Das Paradoxon des Staates (1)

von Bernard Udau - Um vorweg zu sagen, worin das Paradoxon des Staates besteht:

Ich bin der Über­zeu­gung, daß Kon­ser­va­ti­ve und Rech­te mit dem Staat aus­ge­rech­net den­je­ni­gen zu Hil­fe rufen, der ihre Vor­stel­lun­gen von Soli­da­ri­tät, Gemein­schaft und Nati­on mit Füßen tritt und immer tre­ten wird. Schlim­mer noch: der das aus sei­ner inne­ren Logik her­aus sogar tun muß.

Die Libe­ra­len oder Liber­tä­ren hin­ge­gen leh­nen den Staat ab und wol­len ihn durch den Markt als Ord­nungs­sys­tem erset­zen, ohne zu erken­nen, daß doch gera­de der Staat es ist, der die Vor­aus­set­zun­gen für den Markt schafft.

Kurz: Die den Staat brau­chen, leh­nen ihn ab. Die ihn fürch­ten soll­ten, beten ihn an. Ich hof­fe im Übri­gen, durch das Auf­zei­gen die­ser para­do­xen Situa­ti­on zu einem wech­sel­sei­ti­gen Ver­ständ­nis und zu einer Annä­he­rung der bei­den Lager bei­tra­gen zu kön­nen. Ins­be­son­de­re das Sub­si­dia­ri­täts­prin­zip könn­te sich als Kom­pro­miß herausstellen.

Fan­gen wir mit den Konservativen/Rechten an. Die Hoff­nung geht in die­sem Lager dahin, daß der Staat kon­ser­va­ti­ven Wer­ten die­nen kann und wird. Dazu muß ledig­lich, so denkt man, der Marsch durch die Insti­tu­tio­nen wie­der­holt wer­den, den der­einst die 1968er-Gene­ra­ti­on erfolg­reich durch­ge­führt hat. Nur muß das heu­te natür­lich mit ande­rem, kon­ser­va­tiv den­ken­den Per­so­nal gesche­hen. Wenn man das schaf­fe, wer­de man eine ande­re Poli­tik betrei­ben kön­nen – näm­lich fami­li­en­freund­lich, wer­te­ori­en­tiert, christ­lich, geschichts­be­wußt und im Inter­es­se des deut­schen Volkes.

Der Staat wird in die­sen Über­le­gun­gen als das gro­ße Mit­tel ange­se­hen, kon­ser­va­ti­ve Vor­stel­lun­gen um- und durch­zu­set­zen. Es kom­me nur dar­auf an, die­ses Mit­tel in die Hand zu bekom­men. An sich ist der Staat in die­ser Sicht­wei­se also wert­neu­tral und wird erst von den­je­ni­gen, die die ent­schei­den­den Posi­tio­nen beset­zen, mit Wer­ten befüllt.

Genau in die­sem Punkt täuscht sich die Rech­te. Der moder­ne Staat ist nicht wert­neu­tral. Er kann nicht nach Belie­ben mit neu­en Ideen gefüt­tert wer­den, so daß er ein­mal reak­tio­när, ein ander­mal fort­schritt­lich agie­ren könnte.

Der Staat ist das gro­ße Instru­ment des Fort­schritts, die Waf­fe der Moder­ne und die Schutz­macht des Indi­vi­dua­lis­mus. Er hat sich in der euro­päi­schen Geschich­te durch­ge­setzt gegen die Kir­che, gegen den Feu­da­lis­mus, gegen die Städ­te und Gemein­den, gegen die Fami­lie und letzt­lich gegen jeg­li­che Form natür­li­cher Auto­ri­tät. Seit eini­ger Zeit ist er auch dabei, sich end­gül­tig gegen die Nati­on durch­zu­set­zen. Alles, was Kon­ser­va­ti­ven und Rech­ten wich­tig ist, hat der Staat ver­drängt oder ist dabei, es zu verdrängen.

Wor­an liegt das? Der Staat läßt sich nach Max Weber als poli­ti­scher Anstalts­be­trieb defi­nie­ren, der das Mono­pol legi­ti­men phy­si­schen Zwan­ges in Anspruch nimmt. Alles ande­re, ange­fan­gen von der Fami­lie bis hin zur römisch-katho­li­schen Kir­che, wird vom Staat als Kon­kur­renz bekämpft, solan­ge es durch Herr­schafts- oder auch nur Auto­ri­täts­ver­hält­nis­se gekenn­zeich­net ist. Das ein­zi­ge, was der moder­ne Staat neben sich gel­ten las­sen kann, wenn er sein Gewalt­mo­no­pol und damit sich selbst erhal­ten will, ist das Indi­vi­du­um, den ver­ein­zel­ten Bür­ger, das Atom.

Gera­de zu des­sen Schutz und Befrei­ung ist der moder­ne Staat ent­stan­den. Um den ein­zel­nen Men­schen vor „ille­gi­ti­mer“ Herr­schaft zu bewah­ren, hat er alle Gewalt an sich gezo­gen. Indem er sei­ne Herr­schaft über alles und jeden auf ratio­na­len und für alle glei­cher­ma­ßen gel­ten­den Geset­zen auf­bau­te, hat er die­se Herr­schaft schein­bar oder tat­säch­lich legi­ti­miert. Inner­halb des staat­li­chen Rah­mens sind die Bür­ger frei. Sie kön­nen Ver­trä­ge mit­ein­an­der schlie­ßen und Ver­ei­ne oder Unter­neh­men grün­den. Nur dau­er­haf­te Herr­schafts­ver­hält­nis­se unter­ein­an­der dür­fen sie trotz aller Ver­trags­frei­heit nicht her­bei­füh­ren. Die Frei­heit und Auto­no­mie des ein­zel­nen ist das höchs­te Gut des moder­nen Staa­tes, sie ist näm­lich das Pen­dant zum Gewalt­mo­no­pol. Fällt das eine, geht auto­ma­tisch auch das ande­re verloren.

