Diskriminiert mehr!

Weniger zu diskriminieren ist ein Irrweg, sogar eine Unmöglichkeit.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

Abge­se­hen davon, daß – wie bei allen Pro­pa­gan­dis­men – die Seman­tik unklar ist, muß gera­de gegen­wär­tig gel­ten: Wir brau­chen nicht weni­ger, son­dern mehr Diskriminierung.

Ety­mo­lo­gie erhellt nicht unbe­dingt den Begriff, dies geschieht nach Witt­gen­stein nur im Gebrauch des Wor­tes in der Spra­che, auf daß man dabei die Inten­ti­on des Spre­chers erken­ne. Aber das latei­ni­sche dis­cri­mi­na­re ent­spricht dem deut­schen tren­nen oder schei­den; dis­cri­men (lat.) ist die Schei­de­li­nie oder Trenn­wand. Mehr denn je geht es um Unter­schei­dung, durch­aus in der Leit­for­mu­lie­rung Niklas Luh­manns, die er bei Geor­ge Spen­cer-Brown auf­griff: „Draw a distinction!“

Mit ihrer bil­li­gen For­de­rung nach Anti­dis­kri­mi­nie­rung dis­kri­mi­niert die Lin­ke unwei­ger­lich selbst. Sie trifft damit, ihr selbst wohl unbe­wußt, eine sogar kras­se Unter­schei­dung, indem sie das ver­meint­li­che Her­ab­set­zen ande­rer ver­wirft. Unter­schei­dun­gen zu tref­fen, damit Ver­glei­che, Wer­tun­gen und Urtei­le über­haupt erst mög­lich wer­den, gebie­tet das Leben und Den­ken von selbst. In der Unter­schei­dung von Null und Eins liegt die gan­ze Mathe­ma­tik begrün­det; die Infor­ma­tik mobi­li­siert dies zu einer Sprache.

Das Dis­kri­mi­nie­ren ist daher ein not­wen­di­ges Prä­di­kat allen bewuß­ten und sogar unbe­wuß­ten Daseins. Ohne zu unter­schei­den ver­mö­gen wir nicht zu den­ken, nicht zu füh­len und schon gar nicht zu han­deln, inso­fern jeder Ent­schluß oder Ent­wurf eben einer Ent­schei­dung folgt, die das eine vom ande­ren schei­det, also die­ses tut und jenes ver­mei­det, dies annimmt, jenes aber ablehnt, ein­grenzt, abgrenzt, aus­grenzt, um über­haupt klar­zu­se­hen, tätig und wirk­sam zu sein. Zu dis­kri­mi­nie­ren, zu unter­schei­den ent­spricht unse­rer Leben­dig­keit. Wir fol­gen der Ent­schei­dung und haben uns über deren Fol­gen dann zu beleh­ren, um – revi­die­rend – die nächs­te Ent­schei­dung zu tref­fen, mit­hin die nächs­te Dis­kri­mi­nie­rung vorzunehmen.

Obwohl die Lin­ke lau­fend dis­kri­mi­niert, unter ande­rem alles, was sie für rechts hält, obliegt es vor­zugs­wei­se der Rech­ten, die Dis­kri­mi­nie­run­gen als kul­tu­rel­les und poli­ti­sches Schei­de­ver­fah­ren mit Scharf­sinn offen­siv ein­zu­set­zen, gera­de in einer Zeit der Zwangs­in­te­gra­ti­on, der glo­ba­len Stan­dar­di­sie­rung von Markt und Mensch, der Gleich­schal­tung der Medi­en und über­haupt der gro­ßen Beliebigkeit.

Wenn man sich nicht dem Ein­heits­be­kennt­nis der Alt­par­tei­en, der “Mit­te” und der selbst­er­klärt “Anstän­di­gen” anschließt, klärt Dis­kri­mi­nie­rung die Fron­ten, derer die Aus­ein­an­der­set­zung bedarf; sie ver­deut­licht die Kon­tur des­sen, wer und was man sei­ner Iden­ti­tät nach ist und wer oder was man gera­de nicht sein will. Carl Schmitts Freund-Feind-Dik­tum beschreibt nicht nur die Poli­tik, es kon­sti­tu­iert sie. Indem die “Anstän­di­gen” uns als “Unan­stän­di­ge” iden­ti­fi­zie­ren, ver­fah­ren sie so, wie Schmitt es beschreibt. Und selbst­ver­ständ­lich: Sie dis­kri­mi­nie­ren. Das geht in Ord­nung, ist völ­lig nach­voll­zieh­bar, soll­te links aber bewußt werden.

Sicher, es gibt extre­me Ent­schei­dungs­er­eig­nis­se und Hand­lungs­wei­sen. Wenn ein adre­na­lin­über­schwemm­ter Poli­zist berufs­be­dingt an einem kri­mi­nel­len Hot­spot einen schwer­kri­mi­nel­len Schwar­zen zu über­wäl­ti­gen hat, kann es gesche­hen, daß er dabei über­zieht – aus Streß, aus Angst, aus Erfor­der­nis­sen, die eine offen­bar kör­per­lich not­wen­di­ge Aus­ein­an­der­set­zung bzw. Gewalt­an­wen­dung gebie­ten. Und sicher­lich spielt sein per­sön­li­ches Wesen, geprägt von den bis­he­ri­gen Erfah­run­gen und Erleb­nis­sen des har­ten Jobs, eine ent­schei­den­de Rolle.

Was an der kon­kre­ten Art und dem Ver­lauf der Fest­nah­me zu recht­fer­ti­gen oder zu ver­ur­tei­len ist, konn­te nicht in der Situa­ti­on selbst, son­dern erst danach – in Abgren­zung von den tur­bu­len­ten Ereig­nis­sen – geprüft und beur­teilt wer­den. Wie­der kraft Unter­schei­dun­gen, bei denen kom­ple­xe Kau­sa­li­tä­ten und Kon­tex­te ent­schei­dend zur Beur­tei­lung her­an­zu­zie­hen sind. Eben­so erfol­gen Akte der Zuschrei­bung und Bewer­tung nicht in der Aus­ein­an­der­set­zung, nicht im Affekt, son­dern spä­ter, auf Abstand, weil erst dann deut­lich unter­schie­den bzw. dis­kri­mi­niert wer­den kann.

Für Georg Floyd zu spät. Dar­in liegt eine Tra­gik, der der Mensch in kon­tin­gent ver­lau­fen­den Ereig­nis­sen nicht immer ent­geht. Aber was gesche­hen ist, hat sys­te­misch eher mit Kri­mi­na­li­tät als mit Ras­sis­mus zu tun. Aller­dings hat­te Derek Chau­vin zu ent­schei­den, inner­halb eines dra­ma­ti­schen Her­gangs. Und Georg Floyd wird vor­her etwas gemäß sei­ner Inten­ti­on ent­schie­den haben, was zum Ver­lauf und des­sen tra­gi­scher Kon­se­quenz bei­trug. Der Volks­mund weiß eher lebens­klug als zynisch: Wer sich in Gefahr begibt, kommt dar­in um.

Zurück zur Poli­tik hierzulande:

Nicht weni­ger Unter­schei­dung, nicht weni­ger Dis­kri­mi­nie­rung wirkt kul­tur­bil­dend und ermög­licht über­haupt Sicher­heit, derer wir bedür­fen, son­dern mehr. Es sind in unser gesell­schaft­li­ches Leben nun mal Lini­en ein­zu­zeich­nen und dort Abgren­zun­gen vor­zu­neh­men, die Über­sicht, Rich­tung und wie­der­um Ent­schei­dun­gen ermög­li­chen. Mit Distanz, mit Abstand. Auch das dis­kri­mi­niert im guten Sin­ne des Wortes.

„Eine Welt“ gibt es nicht, eben­so­we­nig wie die eine Mensch­heit oder die eine Moral. Leben ist gekenn­zeich­net durch zu uner­schei­den­de Viel­falt. Selbst Grund­ver­ein­ba­run­gen sind nur mög­lich, wenn deut­lich ist, über wel­che Unter­schie­de resp. Dis­kri­mi­nie­run­gen hin­weg man in der Wei­se des Kom­pro­mis­ses oder des Trotz­dem etwas ver­ein­bart. Der viel­be­schwo­re­ne, infla­tio­när gebrauch­te Begriff “Empa­thie” beschreibt das Ver­mö­gen, sich in die Art hin­ein­zu­ver­set­zen, mit der ein ande­rer Unter­schei­dun­gen vornimmt.

Wer links­al­ter­na­tiv die Regen­bo­gen­fah­ne für Viel­falt schwenkt, offen­bart in die­sem Sym­bol ein Spek­trum, das sich nun mal unter­schei­det. Inwie­fern und mit wel­chen Ablei­tun­gen dar­aus, obliegt dem poli­ti­schen Streit, der ohne „Dis­kri­mi­nie­rung“ nicht mal auf hand­hab­ba­re Begrif­fe kommt. Mag aber auch sein, die Regen­bo­gen­fah­ne meint viel­mehr eine Ver­ein­heit­li­chung des Ver­schie­de­nen nach lin­ker Maß­ga­be, also das Gegen­teil von Viel­falt, so wie die Lin­ke an der Macht stets Homo­ge­ni­tät her­stell­te, anstatt Hete­ro­ge­ni­tät zu ach­ten und zu pflegen.

