Johannes Richardt (Hrsg.): Die sortierte Gesellschaft.

Johannes Richardt (Hrsg.): Die sortierte Gesellschaft. Zur Kritik der Identitätspolitik, Frankfurt a. M.: Novo Argumente Verlag 2018. 193 S., 16 €

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

»Iden­ti­täts­po­li­tik sieht in Men­schen vor allem Ange­hö­ri­ge spe­zi­fi­scher Opfer­grup­pen. Nicht Gleich­heit, son­dern die Aner­ken­nung eines spe­zi­fi­schen ›Anders-Seins‹ steht im Zentrum.«
Was im ame­ri­ka­ni­schen Kul­tur- und Poli­tik­be­trieb seit gerau­mer Zeit als iden­ti­ty poli­tics bezeich­net wird, rührt aus lin­ken Befrei­ungs­be­we­gun­gen von Schwar­zen und Frau­en her. Sobald die­se nicht län­ger auf Stär­ke und Gleich­stel­lung aus­ge­rich­tet waren, son­dern – meist von lin­ken Anfüh­rern, Sophie Lieb­nitz hat dafür den Aus­druck »Stell­ver­tre­ter­mi­no­ri­tä­re« geschaf­fen – im Min­der­hei­ten­sta­tus einen Grund fand, Opfer »des Sys­tems« zu sein, ging es den vor­mals auf Gleich­heit gepol­ten Unter­drück­ten plötz­lich ums Anderssein.

Ame­ri­ka­ni­sche Schwar­ze nen­nen sich jetzt »Peo­p­le of Color« (PoC) und ver­tei­di­gen an Uni­ver­si­tä­ten und in den sozia­len Medi­en erbit­tert ihre Unter­drü­ckung – sonst hät­ten sie näm­lich nichts zu mel­den. Daß das ein wasch­ech­tes Para­dox ist, fällt den hier zusam­men­ge­brach­ten Autoren auch auf. »Iden­ti­täts­po­li­tik« ver­strickt sich in den Wider­spruch zwi­schen ur-lin­kem Anspruch nach Gleich­heit und uto­pi­scher Auf­lö­sung aller Klas­sen- und Herr­schafts­dif­fe­ren­zen auf der einen Sei­te und dem Behar­ren auf unauf­lös­li­cher Ungleich­heit auf der ande­ren Sei­te. »Iden­ti­tät« ist in die­sem Ver­ständ­nis des Begriffs ein Spät­pro­dukt der cul­tu­ral left – hierzulande:»Kulturmarxismus« –, sodaß eini­ge Bei­trä­ger nach der alten Lin­ken seuf­zen, der das alles noch fremd war. Das zwei­te Para­dox der »Iden­ti­täts­po­li­tik« spannt sich zwi­schen den Polen Iden­ti­tät als sprach­li­cher Zuschrei­bung ver­sus Iden­ti­tät als wirk­li­chem Sein auf. »Schwarz­sein« ist mal blo­ße Dis­kurs­kon­struk­ti­on und ander­mal ras­si­sche Beschaffenheit.

Die­se Para­do­xien vor­zu­füh­ren gelingt den Bei­trä­gern (von Frank Fure­di bis Mark Lil­la und Jor­dan Peter­son hat der Her­aus­ge­ber gro­ße Namen aus dem ame­ri­ka­ni­schen libe­ral­kon­ser­va­ti­ven Lager zu Ein­las­sun­gen gewin­nen kön­nen) mit kri­ti­scher Genauigkeit.

Schwie­rig wird es, wenn mit die­sem Sezier­be­steck am euro­päi­schen rech­ten Iden­ti­täts­be­griff geschnip­pelt wird. Es ist gera­de­zu absurd falsch zu behaup­ten, »Iden­ti­tät« wäre bloß ein den lin­ken Kul­tur­mar­xis­ten abge­luchs­tes Opfer­de­n­ken. »Die Opfer­rol­le wur­de zur wich­ti­gen kul­tu­rel­len Quel­le für Iden­ti­täts­kon­struk­ti­on« schreibt Fure­di in sei­nem Text über den »Sie­ges­zug einer anti­auf­klä­re­ri­schen Idee«. Das ist aus­ge­mach­ter Unsinn. Her­der hat mit sei­nem Volks­ge­dan­ken etwas kom­plett ande­res in die Welt gesetzt als die lin­ken Stell­ver­tre­ter­mi­no­ri­tä­ren. Wo ist bei Her­der, bei den Gegen­auf­klä­rern des 18. Jahr­hun­derts, in der Kon­ser­va­ti­ven Revo­lu­ti­on von Opfer­rol­le die Rede? Nur weil bei­des heu­te äqui­vok zusam­men­ge­rührt wird, »Iden­ti­tät« im Sin­ne von ame­ri­ka­ni­schem Dis­kurs-Geran­gel um die bes­ten Opfer­plät­ze im safe space, und »Iden­ti­tät« im Sin­ne von Selbst­sein und Ver­wur­ze­lung im eige­nen Volk, kann man dar­auf kommen. 

Groß­meis­ter des Zusam­men­rüh­rens ist noto­rious Vol­ker Weiss, der meh­re­re Antai­os-Autoren kon­text­un­ge­bun­den abwat­schen darf, damit der Her­aus­ge­ber nicht in Ver­dacht gerät, zu weit rechts zu ste­hen, wenn er sei­ne Bei­trä­ger die Irr­tü­mer der kul­tu­rel­len Lin­ken kri­ti­sie­ren läßt. Lehr­reich ist der Sam­mel­band in einer Hin­sicht: Bloß nicht als Rech­te mit unse­ren Kern­be­grif­fen sel­ber in den Stru­del der Mino­ri­tä­ten- Dis­pu­tie­re­rei (»Min­der­heit im eige­nen Land«, »Ras­sis­mus gegen Wei­ße«) hin­ein­zu­ge­ra­ten, der uns, wie Mar­tin Licht­mesz in sei­nem neu­en Ras­sis­mus-Kapla­ken zeigt, auch in Euro­pa zu erfas­sen droht! Denn dann mischen wir kräf­tig mit in den »Iden­ti­täts­po­li­ti­ken«, gern im post­mo­der­nen Plural.

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Die sor­tier­te Gesell­schaft von Johan­nes Richardt kann man hier bestel­len.

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

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