In den vergangenen Wochen hat Dieter Stein (Junge Freiheit) erneut einen Versuch unternommen, der AfD die Entmachtung oder sogar Entfernung des Höcke-Flügels als Erfolgsrezept zu verkaufen. Nach zwei mißlungenen Attacken (Stein setzte auf Lucke, dann auf Petry) rät er also zum dritten Mal zu einer Säuberung der Partei von denjenigen, die er nicht dabeihaben will.
Stein schätzt zwei Faktoren falsch ein: Zum einen kann man Höcke nicht einfach loswerden oder in seiner Partei isolieren – mindestens ein Drittel der Mitglieder unterstützt seinen grundsätzlichen Weg, und ein Parteiausschlußverfahren, das gegen ihn lief und noch aus der Petry-Zeit stammte, ist vom Bundesvorstand beendet worden.
Zum anderen anerkennen selbst parteiinterne Gegner, daß Höcke dazugelernt hat, sich an Absprachen hält und konsequent handelte, als es um die Frage ging, ob sein Weggefährte André Poggenburg in seiner Hybris noch zu halten sei. (War er nicht, und nun wird er mit seiner Ausgründung ebensowenig eine politische Rolle spielen können wie Luckes oder Petrys Abspaltungen.)
Der Zeitpunkt, den Stein für seinen Vorstoß gewählt hat, ist selbst denjenigen ein Rätsel, die seine Motive für nachvollziehbar halten. Im laufenden Jahr wird in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt – alle drei Bundesländer sind Höcke-Land, und bis nach Berlin sollte sich herumgesprochen haben, daß es sich mit der Ost-AfD mindestens ebenso verhält wie mit der CSU: Der Wahlkampf muß in Ton und Ausrichtung zugeschnitten werden auf ein Wahlvolk, das es so in den anderen Bundesländern nicht gibt.
Daß man Höcke auch partei- und milieuintern kritisieren können muß, ist eine ebenso selbstverständliche wie banale Aussage. Ein internes Streitgespräch mit Höcke wäre etwas ganz anderes gewesen als der Versuch einer Schlachtung vor Publikum, der natürlich sofort medial aufgegriffen wurde.
Und nicht nur das: Stein berichtete einem FAZ-Redakteur darüber hinaus von einer Auseinandersetzung, die er mit mir gehabt habe: 2007 sei es über den richtigen Umgang mit der NPD und der Geschichtspolitik der BRD zu einem Streit gekommen.
Ich sah in der NPD damals tatsächlich keinen Gegner. Für mich waren das Unbelehrbare, deren Machtbasis über zwei Landtagsfraktionen nie hinausreichen würde. Stein jedoch griff das von Karlheinz Weißmann und mir geführte und repräsentierte Institut für Staatspolitik öffentlich an und forderte eine Klarstellung unserer Positionen.
Es war damals und ist heute wieder notwendig, die Frage nach den Beweggründen Steins für seine mit Unterstützung des politischen und publizistischen Gegners vorgetragenen Angriffe zu stellen. Ich packte das seinerzeit in das Bild von jemandem, der mit einem Sprung ein anderes Boot erreichen wolle und sich dabei von denjenigen abstoße, die bisher mit ihm gerudert seien.
Aber auch Karlheinz Weißmann schrieb damals einen Brief an Stein, denn er mußte sich als wissenschaftlicher Leiter des Instituts ebenso von dessen Hygieneforderungen angegriffen sehen wie als Historiker. Sein damaliges Schreiben liegt in einer der grauen Briefmappen vor mir, die das Herzstück meines Archivs bilden.
Darf man das auf den Tisch legen? Darf man dem eigentlichen Gegner, dem »Hauptgegner«, wie Weißmann in seinem Brief schreibt, weiteres Material an die Hand geben? Nur soviel: Weißmann beschrieb Steins Verhalten als ein »moralisches«, das er nachvollziehen könne, das aber in unserer Lage nur eine untergeordnete Rolle spielen dürfe.
Er sprach ihm die politische Unterscheidungsfähigkeit von Haupt- und Nebengegner ab. Hierin waren wir uns stets einig: Man hat es mit denjenigen zu tun, die objektiv die Abwicklung unseres Volkes betreiben und das tun, was man in der Weimarer Verfassung »Volks- und Staatsverrat« nannte.
Diese Gruppe besitzt bis heute sehr große Macht, während die »Unbelehrbaren« innerhalb der nationalen Opposition nie wirklich über Macht verfügten. Weißmann ging es stets darum, den »Hauptgegner« als solchen wahrzunehmen, ihm die Genugtuung zu verweigern, daß es da interne Konflikte gebe, sowie den Eindruck zu vermeiden, als ob man sich am allgemeinen Fascho-Bashing beteiligte.
In Richtung Stein äußerte Weißmann, es sei ihm »ganz unverständlich«, wie man sich mit bestimmten Formulierungen so sehr in die Nähe des Hauptgegners begeben könne. Ja, so war das. Mappe zu.