Rod Dreher: Die Benedikt-Option

Rod Dreher: Die Benedikt-Option. Eine Strategie für Christen in einer nachchristlichen Gesellschaft, Kisslegg: fe-Verlag 2018. 400 S., 19.95 €

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Kann man sich vor­stel­len, daß ein Buch mit die­sem Titel in deut­schen Buch­hand­lun­gen als Sta­pel­wa­re aus­liegt? Sich ein­reiht in jene Sach­bü­cher von höchs­tem Inter­es­se, zur Zeit: Die gehei­me Spra­che der Kat­zen, Viva la Vagi­na, Am Arsch vor­bei geht auch ein Weg? In den USA war Die Bene­dikt-Opti­on im ver­gan­ge­nen Jahr ein Best­sel­ler. Sogar The New Yor­ker griff zu Super­la­ti­ven und sprach vom »meist­dis­ku­tier­ten und wich­tigs­ten reli­giö­sen Buch des Jahrzehnts«.

Nun ist die Situa­ti­on der Chris­ten hier­zu­lan­de schwer mit der Lage in den USA zu ver­glei­chen. Wer je im Aus­land als Christ mit Chris­ten ins Gespräch kam, kennt den spon­ta­nen Aus­spruch: Oh, aus Deutsch­land – du Ärms­ter! Dre­her zitiert einen Jour­na­lis­ten, der vor Jah­ren ernüch­tert von einer Euro­pa­rei­se zurück­kehr­te: In Deutsch­land stell­te der fest, »dass dort selbst die Erin­ne­rung dar­an, ein­mal christ­lich gewe­sen zu sein, im Schwin­den begrif­fen war. Schlimm genug, daß anti­christ­li­che Säku­la­ris­ten dar­an arbei­te­ten, den Glau­ben aus dem öffent­li­chen Leben zu drän­gen; noch schlim­mer war, dass Chris­ten ihre Aus­rot­tung selbst unter­stütz­ten und begüns­tig­ten.« Daß »irgend­was mit Chris­tus« auch bei uns pas­sa­bel läuft: Kei­ne Fra­ge mit Blick auf Katho­li­ken­ta­ge und ähn­li­che Events. 

Rod Dre­her, Jahr­gang 1967, lebt mit sei­ner Fami­lie in Loui­sia­na, er ist Kolum­nist und Schrift­stel­ler. Als jun­ger Mann kon­ver­tier­te er zum Katho­li­zis­mus, rund zwan­zig Jah­re spä­ter bekann­te er sich zur ortho­do­xen Kir­che. Das mögen gewich­ti­ge Schrit­te gewe­sen sein, hier nun spie­len die­se Feld­post­num­mern kei­ne Rol­le. Dre­her ist sicher nicht der Typ, der auf unbe­ding­tes Mit­ein­an­der der christ­li­chen Kon­fes­sio­nen aus ist – doch in gewis­sen Fra­gen, so fin­det er, muß es einen »öku­me­ni­schen Schüt­zen­gra­ben« geben als Ver­tei­di­gungs­li­nie gegen den Zeit­geist. Defen­si­ve also? Mit­nich­ten! Zumal die anti­christ­li­che Lin­ke »kein Inter­es­se an einem Ver­stän­di­gungs­frie­den« zei­ge. Man müs­se durch­aus angrei­fen, und zwar in der aller­bes­ten Absicht: um Got­tes König­reich zu ver­grö­ßern. Wer unter den heu­ti­gen Bedin­gun­gen nicht stand- und gegen­hält, ver­dam­me sei­ne Kin­der und Kin­des­kin­der zur Assi­mi­la­ti­on an den Main­stream. Dabei sei wich­tig, daß die Kin­der begrif­fen: Wir sind anders. Gut, wenn man ihnen eine leben­di­ge Gegen­kul­tur bie­ten kann! Dre­her geht davon aus, daß Chris­ten, die ihren Glau­ben ernst­neh­men, in Zukunft vor erns­ten Schwie­rig­kei­ten stün­den. Bei­spie­le: Jener bekann­te Kon­di­tor, der sich aus Glau­bens­grün­den wei­ger­te, eine Hoch­zeits­tor­te für ein schwu­les Ehe­paar zu kre­ieren. Der Apo­the­ker, der die »Pil­le danach« nicht feil­bie­ten will, der Arzt, der Abtrei­bun­gen und Eutha­na­sie ver­wei­gert, der Leh­rer, der gewis­se Gen­der­in­hal­te nicht mit­tra­gen will, jene Absol­ven­ten einer christ­li­chen Hoch­schu­le, denen die Aus­übung des Berufs ver­bo­ten wer­den soll, weil die Hoch­schu­le in LGBT-Ange­le­gen­hei­ten nicht pro­gres­siv sei. 

