationsbewegungen geworden.
Es ist nicht allzu schwer, den tieferen Sinn des »Teufelspaktes« zu erkennen. Er soll die zunehmende Zahl an Bevölkerungsaustauschprogrammen, die meist als Relocation, Resettlement, Neuansiedelung und so fort umschrieben und faktisch längst praktiziert werden, vordergründige Legitimität verleihen.
So wurde beispielsweise 2016 die Erarbeitung eines UN-Neuansiedlungsrahmens bekannt. Die Begründung lautete:
Durch den heute vorgelegten Vorschlag soll ein dauerhafter Rahmen mit einem einheitlichen Verfahren für die Neuansiedlung innerhalb der EU geschaffen werden.
Es bleibt zu befürchten, daß sich im Laufe der Zeit Migration als Menschenrecht herauskristallisiert und sogar einklagbar wird. Das würde aber bedeuten, daß jene staatlichen Hoheitsgebiete, die besonders attraktiv für Neuankömmlinge sind, zu bloßen Siedlungsgebieten degradiert würden.
Die Folgen kann man sich unschwer ausrechnen. Als gravierendste Konsequenz läßt sich langfristig der Kollaps der europäischen Rechts- und Sozialstaaten ausmachen. Die »länger hier Lebenden« (O‑Ton Angela Merkel), deren Mitsprachemöglichkeiten sehr begrenzt sind, wären dann auch noch der Reste ihrer Vorteile gegenüber den erst seit Kurzem hier Verweilenden beraubt.
Ein solches wahrscheinliches Szenario läßt sich nicht anders denn als »Zivilisationsbruch« charakterisieren.