Wenn wir mit der Absicht einer Pro­blem­lö­sung mit­ein­an­der kom­mu­ni­zie­ren, prak­ti­zie­ren wir das, was unse­re ein­zi­ge Chan­ce ist: Wir tau­schen Wahr­neh­mun­gen aus, um die­se mit­ein­an­der abzu­glei­chen – in der Wei­se, daß für den einen deut­lich wird, wel­che Unter­schei­dun­gen der ande­re „dis­kri­mi­nie­rend“ inner­halb der Sache vor­nimmt. Die­se Unter­schei­dun­gen soll­ten ver­stan­den, müs­sen aber nicht unbe­dingt auf­ge­ho­ben wer­den. Jeder Gerichts­pro­zeß läuft so ab. Er schei­det das eine klar vom ande­ren, um über­haupt erst den Sach­ver­halt beschrei­ben zu kön­nen. Und das Urteil for­mu­liert eine wie­der­um abzu­gren­zen­de Position.

Wenn die Rech­te betont, ihr gehe es um Iden­ti­tät, liegt sie rich­tig. Ist die­se Iden­ti­tät beschrie­ben, kann sie den Nach­weis antre­ten, wie leis­tungs­fä­hig, mora­lisch und sinn­voll sie zu wir­ken ver­steht. Wer die Annah­men von Iden­ti­tä­ten sogleich – dis­kri­mi­nie­rend – ablehnt, der folgt zum einen einer Illu­si­on, aller­dings kei­ner guten, schließt er doch jene aus, deren Selbst­ver­ständ­nis ein inden­ti­tä­res ist, so wie das in der bis­he­ri­gen Welt­ge­schich­te, ob geis­tig oder poli­tisch, stets war.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

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Kommentare (64)

Fredy

9. Juni 2020 15:46

"DISKRIMINIERUNG, die elementare Technik der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Kultur. Die Kulturtugend schlechthin. Abwertende Unterscheidung des Häßlichen vom Schönen, des Bösen vom Guten, des Falschen vom Wahren, des Schädlichen vom Nützlichen, des Kranken vom Gesunden. Die Diskriminierung ist die grundlegende Fähigkeit, die menschliches Handeln auf den Gebieten der Kunst, der Religion, des Wissens, der Wirtschaft und der staatlichen wie bürgerlichen Ordnung der Gemeinwesen erst ermöglicht. Der gesetzliche Zwang zur Nichtdiskriminierung ist der öffentliche Terror, der die Kulturzerstörung durchsetzt. Siehe auch Inklusion und Genderismus"

ABC der politischen, ideologischen und sozialen Begriffe
von Reinhold Oberlercher

quarz

9. Juni 2020 16:08

"der ohne „Diskriminierung“ nicht mal auf handhabbare Begriffe kommt"

Dies birgt ein beträchtliches Maß an Komik: dass in der Weltsicht der politischen Tonangeber im größtmöglich Frevel ("discrimen") die Bedingung der Möglichkeit ihres Allerheiligsten ("diversity") liegt.

Ein gebuertiger Hesse

9. Juni 2020 16:19

Wunderbar, das mußte einmal in dieser kompakten Klarheit gesagt werden. 

Gotlandfahrer

9. Juni 2020 16:20

„Ohne zu unterscheiden vermögen wir nicht zu denken … und schon gar nicht zu handeln“

Genau dies ist das Ziel der Linken: Den, der etwas hat oder kann, nicht mehr erkennen und handeln lassen können, um ihn ohne Gegenwehr ausnehmen zu können. Linkes Denken ist Narkotikum.  Neben Wehrlosmachung des Freien, des Starken und des Guten dient es dem linken An-Ästhetiker zur Selbstbefriedigung durch Wahrnehmungsentfall eigener Unterlegenheit. Linke wollen keine Kultur, weil sie geistige Ansprüche stellt, die nicht auch der Tumbeste erfüllen kann.  Linke Kultur ist Beseitigen von geistigen Ansprüchen, um den Zuspruch der Tumben zu erhalten und die Fähigen aus den Positionen zu drängen, die der Tumbe aus Dankbarkeit für seine ihm vorgegaukelte Gleichwertigkeit dem Linken überlässt.

Der Linke strebt auch nicht nach logischer Konsistenz. Daher strotzen seine Sätze vor haarsträubenden Widersprüchen, die nicht einmal axiomatischer Herkunft sind, sondern Desinteresse an Redlichkeit entspringen.  Es stört ihn nicht, dass es nicht wahr sein kann, was er sagt, da es ihm darum überhaupt nicht geht, sondern um Zugriff auf Ressourcen, die er sich nicht selber ehrlich verdienen kann.

Es macht überhaupt keinen Sinn, nach Anschlußfähigkeit im Argument des Linken zu fahnden. Er zieht sein Spiel durch, solange es geht. Erst wenn der Tumbeste merkt, dass der Linke auch zu seinem Schaden handelt, hat der Linke keine Kettenhunde mehr, die er gegen die Redlichen hetzen kann.

Laurenz

9. Juni 2020 16:21

Obwohl Ihr, HB, Schreibstil so nüchtern ist, schreiben Sie mir aus dem Herzen und der Seele. Seit ich auf SiN meinen ersten Beitrag schrieb (, muß schon so 120 Jahre her sein), geht es mir im Kern um Ihren kurz und knackig geschriebenen Artikel. Man kann die Linke gar nicht genug diskriminieren. Außerdem brauchen die das, wie jeder religiöse Gläubige. Denn ohne diese Diskriminierung gäbe es keine Grundlage für den eigenen Glauben. Allerdings ist der Haken, wenn man hier auf der SiN Teilnehmer diskriminiert, kommt das in der Redaktion nicht immer gut an, es heißt, es sei "ad personam". Es ist doch nur das Synonym für GKs "Mosaik-Rechte". Insoweit Inhalte als philosophisch gekennzeichnet sind, ist das Spekulieren ins Nicht-Machbare legitim. Sobald wir aber in die Real-Politik abtauchen, bleibt das Nicht-Machbare religiös und ist somit auch links, und damit der Diskriminierung würdig. 

(@HB, ich  bevorzuge statt "discriminare" eher "discredere". Die Diskreditierung grenzt nicht nur ab, sie eliminiert jegliche Aussagekraft des Diskreditierten. Er verliert jeglichen Kredit.)

Was1NiceSeite

9. Juni 2020 16:27

Wie witzig Sie Wittgenstein missverstehen:

PU§43 sagt nicht, dass die Bedeutung eines Wortes dessen Gebrauch in der Sprache ist, "auf daß man dabei die Intention des Sprechers erkenne." Dieser Zusatz reduziert Sprache nämlich auf einen rein instrumentellen Wert, dass Sprache nur der Kommunikation diene, wobei die oberste Interpretationsinstanz der Bedeutung der Sprecher ist.

Tatsächlich geht es Wittgenstein darum, darauf hinzuweisen, dass sich die "Bedeutung" eines Wortes eben nicht rein semantischer Natur ist und auch nicht vom Sprecher als oberste Interpretationsinstanz der Bedeutung abhängt, sondern, dass sie schon immer in konkrete Lebensformen eingebettet ist. Das große Problem von Philosophie ist für ihn deshalb, dass Worte aus ihrem normalen Gebrauch in der Alltagssprache genommen werden und in philosophischer Sprache in einer völlig anderen Art und Weise benutzt werden, wodurch sich schließlich die eigentliche Bedeutung verdunkelt.

Also das gleiche, was sie hier mit der Re-Semantisierung von "Diskriminierung" praktizieren, sodass so ein wunderbar unsinniger Satz wie "Mit ihrer billigen Forderung nach Antidiskriminierung diskriminiert die Linke unweigerlich selbst" entsteht. Der Satz ist unsinnig, weil hier Ihre eigene Re-Definition von "diskriminieren" implizit auf "Antidiskriminierung" angewandt wird, wodurch die eigentliche Bedeutung des Wortes verzerrt wird.

Über solch intentionales Missverstehen wäre Wittgenstein sicher nicht amused.

RMH

9. Juni 2020 16:53

Man sieht wieder einmal, dass die deutsche Sprache in vielen Bereichen eine schöne Eindeutigkeit hat. Benachteiligen, Übervorteilen, Ausnutzen, Missbrauchen, Ausbeuten, Zurücksetzen etc .

Für fast jeden Vorgang, für fast jede Tatsachenbeschreibung hält sie etwas bereit. Aber nein, vom angelsächsischen her muss man - als ehemaliges Land der Altphilologen - sich to discriminate anziehen, wobei es auch dort einstmals unterscheiden hieß.

Lumi

9. Juni 2020 17:07

@Was1NiceSeite - Tja, vielleicht hätte Wittgenstein, der olle und öde Logiker, am Bosselmann-Satz, den Sie hier inkriminieren, ebenfalls herumgenörgelt, aber für den durchschnittlichen Leser wie mich ist der Satz doch eigentlich ganz klar.

Lumi

9. Juni 2020 17:17

@RMH - Ja, aber das Verb ist ja noch vom Lateiner oder Franzosen übernommen worden, nicht vom Engländer. Außerdem kann man im Bosselmann Artikel auch ein Plädoyer für einen neuen Ansatz und Einsatz des Verbs sehen: "Wir müssen künftig wieder mehr und schärfer diskriminieren!" Oder: "Sie sollten genauer diskriminieren." Heißt ja nix weiter als wertend unterscheiden. Daran ist nichts falsch. Im Gegenteil.

