Ist Amerika wieder groß? Geht es nach Donald Trump, ist die Mission erfüllt. Die Slogans für die nächste Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 sind bereits im Umlauf: »Keep America Great« und »Promises made, promises kept«.
Hat Trump tatsächlich seine Wahlversprechen gehalten? Der Signaturschlager der Kampagne von 2016 läßt immer noch auf sich warten: die »riiiesige« Mauer an der südlichen Grenze der Vereinigten Staaten, über die jährlich Zehntausende illegale Einwanderer aus Süd- und Mittelamerika in das Land strömen, und für deren Bau am Ende Mexiko eine dicke Rechnung zugestellt bekommen sollte. Genaue Zahlen sind schwer zu bestimmen.
Anfang März gab der Chef der Grenzschutzbehörde Customs Border Protection, Kevin McAleenan, bekannt, daß die monatlich herandrängende Zahl dank eines organisierten Schlepperwesens auf 76 000 angestiegen sei: »Das System ist über seine Kapazität hinaus belastet und droht zusammenzubrechen« (Die Welt, 7. März 2019).
Kurz zuvor hatte Trump mit einer Zwangsmaßnahme versucht, die Finanzierung der Mauer durchzusetzen. Am 22. Dezember 2018 verfügte er eine »Haushaltssperre« über die Bundesregierung (»Government Shutdown«), die sich über eine Rekordzeit von 35 Tagen erstreckte.
Als das nichts fruchtete, versuchte er den seit den Zwischenwahlen mehrheitlich demokratisch besetzten Kongreß zu umgehen, indem er am 15. Februar 2019 den nationalen Notstand ausrief und acht Milliarden Dollar forderte, die zum Bau der Mauer verwendet werden sollen – womit er rechtlich kaum Erfolg haben wird.
Um den »Shutdown« zu beenden, unterschrieb er gleichzeitig eine Gesetzesvorlage, die den Wünschen der »Open Border«-Fraktion so weit entgegenkommt, daß manche darin eine regelrechte Kapitulation sahen. Auch der konservativen Autorin Anne Coulter, einer einst glühenden Unterstützerin von Trump, platzte der Kragen.
Trump wolle den Dummköpfen in seiner Basis das Theater vorspielen, daß er mutig weiterkämpfe, während er mit der Unterzeichnung der Gesetzesvorlage die eigene Agenda verrate:
Der einzige nationale Notstand besteht darin, daß unser Präsident ein Idiot ist.
In Wahrheit interessiere ihn die Einwanderungsfrage gar nicht, obwohl sie ihm half, zur Macht zu gelangen. Coulter ist keine Ausnahme unter Trumps ehemaligen Anhängern. Parallel zu deren Enttäuschung hat das »Trump Derangement Syndrome«, das vor allem im ersten Jahr seines Amtes bizarre Hysterieblüten hervorgebracht hat, deutlich seinen Zenit überschritten.
Er ist gewiß immer noch der Lieblingsbuhmann der linksliberalen Presse, die so gut wie jeden seiner Schritte, ob politisch oder privat, skandalisiert oder verhöhnt. Allen ihren Befürchtungen zum Trotz hat er jedoch immer noch keine rassistische Diktatur errichtet und bislang – leider! – eher moderat regiert, obwohl er nach wie vor mit provokanten Tweets schockt und amüsiert.
»Enthüllungsbücher« über die Trump-Administration haben weiterhin Konjunktur. Sie untermauern das Image des Präsidenten als inkompetent, egozentrisch, skrupellos und unseriös, so etwa Furcht: Trump im weißen Haus der Journalistenlegende Bob Woodward.
Diese Bücher haben Trump allerdings bisher kaum geschadet, da er ohnehin nicht wegen seines tugendhaften Charakters gewählt wurde. Ebenso sind alle Versuche des »tiefen Staats« gescheitert, ihn über korrupte Mitarbeiter zu treffen, wie etwa den Rechtsanwalt Michael Cohen, der im Dezember 2018 unter anderem wegen illegaler Wahlkampffinanzierung zu drei Jahren Haft verurteilt wurde.
Im August 2018 und noch einmal im März 2019 erwischte es Trumps Wahlkampfmanager Paul Manafort, der wegen Steuerhinterziehung, Bankbetrug, »Verschwörung gegen die USA« und Behinderung der Justiz zu vier Jahren Haft verurteilt wurde.
Trumps Berater Roger Stone wurde im Januar 2019 gar in seinem Privathaus wegen »Falschaussagen, Beeinflussung von Zeugen und Behinderung von Ermittlungen« verhaftet. Vorläufige Entwarnung gibt es allerdings in den Ermittlungen, die verräterische Verbindungen Trumps nach Rußland, insbesondere die »russische Kollusion« im Wahlkampf, nachweisen sollten.
