Benjamin Hasselhorn: Königstod. 1918 und das Ende der Monarchie in Deutschland, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2018. 190 S., 22 €
Was wäre, wenn der letzte Hohenzollern-Herrscher sich zum Abschluß des Krieges an der Spitze eines Kommandos an die Front begeben hätte und dort gefallen wäre? Der Vorschlag stand tatsächlich im Raum, als sich die bevorstehende Niederlage des Deutschen Reiches abzeichnete, die künftige Verfassung aber noch ungewiß war. Vieles war offen und ein Hoffen auf eine Fortführung einer deutschen (parlamentarisch demokratisierten) Monarchie bis zur Novemberrevolution nicht absurd. Doch glaubte mancher am Berliner Hof, daß nur ohne den im Ausland perhorreszierten Wilhelm II. das Kaiserreich in der Nachkriegsordnung akzeptabel sein würde.
Ein gefallener »Heldenkaiser« hätte seinem Nachfolger einen Sympathievorsprung geschenkt und zugleich die demütigende Rache der Siegermächte an demjenigen verhindert, den die Entente-Propaganda zum Hauptschuldigen am Krieg erkoren hatte. Der Kaiser lehnte solche Ansinnen und zunächst auch den Verzicht auf den Thron – aus nachvollziehbaren Gründen – ab, bekanntlich um dann dennoch fluchtartig das Land zu verlassen. Dies war seinem Ansehen damals und auch seinem Nachruhm wenig förderlich.
Königstod zeichnet die letzten Wochen im Amt mit Blick auf die Rationalität des herrscherlichen Handelns, die Kräftekonstellation und Möglichkeiten sowie des Kaisers eigenes Weltbild und seine Theologie nach. Auch wenn Hasselhorn zu Beginn ein »Gedankenspiel« ankündigt: Es ist keine Eventualgeschichte ausgehend von einem Fronttod des Kaisers daraus entstanden, sondern eine Art historiographischer Miniatur des Verhängnisses, in dem sich Wilhelm II. zu Ende seiner Amtszeit befand. Von theologischen und mythischen Topoi (Königsopfer und Heldentod) über die politische Geschichte des Zweiten Reiches bis zur Stellung der Kirchen um die vorige Jahrhundertwende und die »Wiederkehr des Mythos« im 20. Jahrhundert: es sind sehr, sehr viele Bezüge und Verbindungen, die hier um den bislang letzten preußisch-deutschen Monarchen herum aufgestellt werden. Hasselhorn referenziert viel, was dem belesenen Konservativen lieb und teuer ist, von George über Tolkien bis Raspail.
Dies und die über 250 Fußnoten machen das durchaus kurzweilige Lesebuch zum guten Freund eines jeden, der sich für Königtum, rechte Kulturgeschichte und Metapolitik interessiert. Diese Stärke des Bandes ist zugleich seine Schwäche, denn einen roten Faden besitzt die Darstellung nicht. Thema häuft sich auf Thema, stets nur angerissen, bis sich im Leser die Frage formt, auf welches Ziel der Autor mit seiner mäandernden Abhandlung eigentlich zusteuert.
Im abschließenden Kapitel »Monarchie im 21. Jahrhundert« klärt sich manche Verwirrung. Anhand metapolitischer und politischer Gegenwartsphänomene wagt der Autor ein starkes und mutiges Plädoyer für die Wiederaneignung der Tradition. Dies verbindet er mit einer strengen Absage an den ortlosen, herkunftsvergessenen Moralismus. Es ist ihm nicht darum zu tun, gleich die Monarchie wieder einzuführen, aber es »mehren sich die Anzeichen, dass sich dieser Weltverbesserungsfuror totläuft«. So gibt der 1986 geborene Historiker und Theologe mit sanftem Humor und großer Quellenkenntnis überzeugend einfache Antworten auf pseudokomplexe Fragen: »Wie schafft und erhält man gesellschaftliche ›Homogenität‹? (…) Die Antwort lautet: Tradition«. Auf Grundlage solcher klugen Verortungen kann eine konservative Wende im 21. Jahrhundert angegangen werden.
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