Übri­gens sind auch die tota­li­tä­ren Staa­ten des 20. Jahr­hun­derts kei­ne Gegen­bei­spie­le, son­dern viel­mehr Bestä­ti­gun­gen die­ser Über­le­gung. In die­sen Regi­men arbei­te­te man inten­siv dar­an, die Auto­ri­tä­ten und Zwi­schen­in­stan­zen zu zer­stö­ren, die sich zwi­schen dem Staat und dem Indi­vi­du­um befin­den. Die Kin­der wur­den mög­lichst früh aus den Fami­li­en geholt, um sie staat­li­chem Ein­fluß aus­zu­set­zen; die Kir­chen wur­den ent­we­der für die staat­li­chen Zwe­cke ein­ge­spannt oder bekämpft; die Gewerk­schaf­ten und ande­re Ver­ei­ni­gun­gen wur­den zer­schla­gen. Übrig blei­ben soll­te nur die Mas­se aus nun völ­lig wehr­lo­sen Indi­vi­du­en einer­seits, der Staat (oder die Par­tei) andererseits.

Der Natio­nal­so­zia­lis­mus bil­det inso­fern einen Son­der­fall, als er mit der Nati­on einen anti­mo­der­nen und gemein­schaft­li­chen Wert als obers­ten Staats­zweck aus­gab. Jedoch schei­nen mir die Din­ge dann doch so zu lie­gen, daß die­ser Ver­such, den Staat als Mit­tel für einen kon­ser­va­ti­ven Wert ein­zu­set­zen, nicht als Erfolg bezeich­net wer­den kann. Wie sich sehr bald her­aus­stell­te, waren Nati­on und Staat im natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­ständ­nis nicht zwei ver­schie­de­ne Din­ge, son­dern ein und das­sel­be. Wer das anders sah und bei­spiels­wei­se den Staat bekämpf­te, um die Nati­on zu ret­ten, wur­de im Zwei­fel stand­recht­lich erschos­sen. Gera­de auch, wenn man sich die letz­ten Kriegs­jah­re ansieht, wird man eher davon reden müs­sen, daß die Nati­on zum Mit­tel des Staa­tes gemacht und für ihn geop­fert wur­de, als daß der Staat ein Mit­tel gewe­sen wäre, die Nati­on zu fördern.

Wer als Kon­ser­va­ti­ver für eine Wie­der­erstar­kung der Fami­lie kämpft, für christ­li­che Wer­te, für natür­li­che Auto­ri­tät, für Dorf­ge­mein­schaft, Tra­di­ti­on und Nati­on, der soll­te den Staat fürch­ten wie der Teu­fel das Weihwasser!

Das staat­li­che Gewalt­mo­no­pol und die damit ein­her­ge­hen­de Indi­vi­dua­li­sie­rung der Gesell­schaft ste­hen die­sen Wer­ten dia­me­tral ent­ge­gen. Der moder­ne Staat kann per se nur in den Dienst des Fort­schritts gestellt werden.

Mei­ne Emp­feh­lung für eine kon­ser­va­ti­ve Poli­tik hört sich daher so an, als wäre sie den kühns­ten Träu­men eines Liber­tä­ren ent­stie­gen: Das Gewalt­mo­no­pol des Staa­tes muß auf­ge­weicht wer­den. Im Rah­men unse­rer Ver­fas­sung bedeu­tet das ins­be­son­de­re, daß die Kom­pe­ten­zen ver­la­gert wer­den soll­ten, und zwar mög­lichst weg von Bund (und EU) und mög­lichst nahe an den Bür­ger her­an. Außer­dem ist jede Gesetz­ge­bung zu begrü­ßen, die nicht-staat­li­che Gemein­schaf­ten als eigen­stän­di­ge Kör­per­schaf­ten aner­kennt, in die nicht ohne wei­te­res hin­ein­re­giert wer­den darf. Beson­ders ist hier natür­lich an die Fami­li­en zu denken.

Es soll­te dabei nicht ver­schwie­gen wer­den, was das bedeu­tet. Ich wäh­le absicht­lich die Fami­lie als Bei­spiel, weil dar­an beson­ders deut­lich wird, ob und wie weit wir über­haupt noch wil­lens und fähig sind, kon­ser­va­tiv zu denken.

Wenn der Staat die Fami­lie (wie­der) als eigen­stän­di­ge Insti­tu­ti­on, als auto­no­me Ein­heit aner­kennt, stellt sich sofort die Fra­ge, wer dann die Fami­lie nach außen hin reprä­sen­tiert und wer in ihr die Ent­schei­dun­gen trifft. Frü­her hat­te ganz offi­zi­ell der Mann die­se Auto­ri­tät, und zwar – auf­ge­paßt – in Deutsch­land bis 1958. Da war z.B. Wolf­gang Schäub­le schon 16 Jah­re alt. Auch heu­te müß­te wie­der eine zumin­dest ver­gleich­ba­re Rege­lung geschaf­fen wer­den, wenn wir die Fami­lie über das hin­aus­he­ben wol­len, was sie laut Ger­hard Schrö­der ist, näm­lich ein­fach nur der Ort, „wo Kin­der sind.“

Es ist aber immer­hin frag­lich, ob wir, sechs Jahr­zehn­te nach 1958, nicht schon um Licht­jah­re zu modern und eman­zi­piert sind, um uns auf die­se Lösung über­haupt noch ernst­haft ein­las­sen zu kön­nen. Wenn das aber so ist, wenn sich nie­mand mehr vor­stel­len kann, sich aus der Abhän­gig­keit des Staa­tes zu lösen, um sich in die Abhän­gig­keit des eige­nen Ehe­part­ners (m/w/d) zu bege­ben, dann ist kon­ser­va­ti­ve Poli­tik eben im Bereich der Fami­lie unmög­lich geworden.

