Werner Olles: Grenzgänger des Geistes. Vergessene, verkannte und verfemte Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, Beltheim-Schnellbach: Lindenbaum Verlag 2019. 329 S., 19,80 €
Laut eigener Aussage ist Werner Olles »den antiliberalen Idealen« seiner »links-revolutionären Jugend treu geblieben …, wenngleich auch auf der anderen Seite des politischen Grabens«. Mit dem Untertitel »Vergessene, verkannte und verfemte Schriftsteller des 20. Jahrhunderts« liegt nun aus seiner Feder eine Sammlung von 66 kürzeren Abhandlungen vor, die in der Regel der Präsentation einer, in wenigen Fällen auch zweier Persönlichkeiten gewidmet sind. Nicht in jedem Fall handelt es sich um Schriftsteller. Eine Reihe der Porträtierten war und ist weder vergessen, verkannt, noch verfemt, und auch im 20. Jahrhundert sind nicht alle zu verorten, etwa Edward Bulwer-Lytton. Die einzige erkennbare Verbindung zwischen allen Persönlichkeiten ist die Tatsache, daß Olles (meist in der Jungen Freiheit) über sie geschrieben hat.
In einer Vorrede ist angemerkt, der Schwerpunkt liege »bei den sogenannten ›linken Leuten von Rechts‹ und den zum Katholizismus konvertierten Autoren«. Zudem betont der Autor wiederholt seine Abneigung gegen die »unseligen Folgen« des Zweiten Vatikanums. Angeordnet sind die Porträts alphabetisch, ohne jeden weiteren Gruppierungsversuch. Olles sagt, es seien Beiträge »in essayistischer Form, die keinen Anspruch auf wissenschaftliche Korrektheit erheben, denn es geht um die Verteidigung von Idealen, Überzeugungen, Werten und Träumen.« Dies soll die Subjektivität der Auswahl des jeweiligen Stoffes unterstreichen. Warum »Korrektheit« dabei ein Widerspruch sein soll, erschließt sich nur bedingt. Einem Grundmuster folgen die Artikel nicht.
Es finden sich viele »klassische« LebenWerk-Darstellungen, so über Rolf Dieter Brinkmann, Reinhold Schneider oder Franz Werfel. Weniger geläufige Namen, etwa Nikolai Berdiajew oder Ernst Sommer stehen neben den wohl kaum jemandem unbekannten Erich Kästner oder Karl May. Das Interesse von Olles am Werk von Léon Bloy und Nicolás Gòmez Dávila ist spürbar. Gabriele D’Annunzio wird stark auf sein »Kriegerdasein« beschränkt. Hans Fallada hat natürlich keine Chance, unter die von Olles geschätzten Überzeugungskatholiken eingereiht zu werden. Auf dem Beitrag lastet die Drogen- und Trunksucht, das vermittelte Bild wirkt verzerrt. Fallada hat seinen Schulfreund nicht einfach erschossen, wie hier suggeriert wird, geplant war ein Doppelselbstmord.
Da Jeder stirbt für sich allein Erwähnung findet, hätte man die Entstehungsumstände und die inhaltlichen Eingriffe der Ost-Berliner Kulturoberen in Falladas letztem Buch zumindest andeuten können. Graham Greene, dem »kämpferischer Katholizismus« bescheinigt wird, bleibt auch einiges erspart, allerdings zu seinen Gunsten, so ein Hinweis auf die Neigung zum Extremen – er wählte gern Altäre als Kulisse für physisches Liebesvergnügen. Aus Edwin Erich Dwingers Werken werden Inhalte vergleichsweise ausführlich referiert. T. S. Eliot nimmt Olles gegen den Antisemitismusvorwurf in Schutz, Hans Grimm entfernt er vom Nationalsozialismus (»Zwar bejahte der Dichter grundsätzlich die Ideen des neuen Staates, mit den neuen Machthabern war er jedoch alles andere als zufrieden …«). Anders Knut Hamsun, dieser »vertrat gegen den norwegischen Patriotismus entschieden die Sache des Nationalsozialismus«. Arnolt Bronnens Linksrechtslinks-Wendungen werden auf knappem Raum gelungen umrissen. Die Biographie Ernst von Salomons, der auf den ihm gewidmeten Seiten durch längere Zitate selbst reichlich zu Wort kommt, erscheint stringent.
Im Zusammenhang mit Rudolf Steiner gibt es eine kleine Einführung in die Anthroposophie sowie einen Rückverweis auf das Werk Bulwer-Lyttons. Und über John Steinbeck ist zu erfahren, daß er am Ende seines Lebens »glühender Patriot und Konservativer« war. Dominique Venners Weg und sein Ende mit dem als Fanal intendierten Selbstmord sind in einem engagierten Beitrag mit den Prophetien des Jean Raspail verknüpft. Einige Beiträge lassen sich schwer in Zusammenhang mit der vorgeblichen Grundlinie des Buches bringen. So das Porträt über Daphne Du Maurier, auf deren Werke Alfred Hitchcock gern für seine Filme zurückgriff, oder die Rezension eines umfangreichen Werkes über Hans Milch, der als katholischer Traditionalist, nicht aber als Schriftsteller hervorgetreten ist.
Insgesamt ist der Eindruck durchwachsen. Jeder Essay kann als Erinnerung, Überblick oder Anregung für weitere Vertiefung gelesen werden. Olles läßt seine Vorlieben erkennen, woraus auch Qualitätsunterschiede resultieren. Letzteres, eine unschöne Häufung von kleinen Fehlern an nicht unmaßgeblicher Stelle (etwa Kuehnelt-Leddihn, nicht Kuehnelt-Leddhin; Plotin, nicht Platin, Moeller van den Bruck, nicht Möller van den Brock) und die Tatsache, daß vielfach Vertrautheit mit der Materie vorausgesetzt wird, lassen zögern, die Sammlung insgesamt als Einstieg in die Beschäftigung mit dem jeweils Porträtierten zu empfehlen.
Grenzgänger des Geistes von Werner Olles kann man hier bestellen.