Frau Dr. Müller, Herr Schulze und Frau Schmidt: Wir machen hier eine Umfrage für ein Marktforschungsunternehmen und täten gern wissen: Diese drei Leute hier, die allesamt auf Brusthöhe etwas in den Händen halten – kennen Sie diese Menschen? Wie würden Sie sie einordnen? Wir wollen wissen: Was assoziieren, was verbinden sie mit Gesichtern und Gestus dieser Personen? Wie würden Sie sie beschreiben? Wie wirkt das gesamte Setting auf Sie?
Frau Dr. Müller:
Also klar ist mal: eine Frau, zwei Männer, wenn man das so sagen darf. Ich bin eine aufmerksame Zeitungsleserin und gucke auch viel Fernsehen, aber die kenne ich alle drei nicht. Dann … scheint mir das Ganze eine Vereinsgaststätte zu sein. Oder ein Gemeinderaum? Irgendwas Biederes. Auf jeden Fall freuen die sich alle sehr. Der Herr links etwas weniger, der hat eventuell Privatsorgen. Oder er hat Einwände gegen diese Urkunde, die die da alle hochhalten? Tja, was könnte das sein …? Eine Broschüre, wie man junge Leute für den Glauben begeistern will? Der Mann links ist der Pfarrer? Nein? Oder irgendwas – mit Wein? Weinkönigin? Die hübsche Dame in der Mitte?
Herr Schulze:
Ich darf? Frei von der Leber weg, ja? Erstens, nein. Das Personal sagt mir nichts. Kenn ich nicht. Obwohl, die in der Mitte ist vielleicht eine Ministerin? Die Klöckner ist es nicht, oder? Und der ältere Herr links … irgendwas mit Kirche, Laienorganisation? Oder … quatsch. Das hier ist ein Kleingartenverein! Es gab irgendeinen Wettbewerb. Vielleicht Der schönste Garten. Die Frau in der Mitte hat gewonnen. Aber hey, wieviel Ohrlöcher hat die denn? Na. Vielleicht ist sie eine Städterin, die das Kleingärtnern erfolgreich für sich entdeckt hat, als Ausgleich oder so. Der mit dem breiten Lächeln rechts freut sich über den zweiten Platz. Der andere Mann, also der Kirchentyp, freut sich auch, denkt aber, daß die Jury irgendwas mit Frauenquote im Hinterkopf hatte. Oder so.
Frau Schmidt:
Die wirken ja alle ganz sympathisch. Jedenfalls zufrieden mit sich selbst. Vor allem die Frau. Obwohl – die Männer auch. So gemütlich. Als hätten die … ein Projekt vollendet! Was für ein Projekt? Ehrenamt, bestimmt. Das ist so dieser Typ Mensch. Sie kriegen eine Urkunde, weil sie sich eingesetzt haben, für die Allgemeinheit. Als Trainer vielleicht. Ob ich die kenne, die drei? Nee, ganz bestimmt nicht!
Dreimal knapp daneben!
Auf diesem Photo posieren Ulrich Khuon (*1951), Dramaturg, Intendant und Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Bianca Klose (*1973), »Projektleiterin« und Gründerin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) sowie Klaus Lederer (*1974), Die Linke, Kultursenator von Berlin.
Die furiosen Drei halten ein Heftchen hoch, das heute längst eingestampft ist. Es trug und trägt (also auch in der zweiten, gültigen Auflage) den Titel: Alles nur Theater? Zum Umgang mit dem Kulturkampf gegen rechts. Es geht darin unter anderem darum, Begriffe und Phrasen wie »offen, demokratisch, bunt, inklusiv, transnational etc.« genau zu bestimmen und letztlich in der theatralen Praxis durchzuexerzieren.
Heißt: Was tun angesichts der »Verantwortung für die Shoa und die Verbrechen des Nationalsozialismus« mit »Besucher_innengruppen der AfD«? Vorgeschlagen wird eine spezielle »Einlasspolitik. Es empfiehlt sich, die Eingangstür stets verschlossen zu halten, um Besucher_innen nach ihrem Anliegen zu fragen.«
Die erste Auflage dieses Angstlappens mußte geschreddert werden, weil darin behauptet wurde, daß Zeit-Autor Ulrich Greiner (Heimatlos. Bekenntnisse eines Konservativen, 2017) die migrationsskeptische »Erklärung 2018« unterschrieben habe.
Hat er nicht. Die Theatraliker haben nun also die bereinigte Version ihres schrillen Warnrufs unter’s Volk, pardon: unter die Bevölkerung gebracht. Federführend war die MBR. Sie »benutzt« in der 38seitigen »Publikation »den Gender_Gap, um alle Geschlechter und Geschlechtsidentitäten darzustellen. Der Unterstrich stellt den Zwischenraum für alle Menschen dar, die sich in der Zwei-Geschlechterordnung nicht wiederfinden.«
Das erscheint gerecht und tolerant. Diese Eigenschaften fehlen jedoch ansonsten, siehe Ulrich Greiner, der sich in der Rechtslinksbinarität eben nicht wiederfindet. Überhaupt kommen diese Kulturtheatermenschen inhaltlich recht einäugig daher: Es geht um »Herausforderungen für den demokratischen Kulturbetrieb«, so, als sei der subventionierte »Kulturbetrieb« heute ein buntes Vielerlei aus dutzenden Facetten des politischen Spektrums.
