Ich war neunzehn wurde 1967 mit Unterstützung der Sowjetarmee und der Nationalen Volksarmee gedreht. Die Handlung erstreckt sich vom 16. April bis zum 8. Mai 1945, während die rote Armee Richtung Berlin vorrückt. Gedreht wurde dabei an Originalschauplätzen in der Mark Brandenburg und in Potsdam-Babelsberg, dem Sitz der DEFA- (und vormals UFA-)Studios. Premiere war in Ost-Berlin im Februar 1968, kurz vor dem Prager Frühling, von dem die Tschechen im August unter anderem durch ostdeutsche Truppen befreit wurden.
Die DEFA stand natürlich unter Kontrolle der SED, die im Film in erster Linie ein Propgandamedium sah. “Antifaschistische” Filme hatten in der DDR seit der allerersten DEFA-Produktion Die Mörder sind unter uns (1946) von Wolfgang Staudte Tradition, und sie dienten natürlich vor allem dazu, den Kommunismus in einem heldenhaften Licht erstrahlen und die Sowjets als Befreier erscheinen zu lassen.
Die DEFA war unter sowjetischer Aufsicht in der östlichen Besatzungszone gegründet worden. Ein hochrangiger Leiter der Sowjetischen Militäradministration verkündete in einer Festansprache ihre propagandistischen Ziele:
.… Ausrottung der Reste des Nazismus und Militarismus aus dem Gewissen eines jeden Deutschen, das Ringen um die Erziehung des deutschen Volkes, insbesondere der Jugend, im Sinne der echten Demokratie und Humanität…
Ich war neunzehn erzählt in episodischer Form die Erlebnisse eines jungen sowjetischen Leutnants deutscher Herkunft, dessen Eltern Kommunisten waren und nach der Machtübernahme Hitlers in die Sowjetunion emigrierten. Er kehrt als Fremder und Soldat in seine frühere Heimat zurück, und wird dabei immer wieder mit seiner Herkunft konfrontiert, was ihn oft peinlich berührt. Seine Hauptaufgabe ist Propaganda-Arbeit: Per Lautsprecher fordert er in deutscher Sprache die Soldaten der Wehrmacht zur Kapitulation auf.
Der junge Leutnant Gregor Hecker (Jaecki Schwarz) ist ein Alter Ego des Regisseurs Konrad Wolf (1925–1982) selbst, der in diesem Film seine eigenen Kriegserlebnisse autobiographisch verarbeitete. Wolf war jüdischer Herkunft und stammte aus einer Familie überzeugter Kommunisten; sein Vater Friedrich Wolf (1888–1953) war Autor des antifaschistischen Dramas Professor Mamlock, das 1938 in der Sowjetunion und 1961 in der DDR von seinem Sohn Konrad verfilmt wurde. Die Wolfs remigrierten 1945 nach Deutschland und wurden dort rasch Bestandteil des Establishments der DDR, nicht nur im kulturellen Bereich: Markus Wolf (1923–2006), der ältere Bruder Konrads, war von 1952 bis 1986 Chef der Hauptverwaltung Aufklärung, einer Abteilung der Stasi, die hauptsächlich für Auslandsspionage zuständig war.
Wolf selbst bekräftigte den nahezu “dokumentarischen” Charakter des Films: “Umfangreiche Dokumente, politische, militärische, historische Literatur” verbunden mit seinen eigenen Tagebuchaufzeichnungen hätten die Basis des Drehbuchs gebildet, an dem auch Wolfgang Kohlhaase mitwirkte, der häufig mit Wolf zusammenarbeitete:
Dazu kamen Wolfgang Kohlhaases Erlebnisse auf der anderen Seite, Erlebnisse eines jungen Deutschen, der im faschistischen Deutschland aufgewachsen war. Das ermöglichte uns, den Menschen von heute alles so zu zeigen, wie es wirklich war…
Das Drehbuch mit dem Titel “Weg in die Heimat” wurde 1966 von der künstlerischen Arbeitsgruppe Babelsberg mit folgenden Worten abgesegnet:
Ein solcher Rückblick auf eine wichtige Etappe unserer nationalen Vergangenheit, die ästhetische Gestaltung und Bewußtwerdung dieser gewaltigen historischen Leistung der ‚Deutschen Demokratischen Republik’ dient der Entwicklung nationalen und sozialistischen Selbstbewußtseins. Die wirkungsvolle Gestaltung dieses Themas wäre auch ein wichtiger künstlerischer Beitrag im Kampf um die Lösung der nationalen Frage.