Ent­we­der ich beja­he die Fami­lie als Insti­tu­ti­on und akzep­tie­re die Abhän­gig­keits­ver­hält­nis­se, die sich in ihr auto­ma­tisch erge­ben, oder ich ver­nei­ne sie und akzep­tie­re allei­ne den Herr­schafts­an­spruch des Staa­tes, der alle Fami­li­en­mit­glie­der als gleich­be­rech­tig­te Indi­vi­du­en behan­delt. Im letz­te­ren Fall mag man dann Fami­li­en­för­der­pro­gram­me noch und nöcher auf­set­zen, aber kon­ser­va­tiv ist dar­an nichts. Wer kon­ser­va­ti­ve Fami­li­en­po­li­tik dar­in erblickt, ein­fach nur mehr Geld dort­hin zu schmei­ßen, wo Kin­der sind, der macht damit deut­lich, daß er gar nicht mehr an den Wert der Fami­lie glaubt, son­dern nur an den Wert des Gel­des. Kein Kin­der­geld und kein Frei­be­trag erzeugt die Wär­me, Soli­da­ri­tät, Gemein­schaft­lich­keit und Men­schen­bil­dung, die sich in einer intak­ten Fami­lie ein­stel­len, wenn alle auf­ein­an­der ver­wie­sen sind und nicht auf den Staat. Geld ersetzt die­se Wer­te, es bringt sie nicht hervor.

Die Rech­te will den Bock als Gärt­ner behal­ten, wenn sie dem moder­nen Staat zutraut, ihre Wer­te umzu­set­zen. Der ein­zi­ge Weg, der mei­nes Erach­tens in die rich­ti­ge Rich­tung füh­ren könn­te, ist eine radi­ka­le Umset­zung des Sub­si­dia­ri­täts­prin­zips, eine Ver­la­ge­rung der Kom­pe­ten­zen von oben nach unten, vom Bund auf die Län­der, Gemein­den, Fami­li­en und Bür­ger. Es besteht aller­dings die Schwie­rig­keit, daß der Bock bereits schon so lan­ge Gärt­ner ist, daß selbst sol­che, die sich für kon­ser­va­tiv oder rechts hal­ten, sich ein Leben mit weni­ger Bock gar nicht mehr vor­stel­len können.

In der zwei­ten Fol­ge die­ses Bei­trags wird es um die Denk­feh­ler der Liber­tä­ren gehen.

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Kommentare (28)

Homeland

13. Mai 2020 09:15

Am 6. Mai 2020 schrieb ich hier : "Die Felder der deutschen Rechtsliberalen heißen a.) Staatl. Souveränität, b.) Durchsetzung der Grundrechte und c.) Verfassungsgebung (auch direkte Demokratie) und Rechtssicherheit. Klassisch rechts, nicht reaktionär.", eine Provokation, durchaus vom eigenen Ideal getragen (o.k., wer bin ich schon). Eine Reaktion gab es nicht. Ich dachte, gut, Evola hat schon ziemlich viel zugeschüttet, der Rest steht mit hohen Gummistiefeln knöcheltief in der Gedankenlache. Is halt so.

Nun aber freue ich mich, dass endlich jemand auf festen Grund heraustritt, den Blick nach vorne richtet und eine Provokation setzt. Und ich bin gespannt, was der Ausblick auf die Libertären zu Tage fördert. Dann sehen wir weiter.

​​

MARCEL

13. Mai 2020 09:40

Schlüssig und stringent, vielen Dank! Der Fluch der Moderne ist die Flucht nach vorn. Probleme des Fortschritts werden mit noch mehr Fortschritt bekämpft, Probleme des Staates mit noch mehr Staat. Der französ. Querdenker Jacques Ellul (1912-1994) hat einmal gesagt, der moderne Mensch sei unfähig gemacht worden, aus sich selbst heraus zu leben. Er ist abhängig vom Mechanismus, hängt an tausend unsichtbaren Fäden, welche die Ketten von einst abgelöst hätten. Ellul, der seine Familie im Krieg als Bauer in den Pyrenäen über Wasser hielt, sorgte in Paris für Gelächter, als er forderte, die Jugend solle nicht nur das Tippen auf einer Tastatur, sondern auch das Bestellen eines Feldes lernen! Ist das Lachen heute vergangen?

Franz Bettinger

13. Mai 2020 09:46

Seltsam, dass hier geglaubt wird, ohne jede Definition von Staat und Nation auszukommen. So entstehen dann Sätze wie „den Staat bekämpfen, um die Nation zu retten“. Geht’s noch ein bisschen unklarer? Ein Nagel mit Kopf: Wäre die Nation der Deutschen wirklich gerettet gewesen, wenn die Generale der Wehrmachts 1938 den Nazi-Staat erfolgreich verhindert hätten (wie es ja geplant war, aber von den Briten verhindert wurde)? Wer hier mit Ja antwortet, hat ein eindimensionales Geschichtsbild. 

