Georg Meck, Bettina Weiguny: Der Elitenreport

Eine Rezension von Ursula Berluschke

Georg Meck, Bet­ti­na Wei­gu­ny: Der Eli­ten­re­port, Ber­lin: Rowohlt 2018. 320 S., 24 € 

Urlaubs­lek­tü­re? Hier! Die meis­ten wer­den es ken­nen: Bei seich­ten Som­mer­ro­ma­nen schläft man im Lie­ge­stuhl ein. Bei anspruchs­vol­le­rer Ware, die vom Zu-erle­di­gen-Sta­pel in die Feri­en mit­ge­nom­men wur­de, streckt man auch, nur anders, die Flü­gel. Der Eli­ten­re­port des Autoren­ge­spanns Bet­ti­na Wei­gu­ny und Georg Meck, bei­de für die Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Sonn­tags­zei­tung tätig, wäre hier gold­rich­tig: Ein The­ma von Rele­vanz, unter­halt­sam ver­packt, weder zu tief noch zu flach. Leit­fra­gen, geglie­dert in vier­zehn Kapi­tel, lau­ten etwa: Was ist über­haupt Eli­te? In wel­chem Ver­hält­nis steht die soge­nann­te Eli­te zum »neu­en Popu­lis­mus«, der Stim­mung macht gegen »die da oben«? Wo und wie wird Eli­te rekru­tiert? Wel­che Netz­wer­ke sind das?

Eine pro­fun­de sozio­lo­gi­sche und his­to­ri­sche Ana­ly­se, die die Befun­de gera­de kon­ser­va­ti­ver Den­ker wie Gaet­a­no Mos­ca, Vil­fre­do Pare­to, Robert Michels oder zuletzt Ste­fan Scheil unter die Lupe nimmt und die­se zur Dis­kus­si­on stellt, soll­te man hier nicht erwar­ten. Als »ers­ter Eli­te­for­scher« wird hier im Ernst der zeit­ge­nös­si­sche mar­xis­ti­sche Sozio­lo­gie­pro­fes­sor Micha­el Hart­mann ange­führt, als wei­te­re Stim­me mit Gewicht gilt Jut­ta All­men­din­ger. Auch »aktu­el­le Umfra­gen« spie­len, typisch für die­se Art popu­lär­wis­sen­schaft­li­cher Lite­ra­tur, eine Rolle.

Zu letz­te­rem: In den USA hät­ten aktu­ell (2018; das Buch arbei­tet stark mit aktu­el­len Zah­len und Bege­ben­hei­ten) 57 Pro­zent, in Deutsch­land 62 Pro­zent, in Frank­reich und Ita­li­en gar 72 Pro­zent der Leu­te Aver­sio­nen gegen jene Schicht, die als poli­ti­sche, gesell­schaft­li­che und wirt­schaft­li­che Eli­te ver­stan­den wird. Inner­halb der Eli­te selbst ist die­se Zuord­nung hier­zu­lan­de beson­ders ver­pönt. Der Begriff ist durch die NS-Zeit ver­brannt. Des­halb woll­te man lie­ber »Exzel­lenz-Uni­ver­si­tä­ten« ins Leben rufen, um das ande­re »böse E‑Wort« zu vermeiden. 

Ob »Exzel­lenz« oder Eli­te: Bei­des hat es bei uns schwer. 2018 sol­len 500 Mil­lio­nen Euro auf fünf­zig ver­schie­de­ne Uni­ver­si­tä­ten und ande­re Insti­tu­tio­nen aus­ge­schüt­tet wer­den. Ein Betrag, über den das Aus­land sich schlapp­lacht: Über die­se Sum­me, sagt ein ehe­ma­li­ger Rek­tor der Stan­ford-Uni­ver­si­ty, kön­ne eine ein­zel­ne der sie­ben Stand­ford-Fakul­tä­ten jähr­lich ver­fü­gen! Die Bei­trä­ge in die­sem Buch sind nicht nach den bei­den Autoren unter­schie­den, die spöt­ti­sche Hand­schrift von Frau Wei­gu­ny kann der Leser schnell erken­nen. Mit Sicher­heit stammt die Ein­las­sung über jene aka­de­mi­schen Thir­ty­so­me­things aus ihrer Feder, in der sie char­mant erklärt, war­um Jurist »Klaus, Anfang drei­ßig« das Gefühl hat, daß ihm die Fel­le davon­schwim­men und daß »die Eli­te« Schuld trägt. 