Es ging hier also auch um eine Befragung, Deutung und Inszenierung der Geschichte zum Zweck einer nationalen Identitätsbestimmung, gar eines, hust, “nationalen und sozialistischen Selbstbewußtseins” – im Gegensatz zu einem nationalsozialistischen Bewußtsein, das mit dem Schlagwort “Faschismus” auch semantisch entsorgt wurde.
Wie wirklich kann eine Wirklichkeit sein, inszeniert von einem überzeugten Kommunisten, produziert von einem kommunistischen Staat mit strenger Kontrolle über die Filmindustrie, der den Film als Paradestück seines Kulturschaffens feierte? Zumal sich Wolf durchaus auch als “Haltungs”-Regisseur sah, und nicht zufällig drehten sich etliche seiner erfolgreichsten Filme um den Nationalsozialismus. In seinen eigenen Worten:
Solange es Krieg gibt, solange noch Klassen in unversöhnlichem Gegensatz stehen und es in der Welt Tausende und aber Tausende Menschen gibt, die sich in unerbittlicher Feindschaft gegenüberstehen – oft durchschauen sie den Mechanismus des Krieges gar nicht – solange ist dieses Thema nicht abgegolten. Gerade für unser Volk kann es keine wahre und echte Freundschaft zu den Völkern der Sowjetunion geben – auch von den Generationen, die nach uns kommen – wenn man sich nicht dieses gemeinsamen Teils der Vergangenheit bewußt ist. Das betrifft auch die anderen Völker, die unter dem Faschismus gelitten haben. Dazu reicht nicht allein das Schulwissen. (1977)
In diesem Sinne wurde er bereits 1959 in dem DDR-Blatt Deutsche Filmkunst gefeiert:
Mit seinen Filmen will Wolf die Menschen aufklären und warnen, daß die schrecklichen Tage der Vergangenheit nie wieder heraufziehen. Die Kunst ist ihm nicht Selbstzweck, sie ist ihm, wie schon seinem Vater, Waffe.
So entspricht Ich war neunzehn vollkommen der DDR-Orthodoxie. Wie in der heutigen BRD war auch in der DDR die Deutung der Niederlage von 1945 als “Befreiung” Staatsdoktrin. Die Russen und Sowjets sind in Wolfs Film die Mächte des sozialistischen, fortschrittlichen, aufklärerischen Guten, die im gerechten Zorn das faschistische, kapitalistische Böse bekämpfen und die Anstifter eines verbrecherischen Krieges für ihre Untaten zur Verantwortung ziehen.
Allerdings will der Film auch die Aufgabe erfüllen, die Deutschen als Volk in das sowjetisch-sozialistische Boot hineinzuholen, und unterscheidet darum zwischen deutschen Faschisten und Kommunisten und solchen, die es noch werden können. Die Deutschen, denen Hecker begegnet, teilen sich im wesentlichen in Einsichtige und Uneinsichtige – in einer Szene trifft er gar auf einen buchstäblich erblindeten deutschen Soldaten, der glaubt, mit einem Kameraden zu sprechen.
Er trifft auf den Bürgermeister einer Kleinstadt, der sein Hakenkreuzbanner kurzerhand in eine rote Fahne umgeschneidert hat, und die russischen Soldaten anbiedernd mit Sektgläsern empfängt; einen deutschen Bildungsbürger mit großer Bibliothek und Plattensammlung, der in der Nähe des KZ Sachsenhausen lebt, und weltphilosophische Monologe hält, um sein schlechtes Mitläufergewissen zu beruhigen; auf einen NS-Funktionär, den die Sowjets an seinem Bürotisch überraschen, und der bittet, sich per Telefonanruf in Berlin korrekt vom Dienst abmelden zu dürfen (der Bitte wird stattgegeben).
