Wenn es um den Konsum geht, ist militärisch rasanter Wortschatz den ansonsten eher pazifistischen Sozial- und Christdemokraten nur recht, denn das Wachstum generierende Verbrauchen liefert den Kitt, der ihre Demokratie als politischen Ausdruck des Utilitarismus zusammenhält. Alles darüber hinaus ist Propaganda, vermutlich um halbbewußt zu kaschieren, daß es allein auf Markt und Verbrauch ankommt.
Diktaturen hingegen sind das politische Management einer Mangelsituation. Wo aber der Markt funktioniert, wo eine Zweidrittelgesellschaft ausreichend, ja übermäßig konsumieren und ihre Bedürfnisse befriedigen kann, funktioniert die Demokratie – mit so famosem Erfolg, daß das Recht, frei zu konsumieren, wichtiger ist als das Wahlrecht und die übrigen verbrieften Freiheiten. Verbraucherrechte sind dort relevanter als Bürgerrechte. Überangebote sichern offenbar demokratische Stabilität. Grenzen setzt allein der Markt mit seinen Preisen.
Interessant, wie unkompliziert sowohl die westlich alternative Grünlinke als auch die ostgeprägte SED-Staat-Linke im Gegenwartskapitalismus ihr politisches Zuhause fanden und darin, hedonistisch und korrumpiert, zu mustergültigen Demokraten reiften. Die “demokratische Linke” avancierte gewissermaßen zur höheren Angestelltenschaft der Berliner Republik.
Aber linkes Denken ist von der Potenz des globalisierten Kapitalismus und seiner bis ins Sinnlose vielfältigen Warenwelt angemacht und setzt selbst auf Entgrenzung, insbesondere des Verbrauchs. Hätten die Linken vollen Zugriff auf die öffentlichen, also die Steuermittel, würden sie diese versenken, selbst um den Preis einer absehbaren Staatspleite. Namentlich die Partei “Die Linke” fragt mittlerweile überhaupt nicht mehr danach, woher die Mittel kommen; sie ruft nur noch nach mehr Verteilung zugunsten ihrer Klientel.
Ist der Zaster dann verbraucht, muß eben enteignet werden. Sicherung von „Teilhabe“ heißt das bei Alternativen und bei Genossen. Dahinter steht ein Menschenbild, das ebenso entgrenzt erscheint: Der Mensch wäre vernünftig, aller Möglichkeiten voll, grundsätzlich gut; seine Bedürfnisse sollten daher in jeder Weise befriedigt werden, während andererseits aber darauf zu achten wäre, ihm bloß nicht zu viel an Leistung abzuverlangen. Da seine Würde ja unantastbar wäre, stünde ihm per se irgendwie alles zu, und zwar jedem, ganz unabhängig davon, was er zu leisten willens ist. Das heißt dann „Gerechtigkeit“.
Teilhabe und Gerechtigkeit werden von den Linken als Rechte mit absoluter Geltung gesetzt. Das ist ein Problem, zumal die gesamte „Mitte“ mittlerweile links dominiert und hinsichtlich der Umverteilung im Sinne des aktuellen Corona-Staatssozialismus einig ist.
Rechte Konservative bilden die einzige Kraft, die der anthropologischen Entgrenzung und deren Folgen entgegensteht. Schon deswegen wäre ihre Politik nicht schick; sie biederte sich nicht an, sie verteilte kaum Komplimente. Der Mensch als Verbraucher und tumber Konsument, reduziert aufs Orale, genügte ihr nicht; darin grenzt sie sich nicht zuletzt von den Liberalen ab, für die alles Wesentliche ebenfalls in Marktbeziehungen und Bedürfnisregulierungen zugunsten von Gewinn- und Revenuemaximierung beschrieben ist. Nur möchten die Liberalen dies im Sinne der Chancengleichheit bzw. des freien Wettbewerbs juristisch festgelegt wissen, während die Linken ganz umstandslos von vornherein den sozialen Egalitarismus garantieren wollen.
So steht für die Liberalen der Leistungsträger im Mittelpunkt ihrer Politik, für die Linken hingegen die vermeintlich Benachteiligten, Zukurzgekommenen, Limitierten und Minderleister. Rechtliche Emanzipation reicht der Linken nicht; ihr geht es pauschal um die soziale Gleichheit. Am deutlichsten zeigt sich das in der linken Dauerargumentation, Bildungserfolg hinge in Deutschland zu sehr von der sozialen Herkunft ab. Sie kommt gar nicht darauf, daß Unterprivilegierte alle Möglichkeiten haben, mehr leisten zu können, weil das Recht auf Bildung allen garantiert ist, nein, es sollen ihnen ausgezeichnete Abschlüsse einfach zuerkannt werden, um so den Bedürfnissen anforderungsfrei zu entsprechen.
