Roger Scruton: Bekenntnisse eines Häretikers

Roger Scruton: Bekenntnisse eines Häretikers. Zwölf konservative Streifzüge, Lüdinghausen / Berlin: Manuscriptum 2019. 238 S., 26 €

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

In der Selbst­be­schrei­bung als »Häre­ti­ker« steckt immer ein Stück­chen Eitel­keit, weil sich bei dem Begriff unwill­kür­lich Asso­zia­tio­nen vom dunk­len Ver­ließ bis zum Schei­ter­hau­fen ein­stel­len, die immer an die Wur­zel der Exis­tenz rüh­ren. Außer­dem stellt der Ket­zer sei­ne Ansich­ten in aller Regel über sein Leben, was es schwer macht, sich ihn als San­gui­ni­ker vorzustellen. 

All das trifft so gar nicht auf Roger Scrut­on (geb. 1944) zu, den Phi­lo­so­phen, der dem Leser in der vor­lie­gen­den Auf­satz­samm­lung als ein freund­li­cher, sei­ne Wor­te wägen­der, lebens­fro­her alter Herr ent­ge­gen­tritt, dem man gern zuhört (und größ­ten­teils auch folgt). Er spielt mit die­ser Selbst­be­schrei­bung auf die gegen­wär­ti­ge Situa­ti­on an, in der vom Main­stream abwei­chen­de Mei­nun­gen leicht in den Geruch des Ket­ze­ri­schen kom­men. Die zwölf Essays haben durch­aus häre­ti­sches Poten­ti­al, wenn Scrut­on über das Sagen des Unsag­ba­ren, Beob­ach­tun­gen aus dem täg­li­chen Leben oder die Ver­tei­di­gung des Wes­tens gegen den isla­mi­schen Herr­schafts­an­spruch sinniert. 

Für letz­te­re ver­sam­melt er Merk­ma­le west­li­cher Gesell­schaf­ten, die sie vom Islam unter­schei­den und die es zu ver­tei­di­gen gilt. Scrut­on zeigt uns, was wir an uns haben und will, daß wir die­se Eigen­hei­ten bewußt pfle­gen, weil sie sonst zu leicht als Neben­säch­lich­keit betrach­tet wer­den, was der ers­te Schritt zur Auf­ga­be wäre. Das sind dann nicht nur so grund­sätz­li­che Din­ge wie Bür­ger­rech­te, Natio­nal­staat und Chris­ten­tum, son­dern auch Din­ge wie die Iro­nie oder das Trin­ken: »es bringt Frem­de zusam­men in einer Gemüts­ver­fas­sung kon­trol­lier­ter Aggres­si­on, man fühlt sich in der Lage und bereit, sich für alles Mög­li­che zu enga­gie­ren, was im Lauf einer Unter­hal­tung The­ma wird.« Auf der ande­ren Sei­te des Spek­trums sei­ner Zunei­gung steht die Haus­kat­ze bzw. deren Halter. 

Im Gegen­satz zu ande­ren Haus­tie­ren kön­ne man sich Kat­zen nicht dienst­bar machen, da sich alles »in ihrer Natur« nur auf das eine Ziel rich­te, »zu töten«. Kat­zen sind, da sie Vögel und Klein­säu­ge­tie­re jagen, Schäd­lin­ge, wes­halb es das Schlimms­te sei, »daß es dank der Sen­ti­men­ta­li­tät bri­ti­scher Tier­freun­de als Ver­bre­chen gilt, sie abzu­schie­ßen«. Mit ande­ren Wor­ten: Scrut­on ist bei aller Wert­schät­zung der Ver­gan­gen­heit und der Beschau­lich­keit nicht sen­ti­men­tal, son­dern durch­aus Realist. 

Das wird auch bei einem alten Streit­the­ma, der Ster­be­hil­fe, deut­lich. Scrut­on macht es sich hier nicht ein­fach, son­dern trennt zwi­schen geis­ti­gem und kör­per­li­chem Ver­fall. Bei schwe­rem Lei­den plä­diert er für die Ster­be­hil­fe, nicht zuletzt um den frag­wür­di­gen Mög­lich­kei­ten der Lebens­ver­län­ge­rung etwas ent­ge­gen­zu­set­zen. Gegen den geis­ti­gen Ver­fall emp­fiehlt er den Mut, der zu einem ris­kan­ten Leben gehört. Das hält geis­tig fit! Bei ande­ren The­men, wie dem Bau­en, dem Umwelt­schutz und dem Regie­ren all­ge­mein, tritt ver­ein­zelt eine gewis­se Unzu­läng­lich­keit der Ant­wor­ten, die Scrut­on auf die Her­aus­for­de­run­gen der Gegen­wart geben kann, zutage.

Natür­lich wäre es schö­ner, wenn wir alle in Orten leb­ten, die mensch­li­chem Maß ent­spre­chen und sich in allen Belan­gen in die Umwelt inte­grie­ren. Doch sind wir dafür nicht ein­fach zu vie­le? Hier liegt ein Pro­blem, um das Scrut­on einen Bogen macht. Etwas wider­sprüch­lich sind sei­ne Aus­sa­gen zum Staat, den er einer­seits gegen die Liber­tä­ren ver­tei­digt, ihn ande­rer­seits aber als Urhe­ber der Umwelt­ver­schmut­zung zum Grund­übel erklärt. Die­se Klei­nig­kei­ten for­dern den Leser zum Wider­spruch her­aus und bestär­ken ihn gleich­zei­tig dar­in, daß Scrut­ons Essays der­zeit zu dem Bes­ten gehö­ren, was unse­re Sei­te auf­zu­bie­ten hat. 

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Bekennt­nis­se eines Häre­ti­kers von Roger Scrut­on kann man hier bestel­len.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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