Und auf ein junges Mädchen, das Hecker, der zum provisorischen Stadtkommandanten von Bernau ernannt wurde, um Unterkunft bittet, mit den Worten: “Lieber mit einem, als mit jedem.” Damit sind immerhin auf zartestmögliche Weise die Vergewaltigungen durch Rotarmisten angedeutet, allerdings wird das Mädchen sogleich von einer russischen Soldatin zusammengestaucht, die ihr wutenbrannt die Untaten der Deutschen in der Sowjetunion vorhält.
Die Russin hat offenbar kein schlechtes Gewissen, daß deutsche Frauen von ihren Landsmännern vergewaltigt werden, das verzweifelte deutsche Mädchen jedoch gerät sofort in die Defensive: “Ich habe doch nichts gemacht. Ich doch nicht! Und wenn das alles so ist, was kann ich denn dafür, was hilft mir das jetzt?”
In einer Szene werden frisch befreite deutsche Antifaschisten von den Russen zu einer 1. Mai-Feier im besetzten Schloß Sanssouci eingeladen, bewirtet und als “Genossen” angesprochen.
Einer der deutschen Kommunisten fordert wütend, man solle jeden aufhängen, “der nur eine Uniform trägt”: “Mit Stock und Stiel ausrotten das Pack, sonst fängt das in 20 Jahren wieder an.” Der eifernde Genosse wird von einem anwesenden russischen General zur Besonnenheit gerufen: Diese Gefühle seien verständlich, aber “mit Gefühlen kann man keine Politik machen, und Rache ist ein schlechter Ratgeber, besonders für die Zukunft.”
In der darauf folgenden Szene erklärt ein befreiter deutscher Proletarier mit faltigem Gesicht dem (angedeutet jüdischen) Offizier Gejman (Wassili Liwanow, der spätere großartige “russische Sherlock Holmes”), wie er als Deutschlehrer in Kiew seinen Schülern die unbegreifliche Tatsache erklären soll, daß Hitler an die Macht kommen konnte:
Deutscher Antifaschist: Die Industrie hat ihn bezahlt, die Reichswehr hat ihn gestützt, die ganze Militärclique… die Macht hat man ihm zugesteckt!
Gejman: Aber wie soll ich das erklären, Goethe und Auschwitz? Zwei deutsche Namen in allen Sprachen?
Deutscher Antifaschist: Es ist auch meine Sprache.
In einer anderen Episode des Films wird die Übergabe der Festung Spandau als “höfliche Kapitulation” geschildert, eine Begebenheit, die sich offenbar tatsächlich so zugetragen hat. Gejman und Hecker erscheinen vor ihrem Tor als Parlamentäre, werden per Strickleiter hinaufgeholt, um mit einer Gruppe von Wehrmacht- und SS-Angehörigen zu verhandeln, die unterschiedliche Grade von Indoktrination zeigen und teilweise immer noch an den Endsieg glauben.
Der Kommandant der Festung ist ein gemütlicher und etwas skurriler Schwabe (“Des isch mei zweida verlorener Krieg”), sichtlich kriegsmüde; ein junger und ziemlich schneidig aussehender Wehrmachtoffizier mit eisernem Kreuz, der von einem Waffen-SS-Häuptling den Auftrag bekommt, die sowjetischen Gesandten zu erschießen, läßt die beiden laufen, und nutzt die Gelegenheit zur Desertion. Die “Faschisten” werden also insgesamt keineswegs dämonisiert, allenfalls gelegentlich karikaturhaft überzeichnet (besonders, wenn es um dem angeblich blinden “Militarismus” der Deutschen geht), und selbst die negativ dargestellten Charaktere bleiben menschlich greifbar.
Das hat natürlich auch damit zu tun, daß der Film eine Art historische “Brücke” bauen will, denn aus diesem besiegten Land soll einmal die glorreiche DDR entstehen. Hecker, der wie Wolf aus einer emigrierten Kommunistenfamilie stammt, aber nicht als Jude gezeichnet wird, bewegt sich in seiner alten Heimat zunächst wie ein Fremdkörper.