Franz Bettinger

13. Mai 2020 09:59

Ansonsten, natürlich, zur Stärkung von Familie und Subsidiarität: Zustimmung! 

RMH

13. Mai 2020 10:46

Starker Beginn des Artikels. Ich denke, die Idee, man müsse nur "konservative" Köpfe im Staat haben und dann wäre es ein anderer Staat, rührt neben der im Artikel geschilderten konkreten Erfahrung des "Marsches durch die Institutionen" der 68er auch von einer zu weiten Interpretation des sog. Böckenförde Diktums her.

Dem Staat grundsätzlich ein gesundes Misstrauen entgegenzubringen und auf konsequente Gewaltenteilung, Checks and Balances zu setzen, ist ein Gebot der Vernunft.

Maiordomus

13. Mai 2020 10:51

Bernhard Udau hätte die liberalen Klassiker studieren sollen. Dann wäre klar, dass es keinem von denen einfiel, den Staat abzulehnen und denselben durch den Markt zu ersetzen. Die Abschaffung des Staates gehört vielmehr zur Utopie des Kommunismus. Heinrich Zschokke von Magdeburg (1771 - 1848), auch Klassiker des Genossenschaftswesens, verstorben in Aarau am Tag der Verabschiedung der 1. Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, damals die von ihm mitgeprägte relativ liberalste Verfassung Europas, würde sich über Udau die Augen reiben. Aber im unteren Teil ist er nicht weit weg von gut altliberalen Vorstellungen von  Familie, wie sie z.B. Zschokke und auch Jeremias Gotthelf vertraten. Der Mann lässt sich jedoch heute schwerlich wieder zum "Familienoberhaupt" restituieren. Vgl. noch Joachim Bodamer, Der Mann von heute (1958), eine konservative Männerkritik, oder die aktuelle Trilogie (2013 - 2019) von Männerrrechtler B. Lassahn.

Gotlandfahrer

13. Mai 2020 11:31

Das Argument, man könne nur „ja“ oder „nein“ zu Abhängigkeitsverhältnissen in Familie sagen und folglich keine konservativen Hoffnungen an einen auf Progressivismus hinauslaufenden Staat richten, halte ich für nicht schlüssig.  Warum sollte es ausgeschlossen sein, via Staat auch geregelten Rückbau der Übergriffigkeit zu organisieren? „Staat“ ist ohnehin nicht auf den modernen Staat beschränkt, letztlich ist auch eine Steinzeitsippe ihr „Staat“ gewesen, das heißt „Staat“ ist das, was „man“ aus ihm macht. Wie sollte denn ein Subsidiaritätsprinzip anders organisiert werden als über „Staat“? Auch Gemeinde ist „Staat“? Die Form, die „Staat“ annimmt, ist Ausdruck der Kultur, der Technik und des damit durch die Funktionseliten im Auftrag der Zugangseliten erzeugten Massenbewusstseins (jetzt höre ich mich an wie ein Marxist…) und der entsprechend angeordneten Anreizsysteme (jetzt wie ein Marktliberaler…). Das heißt nicht, dass hier verschwörerische Zirkel wirken, sondern, dass – wie überall in der Natur – Interessen zu einer Selbstorganisation eines Systems führen, das im Ergebnis sich so anfühlt, als wäre es durch Zirkel „gelenkt“. Für Konservative stellt sich nicht die Frage, ob mehr oder weniger Staat, sondern wie in die Anreizsysteme einwirken, um das Massenbewusstsein, das wie schon immer im Interesse der Zugangseliten ausgebildet ist, auf mehr Eigeninteresse der „staatstragenden“ Bürger zu bewegen.

AtomX

13. Mai 2020 11:43

Ich glaube, dass der Staat nur dann die angesprochene Stellung aufrechterhalten kann, solange er die finanziellen Mittel für die dem Staatsbewohner für seine Eingliederung zur Verfügung gestellten Leistungen bereitstellt. Sollte der Staat das nicht mehr tun, z.B. durch eine große Wirtschaftskrise oder geänderte demografische Verhältnisse, dann wird der Staatsbewohner sich automatisch vom Staat wieder in die Familie zurückziehen, um zum Beispiel im Alter versorgt zu sein. Auch die Änderung der Demografie im Staat kann seine Delegimitation bedeuten. Man sieht sehr schön, dass die eingewanderten Gruppen sich derzeit zwar noch vom Staat versorgen lassen, diesem aber gleichgültig oder sogar ablehnend gegenüberstehen und in ihren starken Familienstrukturen (und der Religionsgemeinschaft) ihre Identität finden. 

Maiordomus

13. Mai 2020 12:28

Für die deutsche Geschichte liberaler Reformen wäre auf den Ostfriesen Johannes Althusius zu verweisen, genialer Naturrechtsdenker aus der Generation von Johannes Kepler. Der Protestant gilt als Erfinder des Subsidiaritätsprinzips. Grossen Wert legt er über den betonten Familienverband hinaus auf das Problemlösungsprinzip des "Collegiums", was mit berufsständischer Ordnung, auch Genossenschaften, zu verstehen ist, also unterstaatlichen Organisationen. Es bedeutet Selbstbestimmung an der Basis und Entlastung des Staates, der aber in einer subsidiären Ordnung stets vorausgesetzt wird. Bei Zschokke wird in seinem Hauptwerk, dem europaweit verbreiteten 1. Genossenschaftsroman der Weltliteratur, "Das Goldmacherdorf" (finnisch 1834) , die Förderung der Wohlfahrt und des Wohlstandes betont, auf Ebene Dorf, mit Sparkassen und sogar Kinderhütedienst usw., aber weitestgehend selbstverwaltet und selbstfinanziert via Arbeit, Gechäftigkeit und Sparsamkeit, alles auf der Basis des Milizprinzips.

