Reinhold Busch (Hrsg.): Stalingrad – Die stillen Helden. Das Schicksal der Sanitätseinheiten im Kessel, Graz: Ares 2019. 432 S., 29.90 €.
Auf deutscher Seite hatten im Zweiten Weltkrieg nach den Pionieren die Sanitätssoldaten prozentual die meisten Verluste zu beklagen. Trotzdem wird über den Einsatz von Ärzten, Sanitätern und Krankenschwestern im Gefecht, auf dem Hauptverbandplatz, in Feld- oder Heimatlazaretten nur wenig berichtet, obwohl es ein Indikator für die Leistungsstärke einer Division ist, was sie für Verwundete, Kranke und Verstümmelte tut. Das Wissen der Soldaten, im Falle einer Verwundung jederzeit und sofort alle nötige medizinische Hilfe zu bekommen, stärkt ihre Moral. Daher verfügten kampfstarke Verbände immer auch über effektive Sanitätseinheiten.
Dem Mediziner Reinhold Busch ist es in dem vorliegenden Werk erstmals gelungen, in akribischer Kleinarbeit die Zahl der in Stalingrad ganz oder teilweise eingeschlossenen San-Einheiten festzustellen: Es waren 40 Sanitätskompanien, zehn Divisionslazarette, ein ArmeeFeldlazarett sowie ein Armee-Sanitätspark und eine Armee-Krankentransport-Abteilung, was einer Stärke von rund 6600 Soldaten entspricht. Schätzungen über die Zahl der Ärzte schwanken zwischen 600 und 1200. Der Autor gliedert sein Buch in sieben Teile. Zunächst geht er auf die schlechte Quellenlage ein und schildert die Probleme, auf die er bei seiner Arbeit stieß. Er beschreibt Organisation und Arbeit der Sanitätseinheiten, rekonstruiert die unterschiedlichen Phasen der militärischen Operationen und die Rolle der San-Verbände im Angriff auf die Wolgastadt und in der Verteidigung im Kessel sowie die zunehmenden Probleme bei der Patientenversorgung.
Busch wertet die zum Teil erschütternden Berichte eingesetzter Ärzte aus. Sie machen die sich anbahnende Katastrophe deutlich: immer geringer werdende Nahrung, kein Verbandsmaterial, keine Medikamente, Operationen am laufenden Band unter miserablen hygienischen Bedingungen. Der geringe, über eine Luftbrücke eingeflogene Nachschub an Verpflegung und Munition ging in erster Linie an die noch kampffähigen Einheiten. Der Kessel sollte auf Befehl Hitlers unbedingt gehalten werden, denn der Widerstand der 6. Armee band nach Reinhold Busch immerhin sieben sowjetische Armeen, die an anderer Stelle des hart bedrängten deutschen Südflügels der Ostfront fehlten, weshalb der Wehrmacht im Frühjahr 1943 an Don und Donez trotz aller Schwierigkeiten die Errichtung einer festen Front gelang.
Nach der Kapitulation der 6. Armee am 2. Februar 1943 bestanden zwei Drittel der rund 100 000 deutschen Gefangenen aus Schwer- und Leichtverwundeten bzw. Kranken, das restliche Drittel war unterernährt. Die Sowjets hatten sich nicht darauf vorbereitet, die Menschen ärztlich zu behandeln und mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Vielmehr trieben sie die Entkräfteten in Gewaltmärschen in Gefangenenlager, wobei rund 85 000 von ihnen umkamen. Nur 6000 kehrten in die Heimat zurück.
Stalingrad – Die stillen Helden von Reinhold Busch (Hrsg.) kann man hier bestellen.