Klaus-Rüdiger Mai: Geht der Kirche der Glaube aus?

Klaus-Rüdiger Mai: Geht der Kirche der Glaube aus? Eine Streitschrift, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2018. 184 S., 15 €

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Der Sach­buch­au­tor Klaus-Rüdi­ger Mai (1963) dürf­te spä­tes­tens seit Anfang des Jah­res 2018, dem Beginn sei­ner regel­mä­ßi­gen Autor­schaft für Tichys Ein­blick, bei vie­len unse­rer Leser auf dem Radar erschie­nen sein. Eini­gen ist viel­leicht auch schon sein Buch Gehört Luther zu Deutsch­land? (2016) auf­ge­fal­len, in dem er die Unart des der­zeit herr­schen­den Zeit­geis­tes, alles was nicht sei­nen Vor­stel­lun­gen ent­spricht, auf den Müll­hau­fen der Geschich­te zu ent­sor­gen, am Bei­spiel des offi­zi­el­len Umgangs mit der Gestalt Luthers kri­ti­sier­te. Mit sei­nem neu­en Buch setzt Mai die­sen Weg des Hin­ter­fra­gens der gegen­wär­ti­gen Maß­stä­be auf dem Gebiet der christ­li­chen Reli­gi­on fort.

Wer die über­grif­fi­gen Aktio­nen der Kir­chen, nicht nur der evan­ge­li­schen, gegen poli­tisch unlieb­sa­me Zeit­ge­nos­sen, sei es von Pegi­da oder von der AfD, in Erin­ne­rung hat, wird die Not­wen­dig­keit eines sol­chen Buches nicht bezwei­feln. Die Kir­chen wol­len vie­ler­orts ledig­lich als ver­län­ger­ter Arm der rot­grü­nen Ideo­lo­gien wahr­ge­nom­men wer­den und tun alles dafür, den Glau­ben mög­lichst als Neben­sa­che erschei­nen zu las­sen. Sozi­al­päd­ago­gi­sches Enga­ge­ment, ob für Flücht­lin­ge oder gegen rechts, hat die Ver­kün­di­gung des Glau­bens abgelöst.

Mai geht von die­sen Beob­ach­tun­gen aus, die jeder, der über­haupt noch etwas mit den gro­ßen Kir­chen zu tun hat, bereits ähn­lich anstel­len konn­te, um die Zukunft der Kir­che aus­zu­lo­ten. Dazu braucht es kein kirch­li­ches Amt und auch kein theo­lo­gi­sches Stu­di­um: »Ich bin nichts wei­ter als ein evan­ge­li­scher Christ, Luthe­ra­ner. Aber als Luthe­ra­ner tra­ge ich wie jeder ande­re Christ, wie jedes ande­re Glied unse­rer Kir­che, für die­se Kir­che Ver­ant­wor­tung.« Der Haupt­im­puls für sei­ne Über­le­gun­gen kommt dabei aus der Erfah­rung, daß vie­le Freun­de die Kir­che ver­las­sen, weil sie deren zeit­geis­ti­ges Gewand nicht mehr ertra­gen. Die­ses Gewand ver­sucht Mai in acht Kapi­teln zu zerpflücken.

Sei­ne The­se lau­tet: »Nie war Kir­che wich­ti­ger als heu­te. Und nie war Kir­che bedroh­ter als heu­te, obwohl ihr alle Wege offen­ste­hen.« Streng genom­men müß­te im zwei­ten Satz das »obwohl« durch ein »gera­de« ersetzt wer­den, was aber impli­zie­ren wür­de, daß Libe­ra­lis­mus die Kir­che not­wen­di­ger­wei­se zu einem Frei­zeit­an­ge­bot unter ande­ren, also zu einem Gehil­fen der libe­ra­len Welt­be­glü­cker macht. Die Kon­se­quen­zen, die sich dar­aus erge­ben, will Mai nicht zie­hen. Zum einen, weil er noch Hoff­nung hat, daß die Kir­che sich wie­der auf sich selbst besinnt, zum ande­ren, weil er in der gegen­wär­ti­gen Ent­wick­lung kein not­wen­di­ges Ent­wick­lungs­sta­di­um des Libe­ra­lis­mus erblickt, son­dern eine hyper­mo­ra­li­sche Ent­ar­tung, die zu all den Phä­no­me­nen geführt habe, die wir täg­lich beob­ach­ten dürfen.

Sein Buch ist daher stel­len­wei­se weni­ger eine an die Kir­che gewand­te Streit­schrift, son­dern eine (gute) Zusam­men­fas­sung des­sen, was in den Publi­ka­tio­nen rechts des Main­streams Kon­sens ist, wenn es um die Beschrei­bung der gegen­wär­ti­gen Miß­stän­de geht. Mai wählt also den Umweg: er führt den Chris­ten die Absur­di­tät der gegen­wär­ti­gen Ideo­lo­gie vor Augen, um sie gegen die Zumu­tun­gen ihrer Kir­chen­obe­ren zu stär­ken. Die Ver­fas­ser des Bar­mer Bekennt­nis­ses wähl­ten 1934 den gera­den Weg: »Wir ver­wer­fen die fal­sche Leh­re, als kön­ne und müs­se die Kir­che als Quel­le ihrer Ver­kün­di­gung außer und neben die­sem einen Wor­te Got­tes auch noch ande­re Ereig­nis­se und Mäch­te, Gestal­ten und Wahr­hei­ten als Got­tes Offen­ba­rung anerkennen.«
Damit wäre auch heu­te noch alles gesagt, wenn wir uns nicht in der per­ver­sen Situa­ti­on befän­den, daß die gegen­wär­ti­ge Kir­che, die nicht mehr Got­tes Wort, son­dern Demo­kra­tie, Men­schen­rech­te, Anti­fa­schis­mus und Tole­ranz als Got­tes Offen­ba­rung aner­kennt, daß eben die­se Kir­che das Bar­mer Bekennt­nis in eine Rei­he mit den Tex­ten der Bibel stellt. Inso­fern tut Mai genau das rich­ti­ge, wenn er heu­te die Geg­ner­schaft nicht theo­lo­gisch, son­dern poli­tisch definiert. 

Geht der Kir­che der Glau­be aus? von Klaus-Rüdi­ger Mai kann man hier bestel­len.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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