Heino Bosselmann

9. Juni 2020 17:41

@"Was1NiceSeite": Sehr geehrter"Was1NiceSeite", leider nur kurz: Sie haben grundsätzlich Recht. Wittgensteins "Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache." aus den "Philosophischen Untersuchungen" (Wittgenstein II) erweitert ja den "Tractatus logico-philosophicus" (Wittgenstein I) oder steht dem darin Gefaßten gar völlig entgegen, insofern das Wort eben gerade nicht unmittelbar und an sich selbst klar ist, sondern im Sinne des "Sprachspiele" sich erst im Gebrauch (Stichwort Wittgensteinscher "Werkzeugkasten") enthüllt. Letztlich sieht Wittgenstein das Ziel der Philosophie dann darin, den Verstand von der "Verhexung" zu befreien, in die ihn die Sprache führt. - Wenn ich oben den PU§43 allzu flott mit der Bestimmung der Intention des Sprechers verbinde, so ist das zu kurzschlüssig. Allerdings entbirgt sich die Intention eben in der praktischen Sprache, also in Syntax und Stil, nicht im einzelnen Begriff als solchem. Das wollte ich sagen, schon jenseits der Wittgensteinschen Genauigkeit. Zu Ihrem letzten Absatz gern in privater Korrespondenz. - Für Ihre Aufmerksamkeit und Genauigkeit danke ich Ihnen.

RMH

9. Juni 2020 17:45

@Lumi,

ich dachte, ich hätte mit dem Hinweis auf das Land der Altphilologen und der Nennung des englischen "to" vor dem Verb erkennbar zu Ausdruck gebracht, dass wir Deutschen gerade dieses Wort uns nicht über den angelsächsischen Umweg her hätten neu interpretieren sollen, sondern beim lateinischen Ursprung hätten bleiben sollen.

Im Übrigen ist es die Wissenschaft, die alles zergliedert, aufdröselt, "analysiert" und damit am laufenden Band "unterscheidet". Der Künstler hingegen versucht die Anschauung im Ganzen und so ist die "Gleichheit" der Menschen mithin eine künstliche (wer jetzt errät aus welcher Einleitung welchen Werkes welchen Autors ich diese Argumentation jetzt wieder geklaut habe, vor dem werde ich virtuell den Hut ziehen).

Laurenz

9. Juni 2020 19:32

Wittgenstein hin oder her, was uns von Franzosen und sonstigen Erdbewohnern unterscheidet, ist eben auch die Sprache. Wenn wir mal von Tauben und Stummen absehen, denkt jeder in seiner Sprache, das heißt, das Denken eines jeden Volkes unterscheidet sich grundlegend.

Und in kniffligen Situationen verfallen auch Vielsprachige meist in ihre Mutter!sprache. Mal abgesehen von "Blut & Boden", macht sie uns aus. 

Ich erinnere mich an die Szene einer Kinski-Doku irgendwo im Urwald Südamerikas, (im Herzog-Film "Mein liebster Feind" nicht enthalten,) als Kinski und vermutlich Herzog bei einem Indianer-Häuptling eingeladen waren. Man sprach wohl Spanisch. Als alkoholisches Getränk reichte man vergärten Maniok. Kinski wußte wohl sehr genau, wie das Getränk hergestellt wird und wollte mit Milchpulver (& Wasser) hinters Licht führen. Aber das Ansinnen wurde bemerkt und Kinski mußte ran. Die Maniok-Schale vor dem Munde kamen auf Deutsch die Worte "Oh, mein Gott" vor Ekel über Kinskis Lippen und er dachte wohl desweiteren "Warum hast Du mich verlassen(?)".

sokrates399

9. Juni 2020 21:00

DISCRIMEN

Alle Einträge stammen aus dem „lateinisch–deutschen Handwörterbuch“ von Karl Georges.

Scheidelinie: Wer diese Linien aufheben will, schafft den montierten Einheitsmenschen, Zwangsintegration, die globale Standardisierung von Markt und Mensch (Bosselmann). Das Schmittsche Diktum gilt, und es wird diese Linien geben, solange wir nicht den „ewigen Frieden“ oder die Utopie des „Weltstaates“ haben.

Zwischenraum: Distanz und Abstand. Nur solches ist fähig zu wirklichem Diskurs, ist Teil einer Bildung, wie sie seit Humboldt e.a. auf uns gekommen ist.

Krisis: die Zuspitzung der Differenzen. Gerade im entscheidenden Augenblick einer kritischen Lage (Livius) sind Linien einzuzeichnen und dort Abgrenzungen vorzunehmen (H.B.)

entscheidender Augenblick: Es gilt, in jedem Augenblick abzuwägen, damit Urteile zustande kommen. Jedes vorschnelle Urteil über jenen Vorfall ist insofern falsch, weil in einer unübersichtlichen Situation, die einem tragischen Verfallen ähnelt, es erst im Abstand gefällt werden kann.

Unterschied: Etwas, was den „Linken“ in jeder Hinsicht abgeht: die Fähigkeit zu differenzieren, Zwischentöne zu finden, statt jeden Gegner (inimicus) zum Feind (hostis) zu machen: auf den feinen Nuancen der unterschiedlichen Abweichungen zu beharren (Plinius).

 

quarz

9. Juni 2020 21:12

@ Was1NiceSeite

"Dieser Zusatz reduziert Sprache nämlich auf einen rein instrumentellen Wert"

Das scheint mir weder das eigentliche Problem zu sein noch der Intention Wittgensteins so diametral zu widersprechen wie Sie es unterstellen. Schießlich schreibt dieser selbst: "Sieh den Satz als Instrument an und seinen Sinn als seine Verwendung". Inadäquat an der Verknüpfung mit der Intention des Sprechers scheint mir viel mehr die dadurch unterstellte situative Verankerung der Bedeutungskonzeption. Losgelöst von der konkreten Situation sieht Wittgenstein die Bedeutung nämlich nicht im konkreten Gebrauchsfall, sondern in den Regeln des Gebrauchs. Das ist eine normative Instanz, keine faktische. Es geht um den nach Maßgabe dieser Regeln richtigen Gebrauch.

Wittgenstein passt übrigens deshalb gut zum Thema, weil er ursprünglich vorhatte, den PU das Shakespeare-Zitat "I'll show you differences" voranzustellen. Sich selbst hat er einmal als einen charakterisiert, der (im genauen Gegenteil zu Hegel) zeigen will, dass Dinge, die gleich aussehen, in Wahrheit verschieden sind.

Pit

9. Juni 2020 22:26

Verschiedenheit
Was ist der richtige Umgang mit Verschiedenheit?

Es ist sehr einfach; es wird nur von den Hassern künstlich zum Problem gemacht.

Also:
1)freie Entscheidung
2)Meritismus

zu 1) ich will mit Meinesgleichen zusammenleben
zu 2) INNERHALB der Gruppe der Meinesgleichen gilt Meritismus: der Beste gewinnt
 (d.h. wenn irgendein Chinese oder Afrikaner besser sein sollte, nehme ich ihn trotzdem nicht)

Die Terroristen geben vor, für Ergebnisgleichheit statt Chancengleichheit zu sein; sind sie natürlich nicht, weil jeder weiß, daß das Unsinn ist, sie sind nur dafür, WEIL sie wissen, daß dies die Gesellschaft zerstört (sie haben ja ihr eigenes Land, das nicht zerstört wird).

Alles ist eben nur verständlich, wenn man versteht, daß dies Krieg gegen die Weißen ist im globalen Machtkampf.
Im US-Kriegsgebiet steht an Häusern: black-owned business. Heißt: WEISSE Geschäfte darfst du zerstören. Aber... neinnein es findet keine Ausrottung der Weißen statt.
Wie ich sage: freie Entscheidung: ich will mit den Weißen zusammenleben, die überleben wollen. Die anderen mögen die Erfahrungen machen, für die sie sich eben disponieren.

Wahrheitssucher

9. Juni 2020 22:27

@ Fredy

Dank für den Hinweis und die Quelle!

Ratwolf

9. Juni 2020 23:23

Wenn die Diskriminante bei zwei möglichen Lösungen (also für mich und dem Anderen) negativ erscheint, dann gibt es keine reellen Lösungen. Also keine Lösungen in der Realität. Alles, was dabei rauskommt, spielt sich immer auch im Irrealen ab. Also in der Phantasie. Am besten erscheint die Lösung, wenn die Diskriminante gar nicht erscheint (=0). Dann fallen die Lösungen beider Seiten zusammen. Also weder Diskriminante noch Anti-Diskriminante.

Maiordomus

10. Juni 2020 07:59

@Laurenz. Philologie bleibt ohne den Hintergrund von einigen ihr gewidmeten Lebensjahren Glückssache. Diskreditieren bedeutet im Gegensatz zu dem auf lat. "discernere" beruhenden Bosselmannschen Verständnis von Diskriminierung nicht bloss Unterscheiden, sondern bewusstes Schlechtmachen, insofern nicht Praxis des Weisen, eher schon Biertisch der Banausen. Im römischen Forum gehörte es zur rituellen Polemik der Gerichtsparteien. Diskreditieren ist das, was "Antirassisten" exklusiv und anders als Bosselmann unter Diskriminierung verstehen. Das spät- oder mittellateinische "discriminare", beim gelehrten Bischof Isidor von Sevilla auftauchend, hat eine noch positive Bedeutung bei "agros discriminare" = weithin erhellen. Medizinhistoriker kennen den Begriff "discrimen leti", in der Fachsprache des Mittelalters nach Hippokrates die kritische Phase zwischen Leben und Tod, welche gemäss einem berühmten Schultext physiognomisch feststellbar ist. Dies kann man ausser im Griechischen in Avicennas arabischem "Kanon der Medizin" nachlesen, der in Basel von Paracelsus angeblich ins Feuer geworfen wurde. Dieses Bildungsgut wurde oftmals vom Arabischen ins Lateinische übersetzt. 