Er ist ein verbindendes Glied zwischen dem Sozialismus und der deutschen Nation, zwischen dem russischen und dem deutschen Volk, zwischen der Sowjetunion und der künftigen DDR. Dabei gilt es allerdings etliche menschliche, historische und ideologische Gräben, Hürden und Distanzen zu überwinden.
Die eindrucksvollste Episode ist wohl die letzte, die buchstäblich einen zu überwindenden Graben zeigt. Sie ist symbolisch und konkret zugleich. Sie spielt in den ersten Maitagen, Hitler ist “kaputt”, und Hecker befindet sich mit seiner Truppe an einem kleinen Flußübergang.
Auf der anderen Seite des Ufers sieht er gleichsam das ihm entfremdete, zerschlagene, besiegte Deutschland vorbeiziehen: Flüchtlinge mit Koffern und Ochsenkarren, Frauen, Kinder, Alte, jämmerlich aussehende Volkssturmleute mit umgehängten Knarren, verwundete Soldaten. Er fordert sie auf, sich zu ergeben und in das russische Lager überzusetzen.
Nach und nach überqueren Menschen von der anderen Seite den Fluß. Sie werden von den Russen gut behandelt und verpflegt. Eine besonders gelungene Szene zeigt russische Soldaten, deutsche Kriegsgefangene und deutsche Zivilisten beim gemeinsamen Mahl. Sie schweigen allesamt, nur das Klappern der Löffel in den Tellern und Blechbüchsen ist zu hören.
Eine weitere, symbolhafte Figur taucht auf: der kriegsgefangene Landser Willi Lommer (Dieter Mann), ein erdiger Berliner, der den Glauben an den Endsieg schon lange verloren hat.
Er gehört also zu den “Einsichtigen”, und freundet sich mit Hecker an. Als unerwartet ein versprengter Trupp “Uneinsichtiger” von der Waffen-SS auf der anderen Seite des Ufers auftaucht und das russische Lager unter Beschuß nimmt, greift Lommer zu einer herumliegenden Waffe und feuert Seite an Seite mit Hecker auf die “Faschisten”. Die Symbolik und politische Botschaft dieser Szene muß wohl nicht näher erläutert werden – ähnliche heroische Frontwechsel finden sich auch in anderen DDR-Filmen wie Die Abenteuer des Werner Holt (1966), aber auch in westdeutschen Produktionen wie Steiner – Das eiserne Kreuz II (wo der Protagonist zu den Amerikanern überläuft).
Das Gefecht am Ende des Films ist eine der wenigen Szenen des Films, in denen kriegerische “Action” zu sehen ist. Ich war neunzehn zeigt einen Krieg beinahe ohne Horror, Gewalt und Gefechte. Der Vormarsch der Russen auf Berlin erfolgt zügig, fast heiter und ohne nennenswerten Widerstand. Die Rote Armee scheint nur aus sympathischen, gemütvollen und besonnenen Menschen zu bestehen, auch wenn sie hin und wieder zornige Verachtung für die “Faschisten” zeigen.
Die Befreiung des Konzentrationslagers Sachsenhausen wird kurz angedeutet und seine Gräuel durch die Einschaltung eines “Dokumentarfilms” beschworen. Auch hier erscheinen die Sowjets als befugte Ankläger und Aufdecker von Verbrechen, beinahe wie Polizisten, die gekommen sind, Kriminelle zu verhaften und dingfest zu machen. Der “Dokumentarfilm” ist allerdings ein DEFA-Propagandastück, Todeslager Sachsenhausen aus dem Jahr 1946, das hölzern-didaktisch inszeniert und sehr offensichtlich “gespielt” ist.
Einer der Henker von Sachsenhausen, der Funktionshäftling Paul Sakowski, erklärt einigen sowjetischen Offizieren mit betonter Sachlichkeit die Funktion eines Gashahnes und einer Genickschußanlage, die zum Zweck des Filmdrehs “restauriert” und 1952 wieder abgeräumt wurden. Es wird betont, daß Menschen aller Nationen in diesem Lager Opfer wurden, besonders aber russische Kriegsgefangene. Eine besondere Rolle der Juden unter den NS-Opfern wird in dem gesamten Film nicht postuliert.