Der ehemalige FBI-Chef Robert Mueller legte Ende März einen Bericht vor, der die Anschuldigungen gegen Trump nicht bestätigte. Eine weitere Nemesis ist in Gestalt des demokratischen Kongreßabgeordneten Jerry Nadler auf Trump angesetzt.
Der Leiter des Justizausschusses im US-Repräsentantenhaus will in den nächsten Monaten 81 Einzelpersonen und Organisationen aus Trumps Umfeld untersuchen lassen, mit dem erklärten Ziel, so viel justiziablen Schmutz wie nur irgend möglich aufzustöbern.
Während der Beschuß anhält, hat das mainstreamkonservative Establishment weitgehend Frieden mit dem Emporkömmling gemacht, der seinerseits sein Programm dem üblichen republikanischen Business angepaßt hat: Kampf gegen den »Sozialismus«, Steuersenkungen, Deregulierung des Marktes, »limited government«, Lobpreis von Minderheiten, die normalerweise eher demokratisch wählen, und nicht zuletzt bedingungslose Treue zum »größten Verbündeten« Israel.
Sein Versprechen, die amerikanischen Truppen aus Syrien abzuziehen, hat er nach einigem Hin- und Her ebenfalls nicht erfüllt, und mehr: Seit dem 22. März hängt nun Trumps Vorstoß, die Annexion der (syrischen) Golan-Höhen durch Israel anzuerkennen, wie ein Damoklesschwert über der Region.
Gleichzeitig verbucht er die Zerschlagung des »Islamischen Staates« auf sein Konto, obwohl sie Assads und Putins Verdienst ist. Auch der Versuch der amerikanischen Regierung, das »Regime« des venezolanischen, sozialistischen Präsidenten Maduro zu stürzen, steht in der guten alten »imperialistischen« Tradition und nicht im Zeichen des »America First!«
Seine Hinwendung zum Mainstreamkonservatismus zeigte sich auch auf dem alljährlichen Gipfeltreffen (CPAC) der »American Conservative Union Foundation« im Februar und März 2019. Trump betrat die Bühne zu den Klängen von Lee Greenwoods Hymne »God Bless the USA« aus der goldenen Reagan-Ära, knuddelte mit seinem typisch spitzbübischen Lächeln das Sternenbanner und gab zwei Stunden lang den showerfahrenen Entertainer.
In seiner »Ansprache zur Lage der Union« am 6. Februar beschwor Trump die Bedeutung der nationalen Einheit jenseits der Parteienkämpfe, und brachte sogar etliche Demokraten dazu, stehend »USA! USA!« zu skandieren. Er erinnerte an »die Majestät der amerikanischen Mission« und »die Kraft des amerikanischen Stolzes«, exemplifiziert am 75. Jahrestag der Invasion in der Normandie und am 50. der Mondlandung.
Drei steinalte Veteranen des Jahres 1944 wurden ebenso beklatscht, wie zwei schwarze, bekehrte Ex-Kriminelle, die für das Rehabilitationsprogramm »First Step Act« werben sollten, lebende Beweise, daß »wir immer die Macht haben, unser eigenes Schicksal zu gestalten«.
Amerika sei ein Land, »das an Erlösung glaubt.« Trump prahlte mit der boomenden Wirtschaft und der sinkenden Arbeitslosigkeit, wobei er zu etlichen Übertreibungen griff. Die Rede spielte also gekonnt auf der Klaviatur typisch amerikanischer Sentiments, und fand laut Umfragen entsprechend breite Zustimmung.
Auch die Einwanderungsfrage sprach Trump an, zeigte hier allerdings einen Bocksfuß:
Ich möchte, daß Menschen in unser Land kommen, in größeren Mengen als je zuvor, aber sie müssen auf legalem Weg kommen. Denn wir brauchen Menschen in unserem Land, weil unsere Arbeitslosenquoten so niedrig sind, und wir massive Zahlen von Firmen haben, die zurück in unser Land kommen.
Diese Forderung wiederholte er bei einem Treffen mit den Geschäftsführern größerer Unternehmen im Weißen Haus, unter ihnen Tom Donohue, Präsident der Handelskammer der USA:
Wir wollen, daß die Unternehmen wachsen, und die einzige Möglichkeit ist, daß wir ihnen Arbeitskräfte geben. Und die einzige Möglichkeit, Arbeitskräfte zu bekommen, ist genau das, was wir gerade tun.