Adler und Drache

10. Juni 2020 10:13

Hier stimme ich mal nicht mit Ihnen überein, werter Bosselmann. Im "Gebrauch der Sprache" trifft die "Diskriminierung" tatsächlich nur eine Unterscheidung, und zwar über den Wert oder Unwert eines Menschen bzw. einer Menschengruppe, genauer wohl einer "Opfergruppe". Dass diese "Opfergruppe" als solche von vornherein nicht anders als "diskriminiert" gedacht werden kann und der Begriff daher zwangsläufig zur Tautologie wird, sei nur nebenbei erwähnt. Die "Diskriminierung" ist im "Gebrauch der Sprache" also als Bestätigung aufzufassen, nicht als freiwilliger Akt. Alles, was eine "Opfergruppe" als solche bestätigt, auch das Unterlassen eines symbolischen Gegenbeweises wie Niederknien, gilt als "Diskriminierung". Keine Meinung dazu haben ebenfalls. Wir werden knien müssen! Alle anderen Unterscheidungen fallen nicht ins Bedeutungsfeld der politisch verstandenen "Diskriminierung". 

 

Adler und Drache

10. Juni 2020 10:13

Was mich fasziniert, ist der hochgradig abstrakte Charakter dieser Diskussion. Als ob sie in einer virtuellen Welt stattfände. Die "Diskriminierung" macht nichts schlechter (ob mich einer für mehr oder weniger wert hält, kann mir am Ende egal sein, auch wenn es freilich meinen Stolz verletzt), noch macht die "Antidiskriminierung" irgendetwas besser. Aber es wird darum gestritten, als ob Leben und Tod davon abhingen. Ich bin noch nicht sicher, welche Schlussfolgerung daraus zu ziehen ist. Das Fehlen "echter Probleme" zu konstatieren wäre nicht richtig, die gibt es ja zuhauf. Ich vermute, dergleichen ist der conditio humana eingestiftet und bricht besonders stark in Zeiten des Verlusts metaphysischer Bodenhaftung hervor. Dann wäre es freilich nutzlos, "dagegen" zu sein.  

Caroline Sommerfeld

10. Juni 2020 10:54

Der Wittgenstein-Hinweis zu Beginn gibt die Richtung vor: Etymologie ist kein Ersatz für die "normale Sprache", allenfalls ein Antidot gegen einzelne besonders fiese Logotoxine.

Ansonsten verhielte es sich naemlich so wie bei der ungueltigen Argumentationsfigur, die ich "das Amannsche Arschloch-Argument" nenne, seitdem Melanie Amann vom Spiegel sich vor Jahren darüber beschwerte, daß ich "Neger" geschrieben hatte. Sie meinte, ich koenne die abwertende Bedeutung doch nicht einfach wegwischen, indem ich auf "niger = schwarz" zurückginge, denn, "das waere so, als wenn Sie behaupten wuerden, 'Arschloch' waere gar kein Schimpfwort, weil es ja nur ein ganz normales Koerperteil bezeichnet, das jeder hat". Ihr war voellig entgangen, daß ich überhaupt nicht argumentieren wollte, sondern das Wort aus stilistischen Gruenden gebraucht hatte.

Bei "Diskriminierung" (worueber wir in Mit Linken leben auch einen Absatz geschrieben haben) verhaelt es sich aehnlich: es hat unleugbar pejorative Bedeutung erlangt. Das Englische to discriminate against wird adversativ benutzt. In der deutschen Jugendsprache hat "dissen" genau diesen abwertenden Bestandteil, und wird inzwischen auch voellig losgeloest von typischen Bedeutungsfeldern der "Diskriminierungserfahrung" benutzt, z.B. wenn ein Jugendlicher sich abwertend über den schlechten Humor eines anderen aeußert und der andere dann ironisch kontert: "Voll gedisst!"

Franz Bettinger

10. Juni 2020 11:23

"Wir erleben gerade, wie sich die 3. Links-Diktatur auf deutschem Boden innerhalb von 100 Jahren entwickelt. Wir erleben politische Verfolgung, Diskriminierung und Ausgrenzung. Die Medien sind gleichgeschaltet und die Berichterstattung so eingefärbt wie unter Hitler, Ulbricht + Honecker. Wer das Zeug zum Nationalsozialisten hatte, der hatte auch das Zeug zum guten Sozialisten in der DDR und hat heute im Merkel-Land das Zeug zum Demokraten.“ Das schrieb Michael Winkler, der mE beste Blogger überhaupt. Er schreibt ohne Schnörkel, lässt sich also kaum noch verfranzeln / verbessern. Leider setzte die Merkel-Clique dem wackeren Streiter für unsere Sache so böse zu, dass er sich vor einiger Zeit in den Schmollwinkel und aus der Öffentlichkeit zurückzog. Schade.

Maiordomus

10. Juni 2020 11:26

@Sommerfeld. Sie haben recht: Etymologie ist das eine,  Sprachgebrauch das andere. Noch zu beachten der Umgang mit klaren Begriffen, z.B. ist "Diskreditieren" im Gegensatz zu "Unterscheiden" logischerweise mit negativer Wertung verbunden. Der Gegenwarts-Sprachgebrauch von Diskriminieren läuft klar auf letzteres hinaus: Geschlechterdiskriminierung ist zB. nicht dasselbe wie Geschlechterunterscheidung. Auf diesem Gebiet gibt es jedoch ein gravierendes Tabu: Man darf sagen, dass in vielen Durchschnittsbereichen die Frauen stärker abschneiden, was im gegenwärtigen Schul- und Bildungssystem sich wegen der mehr sozialen Prioritäten und Abwertung der sog. "exakten Wissenschaften" verstärkt. Man darf jederzeit sagen, dass es bei Männern/Jungen intellektuell und kriminell mehr Ausschläge nach unten gibt. Im Bereich der kreativen Genialität, es beginnt schon beim Schach, nähern wir uns absoluten Tabus. Auf diesem Gebiet ist laut denken weder erlaubt noch angebracht.

Franz Bettinger

10. Juni 2020 11:28

Was ist Diskriminierung? Es ist die zulässige Behandlung ungleicher Sachverhalte. Man muss diesen Begriff wieder auf seine Beine stellen und aus der linken Giftkammer befreien. Unterscheidung, gestützt auf sachliche Gründe, ist das Wesen jeder Sach-Entscheidung und jeden Rechs - und eigentlich eine Binse. Nur nicht für den Linken, der sich weigert, offensichtliche Unterschiede erkennen zu wollen, nicht mal die zwischen Geschlechtern. (discriminare = lat. für: unterscheiden) 

Dieter Rose

10. Juni 2020 12:27

@sokrates399

seit die Alten Sprachen

nicht mehr gelehrt und 

die Alten nicht mehr gelesen werden,

muss die Welt neu erfunden werden.

 Auch Egon Friedell zu lesen,

passt gut in unsere augenblickliche

Lage: man könnte meinen,

"er ist dabei"!

 

RMH

10. Juni 2020 12:52

Zu der Argumentation von Frau Amann:

Wer "Neger" mit "Arschloch" gleichsetzt, der ist selber klar letzteres.

Maiordomus

10. Juni 2020 12:55

@Bettinger. Bleiben Sie bei Ihren Fachkenntnissen. Im gigantischen lateinischen Werk des Thomas von Aquin, dem besterforschten in der Scholastik, kommt das Wort "discriminare" nie vor, hingegen "discernere" in gegen vierstelliger Häufigkeit. Es ist mutmasslich kein Terminus auf dem stärksten Gebiet der alten Universitäten, der Logik, u.a. mit Errungenschaften (z.B. auf dem Gebiet der Supposition), von denen Kant keine Ahnung mehr hatte und die nach Prof. Menne (Hamburg) erst zur Zeit von EDV "nützlich" wurden). Das Wort dürfte bei lat. Doktorprüfungen in der Geschichte der Wissenschaft kaum je verwendet worden sein, zu schweigen vom Klassischen Latein. Zu oben von mir genannten Tabus: Weil es vor 10 Jahren (hat sich etwas gebessert) bei den 100 bestberankten Köchen der Schweiz knapp eine Frau gab, wurde ein Pädagoge für die folgende Aussage entlassen: "Frauen, Mütter, Grossmütter können zwar prima kochen, aber zum genial Kochen braucht es einen Mann." Obwohl augenzwinkernd gemeint, galt es für eine diskriminierende, nicht mal für erklärende Selbstverteidigung zugelassene Aussage, eine Verletzung der Regeln der "Lehrkräftebildung".  In Sachen "Rasse" wird man sich heute erst recht nicht salopp äussern dürfen.

 

 

Maiordomus

10. Juni 2020 13:16

@Rose. Als Gymnasiast schätzte ich Friedell eben so sehr wie Will Durant, wiewohl das von diesen vermittelte kulturgeschichtliche "Allgemeinwissen" längst nicht (mehr) auf Stand war und ist; aber gerade wegen einer offen deklarierten, bei Friedell polemisch vertretenen Haltung (im Vergleich zu diesen Meistern etwa dem unterdurchschnittlich "gebildeten" Dietrich Schwanitz) wurde der Österreicher auf nicht wenigen Gebieten wegweisend. Zumal er die bildungsbürgerlichen Idole eines bereits in Dekadenz begriffenen "Professor-Unrat"-Bürgertums satirisch aufs Korn nahm, so mit seiner Wortschöpfung des "Gipsgriechen". Der allzu ehrfürchtige Umgang mit den Alten bedurfte selbstverständlich der Kritik. Nur erwies sich die Eliminierung der Winckelmannschen, Goetheschen und Humboldtschen Bildungsideale anstelle von deren Relativierung und Proportionierung als mutmasslicher kultureller Substanzverlust. (Bei Max Frisch kam noch das "Argument" dazu, diese Bildung habe AH nicht verhindert.)

heinrichbrueck

10. Juni 2020 13:33

@ Maiordomus

Der Diskriminierungsvorwurf setzt etwas voraus, was schlicht nicht gegeben ist. Anstatt zuzugeben, fehlendes Können sei der Grund, wird der ausbleibende Erfolg auf Diskriminierung und Unterdrückung zurückgeführt. Es ist nicht diskreditierend, diese einfache Wahrheit zu sagen, wird fehlendes Können nicht als Vorwurf gesehen. Wer die antirassistische Behauptung hegt, wird einen Kampf gegen Rassismus führen; nur ist dieser Kampf an den Erfolg der Diskriminierten (nicht Diskreditierten) geknüpft. Antiweiße Machtstrukturen sind das Ergebnis.

