Falk Horst (Hrsg.): Panajotis Kondylis und die Metamorphosen der Gesellschaft. Ohne Macht lässt sich nichts machen. Aufsätze und Essays, Berlin: Duncker & Humblot 2019. 267 S., 49.90 €
Panajotis Kondylis (1943 – 1998) wurde bereits früh als »Anti-Fukuyama« (Armin Mohler) charakterisiert. Man kann sogar noch weitergehen. Der differenzierte Grundansatz des ungeheuer produktiven griechischen Privatgelehrten, der an einer Routineoperation gestorben ist, darf als eine Kampfansage an das hypernormativistisch orientierte bundesrepublikanische Gelehrten- und Politikestablishment gewertet werden: Kondylis zufolge fehlt der conditio humana ein übergeordneter Maßstab.
Es verbleibt der grundsätzlich anthropologisch fundierte Drang zum Kampf, etwa zwischen Weltanschauungen; zentral sind für ihn wichtige Begriffe und Kategorien wie Macht, Entscheidung, Selbstbehauptung, Identität und Überlebenswille, mit deren Hilfe er das Geschehen der Wirklichkeit verdeutlichen will. Der ungemein kundige Sozialhistoriker hat aus seinen der Richtung des Realismus zugehörigen Gewährsleuten nie einen Hehl gemacht: Sie reichen von Thukydides über Machiavelli bis zu Max Weber, Carl Schmitt und Arnold Gehlen. Allerdings wird (ihnen gegenüber) der spezifische Zugang von Kondylis sichtbar. Er wählt dezisionistische Kategorien in rein analytischer Absicht; vom praktischen Politikbetrieb hat er sich stets ferngehalten. Dieser gilt ihm als der »gewärmte große Kulturstall« (Gehlen), dessen Vertreter hierzulande Schnappatmung bekommen, wenn man, wie der Unerschrockene, Entscheidung als Absonderungsvorgang beschreibt, durch den ein »organisiertes und hierarchisiertes Weltbild zustande kommt, welches die zur Selbsterhaltung erforderliche Orientierungsfähigkeit garantiert und dem Machtstreben durch die Gewährung einer festen Identität dient«.
Der neueste Sammelband problematisiert aber nicht nur die erwähnten Grundkategorien, sondern thematisiert gleichfalls andere Arbeitsfelder des Autors wie Konservatismus, Aufklärung und Metaphysikkritik, über die er äußerst materialreiche Monographien verfaßt hat. Von den zwölf Aufsätzen (neben der Einleitung) ist besonders der Beitrag des Herausgebers hervorzuheben. Falk Horst präsentiert einiges aus dem Nachlaß, das (noch) nicht veröffentlicht ist. Es ist den Lesern zu wünschen, daß auch noch der zweite Band der umfangreichen Sozial ontologie Kondylis’ publiziert wird. Solange sich ein Großteil der Bundesbürger wohl fühlt in der Rolle von Schafen, die gleichwohl unter Wölfen leben – innerhalb der löchrigen Grenzen des eigenen Landes – ist Kondylis als Antidot unverzichtbar. Ein ebenbürtiger Nachfolger ist nicht in Sicht.
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