Mit anderen Worten: Einwanderung ermögliche den Import von billigen Arbeitskräften. Das ist in der Tat ein gravierender Schritt weg von Trumps ursprünglichem populistischem Programm. Der altgediente Journalist Lou Dobbs kommentierte auf Fox News, daß dies zu einer Katastrophe für »arbeitende Männer und Frauen, kleine Betriebe und Unternehmer, für unsere Mittelschicht und die amerikanische Familie« führen könne: »Also dieselben Leute, die Trump seit Beginn seiner Kandidatur zu repräsentieren versprach.«
Wenn das so weitergeht, »wird der Kampf um die vergessenen Männer und Frauen dieses Landes vom selben Establishment entschieden werden, gegen das Trump angetreten ist.« »Mehr Einwanderung als je zuvor« wird natürlich auch die demographische Auflösung des weißen Kern-Amerika – weitgehend identisch mit Trumps Basiswählerschaft – beschleunigen.
Da die Wahlen in den USA schon längst entlang von Hautfarbe und ethnischer Herkunft entschieden werden, bedeutet dies, daß viele »rote« Staaten in wenigen Jahren unwiderruflich »blau« werden. Dieser demographische Hintergrund und die dadurch verursachten Rassenspannungen sind wohl die Hauptursache, warum Trump Linken wie Rechten als mitunter deliriöse Projektionsfläche gedient hat.
Beide sahen in ihm einen verkappten »weißen Nationalisten«, obwohl es dafür niemals auch nur den geringsten Anhaltspunkt gab. Allerdings weist das ursprüngliche Programm des nationalistischen Populismus oder sogar des »ökonomischen Nationalismus« à la Bannon in der Tat in eine »implizit weiße« Richtung.
Der Kulturkampf geht jedenfalls ungebrochen weiter, wobei der Bedarf an »weißen Rassisten« derart groß ist, daß sie ständig herbeiphantasiert werden müssen. Ein weißer, katholischer Schuljunge mit einer MAGA-Mütze wurde von den linken Medien zu einer wahren Haßikone des »weißen Überlegenheitsdenkens« aufgebaut, weil er es gewagt hatte, die Provokationen eines kauzigen Indianer-Opas mit einem ironischen Lächeln zu quittieren.
Der schwule, afroamerikanische Schauspieler Jussie Smollet fälschte gar einen lynchmobartigen Überfall auf seine Person durch weiße Männer mit MAGA-Mützen. Die Linke schürt also weiterhin den antiweißen Rassenhaß, während in der Popkultur »identitätspolitisch« wertvolle Filme gefeiert werden, vom Superheldenspektakel »Black Panther«, über »BlacKKKlansman« bis zum Oscar-Gewinner »Green Book«.
Auf der CPAC spielte die Schicksalsfrage Einwanderung nur eine geringe Rolle, und wurde einzig von der philippinischstämmigen Autorin Michelle Malkin angesprochen. Jungen, establishmentkritischen Rechten wurde gar der Zugang verwehrt: Nick Fuentes, Laura Loomer (Rebel Media) und Patrick Casey (American Identity Movement).
Auch Faith Goldy bekam zu spüren, daß man sie als persona non grata betrachtet. In der Tat steht es nicht gut um die verschiedenen dissidenten Rechten, die 2016 so hoffnungsfroh vitalisiert wurden. Milo Yiannopoulos wurde schon Anfang 2017 durch eine Skandalkampagne versenkt.
Die »Altright« zerfiel an den Folgen der desaströsen »Unite the Right«-Demonstration in Charlottesville im August 2017, bei der eine linke Aktivistin und zwei Polizisten ums Leben gekommen waren. Dies geschah ebenso durch äußeren Druck, etwa in Form von »Doxings«, wie auch durch innere Streitigkeiten.
Der Lieblingsschurke der Medien, Richard Spencer, hat sich mit großen Teilen der Szene überworfen, und spielt heute nur mehr eine marginalisierte Rolle. Die von Gavin McInnes gegründeten »Proud Boys«, eine Art patriotischer Männerbund, standen zwar politisch auf einer moderaten, dezidiert »antirassistischen« und libertären »MAGA«-Linie, hatten allerdings die fatale Neigung, sich auf Straßenkämpfe mit Antifas einzulassen.
Dies gab der Justiz eine Handhabe, sie zu zerschlagen und den Medien einen Vorwand, sie als gewalttätige »Neonazis« zu verzeichnen. Gewalt und Terror gegen Konservative und MAGA-Anhänger durch Antifaschisten ist weiterhin ein chronisches Problem, das von Trump völlig ignoriert wird.
Am 27. Oktober 2018 erschoß ein offenbar »altright«-inspirierter Attentäter elf Menschen in einer Synagoge in Pittsburgh. Er warf der jüdischen Pro-Flüchtlings-Organisation HIAS und den Juden generell vor, gezielt »Invasoren«, also Einwanderer, ins Land zu holen – letzteres wurde von Peter Beinart in der linksprogressiven jüdischen Zeitschrift The Forward ausdrücklich und mit Stolz bekräftigt (28. Oktober 2018).