Zu Frauen und absoluten Tabus: Noch kein Mann wurde ohne weibliches Erbgut geboren. Der Feminismus soll doch gerade das volkserhaltende Zusammenspiel zerstören; den Frauen Konkurrenzneid eingeredet werden, und die Unterstützung der Männer dem Diskriminierungsvorwurf anheimfallen. Meistens zeigt sich aber auch, daß die Erfinder intelligenter sein müssen, als die waren Diskreditierer, weil die Ausführer in einer ungleich peinlicheren Situation ihr Diskriminierungselend anpreisen. Sie prahlen nicht auch noch, wie unbeliebt sie sind. Und diejenigen, die sterben sollen, haben Diskriminierungsverbot.

zeitschnur

10. Juni 2020 13:49

Zur Begriffsgeschichte kann man sogar diesmal den Wiki-Eintrag empfehlen: https://de.wikipedia.org/wiki/Diskriminierung#Begriffsgeschichte

Sprache ist nichts Starres, und wenn ein Begriff im intersubjektiven Gebrauch negativ wird (wir hatten es neulich vom "Leugner"), dann bringt es nichts, stur den Begriff trotzdem neutral verwenden zu wollen. Man wird in einer Endlosschleife an Missverständnissen hängenbleiben, wird im besten Fall als Provocateur aufgespießt oder als altertümelnder Grantler.

Die Frage, warum die negative Entwicklung der Begriffsbedeutung hier Hand in Hand geht mit ideologischen Nutzungen und parolenhaften Einsätzen, ist dagegen sehr viel interessanter. Alles steht im Spannungsfeld von Vielfalt und Einfalt (philosophisch verstanden!), zwischen dem "Einen" und der "Fülle".

Es ist eine Dialektik: wo man das discrimen entdeckt, ist auch immer die Brücke von der einen zur anderen Seite. Aber geht es denn wirklich um das discrimen?

Traditionell spricht man, wenn man die Vielfalt natürlicher Ordnung deskriptiv beschreiben will, von der discretio, der Gabe der Unterscheidung. Das discrimen maßt sich immer ein Gericht an und unterscheidet invasiv.

Das Durcheinanderwerfen der beiden Begriffe bei den Rechten ist deren Tragik und ihr Irrtum, der mE der eigentliche Stein des Anstoßes ist: Das wirklich Unterschiedene muss man nicht noch einmal extra diskriminieren. Es unterscheidet sich von selbst, trägt seine Ordnung in sich und behauptet sich ohne Nachhilfe.

Maiordomus

10. Juni 2020 13:53

@RMH 12.52: Aphoristische Volltreffer brauchen nicht mal eine ganze Zeile! Sie aber haben es geschafft.

quarz

10. Juni 2020 14:16

@Maiordomus

Im immerhin ältesten existierenden Buch in teilweise deutscher Sprache (zumindest hat es mir dessen damaliger Hüter, der längst verstorbene St. Galler Stiftsbibliothekar Peter Ochsenbein vor vielen Jahren als solches präsentiert; inzwischen scheint es Alterskonkurrenz im steirischen Stift Admont bekommen zu haben) kommt "discrimen" vor. Interessanterweise wird es im dort enthaltenen Glossar mit "unkiscet" (also "ungeschieden", oder "unterschiedslos") übersetzt. Es bezeichnet dort also offenbar gerade nicht, wie in heute gebräuchlichen Lateinwörterbüchern, einen Unterschied, sondern im Gegenteil dessen Abwesenheit. Als philologischer Laie bin ich angesichts dessen einigermaßen verwirrt.

Der_Juergen

10. Juni 2020 14:31

Ich gebe zu, dass ich etwas Mühe mit diesem Artikel und den meisten Kommentaren dazu habe. "Diskriminieren" hat ungeachtet seiner neutralen etymologischen Bedeutung eine eindeutig negative Konnotation. Wenn jemand, der bei der Fahrprüfung durchgefallen ist, deshalb nicht fahren darf, wird nicht einmal der verbohrteste Ideologe behaupten, der Betreffende werde "diskriminiert". Den Aufruf zu "mehr Diskriminierung" finde ich deswegen verfehlt, während ich einen Aufruf zu "sorgfältigerer Auslese" sofort unterschreiben könnte.

Noch zum Begriff "Neger". Für diesen gibt es kein Synonym. Schwarzer? Nein; die Tamilen und die Papuas sind auch schwarz, aber keine Neger. Afrikaner? Nein, denn die braunen Maghrebiner und die weissen Buren sind auch solche. - Im übrigen sei daran erinnert, dass der ehemalige senegalische Präsident Leopold Senghor das hohe Lied der "negritude" gesungen hat. Die Ächtung eines wertneutralen, unersetzlichen Wortes fügt sich in den allgemeinen Rahmen einer gezielten Verarmung der Sprache ein, die differenziertes Denken immer schwieriger machen soll.

zeitschnur

10. Juni 2020 14:34

Der Stein des Anstoßes bei den Linken dagegen ist, dass sie das offensichtlich Unterschiedene zwanghaft als "nicht unterschieden" behaupten. Bei ihnen ist das Dilemma, dass sie jegliche natürliche dicretio als künstlich darstellen und dem Wahn erliegen, es gäbe in Wahrheit gar keine Unterschiede. Zugleich aber bestehen sie dann wieder auf Unterschieden, die dann aber nicht "diskriminiert" werden dürfen. Ja, sie bedürfen in ihrem Einheitswahn geradezu der notorisch hervorzubringenden artifizellen Unterscheidung, die man aber zugleich nicht als natürliche Unterscheidung ansehen darf, denn das Unterschiedene alleine schafft Orientierung. Wenn Sonne und Mond dasselbe wären, gäbe es weder Tag noch Nacht und keinen Jahreslauf, weder Sommer noch Winter und keine Zeiterfahrung, keine Saat und keine Ernte, obwohl eben doch die Zeit "läuft".

Wir leben in der wahnsinnigsten Zeit, die es je gab.

links ist wo der daumen rechts ist

10. Juni 2020 14:39

Strohmänner 1

Es geht doch wieder einmal letztendlich um die absolute Deutungshoheit umstrittener Begriffe und damit die Schaffung zementierter Weltbilder – am besten durch Exklusion: Bist du für falsche Vielfalt oder richtige Identität?

Erstaunlich, daß sich hier oft der umgekehrte Effekt des sog. "Strohmann-Arguments" zeigt.

In vorliegendem Fall wird der vermeintliche Sprachgebrauch (Bedeutung und Intention) des politischen Gegners unwiderruflich festgelegt, um ihn seiner unredlichen Absichten zu überführen.

Niemand fragt dann noch, welche „Linken“ es sind, die in welchen Zusammenhängen einen bestimmten Begriff (der auch noch per se selbstwidersprüchlich sein kann) verwenden.

Als gäbe es z.B. im linken Lager keine Debatten darüber, konkret: über die überbordenden Folgen einer konsequenten „Anti-Diskriminierung“ oder Gleichstellung kleinster Minderheiten oder Berücksichtigung absurder „Trans-Identitäten“.

ff

 

links ist wo der daumen rechts ist

10. Juni 2020 14:42

Strohmänner 2

Auch hier gärt es. Nicht wenige Sozis sind auf die Grünen sauer etc.

Diese ganze unsägliche MeToo-Kampagne hätte doch auch hier, ähnlich wie bei den aktuellen Corona-Protesten, die Grenzen der Lager dauerhaft verschieben können.

Denn hier wurde z.B. ein Eckpfeiler eines rechtspositivistischen Antidiskriminierungsprogramms („Gleichbehandlungskommission“) flugs durch den mittelalterlichen Pranger ersetzt.

Wäre doch ein aufgelegter Elfer angesichts der derzeitigen BLM-Proteste.

Aber nein, der Strohmann von rechts gesehen muß zum übermächtigen Gegner aufgebauscht werden, damit sich alle auch so richtig schön gruseln, denn links = Antidiskriminierung = Nivellierung = Gulag. Hoppla, das gilt ja jetzt auch gleich wieder als "Strohmann-Argument".

Von einer forcierten neoliberalen Gleichmacherei, dem Todfeind schlechthin, seit gut 30 Jahren reden wir dann schon gar nicht mehr.

zeitschnur

10. Juni 2020 14:47

@ Der_Juergen

Bitte bedenken Sie aber, dass "Neger" (von "niger") einfach nur lateinisch "Schwarzer" bedeutet. Ihr Argument wird damit hinfällig. Die Frage ist aber, wieso man überhaupt ein allgemeines Wort für dunkelhäutige Menschen mit afrikanischem Hintergrund braucht?! Wird damit nicht auch schon wieder eine Einebnung einer großen Vielfalt und ein künstliches discrimen betrieben? (Das ist mein Problem mit der gesamten Rassismusdebatte.)

