»Identitätspolitik sieht in Menschen vor allem Angehörige spezifischer Opfergruppen. Nicht Gleichheit, sondern die Anerkennung eines spezifischen ›Anders-Seins‹ steht im Zentrum.«
Was im amerikanischen Kultur- und Politikbetrieb seit geraumer Zeit als identity politics bezeichnet wird, rührt aus linken Befreiungsbewegungen von Schwarzen und Frauen her. Sobald diese nicht länger auf Stärke und Gleichstellung ausgerichtet waren, sondern – meist von linken Anführern, Sophie Liebnitz hat dafür den Ausdruck »Stellvertreterminoritäre« geschaffen – im Minderheitenstatus einen Grund fand, Opfer »des Systems« zu sein, ging es den vormals auf Gleichheit gepolten Unterdrückten plötzlich ums Anderssein.
Amerikanische Schwarze nennen sich jetzt »People of Color« (PoC) und verteidigen an Universitäten und in den sozialen Medien erbittert ihre Unterdrückung – sonst hätten sie nämlich nichts zu melden. Daß das ein waschechtes Paradox ist, fällt den hier zusammengebrachten Autoren auch auf. »Identitätspolitik« verstrickt sich in den Widerspruch zwischen ur-linkem Anspruch nach Gleichheit und utopischer Auflösung aller Klassen- und Herrschaftsdifferenzen auf der einen Seite und dem Beharren auf unauflöslicher Ungleichheit auf der anderen Seite. »Identität« ist in diesem Verständnis des Begriffs ein Spätprodukt der cultural left – hierzulande:»Kulturmarxismus« –, sodaß einige Beiträger nach der alten Linken seufzen, der das alles noch fremd war. Das zweite Paradox der »Identitätspolitik« spannt sich zwischen den Polen Identität als sprachlicher Zuschreibung versus Identität als wirklichem Sein auf. »Schwarzsein« ist mal bloße Diskurskonstruktion und andermal rassische Beschaffenheit.
Diese Paradoxien vorzuführen gelingt den Beiträgern (von Frank Furedi bis Mark Lilla und Jordan Peterson hat der Herausgeber große Namen aus dem amerikanischen liberalkonservativen Lager zu Einlassungen gewinnen können) mit kritischer Genauigkeit.
Schwierig wird es, wenn mit diesem Sezierbesteck am europäischen rechten Identitätsbegriff geschnippelt wird. Es ist geradezu absurd falsch zu behaupten, »Identität« wäre bloß ein den linken Kulturmarxisten abgeluchstes Opferdenken. »Die Opferrolle wurde zur wichtigen kulturellen Quelle für Identitätskonstruktion« schreibt Furedi in seinem Text über den »Siegeszug einer antiaufklärerischen Idee«. Das ist ausgemachter Unsinn. Herder hat mit seinem Volksgedanken etwas komplett anderes in die Welt gesetzt als die linken Stellvertreterminoritären. Wo ist bei Herder, bei den Gegenaufklärern des 18. Jahrhunderts, in der Konservativen Revolution von Opferrolle die Rede? Nur weil beides heute äquivok zusammengerührt wird, »Identität« im Sinne von amerikanischem Diskurs-Gerangel um die besten Opferplätze im safe space, und »Identität« im Sinne von Selbstsein und Verwurzelung im eigenen Volk, kann man darauf kommen.
Großmeister des Zusammenrührens ist notorious Volker Weiss, der mehrere Antaios-Autoren kontextungebunden abwatschen darf, damit der Herausgeber nicht in Verdacht gerät, zu weit rechts zu stehen, wenn er seine Beiträger die Irrtümer der kulturellen Linken kritisieren läßt. Lehrreich ist der Sammelband in einer Hinsicht: Bloß nicht als Rechte mit unseren Kernbegriffen selber in den Strudel der Minoritäten- Disputiererei (»Minderheit im eigenen Land«, »Rassismus gegen Weiße«) hineinzugeraten, der uns, wie Martin Lichtmesz in seinem neuen Rassismus-Kaplaken zeigt, auch in Europa zu erfassen droht! Denn dann mischen wir kräftig mit in den »Identitätspolitiken«, gern im postmodernen Plural.
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