Kriemhild

13. Mai 2020 12:58

"Der einzige Weg, der meines Erachtens in die richtige Richtung führen könnte, ist eine radikale Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips, eine Verlagerung der Kompetenzen von oben nach unten, vom Bund auf die Länder, Gemeinden, Familien und Bürger."

 

Hört sich gut an, aber leider entwickeln sich die späten Zivilisationen dezidiert nicht in diese Richtung. Deren politische Form ist seit jeher ein autoritäres, cäsarisches, universales (Herrschafts-)System. Wie dieses gestaltet werden kann und wer in ihm den Ton angeben wird: das sind die wirklichen Fragen der Zeit - und nicht eine idyllisierende Sehnsucht nach der kleinen Form und der regionalen Überschaubarkeit ... Damit landet man allenfalls bei Ovid: sprich im Abseits, im Niemandsland und in der politischen Bedeutungslosigkeit.

zeitschnur

13. Mai 2020 13:12

Ein in jedem Fall interessanter Denkansatz. Vor allem die Bemerkung, dass der moderne Staat in sich teleologisch ein alle kleineren Einheiten auflösendes Zentralisierungsprinzip trägt, das - so muss man es weiterdenken - hin zu supranationalen und schließlich weltstaatlichen Formen führen muss.

Allerdings erschließt sich für mich nicht die These

" Die Liberalen oder Libertären hingegen lehnen den Staat ab und wollen ihn durch den Markt als Ordnungssystem ersetzen, ohne zu erkennen, daß doch gerade der Staat es ist, der die Voraussetzungen für den Markt schafft."

Es ist nicht der Staat, der die Bedingungen für einen chten freien Markt schaft. Gerade das bezweifle ich stark. Es ist nur eine einzige Komponente, die der Leviathan an sich gerissen hat: das Recht.

Es ist falsch, dass Rechtssicherung nur durch Staatlichkeit erreicht werden kann. Dafür zeugen bis heute zahlreiche kleine Gesellschaften, etwa Stammesgesellschaften oder Einheiten mit Binnenrechten.

ff

zeitschnur

13. Mai 2020 13:19

ff

Für vollkommen verkehrt halte ich auch das Familienbeispiel. Hier wird ohne weitere Begründung behauptet, es müsse eine hierarchische Ordnung geben und Repräsentanz der "Unteren" durch die "Oberen".

Auch das erschließt sich überhaupt nicht: Es gibt keinerlei Grund dafür, warum überhaupt ein definiertes Familienmitglied selbige nach außen hin repräsentieren müsste. Das kann man in echter libertärer Denkweise der Familie ja jeweils selbst überlassen. Es geht die öffentliche Ordnung nichts an, wie die Leute das untereinander regeln.

Genauso ist es mit allen Geschäftsbeziehungen. Grundregel ist zwar immer die goldene Regel, aber wie im einzelnen freie Menschen miteinander Geschäfte vereinbaren, geht wiederum den Staat nichts an, solange sie damit niemandem schaden.

Das hierarchische Credo basiert auf keinerlei gutem Argument, kommt aber dem pathologischen machtwillen einzelner menschen sehr entgegen. Wie Lobaczewski es meinte, handelt es sich bei Hierarchieversessenen um Psychopathen, denen jegliches Einfühlungsvermögen und Gewissen fehlt. Wer an die Macht strebt, ist zanghaft und tendenziell kriminell veranlagt. Ich hoffe, dass es okay ist, hier auf den Buchtitel auf Amazon zu verlinken - https://www.amazon.de/Politische-Ponerologie-Wissenschaft-Anwendung-politische-ebook/dp/B007K6GJW0

Homeland

13. Mai 2020 14:12

In Ergänzung und ums gleich mal hier unter "Konservativer Teil I" festzuzurren:

https://www.fr.de/politik/coronavirus-sars-cov-2-daenemark-notfalls-militaer-13598503.html

Beschluß einstimmig.

Eine politische Rechte, die solches mitträgt, trägt auch den sich verselbständigenden Staat mit und steht defacto auf der anderen Seite. Bevor ich jemals so etwas wähle, geht nicht nur eher ein Kamel durch ein Nadelöhr. Eine solche Partei ist ab diesem Zeitpunkt unwählbar geworden. Eine solche Partei ist mein Feind. Eine solche Partei hat mit dem Wahren, dem Schönen und dem Gutem nichts gemein.

 

Waldgaenger aus Schwaben

13. Mai 2020 14:24

Der Autor unterliegt dem selben Irrtum wie zugegebenermaßen auch viele Konservative und Rechte: Dass eine zahlenmäßig kleine Gruppe von Bösewichten "die 68iger" durch die Institutionen marschiert seien und der Masse der Schlafschafe ihren Willen aufgezwungen hat. Das ist aber falsch.

      Um ein aktuelles Bild zu bemühen. Die 68iger waren das Virus, das die Krankheit ausgelöst hat, Ursache aber war das geschwächte Immunsystem. Ähnliches gilt für den NS. Der verlorene Weltkrieg, die Weltwirtschaftskrise, die nationale Demütigung hatten das Immunsystem Deutschlands geschwächt und ein paar esoterische Spinner, die in gesunden Völkern allenfalls für Unterhaltung in Kabaretts gedient hätten, stürzten das Volk in's Unglück.