Die negative Aufladung von "Neger" liegt nicht im Wort selbst, sondern darin, dass es unter Sklavereibedingungen im weißen Amerika zum Schimpfwort umkippte, zugespitzt noch in der schrecklichen Spuckvokabel "Nigger". Allerdings kennt man solche Negativaufladungen auch von "Jude", wo die, die so benannt werden, sich selbst vorher schon so benannt  haben und es sich nicht nehmen ließen, so zu heißen. "Neger" wurden aber stets von den anderen so genannt, hatten also auch keine innere Bindung an diese Bezeichnung. Entwurzelt, wie viele von ihnen auf den amerikanischen Kontinenten und inzwischen auch in Europa sind, suchen sie nach einem Namen für sich selbst, der sie eint und unter einen gewissen Schutz stellt, in dem sie anders sein dürfen. Der "Schwarze" ist somit aber ein Entwurzelter, der meist Erniedrigten und Versklavten entstammt und die Narben dieser schrecklichen Geschichte an sich trägt und nicht los wird. Ein Teufelskreis.

Ein gebuertiger Hesse

10. Juni 2020 14:53

Auch noch zum Begriff "Neger": http://www.pi-news.net/2020/06/rassismus-hbo-streicht-film-epos-vom-winde-verweht/

Es war eine Frage der Zeit. Nun werden brachial Bestände unserer kulturellen Weltaneignung abgeräumt. Dinge, mit denen wir großgeworden sind und die wir ohne Not nie würden loswerden wollen. Ich kann mich nicht erinnern, es schon mal mit so einer Vernichtung des Selbstverständlichen zu tun gehabt zu haben.

Und hier geht es um einen Film, der 7,2 Milliarden eingespielt hat und das kommerziell erfolgreichste Werkt der Kinogeschichte ist. Damit dürfte eine ganze Welle der nachträglichen Filmzensur losgetreten werden.

Ein Kleinkrimineller und Gewohnheitsverbrecher ist bei einer Polizeiaktion zu Tode gekommen? Man möchte darauf mit Clark Gable antworten: "Frankly, my dear, I don't give a damn."

Laurenz

10. Juni 2020 14:57

@Maiordomus

Die Passion, die Leidenschaft wird zwar auch von manchen Frauen gelebt, aber meist von Männern.

Wie viele Kolleginnen haben Sie selbst und wie viele Kollegen, die Sich in Ihren persönlichen Leidenschaften auskennen? Frauen arbeiten mehr als Männer, Männer reden lieber über Arbeit. Frauen sind vielseitiger, besser organisiert, usw. und sofort. Wer eine Leidenschaft lebt, bei dem bleibt der Alltag auf der Strecke. Passionierte sind meist auf die Unterstützung von Nicht-Passionierten im Alltag angewiesen, in der Mehrzahl Frauen.

Das gilt auch für Wissenschaftler jeglicher Couleur.

Hier eine extravagante Ausnahme, SKOW, die einzige weibliche und sehr charmante Deep-Purple-Tribut-Schager-Truppe der Welt aus Italien https://youtu.be/2Oi4LWGrwTI

Nicht, daß es den Tifosi-Damen an männlicher Aggressivität fehlte, die man bei dieser Musik braucht, aber es erscheint explizit bei dieser Musik befremdlich, weibliche Bewegungsabläufe und Gestalten zu sehen. Sieht aber eindeutig besser aus, als alte weiße Männer, zugegeben, nicht? Natürlich spiegeln sich bei diesen Musikerinnen ebenso ähnliche Emotionen auf den Gesichtern wider, wie bei männlichen Kollegen, aber es unterscheidet sich trotzdem. Diese Musikerinnen nehmen Ihre "Arbeit" viel ernster als männliche Kollegen und legen eine ähnliche weibliche Akribie an den Tag, wie beim Putzen, was Männer einfach so nicht können. Dadurch entfernt es sich allerdings weg von der Kunst hin zur Arbeit.

Laurenz

10. Juni 2020 15:11

@Maiordomus @Laurenz

Ich glaube Ihnen das sofort auf's Wort, und es verbleiben keine Zweifel. Das wenige, was in meinem Hirn vom Großen Latinum übrig geblieben ist, weiß natürlich, daß Latein nicht nur antik -, sondern aus dem Wissens-Monopol Kirche/Kloster des Mittelalters geprägt ist, und es ist gut, daß wir Sie haben, um uns diesbezüglich zu "erhellen". 

Der Unterschied (zwischen Sommerfelds Neo-Dissen und Diskreditierung) ist mir natürlich bewußt. Aber wenn es um Macht geht, gibt es keine Bandagen an den Ellbogen. Ist das in der Philosophie oder gerne auch Philologie anders? Ich denke nicht, aber lasse mich gerne überzeugen.

Ich erachte es als Fehler oder auch einen Irrtum, wenn Konservative meinen, sich eines gewissen Anstands im politischen Umgang befleißigen zu müssen. Privat kann man das so handhaben, aber doch nicht in der Öffentlichkeit. Hier geht es einfach um die Wurst, und wie in der Liebe und im Krieg, ist alles erlaubt, um den politischen Gegner virtuell zu zerstören und real mundtot zu machen. Und da wir hier öffentlich debattieren, ist der virtuelle, sachbezogene Todesstoß auch auf persönlicher Ebene legitim.

RMH

10. Juni 2020 15:24

@zeitschnur,

Bei uns kippte das Wort Neger eigentlich nie ins Negative. Insbesondere in Süddeutschland war es ein neutrales, allgemein übliches Wort. Das erklärt ja gerade auch, warum viele, insbesondere Ältere, ihre Probleme mit der recht plötzlich und künstlich erfolgten Verdammung des Begriffs hatten und haben. "Nigger" habe ich zuerst über die in meiner Heimat stationierten GIs vernommen, das Wort kam im heimischen, örtlichen Gebrauch nicht vor. Wir Einheimischen nannten hingegen alle US Soldaten spöttisch "Zupfer", was die nicht so mochten ...

quarz

10. Juni 2020 16:15

@RMH

Im frankophonen Afrika bekannten sich sogar viele schwarze Wortführer stolz und selbstbewusst zur "Negritude", wodurch der Ausdruck mit durchaus positiver Konnotation aufgeladen wurde.

Es blieb, wie in ähnlich gelagerten Fällen, intriganten weißen "Influencern" vorbehalten, in stetiger semantischer Wühlarbeit eine strategische Umwertung voranzutreiben, um danach ihre Anklage gegen den "weißen Mann" am Endprodukt derselben aufzuhängen.

zeitschnur

10. Juni 2020 16:23

@ RMH

Ich bin reine Süddeutsche - das kippte eben mit dem intensiven Kontakt mit den Besatzern. Onkel Toms Hütte kannte jeder ... und da kamen auch die "Nigger" vor ... und Martin Luther King auch. Und dass die Deutschen gerade sensibilisiert worden waren für Rassismus durch ihre eigene Geschichte, kam als Motiv, das viele sehr ernst nehmen, meinetwegen zu künstlich, hinzu.

Mein Problem mit dem Begriff habe ich oben erklärt - es ist ein hilfloser Begriff für einen Entwurzelten und Erniedrigten. Bei einem afrikanischen Menschen hebt man weniger auf den "Schwarzen" ab, als auf dessen Stamm oder Heimatland ("ein Kenyaner", ein Hutu, ein Pygmäe, ein Kongolese, ein "Westafrikaner"...). Bei Südafrika sagt man es meist nicht einmal direkt dazu, ob ein Weißer oder Schwarzer - ein Südafrikaner eben. Und auch die Kennzeichnung eines Weißen als "deutscher Jude" im Ggs zum "Deutschen", nahm man erst nach dem NS bewusst vor.

Gemeinhin nimmt man am ehesten zu Oberbegriffen Zuflucht, je weiter man entfernt ist von etwas.

Ich meine damit: es gibt völlig verschiedene Sprachkonventionen beim Unterscheiden, und man müsste sich auch jede einzelne vornehmen, wenn man sie gerecht beurteilen will und solche, die beleidigend und schmähend sind, vermeiden will.

Maiordomus

10. Juni 2020 16:51

@quarz. Danke für den sehr wertvollen Hinweis mit Nennung eines verstorbenen forschenden Weggefährten aus St. Gallen, dessen Stärke die Philologie von Gebetstexten aren.  Discrimen ist in der Tat ein altes gängiges Wort in diesen Texten, das mir aber in der von Ihnen vermittelten Bedeutung so nicht bekannt war. Es gab damals übrigens viel weniger, aber dafür gewichtigere Wörter, die sozusagen noch "Worte" waren. Selber traue ich mir über das Althochdeutsche eher mehr zu als über das Lateinische, ohne das aber in der Regel die althochdeutschen Sprachbemühungen wenig verständlich bleiben. "Dis"ist auf jeden Fall ein Präfix mit negativer, verneinender Aussage.

t.gygax

10. Juni 2020 17:32

Es sind völlig verrückte Zeiten.

Das Wort "Neger" habe ich völlig wertfrei bis 1974 gehört, dann sagte mir ein evangelischer Jugendreferent , das dürfe man nicht sagen, es sei rassistisch. Ich war ziemlich verblüfft mit 17 Jahren. "Nigger" kannt ich nur von Mark Twains "Huckleberry Finn" ( übrigens eine spannende und sehr interessante Lektüre auch für Erwachsene) und einmal erzählte die Englischlehrerin von den USA und warnte uns " wenn Sie dort sind :sagen Sie dieses Wort nie! Die werden fuchsteufelswild....."

1979 in Tübingen, eine Bekannte studiert Anglistik und hat Lehrveranstaltungen über Landeskunde der USA. Die zwei Professoren , die das Begleitbuch für das Seminar verfasst hatten, schreiben im Vorwort , dass sie selbstverständlich das Wort " negroes" verwenden, denn so würden sich die Leute in Amerika selbst (!)  bezeichnen, Worte wie "black people" etc. würden dort abgelehnt.

 

Die Zeiten haben sich wahrlich geändert, aber besser ist nichts geworden durch die neuen Sprachregelungen......