Die Broschüre ist illustriert mit Szenenbildern aus Fear, dem prominent und gerichtsnotorisch gewordenen Theaterstück. Darin ließ Regisseur Falk Richter »rechte« Frauen wie Beatrix von Storch und Gabriele Kuby als »Zombies« auftreten und ihren Masken die Augen ausstechen.
Das ist auch in der Neuauflage der Aufklärungsbroschüre der Fall. Es hat vor Jahren mal drei, vier Versuche Identitärer oder anderer beharrender Kräfte gegeben, solche Veranstaltungen per Wortergreifungsstrategie auf offener Bühne zu irritieren.
Man marschierte mit Spruchbändern auf die Bühne, mehr nicht. Keine Gewalt. Die Theatraliker reagieren so verspätet wie panisch. Eine Überschrift der Broschüre lautet ängstlich: »Nicht das Wort nehmen lassen – Vorbereitung für die störungsfreie Durchführung von Veranstaltungen«: Gut wäre es, »rechtsextreme Störer durch einen ›Ausschlußsatz‹ bereits in der Einladung von der Veranstaltung auszuschließen.
Entsprechende Parolen auf Eintrittskarten »oder auch auf einem großen Banner im Eingangsbereich« könnten der artigen »Positionierung nach außen« dienen. Des weiteren die bereits erwähnte »Einlasspolitik«. Das klingt nach – Diktatur?
Oh ja! Wie weit muß es gekommen sein mit der Bühnenszene, wenn selbst der Bezahlfunk dazu meint: »Problematisch wird es, wenn sich eine Broschüre derart versteigt, dass sie auch vollkommen legitime konservative Ansichten und Weltbilder unter Rechtsverdacht [!was wäre das? EK] stellt und damit Denk- und Toleranzräume in der offenen Gesellschaft einschränkt.«
Auch in der keineswegs rechtsverdächtigen Zeit geht man ins Gericht mit den linken »Handreichern«. Die Rede ist von einer »ideologischen Kampfschrift«, von »Lagerdenken alter Schule« und einem »grobschrotigen Begriff von ›rechts‹, der keinen Unterschied mache zwischen »konservativen« und »rechtsextremen« PositionenIn einem weiteren Beitrag von deutschlandfunkkultur.de heißt es:
Auf den letzten Seiten der Broschüre wird zwar vom Gespräch mit Rechten nicht generell abgeraten, doch zuvor wird mit einem geschlossenen, uniformen Weltbild der politische Lagerkampf untermauert. Wer Fragen stellt, ist verdächtig, den ›Kulturkampf von rechts‹ zu unterstützen.
Wenn sogar ein staatsnaher Sender zu unken beginnt – was heißt das? »Ob Hausherr und Kultursenator die Publikation überhaupt gelesen haben, bevor sie sie öffentlichkeitswirksam präsentierten? Womöglich hat sich jeder drauf verlassen, die ›Mobile Beratung‹, vom Justizsenat und vom Bundesfamilienministerium jährlich mit über 800.000 € gefördert, werde schon wissen, was sie tue.
Anders ist diese Fahrlässigkeit kaum zu erklären.« Christine Lemke-Matwey, als Zeit-Autorin rechter Umtriebe unverdächtig, fragt sich, ob diese Theaterleute nicht ein »bedenklich geschlossenes Weltbild« aufwiesen – und wo denn der «Rechtsruck« überhaupt beginne? »Gleich rechts von der Antifa?« Nun, was sagen unsere Meßdiener_innen hier im Bilde, dazu?
Ulrich Khuon weist im Gespräch mit dem Deutschlandfunkkultur »jede Verantwortung zurück«. Er sei nur »Gastgeber« bei der Präsentation der »Handreichung« gewesen. Er (»Auf die Frage an DT-Chef Khuon, ob er zehn Karten an Götz Kubitschek verkaufen würde, reagierte Khuon zögerlich«; morgenpost.de) sehe gewisse »Differenzen« zu der Broschüre.
»Auch Klaus Lederer«, so vermeldet der Bezahlfunk, »zieht sich aus der Affäre. Er sei schlicht gefragt worden, ein paar Worte bei der Präsentation zu sagen – das habe er getan, da ihm die Verteidigung der Kunstfreiheit ein zentrales Anliegen sei.«
Alles schwammig, alles hohl. Lächeln die drei Broschürenübermittler eigentlich wirklich? Oder ist es ein Grinsen?