Die Heilung kann nur von einem wieder erstarkten Immunsystem kommen. In einer gesunden Nation wird staatliche Gewalt nicht in die Familienautonomie eingreifen können.

Gracchus

13. Mai 2020 16:08

Zustimmung mit Abstrichen. 

Zustimmung, was die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips angeht.

Abstriche: Warum wird immer dem Individualismus der schwarze Peter zugeschoben? Anscheinend haben Udau und ich unterschiedliche Begriffe von Individualität. Der Staat als Schutzmacht des Individuums? Allenfalls funktionalistisch. Indem das Individuum frei von herkömmlichen Bindungen wird, steht es Staat und Markt zur freien Verfügung. Es erbringt mehr Leistung und mehr Steuern. Denn: "Das Geld ist das Blutkreislauf des Staates." (Novalis)

Mein Begriff von "Individualismus" ist demgegenüber nicht funktionalistisch, sondern zielt auf die Entfaltung der Persönlichkeit. Denn: "das höchste Gut der Erdenkinder ist doch die Persönlichkeit." (Goethe).

Christliche Werte sind auch nicht antiindividualistisch und nur bedingt familientauglich. 

Ich würde insoweit vielmehr an den von Max Weber u. a. konstatierten Zusammenhang zwischen innerweltlicher Askese und Kapitalismus anknüpfen: Die Askese, die ursprünglich Gott diente, wird durch den Mammon in Dienst genommen.

 

Gustav Grambauer

13. Mai 2020 16:18

"Wer als Konservativer für eine Wiedererstarkung der Familie kämpft ... , der sollte den Staat fürchten wie der Teufel das Weihwasser!"

Wer als Konservativer für eine Wiedererstarkung der Familie kämpft, hat noch nicht bemerkt, in welcher Falle er eigentlich drinsitzt. Die Gegenüberstellung des "bösen" Staates und der "guten" Familie ist aberwitzig, schon historisch gesehen. Die beiden zugrundeliegende, nur Abstraktionen anerkennende römisch-lateinische Denke kennt keine Männer, Weiber, Kinder (und damit Sippen) sondern nur "Personen" (und damit - eben - die Familie). Das Staatsproblem wird niemals zu lösen sein ohne Abkehr von diesem Verständnis. Diese Abstraktionen sind die Hebel z. B. des Jugendamtes, ohne sie hätte es gar keine Hebel. (Es müßten nur mehr Männer und Weiber die Abkehr von ihren Personen vollziehen und sich wieder als Männer und Weiber bekennen, wozu wiederum die Erschließung dieses Gegensatzes und somit eines völlig neuen Verhältnisses zum Staat der erste Schritt wäre.) Es wurde dahingehend in den zurückliegenden Jahren viel Vorarbeit geleistet, großteils von Nicht-Juristen, denn die meisten Juristen sehen hierbei sozusagen den Wald vor Bäumen nicht. Empfehle, einmal "mensch person" zu googeln, das Netz quillt über mit Zugängen hierzu, damit selbstredend auch mit Schlüsseln zur Lösung des Staatsproblems und somit des aufgeworfenen Paradoxons.

- Kommentariat

Gracchus

13. Mai 2020 16:31

Zitat: "Kein Kindergeld und kein Freibetrag erzeugt die Wärme, Solidarität, Gemeinschaftlichkeit und Menschenbildung, die sich in einer intakten Familie einstellen, wenn alle aufeinander verwiesen sind und nicht auf den Staat. Geld ersetzt diese Werte, es bringt sie nicht hervor."

Richtig. Es handelt sich um unverfügbare Werte, die auch nicht am Markt gehandelt werden können. Es gibt keine funktionale Äquivalente hierzu. Sie entziehen sich einer Tausch- und Verwertungslogik.

 

 

heinrichbrueck

13. Mai 2020 17:02

Welche Macht läßt diskutieren, um sich anschließend ersetzen zu lassen? Falls die Ersetzungsmacht die besseren Argumente hätte, fehlen ihr immer noch die relevanten Möglichkeiten: Geld und Militär.

Die meisten Menschen sind käuflich, von der Verkäuferin aufwärts, fast alle brauchen monatliches Geldeinkommen. Dadurch sind sie festgelegt, abhängig, einsortiert. Ein individueller Aufstand ist nicht drin.

Der Marsch durch die Institutionen, nach 1945, wurde erlaubt, nachdem die alten Institutionen besiegt waren. Er war nicht schwer zu bewerkstelligen.

Als Wissensvermittler ist der Staat politisch ein Instrument der Steuerung, was auch wieder einer realen Machtgegebenheit entspricht. Als Geldeintreiber nimmt er hohe Steuern, um gewisse Ziele verwalten zu können. Er schützt das arbeitsame Bienenvolk der Fleißigen, maximiert das Steuereinkommen, ohne kollektive Deutscheninteressen verfolgen zu können. Dieser Staat arbeitet seit Jahrzehnten konservativ. Er bewahrt die BRD.

Jetzt soll dieser Staat anders arbeiten, durch welche Maßnahmen herbeigeführt? Steuerverluste werden durch Schuldenaufnahme kompensiert, und die Verkäuferin hat kein Militär.

Was Konservative/Rechte wollen, was die Libertären wollen, ist doch nur dann relevant, wenn es innerhalb der Gegebenheiten, auf den Staat bezogen, langfristig nützlich umgesetzt werden könnte.