Auf weni­gen Sei­ten ent­larvt sie das Gere­de von der »abge­häng­ten Mit­tel­klas­se«. Unterm Strich: Die­se neu­en »High Poten­ti­als« wol­len zuviel auf ein­mal! Ja, die Eltern waren Auf­stei­ger. Die­ser Auf­stieg läßt sich kaum wie­der­ho­len: Die Alten dach­ten nie über ein »Sab­ba­ti­cal« nach, gin­gen sel­ten essen, ver­zich­te­ten auf welt­wei­te Kurz­ur­lau­be, muß­ten nicht dau­ernd tech­nisch auf­rüs­ten und waren letzt­lich mit einem Häus­chen in der Pro­vinz zufrie­den. Heu­te, vor die Qual der Wahl gestellt (Job im Sili­con Val­ley im Wohn­mo­bil, Kate im Saar­land oder enge Miet­bu­de in Bogen­hau­sen?), stün­de nur eines fest für die ehr­gei­zi­gen Youngs­ters: »Mehr wäre bes­ser«. Die­ser Umstand mache aus tüch­ti­gen Hoch­schul­ab­sol­ven­ten unzu­frie­de­ne Pro­test­bür­ger gegen die obe­ren Zehn­tau­send. Das erklä­re die Aver­si­on gegen »Eli­te«. Der Haupt­teil des Buches lie­fert lau­ni­ge Repor­ta­gen über die Eli­ten des Tages. Davos wird erkun­det, wo (Hand­schlag Kohl/Modrow! De Klerk/Mandela!) sich die Mega-Eli­te jeden Janu­ar trifft und wo für »Ent­schei­der« 35 bis 40 Ver­net­zungs­ter­mi­ne inner­halb drei­er Tage zum Nor­mal­pen­sum gehö­ren. Bis jüngst waren dort Mobil­te­le­pho­ne unter­sagt, seit zwei Jah­ren wird get­wit­tert und gesel­fiet, was das Zeug hält. 

Mor­gend­li­che Medi­ta­ti­on (Stich­wort: ganz bei sich selbst sein) und eine grü­ne Spra­che sind ein Muß. Meck und Wei­gu­ny haben sie alle beglei­tet, die unter die glo­ba­le Eli­te zu rech­nen sind: Von Jani­na Kugel (Sie­mens-Per­so­nal­vor­stand mit sie­ben­stel­li­gem Monats­ge­halt) über Kris­tin Ach­leit­ner (diver­se Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­de mit Josch­ka Fischer als Paten­on­kel des Soh­nes und einem Mann, der die Deut­sche Bank kon­trol­liert) bis hin zu den Sam­wer Brü­dern, dem Evi­an-Kreis und der Isny­Run­de, zu Sheryl Sand­berg und Chris­ti­ne Lag­ar­de: Wei­gu­ny und Meck sind schar­fe Beob­ach­ter jener illus­tren Run­den, die die Fäden in der Hand hal­ten. Es ent­steht mit­hin ein vor­züg­lich les­ba­res Pan­op­ti­kum derer, die das Getrie­be der Welt am Lau­fen hal­ten. Wer das Öl für die Schmie­rung hin­zu­gießt und wer den Gene­ra­tor betreibt – nun ja … Es ging doch um Urlaubslektüre? 

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Der Eli­ten­re­port von Georg Meck und Bet­ti­na Wei­gu­ny kann man hier bestel­len.

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