Er macht seinen Zusehern die Sache auch nicht dadurch komplizierter, indem er etwa das “Speziallager Sachsenhausen” erwähnt, wo zwischen 1945–50 tausende Menschen umkamen (darunter der Schauspieler Heinrich George). Oder die Tatsache, daß der zum Handlangerdienst gezwungene, selbst massiv geschundene KZ-Häftling Paul Sakowski ein überzeugter Kommunist war, der wie Konrad Wolf aus einer tiefroten Familie stammte und bereits als Vierzehnjähriger das erste Mal von der Gestapo verhaftet und mißhandelt worden war. Die Sowjets bauten ihn in ihrer Propaganda gezielt zum “Henker von Sachsenhausen” auf und verurteilten ihn in einem stalinistischen Schauprozeß zu lebenslanger Zwangsarbeit.
Sakowski verbrachte über 30 Jahre seines Lebens in Haft: in einem KZ (Sachsenhausen), einem Gulag (Workuta) sowie diversen NKWD- und DDR-Gefängnissen. Er war mithin ein ähnlich tragischer Pechvogel wie der Protagonist jener haarsträubenden wahren Geschichte, die Ernst von Salomon in seinem Buch Das Schicksal des A.D. – ein Mann im Schatten der Geschichte (1959/60) erzählt hat.
Der Versuch, mit diesem “dokumentarischen” Ausschnitt näher an die historische Wirklichkeit zu rücken, geht allerdings ästhetisch ziemlich nach hinten los. Dies bemerkte auch der Verfasser dieser Arbeit für die Universität Köln (2005), der ich etliche Informationen und Zitate zu dem Film entnommen habe:
Setzt man dies in Verbindung mit Wolfs oben genannten Äußerungen, so erkannte Wolf, dass er hier nur mit „echten“ Dokumentaraufnahmen aus Sachsenhausen arbeiten konnte, da alles andere unglaubwürdig gewesen wäre. Soweit kann man Wolfs Gedankengang nachvollziehen.
Jedoch besteht ein Problem in den verwendeten Ausschnitten selbst. Der Dokumentarfilm wirkt durch die Sachlichkeit des „Henkers“ und die anwesenden sowjetischen Offiziere unglaubwürdig, bizarr und gestellt, ja fast schon fiktional. Zudem wird das ganze durch Gregors Duschszenen unterbrochen und dadurch der Zuschauer irritiert. In einer Umfrage von 1968 unter jugendlichen Zuschauern zeigte sich, dass nicht alle diese Szenen als Dokumentaraufnahmen verstanden hatten. Außerdem schätzten 27% die Ausschnitte als nicht überzeugend ein.
Erwartungsgemäß zeigt sich die Bundeszentrale für politische Bildung nicht ganz so kritisch in ihrer Empfehlung des Films für den Schulunterricht, und verliert kein einziges Wort über seinen stramm kommunistischen Hintergrund. Die Eltern des Protagonisten Gregor Hecker werden lediglich als “politisch engagiert” bezeichnet, und der Autor stürzt sich zielgerade auf die schwächsten Teile des Films, wobei er andeutungsweise bemäkelt, daß sein Antifaschismus “aus heutiger Sicht” nicht gründlich genug sei:
Gregor Hecker ist weniger Handelnder als aufmerksamer Beobachter. Er versucht zu begreifen, wie es zu den Gräueltaten der Nationalsozialisten kommen konnte, die im Film durch einmontierte Szenen aus dem DEFA-Dokumentarfilm Todeslager Sachsenhausen (Richard Brandt, Deutschland 1946) verdeutlicht werden. Im Geschichtsunterricht lässt sich diskutieren, ob die im Film angebotenen Erklärungsversuche – deutscher Untertanengeist, preußisches Pflichtgefühl, verblendeter Fanatismus – aus heutiger Sicht ausreichen.
Insgesamt gilt auch für Ich war neunzehn, was Erik Lehnert, selbst ein “Ossi”, in dem demnächst erscheinenden Antaios-Band Das Buch im Haus nebenan über Dieter Nolls Die Abenteuer des Werner Holt schreibt: Es sei zwar “durchtränkt von DDR-Ideologie, aber es ist echt, jedenfalls in weiten Teilen.” Trotz aller historischen Klitterung und erzieherischen Absicht enthält der auch optisch starke Film viele Szenen und Charaktere, die “authentisch” schmecken, und zweifellos die Erfahrungen Wolfs widerspiegeln.