Niekisch

13. Mai 2020 17:18

"eine radikale Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips, eine Verlagerung der Kompetenzen von oben nach unten, vom Bund auf die Länder, Gemeinden, Familien und Bürger. "

Dabei wird völlig außeracht gelassen, dass die BRD bereits im Verhältnis zur EU in das Subsidiaritätsprinzip nach EU-Recht eingebunden ist. Unser Bundesrecht ist bereits zu großen und wichtigen Teilen subsidiär, wie gerade der Streit um die Entscheidung des BVerfG zu Staatsanleihenkäufen durch die EZB wieder aufgezeigt hat. Die deutsche Staatlichkeit würde weiter entmachtet, wie es schon die Alliierten mit dem Föderalismus erreichten. Der Wirrwarr im Bildungswesen zeigt es auf. Weitere Subsidiarität dürfte schließlich auch dem Separatismus Auftrieb geben, der ja in Bayern immer wieder seine Nase herausstreckt.

Zielführender ist vielleicht das Gründen von BGB-Gesellschaften der deutschen Restbürger, die mehr oder weniger unabhängig von der politischen Lage agieren können.

Nordlicht

13. Mai 2020 19:09

Danke: Ein anregender Artikel! (Knappe Abgrenzungs-Definitionen von Staat und Nation, wie im Kommentar oben gefordert, haben mir allerdings auch gefehlt.)

Dann wäre es für mich deutlicher was es hiesse, der "Staat habe sich endgültig gegen die Nation durchgesetzt". 

Dass der Fort-Schritt von allem vorher Bestehenden Strukturen weggeführt hat und immer weiter weg will, steckt mE schon in dem Wort. Dass die Geschichte nicht auf einem linearen Strahl fort, sondern auch in Ellipsen zurück zum Vorigen reiten kann, zeigen mE die Türkei und der Iran: Dort geht es mit dem Islam um minfestens 100 Jahre zurück. 

 

 

Marc_Aurel

13. Mai 2020 19:45

Eigene Überlegungen im stillen Kämmerlein, wie man es denn künftig besser machen könnte, haben bei mir in der Vergangenheit schon oft zu Idee geführt, den Laden auf den Kopf zu stellen und von unten nach oben zu organisieren. Der Grundgedanke dabei ist einfach: die Menschen vor Ort wissen am besten was gut für sie ist. Der Bürgervertreter ist nur nebenberuflich Politiker, wohnt mit im Ort, hat einen Ruf zu verlieren und trägt lokale Verantwortung. Die Entstehung einer weltfremden Kaste aus korrupten Berufsschmarotzern und Apparatschiks, wie sie sich heute in den Apparaten tummelt, ist damit nahezu ausgeschlossen. Die Menschen arbeiten im nahen Umkreis, die Gemeinden oder mindestens kleinere Regionen sollten in der Lage sein, sich mit den allerwichtigsten Dingen selbst zur versorgen. Angelegenheiten, die nur überregional geregelt bzw. nur gemeinschaftlich gestemmt werden können, werden durch die Entscheidung der Gemeinden beschlossen und umgesetzt, mit den heutigen technischen Mitteln ist das organisierbar. Die Befehlsgewalt über Militär und Polizeieinheiten selbst, liegt bei den Kommunen oder sagen wir bei den Regionen (was ein einheitliches Kommando im E-Fall nicht ausschließt). Im Prinzip ist das der Gegenentwurf zum Globalismus: die positivsten Elemente verschiedener Gesellschaftssysteme werden gemischt. Vielleicht etwas naiv, offene Fragen – jede Menge, klingt in meinen Ohren aber erst mal sehr gut, viel Mut natürlich erforderlich, Zeichengrenze...

Weltversteher

13. Mai 2020 21:39

Auch mir ist (wie Zeitschnur) nicht klar, weshalb nun der Einzelne in anderen Strukturen unterschlüpfen müßte, wenn er nicht dem Staat zur Verfügung stehen will oder soll. Das hört sich an wie die Pflichtmitgliedschaft in gewissen Kammern, die ja gerade - der Staat durchsetzt. Noch absurder ist es, daß eine einheitliche innere Ordnung der vielfältigen subsidären Einheiten (bis hin zur Vertretungsbefugnis) angenommen wird, die doch allenfalls dann so uniform sein kann, wenn sie wiederum - vom Staat vorgegeben würde.

Vielleicht fehlt dem Rechten doch ein Begriff vom Menschen, der über die Betrachtung der Mängel des beliebten "Mängelwesens" hinausreicht. Nur so scheint es erklärbar, daß die Erwägungen zur Ordnung nicht vom Menschen her gedacht werden.

limes

13. Mai 2020 22:10

Verschiedene Aussagen des Aufsatzes halten der Überprüfung nicht stand, Begriffe werden nicht erklärt.

»Der Staat … hat sich … durchgesetzt gegen die Kirche, gegen den Feudalismus, gegen die Städte und Gemeinden … und letztlich gegen jegliche Form natürlicher Autorität.«

Die Kirche(n) erweisen sich vielmehr als staatstragend, als Komplizen der Macht, ebenso wie Bürgermeister, Gewerkschaften, Vereine und Verbände. Der Adel als Nachlassverwalter des Feudalismus spielt in Klatschspalten mit.

Worin sich natürliche Autorität manifestiert und von verliehener unterscheidet, wäre eine Erörterung wert.

»Innerhalb des staatlichen Rahmens sind die Bürger frei. Sie können Verträge miteinander schließen und Vereine oder Unternehmen gründen. … Die Freiheit und Autonomie des einzelnen ist das höchste Gut des modernen Staates ….«

Wäre es so, gäbe es wohl die AfD nicht. Die hässliche Wirklichkeit hierzulande aber ist, dass Freiheit und Autonomie einzelner wie auch bestimmter Organisationen hintertrieben werden. Wie steht es mit der Freiheit von AfD-Gliederungen, Verträge über die Anmietung von Versammlungslokalen zu schließen?

