Hier wäre das Kontrastprogramm zum oben besprochenen Buch: Nichts mit »gemietlich«, im Gegenteil! Peter Larsen ist Volldampfreporter. Er weiß, wie man zu Meriten kommt, vom Chef warm umarmt wird, Follower und Likes generiert, Schlagzeilen produziert. Larsen weiß um das passende Brillengestell und die richtige Klamotte, um auch äußerlich als einer von denen zu gelten, die vorn dran sind. Er ist ein »Kriegsreporter mit Stil«! Die vierte Macht, die Leitmedien! Neben den heißesten Geschichten aus krassesten Krisenregionen (»Kinder gehen immer, das wird schön emotional, einen weißen Kittel, kann ich auch gleich noch posten, von wegen großartige syrische Ärzte«) betreibt Larsen die Kolumne »Taxi Tripolis«. 1531 Zeichen täglich, fingierte Gespräche »über die libysche Lage« – in Wahrheit handelt es sich um »Beobachtungen, die keiner gemacht hat, schon gar nicht Larsen, aber egal.«
Larsen ist ein genialer Hütchenspieler. Klar, er war mal in Libyen und Jordanien. Vor allem in den Hotelbars dort, unter whiskytrinkenden Veteranen. Kraß genug, wenn dauernd der Strom ausfällt und das Internet labil ist! Dann punktet unter den Berichterstattern der, der zuerst Netz hat. Es ist ja überall ähnlich; kritische Kinofilme wie Schlafkrankheit (2011) und Das Wetter in geschlossenen Räumen (2016) haben es vorexerziert: Irgendwo gibt es eine Front. Anderswo gibt es Nachtclubs mit norwegischen Entwicklungshelferinen, heftigen Drums und einem geilen Leben. Larsen zieht es zu letzterem. Er berichtet, als ob er an der Front wäre. Man hat seine Netzwerke, man ist kein Lügner, allenfalls ein Fälscher. Die Leute da draußen, im Westen, vor der Glotze, sind heiß auf Nachrichten aus immergleichen Versatzstücken, anrührenden Imaginationen und übergeordneten Überlegungen (»Schuld, Sühne, Machiavelli, Marx«). Larsen kommt hervorragend durch mit seiner die Zuschauergewohnheiten bedienenden, medioker aufgepeppten Berichterstattung.
Eine Kleinigkeit bringt ihn zu Fall. Er veröffentlicht ein Interview mit einem temperamentvollen libyschen Kunstsammler. Darin zwei heikle Stellen: »Juden« und »Deutsches Volk«. Superstar Larsen verliert seine Anstellung. So darf man seine Gesprächspartner nicht reden lassen! Aber auch als »Freier« hat er sein Auskommen. Es ist so einfach: Eine schlimme Fluchtszene syrischer Männer übers Meer kann man auch dann drehen, wenn man mit der Handykamera ordentlich wackelt, ein bißchen arabisch krakeelt, die Syrer in Wahrheit gemietete Afghanen sind, das Boot grad noch eine Wirmer-Fahne trug (Larsen fackelt sie ab) und den brandenburgischen See nie verlassen hat! Larsen fährt gut mit seinen erfundenen Kriegsschauplätzen und seinen flüchtigen Liebschaften, die er in Berliner Cafés aufgabelt, in denen äthiopischer Jazz dudelt und die Damen Missy, taz und Die Zeit lesen. Dann aber geht er einer syrischen Schönheit auf den Leim, die er nach Deutschland lotsen will.
In Syrien muß unser Starreporter feststellen: Sie ist auf Assads Seite, und es gibt für Larsen kein Entkommen … Nun muß »die Wahrheit« neu geschrieben werden. Ein packender, sprachlich dichter Wahnsinnsroman! Autor Recker muß es wissen, als Journalist und »Katastrophenhelfer« in diesen Regionen.
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