Ich war neunzehn ist in seinem nicht-ideologischen Kern ein legitimes Stück subjektiv erlebter Geschichte. Man sollte aber nicht vergessen, daß es unzählige Geschichten des zweiten Weltkriegs gibt, die niemals Filmstoff wurden und wohl auf lange Sicht auch nicht sein werden.
Ich denke nun etwa an das Buch eines Mannes, der wie Wolf Jahrgang 1925 war und auf der anderen Seite der Front stand, als Mitglied der Waffen-SS: Wolfgang Venohrs erschütternder autobiographischer Bericht Die Abwehrschlacht zeigt, daß man auch diesen Teil der kämpfenden Truppen nicht pauschal verurteilen oder dämonisieren kann (was in den fünfziger Jahren sowohl Kurt Schumacher als auch Konrad Adenauer öffentlich bekräftigten).
Wahrscheinlicher ist, daß man auch in Zukunft vorwiegend Filme über deutsche Untaten sehen wird, wie Der Hauptmann, der die blutige Köpenickiade eines weiteren 19jährigen Deutschen des Jahrgangs 1925, Willi Herold, thematisiert.
Zuletzt sei noch hervorgehoben, daß sich der junge Rotarmist Konrad Wolf keineswegs als “Befreier” des deutschen Volkes sah:
Ich war Angehöriger der sowjetischen Armee. Meine Gefühle unterschieden sich nicht wesentlich von denen meiner Kameraden und Freunde in der Armee. Ich sah in den Soldaten der Hitlerwehrmacht meine Gegner, die diesen verbrecherischen Krieg begonnen hatten. Sie hatten ein Land, das mir sehr nahe stand, zerstört. Menschen, mit denen ich aufgewachsen war, wurde schweres Leid zugefügt. Als wir auf deutsches Gebiet kamen, kam erstmals ein zwiespältiges Gefühl auf. (1977)
Mit historischem Recht sprechen wir heute von Befreiung, aber der Begriff wurde in bezug auf die Deutschen von uns nicht verwendet – und schon gar nicht von den Deutschen so empfunden! Für mich war es auch nicht die Stunde Null: Für mich war es die Stunde Zwölf, der Höhepunkt, das endlich erreichte Ziel. Ein großes Fest. Eine Genugtuung. (…) Ich war in Majdanek, in Sachsenhausen, ich habe Warschau während des Aufstandes und danach erlebt. Berlin war für mich Sinnbild dessen, wo das alles herkam, das Leid, die Millionen Toten, der Wahnsinn, der Fanatismus. Berlin war keine Stadt mehr, es war ein Leichnam. (1964)
RMH
Rechtzeitiger Fahnenwechsel zahlt sich kulturell aus. Italien hatte mit der schon vor 45 begonnenen neorealistischen Phase im Film ab 45 echte, bleibende cineastische Meisterwerke schaffen können, die man noch heute gut ansehen kann.
Dieser DEFA-Schmonz (Sorry), den man immer erst noch irgendwie deuten, entkernen etc. muss, ist mir als nahe der Zonengrenze "ohnender mit ehem. DDR-Fernseh-Empfang recht gut bekannt, da wir als junge, gymnasiale Militaristen mit Hobby des Modellbaus und der halben Wehrmacht und Kriegsmarine aus Plastik in den Regalen, diese Filme wegen ihrem noch aus UFA-Zeiten herrührenden hohem handwerklichen Standard durchaus zu schätzen wussten (allein, wie in dem erwähnten Die Abenteuer des Werner Holt mit T 34 Panzern durch ein Dorf gebrettert wird, ist alle Achtung wert). Heute brauche ich das nicht mehr - ist Zeitverschwendung. Ab 45 sollte die deutsche Kultur vernichtet werden. Gegen 45 anzukämpfen, bedeutet mithin eine Wiederbelebung der deutschen Kulturnation und nicht zwingend eine Änderung der bestehenden polit. Rahmenbedingungen.