 

Nebenbei: in der süddeutschen Provinzstadt , in der ich aufwuchs, hatten meine Eltern ca.1966 Besuch eines jungen Ingenieursstudenten aus Afrika, der in einem dort ansässigen großen Werk ein Praktikum machte.  Eine ganze Woche lang war dies d a s Gesprächsthema in meiner Grundschule 3. Klasse " bei denen ist ein Neger gewesen....."

Wie sich die Zeiten ändern, heute unvorstellbar.

Maiordomus

10. Juni 2020 17:40

Der halbamtliche Agitations-Mainstream, mit dem ich jedesmal, wenn ich das für mich für Mails schwer wechselbare Portal "Bluewin" öffne, mit Schrottpropaganda fäkal angemacht werde, äusserte in der täglichen "Rassismus"-Kampagne, in Amerika sei die Lebenserwartung der Schwarzen gut 3 Jahre kürzer sei als die der Weissen. Ein "Beweis" für "Diskriminierung")  Es fiel mir auf, weil Esther Vilar, die alternative frauenkritische Feministin, in einem ihrer Hauptwerke der 70erJahre (Haupttitel: "Der dressierte Mann") sich zur Formulierung verstieg: "Die durchschnittliche amerikanische Hausfrau überlebt ihren Ernährer um 5,5, Jahre" (gemeint in der Lebenserwartung, nicht weil sie oft jünger ist als der Mann). Sollte letzteres stimmen, was Vilars Meinung war betr. bürgerliche Wohlstandsehe vor 50 Jahren, fand eine vielmillionenfache Ausbeutung und Diskriminierung des Mannes statt. "Millionenfach" stimmt garantiert, wiewohl nicht zu pauschalisieren. Von einem Aufstand der "diskriminierten" Männer hat man aber nichts gehört. Nach dem Schema der Antirassisten wäre der durchschnittliche US-Mann porportional stärker diskriminiert als durchschnittliche Schwarze. Die Rechnungen dienen indes zur ideologischen Munitionierung der Diskriminierungsthese.

Niekisch

10. Juni 2020 18:09

Kann mir einer erklären, warum wir uns hier ständig mit den Begrifflichkeiten der Gegenseite herumschlagen, ja sie sogar noch verstärkt benutzen wollen - Diskriminiert mehr!-? Stärken wir sie, die Gegenseite damit nicht noch mehr? Sollte nicht auch der Schmittsche Freund -Feind-Gedanke allmählich durch uns und unsere Art beschreibende, positive Bilder abgelöst werden? Werden wir uns eher durch die Beschäftigung mit dem Anderen als mit dem Eigenen stärken und behaupten? 

Müssen wir nicht das "Werde, wer Du bist" durch ein "Bleibe, wer Du bist" fortsetzen statt der Prämisse nachzugehen "Wie anders ist der Andere als ich und warum ist er anders"? 

RMH

10. Juni 2020 18:23

Ja, klar, in der Literatur kam das Nig.-Wort natürlich vor (bspw. insbes. bei dem von mir in jungen Jahren sehr gern gelesenen Jack London), aber im Alltagssprachgebrauch habe ich persönlich das zum ersten mal bei den GIs wahrgenommen, die übrigens nach meiner Beobachtung rassemäßig jeweils ziemlich unter sich geblieben sind. 

Apropos Jack London: Seine Kurzgeschichte "Der unvermeidliche weiße Mann", in den Südseegeschichten veröffentlicht, passt ein bisschen zum Thema ...

zeitschnur

10. Juni 2020 18:27

@ Maiordomus

Discrimen steht im Stowasser als klassisches Wort. Es geht dabei wohl sehr stark auch um das Erreichen einer Grenze, also beim discrimen leti (Rand des Todes), oder auch als Gipfelpunkt, Krisis, in discrimen venire etc. In der Musik ist discrimen das Intervall. Ein Begriff mit weitem Bedeutungsfeld und v.a. einer sehr langen und fließenden Begriffsgeschichte.

Nehmen wir an, dass ein Sich-Zuspitzen in diesem Begriff mitschwingt, dann eröffnet es uns vielleicht, warum dieser Begriff uns als er selbst vor Augen führt, welch ein gefährlicher und sensibler Vorgang "Diskriminierung" ist: zu schnell hat man sich dabei vertan, eine Krisis hervorgerufen.

zeitschnur

10. Juni 2020 18:37

Um mal wieder auf den Artikel selbst zu kommen, frage ich mich, ob eine sinnvolle Unterscheidungspraxis nicht ganz bestimmte Voraussetzung braucht, die wir leider nicht haben.

Das viele Geplänkel über Diskriminierung und Antidiskriminierung kann doch nicht drüber wegtäuschen, dass wir letztendlich alle gezwungen werden, irgendwie so oder so zu sein, gleich woher wir stammen. Das geht seit Jahrzehnten so, exponentiell wachsend. Sprachbausteine, Kleidervorschriften, Sexzwang, Unterwürfigkeit und Akklamationsdruck für Schwachsinn. Der Gipfel ist derzeit der C-Zirkus, der auch noch die letzte unverwechselbare Individualität, nämlich das Gesicht, hinter den Rattenmundschutz zwingt und uns alle schikaniert und belästigt, wenn wir uns nicht gegenseitig diskriminieren - mit mindestens 150 cm Abstand, weil wir alle Virenschleudern sind, obwohl seit Wochen alle kerngesund sind. Die C-Krise ist für mich der gigantischste Diskriminierungshoax forever, und alle machen das mit, wenige unter Zwang und Erpressung (wie ich), viele freiwillig, weil sie gläubig sind und ihre eigene Diskriminierung dankbar annehmen: endlich wissen sie, wo es langgeht. Und es ist herzlich gleich, ob man weiß oder schwarz ist, werden wir wach, schauen wir das Straßenbild an: Integration klappt jetzt unterm ratface.

Lumi

10. Juni 2020 20:00

@Caroline Sommerfeld - Dissen kommt übrigens nicht von discriminate, sondern von disrespect. Also auf deutsch - warum nicht? - despektieren. Von wegen Rap und Respekt und der ganze Firlefanz. Aber das wußten Sie wahrscheinlich auch. 

https://www.merriam-webster.com/dictionary/dis

Kommentar Sommerfeld: Nein, das wußte ich nicht. Noch eine Anekdote: Einer meiner Söhne hat mich einmal vor Jahren, als ich das Wort "Respekt" verwendete, angestarrt, sodaß ich fragte, was los sei. "Respekt ... ist doch ein Schimpfwort! Oder?" Es stellte sich heraus, daß er es am Rande des Fußballkäfigs in der Verwendung: "Respekt, Oida!" gehört hatte und dachte, es hieße sowas wie "du alter Blödmann" ...

Laurenz

10. Juni 2020 20:21

@zeitschnur

etwas profaner das ganze Negertum .... auch einer aus dem Süden, Harald Schmidt. https://youtu.be/HZZNcyykiog (06:31) ab ca. 00:20

Im Lateinischen heißt (glänzend) schwarz, schwarze, schwarzes - niger, nigra, nigrum. Negride oder Negroide sind einfach Schwarze, so wie wir Weiße sind. Harald Schmidt sagt es deutlichst. Neger ist einfach die eingedeutschte Sprachform. Gegen den Begriff "Palefaces" gab es auch noch keine Demo. Warum? Weil es wahr ist. Wir sind Weiße.

Lumi

10. Juni 2020 20:25

@Neger - Der Nachbar, 78 Jahre alt, sagt: Früher mußte man Neger sagen - wenn man Schwarzer sagte, dann war das abwertend! Seit ich das weiß, benutze ich auch wieder das Wort Neger.

Die erste Erfahrung in dieser Hinsicht hatte ich als kleiner Junge bei einem Ausflug nach Hamburg, wo ich zum ersten Mal einen Neger oder Schwarzen sah und mit dem Finger auf ihn zeigte, wie kleine Kinder das nun mal so machen, wenn sie was Neues oder Interessantes sehen. Woraufhin mein Vater meinte, jaja, eben aus Afrika, schwarze Haut, aber nicht mit dem Finger auf ihn zeigen, das könnte er als unangenehm empfinden.

@Laurenz, danke für das SKOW Video.

Maiordomus

10. Juni 2020 21:33

@zeitschnur. Klar sind discernere und discrimen klassisches sowie immerwährendes Latein, mit Bedeutungsfächerung, wenn freilicht nicht gerade wie "ratio", das im Menge-Güthling  den Rekord hält.  Als Volltreffer zu denken gibt Ihr Ausdruck "Akklamationsdruck für Schwachsinn". Hier sollte man stark bleiben, wiewohl es vielfach Karriereverbot bedeuten kann. Das mit Ihrem Grossen Latinum möchte ich, @Laurenz, gern mit Respekt zur Kenntnis nehmen. Es ist aber mit diesen Sprachen leider so, dass ihre Pflege wie das Klavierspiel eigentlich nie aufhören darf, wenn es denn weiterklingen soll. Es ist aber ein gewaltiger Unterschied, dieses Grosse Latinum mal geschafft zu haben als ganz ohne auszukommen. Ich  meine dies im Hinblick auf das Verständnis der westeuropäischen und teils mediterranen Kultur bis hin zu "Latein"-Amerika, was natürlich der Name eines westlichen Imperiums bleibt. Natürlich hätte man Südamerika und Afrika zur Vermeidung von Kapitalismus und  Bevölkerungs-"Explosion" quasi "auf den Bäumen" belassen können, aber ab einem gewissen Zeitpunkt war dies nicht mehr möglich.

zeitschnur

10. Juni 2020 23:47

By the way übrigens, so äußern sich schwarze Amerikaner über BLM, very interesting and a clear sighted view on things: https://www.youtube.com/watch?v=PLuJa9X21PE&feature=youtu.be

 

Andreas Walter

11. Juni 2020 04:37

Zum besseren Unterscheiden bedarf es allerdings einiger Fähigkeiten und Voraussetzungen, die nicht jedem gegeben sind.