Obwohl sich der Täter in Twitter- und Gab-Postings als Trump- und MAGA-Verächter zu erkennen gegeben hatte, beschuldigten jüdische Journalisten Trump, diese Tat durch eine »Atmosphäre des Hasses« gefördert zu haben. Wie andere ähnliche Taten hat auch dieses Massaker die Sache der Rechten schwer beschädigt.
Der Big-Tech-Boykott politisch rechtsstehender Personen und Medien scheint sich weiterhin zu verschärfen – so sperrte Amazon im März 2019 Dutzende Titel von Autoren wie Tommy Robinson, Jared Taylor und David Duke bis hin zum kompletten Verlagsprogramm des Portals Counter-Currents.
Der ehemalige Breitbart-Chef Steve Bannon, der 2016/17 zur grauen Eminenz hinter Trump dämonisiert worden war, verlor im August 2017 seinen Beraterposten im Weißen Haus, und tingelt seither erfolglos durch Europa und die USA, mit dem Ziel, den »Rechtspopulismus« zu einer ideologischen Einheitsfront zu schmieden.
Der wahre Mann im Schatten der Macht war allerdings bereits damals nicht Bannon, sondern Trumps medienscheuer Schwiegersohn Jared Kushner. Wie sein Schwiegervater stammt der 38-jährige aus einem reichen, nicht immer seriös operierenden Elternhaus, und war im Immobiliengeschäft, Investmentbanking und Medienbereich tätig.
Er wird von vielen Beobachtern als der zweitmächtigste Mann im Weißen Haus gehandelt. Kushner ist orthodoxer Jude, steht der Chabad-Bewegung nahe und hat gute Beziehungen zu Benjamin Netanjahu. Er wurde von Trump beauftragt, einen »Friedensplan« für den Nahen Osten auszuarbeiten, obwohl er dafür kaum Qualifikationen aufzuweisen hat.
Momentan scheint das Ziel zu sein, die Golfstaaten in eine Allianz gegen Netanjahus Lieblingsfeind Iran zu bringen, dem offenbar ein ähnliches Schicksal zugedacht ist wie dem Irak, Libyen und Syrien. Trump selbst rechnet es zu den Höhepunkten seiner Präsidentschaft, die amerikanische Botschaft nach Jerusalem verlegt zu haben.
Seine – und nicht nur seine – bedingungslose Hinwendung zu Israel wirft eine Menge Fragen auf, nicht zuletzt vom Standpunkt des »America First«. Trump und die Republikanische Partei wurden unter anderem von dem zionistischen Milliardär Sheldon Adelson mit Millionenbeiträgen gesponsert, was nichts anderes als den Erwerb politischer Macht bedeutet.
Die »Israel-Lobby« spielt in den USA eine derart bedeutende Rolle, daß Kritik daran schnell böse Konsequenzen haben kann, was nicht zuletzt der im Mai 2018 vom Kongreß beantragte »Anti-Semitism Awareness Act« beabsichtigt. In dieses Wespennest stach ironischerweise ein besonders gefeiertes Maskottchen der »Diversitäts«-Fanatiker: Die gebürtige Somalierin Ilhan Omar war im November 2018 dank ethnischer Wahl als erste Muslima überhaupt in den Kongreß gewählt worden.
Im Februar 2019 kritisierte sie via Twitter den Einfluß der Israel-Lobby AIPAC auf die amerikanische Politik. Sie wurde daraufhin seitens beider Parteien sowie von Trump selbst des »Antisemitismus« bezichtigt, während der »House Democratic Caucus« einhellig ihre Aussagen verurteilte – unter anderem auch ihre Beteuerung, sie wolle »über den politischen Einfluß in diesem Land sprechen, der besagt, daß es in Ordnung ist, die Loyalität zu einem fremden Land zu erzwingen.«
Daß dieser »Zwang« existiert, wurde gerade in den Reaktionen auf ihre Aussagen deutlich. Was Omar gesagt hatte, war faktisch korrekt und wurde dennoch konsequent verzerrt. Der »Antisemitismus«-Vorwurf fungierte darin als rein politische Waffe.
Einmal mehr wurde auch die sich stetig verschärfende politische Spaltung des amerikanischen Judentums sichtbar. Dieser Konflikt wird auch in Zukunft eine erhebliche politische Rolle spielen, während die pro-israelische Verve heute beinah das Einzige zu sein scheint, was vom Donald Trump des Jahres 2016 übriggeblieben ist.
Vielleicht hat er sich dem Druck der Kompromisse, des Deep State, der »Sachzwänge«, oder auch nur der Machtgier und diversen Einflüsterern gefügt. Vielleicht war sein »Rechtspopulismus« aber auch von Anfang nur eine Marktlücke, die es auszubeuten galt – und MAGA ein cleveres Geschäftsmodell.