Und wer eine Genehmigung für einen Zaun um sein Grundstück erheischt, der weiß auch ein Lied über die Freiheit und Autonomie des einzelnen zu singen!

Nath

13. Mai 2020 22:35

Das Problem mit solchen Wortmeldungen wie dem obigen Artikel liegt darin, dass eine bestimmte Wertsetzung (Konservativismus) sich absolut setzt, als verstünde sich der Herrschaftsanspruch des "bewahrenden Prinzips" von selbst. Es liegt meines Erachtens ein doppeltes Defizit vor, einmal das der Willkür und andererseits das der Beliebigkeit. Freilich gilt dies für alle weltanschaulich motivierten Wert-Setzungen, auch für die der Gegenseite (Anarchismus, Egalitarismus usw.) Jede hat dasselbe Recht, sich zu artikulieren, jede unterliegt aber auch derselben Pflicht, die Selbstevidenz ihrer Prämissen aufzuweisen, so sie allgemeine Geltung beansprucht - woran am Ende noch alle gescheitert sind (Warum wohl?)

Wenn das G e f ü h l des Konservativen ihm sagt, dass es sich dabei um heilige Dinge handelt (nebenbei, standen die genannten  drei denn historisch immer in einem harmonischen Verhältnis zueinander?), so veranlasst das Gefühl einen a n d e r e n, die unbedingte Heiligkeit ebendieser Werte zu bestreiten. So ist weder pro noch contra etwas zu entscheiden. Doch auch die "meta-ideologische" Vogelperspektive, wonach es wünschenswert sei, dass Linke, Mittige und Rechte sich innerhalb einer neutralen Entität, genannt Staat, gegenseitig in Schach halten, greift am Ende zu kurz. Wir müssen über alle Ismen hinauswachsen, um ins Freie zu gelangen, und es steht zu erwarten, dass dies eine lange Übergangsperiode erfordern wird. 

Lotta Vorbeck

13. Mai 2020 23:27

Stand per Mitte Mai 2020:

+ offiziell 2.000.000 vernichtete Existenzen

+ offiziell 10.000.000 Kurzarbeiter = demnächst zusätzliche Arbeitslose

Sicher sind in Bälde anstehende, drastische Steuererhöhungen.
Unsicher sind Bankguthaben Renten und Pensionen.
Eine "Vermögensabgabe" vulgo Zwangsenteignung wird unverhohlen diskutiert.

Die Folgen der desaströsen Politik sollen laut Peter Boehringer "weginflationiert" werden.

Die Frage stellt sich von Tag zu Tag drängender: 

+ Wovon wollen die Deutschen künftig leben?
+ Aus welcher Quelle wollen die Deutschen künftig Sozialversicherungsleistungen beziehen?
 

Lotta Vorbeck

13. Mai 2020 23:28

Peter Boehringer [MdB] im Gespräch: „Ein echter Überfall“

https://www.youtube.com/watch?v=-sDoUxgvnmY 

Es werden derzeit Summen aktiviert, die das 10fache bis 20fache des deutschen Staatshaushalts ausmachten. 

Boehringer äußert sich in diesem Interview vom Freitag (8. Mai) auch zum Rückzieher von Gesundheitsminister Spahn in Sachen Impfausweis, die EU habe Vorratsbeschlüsse gefasst, "und will das Thema wieder auf die Agenda bringen". 

Lumi

13. Mai 2020 23:39

"Der moderne Staat kann per se nur in den Dienst des Fortschritts gestellt werden." Warum das? Der Staat kann in den Dienst seiner Eigentürmer gestellt werden, der Oligarchen. So in den USA. Entsprechend wird die Bevölkerung bewaltet. Der Fortschritt (wie ich ihn verstehe: als technischen Fortschritt) ergibt sich, weil genug Menschen entsprechend motiviert sind. Der Staat kann in den Dienst der Nation gestellt werden. So in Rußland. In 20 Jahren ist Putin eine großartige Restauration gelungen. Fortschritt dito. Der Staat kann in den Dienst der Auslöschung der Nation gestellt werden. So bei uns. In 15 Jahren hat Merkel nichts zur Verbesserung der Lage getan. Im Gegenteil. Kein Mut, kein Wort, keine Tat. Die Bilanz ist erbärmlich, selbst in mickrigen BRD Maßstäben. (Natürlich stellt sich die Frage, wie eine solche Schlaftablette überhaupt aufgestellt und dann auch noch gewählt werden kann.) Aber Fortschritt dito, trotz allem. Die Beispiele zeigen: Der Staat an sich ist hierhin und dorthin deutbar. Alles geschieht durch Menschenhand. Auf die Menschen kommt es also an. Wenn man sieht, wie bereitwillig sie sich durch Corona nasführen lassen, kann man sich fragen, was für ein Staat mit ihnen wohl noch zu machen sein wird ... Ich sehe viele Gestaltungsmöglichkeiten, aber leider keine guten.

Bernard Udau

14. Mai 2020 09:57

Einige sagen, ich hätte Staat und Nation nicht definiert. Die Definition des Staates wird gegeben: Politischer Anstaltsbetrieb, der das Monopol legitimen physischen Zwanges in Anspruch nimmt. Nation (=Volk; wörtlich: Geburtsgemeinschaft) meinte ich hier nicht definieren zu müssen.

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