Martin van Creveld: Hitler in Hell. Was er noch zu sagen hätte … Graz: Ares Verlag 2018. 416 S., 29.90€
In drei Großkapitel geteilt, läßt der bekannte israelische Militärhistoriker van Creveld Hitler sein Leben nacherzählen: auftrumpfend, allwissend und schockierend offen. Wien war die Schule seines Lebens. Nach München zog er, weil er im verachteten Habsburgerreich keinen Wehrdienst leisten wollte. Der Krieg ist ihm wie eine Erlösung erschienen, jedoch wich die anfängliche Begeisterung bald dem Schrecken. Für die Niederlage verantwortlich war das Fehlen einer schlagkräftigen Propaganda, wie sie die Gegner betrieben. Hitlers Schluß: Propaganda müsse nicht wahr, sie müsse überzeugend sein. Die Kriegsniederlage Deutschlands trieb ihn in die Politik. Der Zorn auf die politischen Umstände der Jahre 1918 / 19 habe aus ihm einen wirksamen Redner gemacht.
Die erste Maßnahme nach der Machtergreifung sei ein Treffen mit den höchsten militärischen Führern der Reichswehr gewesen, wobei Hitler ihnen eröffnete, umfangreich aufzurüsten. Obwohl die Generalität sich darüber freute, wollte sie unter keinen Umständen Krieg führen. Die Generäle seien Waschlappen gewesen, keine Bluthunde, die man an die Kette legen mußte. Viele ihres Standes seien im Innersten Feiglinge gewesen. Nur die Lage in der Bundeswehr sei noch schlimmer: »Heute scheint Feigheit in Berlin kein Hindernis auf dem Weg ins Oberkommando zu sein, sondern eine Grundvoraussetzung dafür.« Hitler wollte den Krieg mit Polen. Priorität habe für ihn immer die Lebensraumfrage und das Verhalten Rußlands gehabt. Mit der Entscheidung, sich nach Osten zu wenden, habe er Englands letzte Hoffnung, seinen »Festlandsdegen«, ausschalten und damit gleichzeitig das Überleben des deutschen Volkes für die kommenden 1000 Jahre sicherstellen wollen. Der Krieg habe ihn davon abgehalten, Europa so umzuformen, wie er es geplant hatte. Aber er habe ihm erlaubt, den Kontinent von den Juden zu befreien. Und er habe niemandem gestattet, ihn von diesem Ziel abzubringen. Hitler bekennt, er allein sei verantwortlich für die Ermordung der Juden.
Durch den Mund des »Führers« kritisiert der Autor manche Fehlentwicklung. Dies trifft etwa auf »Hitlers« vernichtendes Urteil über die mangelnde Kampfkraft westlicher Truppen nach 1945 zu. Heutige Soldaten seien »hilflose Fachidioten und Weicheier« Creveld selbst läßt sich von Hitler als »einen bedeutenden israelischen Historiker« loben, der geschrieben habe: »In der gesamten Geschichte findet man keine Soldaten, die besser gekämpft hätten als unsere deutschen im Zweiten Weltkrieg.« Wie Creveld sagt sein Alter ego u. a., daß Frauen in den Streitkräften sich viel mehr Verletzungen zuziehen als Männer, und daß in fünf Jahren NS-Herrschaft für weibliche Berufstätige mehr geleistet wurde als in der Weimarer Republik. Die Art der Darstellung gestattet es dem Autor, zahlreiche Thesen, Analysen und Interpretationen seiner Historiker-Kollegen zu Hitler – von diesem selbst – als haltlos vom Tisch zu wischen, etwa zu dessen Antisemitismus, zu seinem Verhältnis zu Frauen, seiner physischen und psychischen Gesundheit usw. Denn wer wüßte besser als Hitler selbst, wie es wirklich gewesen ist?
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