Benjamin Kaiser: Kulturmarxismus, Zühlsdorf: Seuse-Verlag 2018. 264 S., 22,90 €
Der große Transformationsprozeß, der vor unseren Augen sukzessive abläuft, ist in seinen Umrissen leicht zu beschreiben: Die traditionell »haltenden Mächte« (Hans Freyer) Familie, Glaube und Nation verlieren einerseits in den westlichen Ländern (primär durch ein verändertes Lebensgefühl) an Bedeutung; andererseits verkünden die längst global vernetzten Propagandisten einer neuen Gesellschaft unüberhörbar ihre Vorstellungen eines Surrogats: Buntheit, Offenheit und Toleranz soll zukünftig das Zusammenleben vermehrt prägen. Die vielfältigen, zum größten Teil erfolgreichen Versuche, diese Ziele in die Praxis umzusetzen, sind bereits häufiger Gegenstand umfangreicherer Schriften. Benjamin Kaiser vermehrt die vorhandene Produktion um eine weitere, sehr lesenswerte Publikation. Er subsumiert die Umsturzbestrebungen, die im Gegensatz zu herkömmlichen Revolutionen oft ohne größeres Getöse, aber sehr wirkmächtig vor sich gehen, unter die analytische Kategorie »Kulturmarxismus«. Diese ist relativ umfassend, da sie auch Tendenzen modern-individualistischer Konsumkultur und ihrer Implikationen, etwa der Agitation zugunsten der »sexuellen Vielfalt«, umfaßt. Selbst auf das weithin verweltlichte Christentum der Gegenwart übt dieses Gedankengut wichtige Einflüsse aus.
Diese Deutung ermöglicht es dem Autor, kulturgeschichtliche Anknüpfungspunkte für seine Interpretation zu finden. In den 1920er und 1930er Jahren kommt es innerhalb diverser neomarxistischer Zirkel zu einem entscheidenden Wandel der Sichtweise: Besonders Vertreter der so genannten Frankfurter Schule, die Kaiser in dem Kapitel »Der Sonderweg des westlichen Kommunismus« kurz thematisiert, aber auch ein einflußreicher Stratege wie Antonio Gramsci verfolgen die Absicht, der Erringung der kulturellen Hegemonie Priorität einzuräumen und höchstens indirekt wollen sie eine neue ökonomische Ordnung etablieren.
Vieles kommt uns beim Lesen der Abschnitte – stellvertretend sind »Die Macht der Medien«, »Feindbild Familie« und »›Willkommenskultur‹ als revolutionärer Akt« zu nennen – bekannt vor; und doch bestechen die profunden Begründungen des Autors. Ob mit der Kategorie des »Kulturmarxismus« in wissenschaftsanalytischer Hinsicht viel zu gewinnen ist, darf jedoch bezweifelt werden.
Kulturmarxismus von Benjamin Kaiser kann man hier bestellen.