Es geht der Internationale daher um Inklusion, jedoch nicht um Integration. Auch das ist bezeichnend. Parallelgesellschaften sind daher sogar erwünscht beziehungsweise werden nicht als Problem gesehen.

Die EU, die VSA, die Sowjetunion, das Deutsche Reich, vermutlich auch schon das Empire und die Grande Nation, fast jede Grossmacht von Bedeutung in den letzten 250 Jahren trägt darum bereits ihre Handschrift, ist auch auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Seit dem Zusammenbruch der SU und damit auch des Ostblocks scheint allerdings einiges durcheinander gekommen zu sein, mit Putin als (vorerst) “endgültigem“ Abschluss.

Das konnte zwar durch massive Personalverschiebung auch in die VSA, nach Kanada, Australien und Europa, hier hauptsächlich nach Deutschland, etwas ausgeglichen werden, doch der Kontrollverlust über den Ostblock wiegt immer noch schwer.

Was ich als Ost-West-"Polsprung" bezeichne, war ja ursprünglich so nicht vorgesehen, doch auch die Asiaten sind eben nicht blöd. Lassen sich darum auch nicht so leicht Inkludieren, über den Tisch ziehen. Ob das aber tatsächlich auch mit La Raza klappt, mit den Wakandas und den Gesandten Allahs, daran habe ich auch noch so meine Zweifel. In Gefahr sind derzeit darum hauptsächlich wir, die sich gegen "das Experiment" wehren.

 

Laurenz

11. Juni 2020 06:59

@Andreas Walter

So ganz habe ich Ihren Beitrag nicht verstanden.

Aber was die sowjetische Geschichtsschreibung angeht, so hatte sich in Rußland nur kurzfristig etwas verändert. Seit der Machtübernahme Putins ist sowjetisch-stalinistische Geschichtsschreibung in Rußland wieder angesagt. Man meint wohl dem russischen Volke etwas anderes nicht zumuten zu können. Auch wenn desöfteren, solange es die Russen selbst nicht betrifft, in RT und Sputnik gute Artikel kommen, so wird jeder Zweifel am Ruhm der Sowjetunion weg zensiert. Desweiteren haben sich die sowjetischen Beziehungen der Russen zur SED-Nachfolge-Partei Die Linke bestens frisch gehalten. 

links ist wo der daumen rechts ist

11. Juni 2020 08:17

Unterschiedenes ist gut

 

Das Dilemma eines Großteils der „Linken“ ist, daß sie das von ihr erkannte Verschiedene (Diversity) in einem Einerlei (Vielfalt) versammelt sehen will; d.h. Verschiedenheit dürfe zu keiner Benachteiligung führen. Aber dieses Einerlei wiederum kann allein nicht identitätsstiftend sein.

Werden diese Widersprüche zu groß, ersetzt man etwa eine „Gleichbehandlungskommission“ gern durch den mittelalterlichen Pranger.

 

Das Dilemma eines Großteils der Rechten ist, daß sie bei der Benennung von Unterschieden das Vermögen zu urteilen mit der Fähigkeit entscheiden zu müssen verwechselt.

Geht es nun um die Macht der Unterscheidung oder die Festschreibung des Unterschiedenen?

Allerdings setzt hier nicht ein anlaßbedingter Partikularismus einen unhaltbaren Universalismus (wie oben skizziert) außer Kraft, sondern man feiert beständig seine „Wut auf das Abstrakte“, wie das – nach Sibylle Tönnies – für die Intellektuellengeneration der 20er Jahre links wie rechts gang und gäbe war.

Linke wie Rechte berühren sich nun darin, daß sie eben keine Veranlassung sehen, ein Loblied auf die Urteilskraft anzustimmen.

Die einen verleugnen/verraten ihren Universalismus, die anderen (er)kennen die Wurzeln ihres Partikularismus nicht.

Der – intellektuelle – Rest feiert dann ohnehin die Zone des Ununterscheidbaren.

zeitschnur

11. Juni 2020 12:53

@ links daumen etc.

Sehr guter Beitrag, der letzte in diesem Strang von Ihnen. Zustimmung!

Maiordomus

11. Juni 2020 14:22

@links. Es war in der Tat einer der besten Blogbeiträge überhaupt in letzter Zeit, zumal was die Kosten und Nebenkosten der Diversity betrifft, die dann am Ende trotzdem als eine Art Unity gehandhabt wird. Das ist und bleibt nun mal ein unlösbarer Widerspruch.

Als ehemaliger Philosophielehrer und Kenner der Hegelschen Rechten so wie des rechten Flügels des deutschen universalistischen romantischen Idealismus (Fichte = hochidealistischer "Marx" der Deutschnationalen , für mich schon als Doktorand mal ein Thema) kann ich nur zum x-ten Mal wiederholen, das der Gegensatz rechts - links nicht auf Partikularismus und Universalismus reduziert werden kann; da liegen lediglich geistesgeschichtliche Schnittmengen vor. Die ständige Wiederholung von Missverständnissen und das Sich-Verrennen in rein schematisches Denken lässt sich weder politisch noch metapolitisch gebrauchen, was ich u.a. gegenüber Sellner gelegentlich anmahnte.

 

links ist wo der daumen rechts ist

12. Juni 2020 00:56

Parzival und Feirefiz 1

 

@ zeitschnur @ Maiordomus

Dank für eure Zustimmung.

Viel kann man ja nur skizzieren.

Das Gegensatzpaar Partikularismus – Universalismus als intellektuelles Problem mit politischen Folgewirkungen könnte man natürlich auch als die deutsche Frage der letzten 200 – 250 Jahre betrachten.

Friedrich Meinecke hat ja in seinem „Weltbürgertum und Nationalstaat“ dem sein Hauptaugenmerk gewidmet.

Die „Ideen von 1914“ haben dann buchstäblich den Frontverlauf gezeichnet.

 

Aber die Hauptfrage war natürlich schon davor, inwieweit Grenzen transzendiert werden können oder müssen.

Als eines der zahlreichen historischen Vorbilder fungiert dann meist jemand wie Friedrich II. von Hohenstaufen, wobei die angesprochenen Fragestellungen zu bloßen Haltungen wie Toleranz oder Weltoffenheit verkürzt werden.

ff

links ist wo der daumen rechts ist

12. Juni 2020 00:58

Parzival und Feirefiz 2

 

Und wenn wir schon in der Zeit sind: neulich habe ich mich nach einem bestimmten Hinweis in der Sekundärliteratur wieder der Lektüre von Wolfram von Eschenbachs „Parzival“ gewidmet. Konkret ging es um die Figur des Feirefiz. Parzival begegnet auf dem Weg zur Gralsburg einem dunkelhäutigen muslimischen Ritter. Es kommt zum Zweikampf, P. unterliegt, wird aber verschont. Im Verlauf des folgenden Gesprächs stellt sich heraus, daß F. der verschollene Halbbruder P.s ist (gezeugt von seinem Vater auf einem Kreuzzug mit einer „Mohrenkönigin“). Folgerichtig aus damaliger Zeit tritt F. zum Christentum über.

Zum Vergleich: das berühmte „Rolandslied“ mag heute nicht zu Unrecht mit den gegenwärtigen oftmals zur Propaganda verkommenen Lagebeurteilungen im rechten Lager verglichen werden.

Bleiben wir doch in dieser Zeit und stellen die Frage, wie denn diese alten Texte in unsere Zeit kommen:

Der große Werner Hamacher hat sich in einem Aufsatz zum Problem des Übersetzens Rudolf Borchardts Übersetzungswerk von Hartmann von Aues „Armen Heinrich“ gewidmet und kommt zu folgendem Schluß:

Die Übersetzung, wie Borchardt sie versteht und praktiziert, fördert nicht den Einzug des vergangenen in das aktuelle Deutsch, sondern die Rückkehr des aktuellen ins vergangene. Sie versucht in jedem Sinn des Wortes eine Repatriierung [!], eine Rückkehr zu den Vätern [!] und eine Heimkehr ins Land der Herkunft [!]zu sein.

ff

links ist wo der daumen rechts ist

12. Juni 2020 01:05

Parzival und Feirefiz 3

 

Aber zurück zu aktuelleren Problemen:

Fragt sich niemand ernstlich, warum die nicht wenigen Nachfahren eines Feirefiz ausgerechnet ins gelobte Land „Germoney“, zu den nicht wenigen Nachfahren Wolframs und Hartmanns kommen wollen, während hier doch fast im Stundentakt die „Wehret den Anfängen“-Prozessionen stattfinden…

Dabei müßte doch auch dem einfältigsten Zuzügler klar sein, daß nicht einmal hier das Geld auf den Bäumen wächst, sondern wirtschaftlicher Erfolg (über den volkswirtschaftlichen Weg der letzten 20 Jahre kann man streiten) natürlich auch mit der charakterlichen Eignung eines Volkes zusammenhängt.

Aber ein - heute symbolisch gemeinter - Übertritt zum Christentum findet nicht mehr statt…

 

Zum „Lob der Urteilskraft“ ein andermal.

Gracchus

12. Juni 2020 01:18

@links: Danke für das Hölderlin-Zitat! Damit hatte ich auch einleiten wollen, aber bemerkt, dass mein Kopf es falsch abgespeichert hatte ("Geschiedenes ist gut") und ich's deshalb nicht mehr finden konnte.

Was Sie dem rechten Denken ankreiden, verstehe ich nicht ganz; ich verstehe aber womöglich nicht, worauf rechtes Denken abzielt.