Konservative halten es für unerläßlich, daß sich der Mensch bescheide – ja, auf ein Minimum im Verbrauch, um die ohnehin vom Menschen geschundene Natur zu schonen, auf die Demut angesichts der unweigerlich mit der eigenen Existenz verbundenen Schuld, auf das Notwendige und Eigentliche, das weniger im Materiellen, sondern vielmehr im Ideellen zu finden ist und der aufmerksamen Pflege durch Bildung, Erziehung und Religion oder philosophisches Nachdenken bedarf. Daher stabilisieren sie, wo sie nur können, Staat und Institutionen und setzen auf Bindung, Tugend und Haltung. Wo allerdings gibt es diese konservative Lebensart noch? Sie gilt als unmodern, ja antiquiert und will angestrengt ausgehalten sein – läge nicht in der Zeit, wäre aber an der Zeit.
Während alle anderen meinen, der Mensch wäre per se ein positiver Held, der keiner Einschränkungen bedarf und dem gefälligst alles recht zu machen sei, mahnt die Rechte vor seiner zerstörerischen Kraft und der mephistophelischen Nachtseite seines Wesens. Daher bezieht er, nietzscheanisch aufgefaßt, zwar immense Kraft, aber genau deswegen gilt es achtsam zu sein, gerade im vermeintlich Schöpferischen.
Der Mensch muß zur Errichtung und Sicherung seiner ihm lebensnotwendigen künstlichen Welt zwar unweigerlich schöpferisch handeln, erlebt sich aber gerade in dem damit verbundenen Verschleiß seiner selbst und seiner Umwelt als janusköpfig: Mit allem vermeintlich Guten schafft er – wie verflucht – neues Leid.
Die Pflege eines modernen Stoizismus kann heute als rechtes Denken gelten. Etwas trivial mit Diogenes: Wie viele Dinge sehe ich, die ich nicht brauche?!
Das heißt auch: Sichern wir um so mehr die wenigen Dinge, derer wir unbedingt bedürfen, also die Schöpfung bzw. Natur, würdigen wir eher das Weltganze statt unsere beinahe zu vernachlässigende Individualität, befleißigen wir uns der Bildung als unseres Schulungsweges in ein aufmerksames, nachdenkliches, selbstkritisches, maßvolles und damit gutes Leben, das sich auf das zu konzentrieren versteht, was uns noch erhält. Und schließen wir dabei wieder an die Weisheiten und Mythen der Alten an. Die billige Behauptung, daß der Mensch das Maß aller Dinge sei, ist symptomatischer Ausdruck einer gefährlichen Hybris.
Wem dieser Grundriß nicht zusagt, wird sofort entgegnen: So eingeschränkt wirst du doch selbst nicht leben wollen! – Doch! Ich habe mich stets skeptisch zu prüfen, zur Aufmerksamkeit zu zwingen und den Gedanken auszuhalten, daß es um mich letztlich nicht geht. Die christliche Botschaft spricht von der Notwendigkeit umzukehren. Daß diese Umkehr von der nach Milliarden zählenden Menschheit eben nicht vollzogen werden kann, offenbart die Tragik unserer Unerlöstheit und Unerlösbarkeit in diesem Leben.
quarz
"Da seine Würde ja unantastbar wäre, stünde ihm per se irgendwie alles zu, und zwar jedem, ganz unabhängig davon, was er zu leisten willens ist. Das heißt dann „Gerechtigkeit“"
Das grundgesetzliche Gerede von der Würde ist reines Blendwerk. Auf Nachfrage ist keiner in der Lage zu explizieren, was das sein soll, und wer es versucht, stottert allenfalls zirkulär in einem Wortbrei von mindestens ebenso erklärungsbedürftigen Begriffen herum. Aber alle glauben sie genau zu wissen, welche konkreten Forderungen und Verbote sich aus diesem Nebulosum ableiten lassen. Die Würde spielt im Herrschaftsdiskurs die Rolle eines Perpetuum mobile, das ex nihilo fortlaufend die Rechtfertigung für die herrschaftsstabilisierenden Maßnahmen liefert.