Aber kann man sich »si eti­am omnes – ego non« (auch wenn es alle tun – ich nicht) denn leis­ten? Dre­her beschei­det klug: Alles sei eine Fra­ge der Prio­ri­tä­ten. Nicht jede Aus­ein­an­der­set­zung sei »ein Hügel, auf dem sich zu ster­ben lohnt«. Manch­mal sei Schwei­gen ein Zei­chen der Beson­nen­heit. Ande­rer­seits gel­te es, wage­mu­tig zu sein und sich nicht ver­ein­nah­men zu las­sen für die fal­sche Sei­te: »Bes­ser ein Klemp­ner mit rei­nem Gewis­sen als ein mora­lisch kom­pro­mit­tier­ter Fir­men­an­walt.« Es ist ein schma­ler Grat, auf dem wir uns bewe­gen. Dre­her rät davon ab, sich auf den Wegen kon­ven­tio­nel­ler Poli­tik zu ver­aus­ga­ben. Wer Dre­hers »Bene­dikt-Opti­on« folgt, hat einen her­vor­ra­gen­den Wegweiser. 

Kei­ne Zei­le hier ist über­spannt, lar­moy­ant oder banal – man mag dies von einem US-ame­ri­ka­ni­schen Autoren kaum erwar­ten! Als Leit­schnur gilt, vor­treff­lich aus­ge­legt, die Regel des Hl. Bene­dikt von Nur­sia, deren Eck­pfei­ler (Ord­nung, Gebet, Aske­se, Bestän­dig­keit, Gemein­schaft etc.) hier als Pfei­ler des Wider­stands gel­ten. Dre­her hat die Mön­che in Nur­sia / Nor­cia besucht. Die­sen Got­tes­män­nern wird oft ent­ge­gen­hal­ten, sie ver­such­ten doch nur, »die Uhr zurück­zu­dre­hen« – wie reak­tio­när! Pater Mar­tins Ant­wort: »Wenn man etwas im Hier und Jetzt tut, dann heißt das, es geschieht im Hier und Jetzt. Es ist neu, und es ist leben­dig! Davon geht eine gro­ße Kraft aus.« Dre­hers Buch ist auch für Deut­sche emi­nent lesens­wert und sogar für Nicht­chris­ten – geht es hier doch auch um ein Stand­hal­ten und um Gewis­sens­fra­gen in einem über­ge­ord­ne­ten Sinne.

Die zehn Kapi­tel (etwa »Die Wur­zeln der Kri­se«; als Zeit­mar­ken gel­ten hier Ock­hams nomi­na­lis­ti­sche Wen­de, Refor­ma­ti­on, Auf­klä­rung und »das ver­häng­nis­vol­le« 19. Jahr­hun­dert) sind klar geglie­dert, die Spra­che so anspruchs­voll wie klar ver­ständ­lich, die Über­set­zung bra­vou­rös. Natür­lich, schreibt Dre­her, wol­len wir alle das behal­ten, was wir haben. Aber dies sei der »Weg zum geist­li­chen Tod«. Er gibt ein Bei­spiel: »Als der römi­sche Pro­kon­sul dem Hl. Poly­karp androh­te, ihn auf dem Schei­ter­hau­fen ver­bren­nen zu las­sen, wenn er nicht den Kai­ser anbe­te, erwi­der­te der Bischof, der Pro­kon­sul kön­ne nur mit dem zeit­li­chen Feu­er dro­hen, und das sei nichts im Ver­gleich zu dem ewi­gen Feu­er, das die Gott­lo­sen erwarte.«
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Die Bene­dikt-Opti­on von Rod Dre­her kann man hier bestel­len.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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