Sven Recker: Fake Metal Jacket

Sven Recker: Fake Metal Jacket, Hamburg: Natutilus 2018. 128 S., 18 €

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Hier wäre das Kon­trast­pro­gramm zum oben bespro­che­nen Buch: Nichts mit »gemiet­lich«, im Gegen­teil! Peter Lar­sen ist Voll­dampf­re­por­ter. Er weiß, wie man zu Meri­ten kommt, vom Chef warm umarmt wird, Fol­lower und Likes gene­riert, Schlag­zei­len pro­du­ziert. Lar­sen weiß um das pas­sen­de Bril­len­ge­stell und die rich­ti­ge Kla­mot­te, um auch äußer­lich als einer von denen zu gel­ten, die vorn dran sind. Er ist ein »Kriegs­re­por­ter mit Stil«! Die vier­te Macht, die Leit­me­di­en! Neben den hei­ßes­ten Geschich­ten aus kras­ses­ten Kri­sen­re­gio­nen (»Kin­der gehen immer, das wird schön emo­tio­nal, einen wei­ßen Kit­tel, kann ich auch gleich noch pos­ten, von wegen groß­ar­ti­ge syri­sche Ärz­te«) betreibt Lar­sen die Kolum­ne »Taxi Tri­po­lis«. 1531 Zei­chen täg­lich, fin­gier­te Gesprä­che »über die liby­sche Lage« – in Wahr­heit han­delt es sich um »Beob­ach­tun­gen, die kei­ner gemacht hat, schon gar nicht Lar­sen, aber egal.«

Lar­sen ist ein genia­ler Hüt­chen­spie­ler. Klar, er war mal in Liby­en und Jor­da­ni­en. Vor allem in den Hotel­bars dort, unter whis­ky­trin­ken­den Vete­ra­nen. Kraß genug, wenn dau­ernd der Strom aus­fällt und das Inter­net labil ist! Dann punk­tet unter den Bericht­erstat­tern der, der zuerst Netz hat. Es ist ja über­all ähn­lich; kri­ti­sche Kino­fil­me wie Schlaf­krank­heit (2011) und Das Wet­ter in geschlos­se­nen Räu­men (2016) haben es vor­ex­er­ziert: Irgend­wo gibt es eine Front. Anders­wo gibt es Nacht­clubs mit nor­we­gi­schen Ent­wick­lungs­hel­fe­ri­nen, hef­ti­gen Drums und einem gei­len Leben. Lar­sen zieht es zu letz­te­rem. Er berich­tet, als ob er an der Front wäre. Man hat sei­ne Netz­wer­ke, man ist kein Lüg­ner, allen­falls ein Fäl­scher. Die Leu­te da drau­ßen, im Wes­ten, vor der Glot­ze, sind heiß auf Nach­rich­ten aus immer­glei­chen Ver­satz­stü­cken, anrüh­ren­den Ima­gi­na­tio­nen und über­ge­ord­ne­ten Über­le­gun­gen (»Schuld, Süh­ne, Machia­vel­li, Marx«). Lar­sen kommt her­vor­ra­gend durch mit sei­ner die Zuschau­er­ge­wohn­hei­ten bedie­nen­den, medio­ker auf­ge­pepp­ten Berichterstattung.

Eine Klei­nig­keit bringt ihn zu Fall. Er ver­öf­fent­licht ein Inter­view mit einem tem­pe­ra­ment­vol­len liby­schen Kunst­samm­ler. Dar­in zwei heik­le Stel­len: »Juden« und »Deut­sches Volk«. Super­star Lar­sen ver­liert sei­ne Anstel­lung. So darf man sei­ne Gesprächs­part­ner nicht reden las­sen! Aber auch als »Frei­er« hat er sein Aus­kom­men. Es ist so ein­fach: Eine schlim­me Flucht­sze­ne syri­scher Män­ner übers Meer kann man auch dann dre­hen, wenn man mit der Han­dy­ka­me­ra ordent­lich wackelt, ein biß­chen ara­bisch kra­keelt, die Syrer in Wahr­heit gemie­te­te Afgha­nen sind, das Boot grad noch eine Wirm­er-Fah­ne trug (Lar­sen fackelt sie ab) und den bran­den­bur­gi­schen See nie ver­las­sen hat! Lar­sen fährt gut mit sei­nen erfun­de­nen Kriegs­schau­plät­zen und sei­nen flüch­ti­gen Lieb­schaf­ten, die er in Ber­li­ner Cafés auf­ga­belt, in denen äthio­pi­scher Jazz dudelt und die Damen Mis­sy, taz und Die Zeit lesen. Dann aber geht er einer syri­schen Schön­heit auf den Leim, die er nach Deutsch­land lot­sen will. 

In Syri­en muß unser Star­re­por­ter fest­stel­len: Sie ist auf Assads Sei­te, und es gibt für Lar­sen kein Ent­kom­men … Nun muß »die Wahr­heit« neu geschrie­ben wer­den. Ein packen­der, sprach­lich dich­ter Wahn­sinns­ro­man! Autor Recker muß es wis­sen, als Jour­na­list und »Kata­stro­phen­hel­fer« in die­sen Regionen. 

Fake Metal Jacket von Sven Recker kann man hier bestel­len.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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