Patrick Deneen: Warum der Liberalismus gescheitert ist

Eine Rezension von Felix Dirsch

Patrick Deneen: War­um der Libe­ra­lis­mus geschei­tert ist. Aus dem Ame­ri­ka­ni­schen von Brit­ta Schrö­der, Salz­burg / Wien: Muery Salz­mann 2019. 292 S., 28 €

Eine fun­dier­te Kri­tik des Libe­ra­lis­mus zu ver­fas­sen, ist kein ein­fa­ches Unter­fan­gen. Der Haupt­grund dafür liegt in des­sen (wenigs­tens schein­ba­rer) Alter­na­tiv­lo­sig­keit im frei­en Euro­pa nach 1945. Erst recht trifft die qua­si­re­li­giö­se Über­hö­hung in den letz­ten drei Jahr­zehn­ten zu, als sich die Ver­tre­ter des Libe­ra­lis­mus (ein wenig vor­ei­lig) sogar am »Ende der Geschich­te« wähnten. 

Die domi­nan­ten Schich­ten ver­ga­ßen ange­sichts ihres Sie­ges nicht sel­ten, daß die bedin­gungs­lo­se Aus­wei­tung der Frei­heit zu unver­meid­li­chen Apo­rien füh­ren muß­te: Ent­fes­sel­te öko­no­mi­sche Dere­gu­lie­rung beding­te star­ke Ungleich­heit; eine Über­hö­hung des Wür­de­ge­dan­kens hat­te zwangs­läu­fig schran­ken­lo­se Inklu­si­on zur Fol­ge und tan­gier­te die eige­nen rechts- und sozi­al­staat­li­chen Insti­tu­tio­nen. Nur weni­ge Publi­ka­tio­nen der letz­ten Jah­re haben die­se Ent­wick­lung so sehr auf den Punkt gebracht wie die Schrift von Deneen. Sie muß das Estab­lish­ment irri­tie­ren, da sie das Para­do­xon der Digi­tal­mo­der­ne aus­buch­sta­biert: Um so grö­ße­re Frei­hei­ten auf der einen Sei­te bewir­ken um so grö­ße­re Ein­schrän­kun­gen auf der anderen. 

Kon­kret exem­pli­fi­ziert: Der fak­ti­sche Weg­fall äuße­rer (natio­na­ler) Gren­zen schafft ver­mehrt Par­al­lel­ge­sell­schaf­ten und damit kul­tu­rel­le wie (sicherheits-)politische Limi­tie­run­gen im Inne­ren. Wei­ter belegt der Autor mate­ri­al­reich, wie der zuneh­men­de Indi­vi­dua­lis­mus eine ver­mehr­te Regu­lie­rung von oben nötig macht. Wider­sprü­che, wohin man auch blickt! Deneen wie­der­holt die auf dem Feld der poli­ti­schen Theo­rie oft geäu­ßer­ten Ein­wän­de gegen das Men­schen­bild des Libe­ra­lis­mus, das von grund­sätz­li­chem ato­mis­ti­schem Kon­struk­ti­vis­mus ohne gemein­schaft­li­che Bin­dun­gen bestimmt ist. Der klas­si­sche Libe­ra­lis­mus, wie er sich im 18. und 19. Jahr­hun­dert vor allem in Eng­land aus­ge­bil­det hat, sieht die Gene­se der bür­ger­li­chen Per­sön­lich­keit vor allem durch Affekt- und Trieb­kon­trol­le bedingt. 

Der Libe­ra­lis­mus (als »Anti­kul­tur«) im kon­su­mis­ti­schen Zeit­al­ter expo­niert sein Ide­al hin­ge­gen übli­cher­wei­se in per­mis­siv-hedo­nis­ti­schen Lebens­ent­wür­fen und Min­der­hei­ten­pri­vi­le­gie­rung. Vor einem sol­chen Hin­ter­grund ver­wun­dert es nicht, daß der Autor selbst der »illi­be­ra­len Demo­kra­tie« (jeden­falls in wohl­be­stimm­ter Hin­sicht) etwas abge­win­nen kann. Er ist auf der Suche nach recht ver­stan­de­ner Frei­heit. Zu den span­nends­ten Kapi­teln zählt die Suche des Autors nach einer »Alter­na­ti­ve zum libe­ralok­ra­ti­schen Despotismus«. 

Er will kein Zurück in vor­li­be­ra­le Zei­ten; viel­mehr geht es ihm dar­um, das posi­ti­ve Erbe des Libe­ra­lis­mus, die Frei­heit im Sin­ne bür­ger­li­cher wie indi­vi­du­el­ler Selbst­re­gie­rung samt eini­ger christ­lich-huma­nis­ti­scher Tra­di­tio­nen, als Qua­si-Ide­al her­aus­zu­stel­len und gleich­zei­tig vor dem Stre­ben nach bin­dungs­lo­ser Auto­no­mie, Kon­su­mis­mus und Per­mis­si­vi­tät zu war­nen. Auf das Ende des Libe­ra­lis­mus zielt also auch das Kapi­tel »Nach dem Libe­ra­lis­mus« in kei­ner Wei­se ab. Deneen besitzt nur den Mut zu offen­kun­di­gen Schlußfolgerungen. 

_________________
War­um der Libe­ra­lis­mus geschei­tert ist von Patrick Deneen kann man hier bestel­len.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)